Читать книгу Die Stadt unter dem Meere - Joseph Delmont - Страница 16

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m Dome Nummer 9 ging es lebhaft zu.

Die zwei Fußballmannschaften in ihrem Sportdress bereiteten sich auf ihren Match vor.

Auf den Kegelbahnen herrschte ebenfalls großes Treiben.

Die Ingenieure und Maschinisten machten starken Lärm.

Ganz im Hintergrunde des Domes befand sich ein hohes Drahtgitter mit vielen Abteilen.

Im größten, rechtsliegenden Raume scharrten viele Hühner im kalkigen Sande. Sie bevölkerten zwei Volieren. Einige ausgewachsene Hähne suchten sich im Krähen zu überbieten. Ein junger Hahn machte einen lächerlichen Stimmversuch.

Neben dem Hühnerhofe stand eine lange Reihe von Kaninchenställen in drei Etagen.

Auch diese Tiere hatten ihren Auslauf.

Möller hantierte mit Reimer und Schröder an den Käfigen herum.

„Es gibt wieder 22 gute Kaninchen für die Kombüse morgen, Herr Kapitänleutnant!“ rief Möller den herankommenden Offizieren zu.

Mader und Ulitz, denen sich noch einige Herren angeschlossen hatten, traten näher.

Die im Laufe der letzten Nacht und heute Vormittag mit ihren U-Booten eingelaufenen Offiziere interessierten sich sehr für den ganzen Betrieb. Insbesondere die Herren, die zum ersten Male die „Stadt unter dem Meere“ besuchten. „Döbel, lieber Junge,“ rief Ulitz einem baumlangen Leutnant zu, „wenn du wieder mal unser infernalisches Paradies besuchst, das heißt, wenn du zuvor nach der Heimat kommst, dann lasse dir von meiner Mama ein Kälblein schenken. Wir müssen uns eine Kuh hier anschaffen. Ich habe die ewige Ziegen- und Kondensmilch schon mehr als satt.“

„Erst muss ich dazu die Erlaubnis von unserem Herrn Kommandanten haben,“ gab Döbel zurück.

„Ist gegeben, meine Herren,“ gab Kapitän v. Görbitz, ein untersetzter Herr mit rotem Haar, jovial zurück. „Natürlich, wenn wir den Vogel, das heißt das Milchtier, von Ihrer Frau Mama erhalten können. Sie scheinen vergessen zu haben, dass alle irdischen Güter dieser Art in unserer Heimat unter besonderer Aufsicht stehen.“

„Herr Kapitän, so wie ich meinen Freund Döbel kenne, wird er das Tierchen in einem unbewachten Augenblick in seiner Handtasche verschwinden lassen. Also, lieber Freund, ohne Kalb das nächste Mal keine Einfahrt . . .“

Nebenan hörte man jetzt ein klägliches Meckern.

Schröder öffnete die Stalltüre und zehn Ziegen mit drei Zicklein drängten ins Freie.

Mader trat in den eingezäunten Raum und streichelte die Tiere.

Eigentümlicherweise gediehen auch alle Vierfüßler in der Höhlenstadt vortrefflich.

Mit Ausnahme von Dom 1 herrschte in den Höhlen eine angenehme, stets gleichmäßige Wärme. Die Luft war weder zu trocken, noch zu feucht. Dass alle Höhlen tagsüber gleichmäßig sehr hell erleuchtet waren, kam am meisten dem Hühnervolk zugute. Die meisten· dieser noch jetzt lebenden Tiere, mit Ausnahme einiger Veteranen, hatten den Begriff „Tageslicht“ vollkommen verloren. Wenn abends um 7 oder 8 Uhr die Lichter nach und nach in Dom 9 erloschen, gingen die Hühner zur Ruhe, und wenn morgens die Köche das Licht einschalteten, das auch Dom 9 versorgte, dann kamen die Hühner aus ihren Verschlägen. Die Hähne krähten „nachts“ in den seltensten Fällen.

Durch die stete Sommerwärme und die Einwirkung des starken Lichts legten die Hühner mit kurzen Unterbrechungen das ganze Jahr.

Möller hatte Brutkästen mit elektrischen Heizkörpern angefertigt, so dass die Hennen nicht durch Brüten vom Legen abgelenkt wurden. .

Den jeweiligen Verpflegungssendungen für die Höhlenbewohner gab man immer eine genügende Menge frisches Gemüse, sowie Fleisch und Futterstoffe mit.

Es hatte große Mühe gekostet, dies zu erreichen; doch die Eingabe Maders wurde durch die ärztlichen Gutachten Katzbergs und seiner zwei Assistenten bekräftigt, da bei steter Konservenkost der Ausbruch von Krankheiten, insbesondere Skorbut, befürchtet werden musste.

Im allgemeinen ließ der Gesundheitszustand wenig zu wünschen übrig. Anfangs, das heißt, in den ersten vier Wochen, spürte man überhaupt nichts; nachher erst wurden manche Leute von einer seltsamen Krankheit befallen. Sie bekamen plötzlich Atemnot, verfärbten sich und verrenkten die Arme stark nach rückwärts. Dann trat Ohrenbluten ein. Die Krankheit erinnerte in manchem an die „Bent“, die Caissonkrankheit, von der die in Caissons unter Wasser arbeitenden Männer befallen werden, wenn man sie zu rasch ausschleust. Viele sterben daran. Die Wissenschaft steht noch heute bei der „Bent“ einem Rätsel gegenüber.

Von den in der Höhle unter diesen Erscheinungen Erkrankten war zwar noch niemand gestorben; doch mussten schon mehrere Mann nach Hause geschickt werden, da sie immer mehr von Kräften kamen. In der Sonne erholten sich die Leute in kurzer Frist.

Viel schlimmer war es mit denen bestellt, die infolge des gänzlichen Abschlusses von der Oberwelt und vom Tageslicht, sowie durch die sexuelle Enthaltsamkeit ln Melancholie verfielen.

Es waren schon vier Fälle dieser Art vorgekommen, von denen einer mit Tobsucht geendet. Der Unglückliche hatte im See von Dom 1 Selbstmord begangen.

Sonst herrschte unter der ganzen Besatzung Zufriedenheit und ein den Lebensbedingungen nach guter Stand des Wohlbefindens.

Blass und weiß waren die Gesichter alle durch den Mangel an Tageslicht.

Die Verpflegung war ausgezeichnet.

Die einlaufenden U-Boote brachten von den versenkten Schiffen alle möglichen Dinge mit. Niemals herrschte Mangel.

Die Mannschaften arbeiteten täglich zehn Stunden.

Zwei Stunden, und zwar mittags von ein bis zwei Uhr und abends von acht bis neun Uhr, war „Korso“, das heißt, in diesen zwei Stunden durfte niemand sitzen, sondern jeder musste sich im Dom 9 Bewegung machen. Es wurde geturnt und Fußball gespielt, damit der Körper nicht die ihm nötige Bewegung entbehre.

Zweimal wöchentlich konzertierte eine Kapelle, die sich aus zwölf Mann der Besatzung gebildet hatte. Außerdem krähten und krächzten abwechselnd Grammophone. Ein Maurerklavier, oder, wie der schnoddrige Berliner Koch, der Stübbecke, sagte, eine Quetschkommode, gab den zwei Gigerln der Besatzung, Lehmann I und Hansen, Gelegenheit, ihre neuesten Schieber zu tanzen.

Der Schrittenbacher Max, ein Feinmechaniker ersten Ranges aus Feldafing in Bayern, hatte einen Gesangverein gegründet und in Stimmung gebracht. Dieser Max plattelte, wenn Stübbecke ihm den „Holtauer Doppelschlag“ auf der Ziehharmonika vorspielte.

Überhaupt der Schrittenbacher Maxl! Er war ein kreuzfideles Haus und hatte stets die Lacher auf seiner Seite. Jeden Sonnabend gab es Bier. Da war der Maxl schon drei bis vier Tage beim Korso äußerst beschäftigt, einigen Nichtbiertrinkern ihr „Quantum“ abzuschachern. Maxl versprach, zu singen, zu tanzen und die schönsten Dinge aus seinen Liebesgabenpaketen. Obwohl es verboten war, mehr als einen Liter Bier pro Kopf zu erhalten, hatte der Maxl immer sechs bis sieben Liter für sich versteckt. Betrunken wurde er nie, nur äußerst lustig.

Er brachte Stimmung in die ganze Besatzung.

Mader musste immer wieder schmunzeln, wenn er an eine unfreiwillig belauschte Unterhaltung zurückdachte.

Maxl saß mit einigen Kameraden „Am Wasserfallhügel“ bei der „Hexe“ und hielt einem der Melancholie verfallenen Metalldreher eine Standpauke:

„Hanswurst, damischer, du Mordsrindviech! Ja, den schaug an. Ja, was war denn dös? Oh Bluatsau! Tat der Hanswurscht woana, weil er nöt bei seiner Alten kunnt sei. Ja, Hergottsakra! Bluatiger Heanadreck! Wart, i nim zerscht an Schmalzler, damit’s mar net de Red verschlagt. Ja fei, grad fei g’schluchzt hab i, wie i g’hört hab, dass a Kommandierung gibt, wo ma koan Urlaub nit kriagt. Woaßt, i mag s‘ scho, mei Alte, — aber manchmal muss i ihr scho oane in d’Letschen eini hau’n, damit s’ a Ruah gibt. A guts Wei is, aber sie gibt eahnder koan Fried, bal i ihr nöt oani einihau. Ja moanst, dass sie sich dös g’fallen lasset? Oh mei, gar koa Idee von oaner Gspur. Was s’halt grad derwischt hat, hat s’ ma am Schädel g’haut. Sie is halt a bisserl gach, aber a guats Wei is. Wie i z’letzt furt ganga bin, hat’s gwoant; i hab’s tröst und do hat’s ma, wie i scho in der Tür g’standen bin, was nachg’schrian. I hab mi umdraht, hab zurückg’schrian: „Du mi a!“ dann bin i mit schwerem Herzen furtganga. — Juchhuuuuuu! Du Mordshammel du, jetzt hörst fei glei auf z’groana oder i stirr dir oane ins Gletsche.“

Mader vermochte sich schwer in die Psyche dieses Menschen hineinzufinden. Er konnte niemals an Maxl vorbeikommen, ohne an das belauschte Gespräch zu denken.

Einmal war der Schrittenbacher zum Rapport befohlen und Mader war gezwungen, ihn abzukanzeln.

Der Maxl stand mit todernstem Gesicht dabei Als er abtreten sollte und schon an der Türe war, rief ihn Mader zurück.

„Schrittenbacher — ich weiß, was Sie sich jetzt an der Türe gedacht haben!“

„Kunnt scho sei, Herr Kapitänleutnant.“

„Abtreten.“

Die Stadt unter dem Meere

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