wörter-liebe

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Автор книги: id книги: 1982198     Оценка: 0.0     Голосов: 0     Отзывы, комментарии: 0 1273,37 руб.     (13,87$) Читать книгу Купить и скачать книгу Купить бумажную книгу Электронная книга Жанр: Языкознание Правообладатель и/или издательство: Bookwire Дата добавления в каталог КнигаЛит: ISBN: 9783991073956 Скачать фрагмент в формате   fb2   fb2.zip Возрастное ограничение: 0+ Оглавление Отрывок из книги

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Описание книги

Max und Leni beginnen übers Internet, miteinander Wordox zu spielen. Auf spannende Spiele folgen aufregende, wie gefühlvolle Dialoge im Chat, bis die beiden es nicht mehr erwarten können, sich zu sehen. Sie lebt in Wien, er in Köln, daher treffen sie sich in der Mitte. Ihre erste Begegnung ist für beide ein weltveränderndes Erlebnis. Anschließend werden viele Städte Schauplatz ihrer Leidenschaft. Es wird mehr daraus, als die beiden dachten, obwohl Max verheiratet ist. Dies führt zu einem emotionalen Auf und Ab: Gewissensbisse und Verantwortungsgefühl bei ihm und die Unfähigkeit, zu vertrauen, ihrerseits, führen zu Gefühlsausbrüchen und dazu, dass es unsicher ist, was aus dieser Liebe werden kann.

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Jove Viller. wörter-liebe

IMPRESSUM

Teil 1. WÖRTER-DIEBE. Ich liebe Wörter, ich liebe es sie zu singen, zu sprechen und seit neustem liebe ich es auch, sie zu schreiben. Anne Rice. Linz. 1. Über zwei Stunden Autofahrt habe ich schon hinter mir. Von Wien nach Linz, ganz schön weit. Ich fahre nicht oft so weit weg. Und wenn doch, nehme ich normalerweise den Zug. Das ist bequem und günstig und ich komme nicht so müde an. Aber diesmal ist es etwas anderes. Ich muss auf jeden Fall flexibel sein. Für den Fall, dass ich schnell wieder nach Hause will, darf ich einfach nicht abhängig sein von so banalen Dingen wie Zugabfahrtszeiten. Das Auto sollte in der Nähe sein, man weiß ja nie … Zwei Stunden Rückfahrt würde ich im Notfall schon schaffen. Die ganze Fahrt hindurch denke ich an das, was da vor mir liegt. ‚Was machst du hier? Bist du total verrückt geworden? Da musstest du tatsächlich 50 Jahre alt werden, um dich auf so was einzulassen?‘ Ich war doch bisher immer die Vernünftige in der Familie. Immer schön brav Vorbild sein und vor allem anständig! Na gut, fast immer, um hier ehrlich zu bleiben … Das, was ich hier vorhabe, passt eigentlich ganz und gar nicht zu meinem Lebensbild. Aber die Neugier und die Spannung, die sich in den letzten Wochen, nein, Monaten aufgebaut hatten, haben gesiegt. Etwas abgehetzt komme ich am Bahnsteig an. Mein Zeitmanagement ließ ein wenig zu wünschen übrig. Irgendwo musste ich mich verschätzt haben. Zum Schluss hatte ich noch einige Minuten vom Parkhaus zum Bahnsteig laufen müssen. Da stehe ich also. Aufgeregt wie ein Teenager, mein Herz schlägt bis zum Hals. Ob vor Aufregung oder vom Laufen, ist schwer zu sagen. Und jetzt habe ich noch genau fünf Minuten, bis der Zug kommt. Fünf Minuten – oh Gott! Werde ich ihn gleich erkennen? Ich habe ein paar Fotos und wir haben uns per Skype gesehen. Aber sieht er wirklich so aus? Wenn ja, brauche ich wahrscheinlich kein Fluchtauto. Dann werde ich sowieso schwach … Ich darf gar nicht an seine angenehme Stimme denken mit diesem süßen kölschen Akzent. Nein, ich habe mich bestimmt nicht in ihm getäuscht! Das werden die zwei schönsten Tage seit Langem! Für uns beide! Ich weiß es! Im Lautsprecher ertönt die Ansage, gleich wird der Zug einfahren! Ist er auch so aufgeregt wie ich? Oder ist er ganz gelassen, weil er so was öfter macht? Nein, auf keinen Fall! Oje, wie sehe ich eigentlich aus? Abgehetzt? Vom Winde verweht? Es ist ein regnerischer Tag und der Wind war entsetzlich gewesen. Zu spät für einen Spiegel, am Horizont taucht der Zug auf. Und irgendwie denke ich nur mehr: „Endlich!“ Seit Wochen warten wir auf diesen Moment! Langsam fährt der IC aus Würzburg ein, mein Blick streift über die Fenster, eines nach dem anderen. Es ist viel los in dem Zug. Offenbar wollen noch mehr Leute aus Deutschland unser schönes Österreich besuchen! Und dann sehe ich ihn! Er steht an der Tür und hat mich auch schon erkannt. Wir sehen uns nur einen Augenblick an, dann steigt er aus und kommt auf mich zu. In diesem Moment empfinde ich ein Gefühl von Nach-Hause-Kommen. Ich will ihm so viel sagen: ‚Endlich bist du da! Ich warte schon so lang auf dich!‘ Aber ich kann es nicht. Ich sage gar nichts, genieße nur den Moment. Sein Gesicht ist mir so vertraut, als hätte ich es bisher nicht nur beim Skypen auf dem Bildschirm gesehen. Ich habe sofort das Gefühl, wir kennen uns ewig. Da weiß ich es! Ich hätte auch mit dem Zug kommen können. Ich denke, wir werden beide bleiben, zumindest einmal bis morgen … 2. Ganz schön lang, so eine Zugfahrt von Würzburg nach Linz. Fast vier Stunden. Aber was soll’s, jetzt habe ich mich schon ein paar Wochen auf dieses erste Treffen gefreut, da kann ich auch die paar Stündchen im Zug noch absitzen. Wie wird das sein, wenn ich sie zum ersten Mal live erlebe? Ihre Stimme kenne ich schon vom Telefon und ihre blauen Augen habe ich auf Bildern gesehen, die wir getauscht haben, und als wir letzte Woche mal geskypt haben. Sind die wirklich so strahlend? Werden wir uns auf dem Bahnsteig umarmen? Vielleicht vorsichtig küssen? Keine Ahnung. Das ist ein komisches Gefühl, jemanden zum ersten Mal zu treffen, den man übers Internet kennengelernt hat. Nicht, was Sie jetzt denken, keine Dating-Plattform. Nein, wir haben letztes Jahr angefangen, zusammen Wordox zu spielen. Das ist ein Spiel für zwei Personen, so ähnlich wie Scrabble, man muss auf einem schachbrettartigen Spielfeld Wörter bilden aus sechs vorgegebenen Buchstaben. Dabei kann man die Wörter des anderen ergänzen oder komplett benutzen, also z. B. einer schreibt: DIEB und man bekommt in seiner Buchstabenvorgabe unter anderem ein E und ein N. Also kann man das Wort DIEB ergänzen und DIEBEN daraus machen. Damit stiehlt man dem anderen vier Buchstaben und bekommt selbst sechs Punkte. Wer zuerst 25 Punkte erreicht, hat das Spiel gewonnen. So hatten wir beide auch mal angefangen, bis es mir zu dumm wurde, dauernd zu verlieren, und ich per Chat in dem Programm an sie geschrieben habe: „Kannst du mich auch mal gewinnen lassen?“ Frech schrieb sie zurück: „Nö, wieso?“ Das stachelte mich natürlich an und ich versuchte fortan, ihr möglichst viele Buchstaben zu stehlen, denn der Untertitel des Spiels lautet: Der Wörterdieb. Aber nun hatten wir einmal angefangen mit dem Chat und bauten das aus. Morgens ein fröhliches „Guten Morgen ;-)“ oder abends ein müdes „Gute Nacht ;-)“ waren die ersten zaghaften Botschaften, die wir austauschten. In den folgenden Monaten waren die Dialoge umfangreicher und wir hatten auch begonnen, in WhatsApp zu schreiben, weil die Buchstabenübertragung in Wordox limitiert ist und der Chat nach dem Ende eines Spiels verschwindet. So lernten wir uns näher kennen. Ich musste passen, als ich sie nach ihrem Wohnort fragte, und sie sagte: „im Marchfeld.“ Das hatte ich noch nie gehört und damit war für sie klar, dass ich nicht aus Österreich komme. Irgendwann hatten wir dann auch mal per WhatsApp telefoniert und sie sagte zu mir: „Deine Sprache klingt wie die in den Karnevalssitzungen aus Köln.“ Kein Wunder, denn da komm ich ja her. Mein Akzent lässt sich nicht verleugnen, den hört man sogar durch, wenn ich Englisch oder Französisch spreche. Aber was soll’s, der Kabarettist Konrad Beikircher sagt das so: „Der Rheinländer an für sich ist ja von Natur aus Katholik, also quasi Chromosomonal-Katholik. Er ist Katholik in der barock-franziskanischen Ausgabe und das hört man auch sofort. Er wird immer von ‚unserem Herrjott‘ sprechen, so als ob der nur für den Rheinländer geschaffen wäre.“ Aber das ist ein anderes Thema. Jetzt war ich als Rheinländer mit Zwischenstopp bei meinen Kindern in Würzburg auf dem Weg nach Linz (nicht Linz am Rhein, sondern an der Donau), und dort sollte ich also eine Frau treffen, die ich über Wordox kennengelernt habe. Wie wird das sein? Was werden wir machen? Gut, ich hatte ein Hotelzimmer für uns beide reserviert, und das aber nur für eine Nacht, man weiß ja nie. Kann sein, dass wir beide oder einer von uns danach oder dazwischen oder schon gleich sagt: das war wohl nix. Jetzt hielt der Zug grad in Passau. Also nur noch weniger als zwei Stunden, dann werde ich sie sehen ‚Sie will mich am Bahnsteig erwarten. Habe ich eine Chance, sie vorher aus dem Fenster zu sehen? Will ich vielleicht weiterfahren, wenn ich sie entdecke? Glaub ich nicht. Ich denke, ich werde freudestrahlend aussteigen und sie in den Arm nehmen. Und dann? Ja, was dann? Was werden die ersten Worte sein, die wir miteinander wechseln, so von Angesicht zu Angesicht? Wenn doch nur der Zug endlich da wäre. Ich freue mich schon sehr, sie endlich live zu erleben.‘ Wochenlang hatten wir uns das Treffen vorgestellt, hatten Linz als Ort ausgemacht, der für uns beide gut erreichbar ist. Ehrlich gesagt, hatte ich mir nachts auch schon mal vorgestellt, wie es mit uns im Bett sein würde. ‚Geht das überhaupt? Schließlich bin ich schon 62 und verheiratet. Kann ich das weiter meiner Frau gegenüber geheim halten? Werde ich sie wiedersehen wollen? Oder sie mich? So viele Fragen. Ich glaub, ich mach die Augen zu und versuche, ein wenig zu schlafen. Aber vorher noch schnell den Wecker stellen am Handy auf 15:30 Uhr, dann hätte ich noch ca. 15 Minuten bis zur Ankunft.‘ Im Traum kommt sie mir entgegen, und das nicht am Bahnsteig, sondern zu Hause in Köln in der Schildergasse, also in der Fußgängerzone. Da wachte ich erschrocken auf. ‚Wie soll das gehen? Da könnten wir entdeckt werden. Ich hab das Gefühl, ich muss umdrehen. Wie viel Zeit ist noch? Der Zug hält in Wels Hbf. Kann man hier aussteigen und zurückfahren? Ach Quatsch. Wer A sagt muss auch ankommen. Morgen fahre ich ja eh wieder zurück. Also die letzten 20 Minuten schaffe ich auch noch.‘ Dann fuhr der Zug in Linz ein und ich guckte aus dem Fenster. Plötzlich sah ich sie. Erwartungsvoll schaute sie zu den Zugfenstern. ‚Hat sie mich entdeckt?‘ Auf alle Fälle blickte ich in ihre Augen und die waren noch viel blauer, als ich sie nach dem Skypen in Erinnerung hatte. Ich könnte jetzt sofort darin eintauchen wie in die Fluten des Mittelmeers. Ihre blonden Locken wehten im Wind und sie suchte offensichtlich die Fenster ab, um mich zu entdecken. Das Blau ihrer Augen war das gleiche, wie das in ihrem Halstuch. ‚Wat für e lecker Mädche‘, dachte ich bei mir. ‚Ist Blau wohl ihre Lieblingsfarbe, so wie meine?‘ Jetzt aber schnell meinen Koffer gegriffen und raus aus dem Zug. Da sah sie mich, aber sie schritt nur ganz langsam auf mich zu. ‚Hat sie die gleiche Furcht wie ich?‘ Egal, jetzt hin zu ihr und sie in die Arme schließen ist das, was ich jetzt tun wollte und auch machte. Gut fühlte sich das an. Und alle Angst war weg, aber keiner von uns sagte was. Wir hielten uns nur fest. 3. Das Hotel ist nicht sehr weit weg vom Bahnhof. Für die Fahrt brauchen wir etwa so lang wie für den Fußweg zu meinem Auto. Ich bin so aufgeregt, dass ich kaum ein Wort herausbringe. Ich glaube nicht, dass ich vorher jemals so sprachlos war. Aber viel beredter ist mein Begleiter auch nicht, was mich ein bisschen beruhigt. So muss es mir nicht peinlich sein. Als klar ist, dass der Regen nicht so schnell aufhören würde, beschließen wir, zuerst unsere Sachen ins Hotel zu bringen und nachher spazieren zu gehen. Wir würden sicher ein nettes Café finden, in dem wir ein bisschen plaudern könnten und sehen, ob wir im wirklichen Leben auch diese Harmonie spüren, die uns bei unserer bisherigen Konversation so fasziniert hat. Das trübe Wetter ist schon etwas enttäuschend, sind wir uns gleich einig. Ein paar Sonnenstrahlen hätten Linz in ein ganz anderes Licht getaucht. Aber was will man erwarten, wenn gerade der Jänner zu Ende gegangen ist? Auf den Frühling müssen wir noch warten. Und wer weiß, was bis dahin noch kommen wird. Während wir so mit unserem Gepäck durch den Regen stapfen, rasen die Gedanken in meinem Kopf ‚Wahnsinn, wir haben es tatsächlich getan! Wir sind hier – gemeinsam! Aber ist es richtig, was wir hier tun? Ich meine, ich bin ja nicht gebunden … aber er ist nicht frei! Nein, halt, lass diese Gedanken! Wir haben es vorher genau besprochen. Egal, was hier passieren wird, er wird seine Ehe nicht aufgeben und ich will das auch gar nicht. Wir hatten beide schon sehr lang keine körperlichen Begegnungen und haben einfach das Gefühl, dass wir uns viel geben können. Das ist alles. Und das bleibt es auch!‘ Wenn ich ihn ansehe und er meinen Blick erwidert, kann ich förmlich fühlen, dass er das Gleiche denkt. ‚Diese Augen, wie er mich anschaut! Das geht durch und durch. Wann wurde mir zum letzten Mal heiß, als mich ein Mann ansah? Gott, war das lang her!‘ Und dann folgt der erste wirklich peinliche Moment! Ich finde mein Auto nicht! In Ermangelung jedes Orientierungssinnes muss ich mir immer genau einprägen, wo ich mein Gefährt abstelle. Besonders in fremden Parkgaragen. Das hatte ich auch diesmal getan, aber jetzt muss mir die Aufregung einen Streich spielen! Zuerst versuche ich, meine Unsicherheit zu überspielen, und tue noch so, als ob ich sicher wäre. Doch irgendwann ist es offensichtlich: Ich suche … „Das gibt’s doch nicht, hier muss es irgendwo sein! Ganz sicher!“ Er fragt: „Welche Farbe hat es denn? Und welche Marke?“ „Es ist ein kleiner blauer Toyota, wahrscheinlich versteckt er sich hinter irgendeinem großen Auto!“ Er wirkt sehr gelassen, als er mir so zusieht beim Verzweifeln. Wahrscheinlich habe ich schon richtig rote Wangen, als ich auf den Schlüssel drücke und ein Stück weiter vorn die gelben Lichter blinken. Ich muss also nur ein kleines Stück weiter gehen … Er ist sehr höflich und meint, das könnte doch jedem passieren, das wäre kein Problem. „Wir haben es ja gefunden!“ Mittlerweile bereits leicht aufgewühlt und mit den Gedanken schon halb im Hotelzimmer, nehme ich am Fahrersitz Platz. Ich habe die Adresse des Hotels ins Navi eingegeben und los geht’s. Diese kurze Fahrt werde ich in meinem Leben nie vergessen, denn danach würde ich am liebsten im Erdboden versinken. Ich kann mich überhaupt nicht auf die Straße konzentrieren. Meine Bewegungen kommen mir unkontrolliert vor und fahrig. Ich habe scheinbar kein Gefühl beim Bremsen und sogar das Getriebe schickt einmal liebe Grüße. Ich weiß, wir sind gleich am Ziel, da übersehe ich an einem Zebrastreifen auch noch zwei Frauen, die die Straße überqueren wollen. Im Augenwinkel nehme ich sie gerade wahr, als mein geduldiger Beifahrer „Achtung!“ ruft. Im selben Moment bringe ich den Wagen mit einem ungemütlichen Ruck zum Stillstand. Die beiden Damen bleiben auch abrupt stehen. Ich glaube, ich habe sie erschreckt … Das ist der Moment, wo ich denke, das wird heute nichts mehr. Der Mann muss ja denken, ich bin völlig unfähig! So ein erster Eindruck war wirklich das Letzte, was ich hinterlassen wollte! Zwei Minuten später sind wir in der Parkgarage des Hotels, auf dem Weg zur Rezeption. 4. Die freundliche junge Dame namens Stefanie Kammermeyer an der Rezeption des Hotels am Schillerpark fragte nach meinem Namen und ich sagte: „Max Mayer, ich habe ein Doppelzimmer für eine Nacht reserviert.“ Daraufhin fand sie meine Reservierung sehr schnell und fragte nach unseren Ausweisen. Dann las sie unsere Namen laut vor: „Herr Maximilian Heinrich Mayer und Frau Marlene Huber, richtig?“ Und ich sage zu Leni: „Marlene, echt? Ich hätte auf Helene getippt.“ Frau Kammermeyer rollte die Augen und meinte: „So lang kennen Sie sich noch net, oder?“ Ich werde selten verlegen, aber hier liefen sowohl Leni als auch ich rot an. Frau Kammermeyer ging aber auf das Thema nicht näher ein, sondern notierte unsere Daten in ihrem Computer und gab uns eine Codekarte für Zimmer 402. „Können wir bitte eine zweite Karte bekommen?“, fragte Leni. So ganz sicher schien sie sich nicht zu sein, dass das, was wir hier machen, richtig ist. Schön, das zu erkennen, mir ging’s ja auch so. So eine Internetbekanntschaft treffe ich ja auch nicht alle Tage. Wir fuhren also mit unseren Rollköfferchen mit dem Aufzug in den vierten Stock und fanden recht schnell unser Zimmer. Ich schloss auf und ließ Leni den Vortritt. Im Zimmer sagte ich zu ihr: „Das war ja peinlich grad unten an der Rezeption, oder?“ Sie schaute mich an, lachte und sagte: „Ja, scheinbar für uns beide.“ Ich: „Aber für die Dame am Empfang noch mehr, finde ich.“ Und wir lachten beide über diesen kleinen Fauxpas. Das war Anlass genug für mich, Leni mal richtig in den Arm zu nehmen, ihr tief in die Augen zu schauen und darin die Aufforderung zu sehen: „Küss mich, Blödmann.“ Das machte ich dann auch ausgiebig und war ganz hin und weg. So hatte mich schon lange niemand mehr geküsst. Ich konnte meine Lippen und meine Zunge gar nicht mehr von ihr lassen. Das machte echt Lust auf mehr. Aber dann musste ich mal Luft holen und sagte: „Lass uns doch erst mal auspacken und dann vielleicht eine Runde spazieren gehen, auch wenn das in dem Regen kein großes Vergnügen sein wird.“ Komisch war, dass das Auspacken und Einräumen dann fast wortlos passierten, so als hätten wir das schon oft zusammen gemacht. Woher kam dieses blinde Verständnis? Plötzlich fragte Leni: „Sag mal, den Maximilian kann ich ja zuordnen, aber wieso hast du auch noch Heinrich als Vornamen?“ „Ach das ist mein verstorbener Patenonkel, ein Bruder meiner Mutter. Damals war das bei uns noch so üblich. Macht ihr das in Österreich nicht? Wie kamen deine Eltern auf Marlene? Ich hatte Leni mit Helene verknüpft, wie du unten schon gehört hast.“ „Hihi, meine Großmutter mütterlicherseits hieß so, also sind die Sitten in Deutschland und Österreich doch nicht so verschieden.“ Ich sagte nichts und dachte, mal sehen, wie es mit den anderen Sitten bei uns beiden bestellt ist .. 5. Langsam beginnen wir zu spüren, dass uns das Gefühl nicht getäuscht hat. Da war von Anfang an etwas, was nicht zu erklären ist. Ein wohlig vertrautes Gefühl bei jedem Blick, bei jedem Wort. Irgendwie nicht von dieser Welt. Wenn ich in Büchern darüber gelesen habe, dachte ich immer, wie schön es sei, dass Menschen so viel Fantasie haben. Kitschige Liebesszenen in Filmen, alles wunderschön, aber unwirklich. Und plötzlich tauchen da Gefühle auf, die ‚Dirty Dancing‘ und Co. in mattem Licht erscheinen lassen. Genau genommen begann das schon, als mir sein Foto auffiel, während ich mir Spielpartner für die neue Wordox-Challenge aussuchte. Eigentlich wählte ich gar nicht nach Fotos aus, sondern nach dem Spiellevel. Man will ja schließlich nicht nur verlieren. Ich scrollte die Galerie entlang, da stolperte ich quasi über dieses Foto. Das verschmitzte Lächeln hatte mich gleich gefangen. „Max M.“ stand darunter. Ich fand, der Name passt! Er war einen Level höher als ich. Daher scrollte ich weiter. Beim Zurückscrollen betrachtete ich das Bild genauer. Ich wusste selber nicht, warum. Darauf war zu erkennen, dass es ein Urlaubsfoto sein konnte. Der Hintergrund fremdländisch, Sonnenbrille … und dazu, wie ich fand, ein sehr freundliches, ansprechendes Gesicht. Als ich alle Spielpartner und -partnerinnen ausgewählt hatte, kam ich noch mal zurück zu dem freundlichen Max. Ich sagte zu mir: „O. k., du spielst auch mit!“, und klickte einfach auf „Einladen“. Und es hatte gar nicht lang gedauert, da hatte er meine Einladung angenommen … So, und jetzt, drei Monate später, sind wir hier in diesem Hotelzimmer, die Aufregung und die Spannung haben mich voll im Griff. ‚Wird er mich jetzt in den Arm nehmen?... Und küssen?... Endlich?‘... Ja! ... Seine starken Arme halten mich fest und ich kann die Umarmung nur erwidern. Ich habe weiche Knie wie damals mit 17 bei meinem ersten Kuss. Wir küssen uns und es ist genau so, wie ich es so oft geträumt hatte. So viel Zärtlichkeit und Gefühl liegt darin, wie ich es noch bei keinem Mann erlebt habe. Das ist gefährlich, denke ich. Es darf doch nicht zu nah werden … Noch haben wir aber unsere Sinne unter Kontrolle. Wir haben doch den ganzen Abend vor uns und wir wollen noch ein wenig spazieren gehen. Kaffee wäre jetzt auch nicht schlecht und irgendwann werden wir sicher Hunger bekommen. Also würde das andere Verlangen noch ein bisschen verdrängt werden. So viel Geduld musste sein! Sogar beim Auspacken unserer Taschen ist schon eine Gemeinsamkeit zu spüren, die ich so noch nicht kenne. Als hätten wir das schon hundertmal zusammen gemacht. Wir sind uns sofort einig, wo jeder seine Sachen unterbringt, wer welche Seite im Bad bezieht und auch im Bett. Ich meine natürlich, wer später auf welcher Seite liegen wird … In ein paar Minuten ist das also erledigt und wir sind bereit, Linz unsicher zu machen. Das ist angesichts des miserablen Wetters nicht sehr aufregend. Sehr wohl aufregend ist es allerdings, mit Max unter dem Regenschirm zu gehen. Bei ihm ordentlich untergehakt, genieße ich den Augenblick. Ich spüre seinen starken Arm und hoffe, dass es ihm so gut gefällt wie mir, Regen hin oder her. Irgendwie habe ich schon das Gefühl, dass es so ist. Und mittlerweile wundert es mich nicht mehr, dass wir uns auch sofort für das gleiche Café entschieden haben. 6. Unter dem Schirm mussten wir uns zwangsläufig einhaken, aber ich tat das gern. Leni kuschelte sich nah an mich und ich empfand das als sehr wohltuend. Ehrlicherweise müsste ich zu ihr sagen, du kannst gern länger so in meinem Arm bleiben und ich freue mich, dich später noch näher zu erleben. Aber ich sagte es nicht. Spürte sie das auch? Der Regen und meine nassen Füße waren gar nicht mehr wichtig. Ich wollte nur noch bei und mit Leni sein. So wanderten wir also durch das verregnete Linz und nachdem wir beide trotz des Schirms ziemlich nass geworden waren, gingen wir, als wenn wir das beide schon geplant hätten, ins Café Opera auf der Landstraße. Für ein Abendessen war es noch zu früh, aber für einen Cappuccino und einen Kaffee (wie heißt der hier: Großer Brauner?) konnten wir uns erwärmen. „Magst du einen Kuchen dazu?“, fragte ich Leni, „Nur, wenn du auch einen nimmst.“ „Sollen wir uns ein Stück teilen, dann such du etwas aus.“ Leni ging zur Theke und kam zurück: „Ich hab einen Apfelstrudel bestellt, magst du den?“ „Im Moment mag ich eher dich, aber der Apfelstrudel wird vorerst auch gehen.“ Sie wurde rot „Sag, wie war denn eigentlich deine Fahrt hierher, hat es da auch die ganze Zeit geregnet?“, fragte ich Leni. 7. Mit einem Schmunzeln im Gesicht sucht er einen Themenwechsel, um schnell von der letzten Aussage abzulenken, und fragt, ob es auf meiner Fahrt hierher auch geregnet hat. „Ja, aber erst in Oberösterreich. In Wien bin ich bei recht vielversprechendem Wetter losgefahren. Entlang der Westautobahn gibt es öfters Wetterwechsel. Da kannst du gern von allem was haben! Deshalb ist es bei mir auch ein bisschen knapp geworden, denke ich! ... Weißt du, dass ich jetzt sehr froh bin, dass ich hier bin? ... Hier bei dir, meine ich.“ „Ich auch! Die erste Unsicherheit, ob das jetzt gut ist, was wir hier tun, hast du einfach weggelächelt. Ich bin froh, dass …“ In diesem Moment werden Kaffee und Apfelstrudel serviert und unsere Hände, die einander mittlerweile mitten auf dem Tisch zärtlich berühren, müssen Platz machen. „Schade“, können wir in unseren Augen lesen. „Ich bin froh, dass wir uns dazu entschieden haben, herzukommen. Wir hätten sonst nie gewusst, ob wir uns diese innigen Gefühle nur einbilden oder ob wir auch im wirklichen Leben etwas für einander empfinden“, sagt Max leise und nimmt wieder meine Hand, um sie zu streicheln. Da ist es jetzt ausgesprochen. Er empfindet viel für mich. Wir empfinden viel für einander. Wie sollen wir jetzt damit umgehen? Wo wir doch beide wissen, dass es für uns kein WIR geben darf. Wir müssen es einfach so halten, wie wir in unserem Chat geschrieben haben:

Ja, so sind wir in unseren Chats auch manchmal ein bisschen sentimental und machen uns Gedanken über Vergangenes und Zukünftiges. Ein anderes Mal wieder lachen wir uns beim Schreiben krumm. Kaffee und Kuchen sind verspeist, und es treibt uns weiter die Landstraße entlang. Inzwischen regnet es nicht mehr. Es wird ein wenig kühl, also ist es sehr angenehm, dass wir uns trotzdem wieder einhaken. Max fragt: „Da vorne ist eine Kirche. Möchtest du vielleicht hineingehen?“ „Ja gern! Ich sehe mir Kirchen immer wieder gern an. Machen wir das!“, antworte ich, und das tun wir auch. Es ist die römisch-katholische Ursulinenkirche, wie auf dem Schild beim Tor zu lesen ist. Der spätbarocke Bau wurde im 18. Jahrhundert errichtet und dem Erzengel Michael geweiht. Das Innere der Kirche ist sehr imposant, finden wir beide, und nehmen in einer der letzten Bankreihen Platz. Wir sitzen ein paar Minuten ganz still da. Ich hätte gern gewusst, was Max denkt. Sein Blick nach vorne zum beleuchteten Altar und seine im Schoß gefalteten Hände wirken irgendwie fragend, nach einer Antwort suchend. Die Ruhe im Gotteshaus verleitet aber auch sehr zum Innehalten und in Gedanken zu versinken. Wir sind auf dem Weg in ein Hotel, eine vielversprechende Liebesnacht vor uns, die moralisch nicht ganz in den Bereich des Löblichen fällt, und sitzen hier in der Kirche, kämpfend mit den letzten Zweifeln und unserem Gewissen. Und sogar dabei sind wir uns offensichtlich einig. Max ist der Erste, der wieder zu sich kommt und sagt: „Lass uns doch noch ein Stück weitergehen und dann sehen wir uns mal nach dem Italiener um. Wie hieß der noch?“ „Il Caminetto, denke ich, oder so ähnlich“, kann ich mich erinnern und draußen auf der Straße gibt er die Info in sein Handy ein. Wir haben noch ein kleines Stück zu gehen und dann finden wir das gemütliche Lokal an einer Ecke. Es sind viele Plätze besetzt hier, gut, dass wir reserviert haben! Wir bekommen einen Tisch, der ziemlich zentral gelegen ist. Wir können von da alles gut sehen, aber alle uns auch. So vermeiden wir lieber Händchenhalten und so weiter. Max zeigt mir ein Bild auf seinem Handy, wo er mit seiner Frau drauf ist. Sie ist offensichtlich älter als ich, hat ergraute lange Haare, die sie hochgesteckt hat. Man sieht, dass ihr Haar mal dunkel war und ihr Gesichtsausdruck verrät, dass sie weiß was sie will. Max erzählt mir, dass sie auch in einer Schule als Lehrerin arbeitet. „Sie stammt aus Polen, ist aber schon seit fast dreißig Jahren in Köln.“ Das macht ihm scheinbar zu schaffen, denn er hat sie sicher aus Polen weggeholt und fühlt sich für sie verantwortlich. Dann schauen wir ins Menu und siehe da, beim Durchforsten der Speisekarte finden wir den ersten Punkt, in dem unsere Meinungen auseinander gehen. Max schwärmt förmlich von Meeresfrüchten und bestellt begeistert Tagliatelle Frutti di Mare. Ich protestiere, als er mich fragt, was ich davon halte. „Oh nein, bitte nicht! So was kann ich nicht essen! Das geht gar nicht! Ich bleibe lieber bei Pizza und nehme eine Provenciale, bitte.“ „Na gut, aber du versäumst was, das sag ich dir!“ „Kann schon sein … Die Hauptsache ist, wir versäumen nachher nichts …“, flüstere ich ihm ins Ohr und proste ihm mit dem feinen Rotwein zu. Dabei schaue ich ihn genauer an und denke: ‚So ein fescher Kerl, kurze, leicht ergraute Haare, randlose Brille, die Haut leicht gebräunt. Er dürfte etwa 1,80 groß sein, seine Kleidung ist sehr geschmackvoll. Hab ich den verdient?‘ 8. Auf dem Weg vom Ristorante Il Caminetto zum Hotel beschlichen mich seltsame Gedanken. Schon lange hatte ich mit keiner Frau mehr geschlafen, denn der Sex mit meiner Frau zu Hause war seit vielen Jahren auf Sparflamme eingestellt, weil sie das kaum mehr wollte. Affären hatte ich auch seit fünf Jahren keine gehabt. Wie würde das sein mit Leni? Geht’s überhaupt noch oder würde mein Kleiner den Dienst versagen? Zugegeben, so langsam regte sich in meiner Hose was und das konnte ein gutes Anzeichen sein, aber wie soll ich wissen, ob der das noch hinkriegt? Leni an meinem Arm (inzwischen ohne Schirm, aber genauso nah wie vorhin auf dem Weg zum Café im Regen) schien ihren Gedanken nachzuhängen oder träumte sie von dem, was wir beide gleich machen würden? Ich jedenfalls fing an, darüber zu grübeln, ob ich jetzt grad das Richtige tue. Schwups, war klein Fritzchen in meiner Hose wieder geschrumpft. Na, das konnte ja heiter werden. ‚Mit dir ist kein Preis zu gewinnen. Da werd ich wohl unverrichteter Dinge wieder heimfahren und Leni wird mich nicht wiedersehen wollen.‘ „Was denkst du gerade?“, fragte Leni mich plötzlich, so, als ob sie meine Befürchtungen erkannt hätte. „Ich hab mir grad vorgestellt, was wir beide gleich im Hotelzimmer machen werden. Und da kamen mir so leichte Zweifel, ob das richtig ist, was wir hier tun.“ „Hast du jetzt meine oder deine Gedanken beschrieben? Ich hab nämlich auch eben überlegt, was wir hier tun? Ich gebe zu, ich genieße jede Minute bisher mit dir, aber ich weiß auch, morgen fährst du wieder nach Hause und dann wirst du mich vielleicht vergessen.“ „Ich werde dich ganz sicher nicht vergessen, du bist schon so tief in mir drin. Da hilft auch kein noch so gutes Waschmittel, dich kann man nicht mehr aus mir rauswaschen. Und wenn es solch ein Waschmittel gäbe, ich würde es nicht nehmen, denn ich will auch gar nicht, dass du wieder aus mir rausgehst.“ „Kommst du denn gleich auch mal zu mir oder schlafen wir wie Schwester und Bruder zusammen?“ Schaumer amal .. Im Hotel war dann alle Befangenheit plötzlich wie weggeblasen. Ich nahm Leni in den Arm, bzw. ihr Gesicht in meine Hände, und fing an, sie zuerst vorsichtig, dann etwas heftiger zu küssen. Sie war gleich dabei und erwiderte meine kreisenden Zungenforderungen sehr kräftig. Uih, die Frau küsst ja wie ein Profi. Das verspricht spannend zu werden. Ich begann, sie langsam auszuziehen, zuerst die Knöpfe an ihrer Bluse, dann machte ich den BH auf und sah ihre Brustwarzen. Die verlangten nach meinen Liebkosungen. Leni stöhnte vor Vergnügen. Ich glaube, wir beide hatten uns schon lange vorgestellt, wie es miteinander sein würde, aber die Wirklichkeit ist oft noch schöner als alle Träume sind. Ich wurde mutiger und zog sie weiter aus. Sie konnte auch nicht tatenlos zusehen und begann, mir mein T-Shirt über den Kopf zu ziehen und meine Hose aufzumachen. Ich war inzwischen bei ihrem Slip angekommen und stellte fest, dass da kein einziges Haar im Weg zu ihrem geheimen Eingang war. Das musste ich mir näher anschauen und so fiel der Slip schnell herunter und ich untersuchte die Sache genauer. Dabei wurde ihr Stöhnen heftiger. Ich wollte nicht länger im Raum herumstehen und zog sie zum Bett. Wie kann man nur so lange auf Sex verzichten, wo das doch so ein wunderbares Erlebnis ist .. Unsere Beschäftigung miteinander nahm langsam einen immer heftigeren Verlauf und es dauerte nicht lange, da waren wir wirklich vereint. Ich konnte nicht anders, als diesen Moment zu genießen und einen Augenblick innezuhalten. Leni sagte: „Du machst das so zärtlich und vorsichtig, ich genieße jede Sekunde, bitte hör nicht auf.“ „Das hab ich nicht vor, ich wollte gerade mal anfangen.“ Wenn ich jetzt schreibe, dass wir mehrere Höhepunkte hintereinander erlebten, werden Sie denken ‚der spinnt doch wie die Angler, deren Fische immer größer werden‘, aber so war es. Wir konnten nicht aufhören und kaum war ein Gipfel erreicht, fingen wir an, uns wieder zu küssen und zu streicheln. Erst langsam und vorsichtig, um uns dann nach einiger Zeit erneut miteinander zu vereinigen. Kurz nach Mitternacht sagte ich: „Entschuldige bitte, ich habe wahnsinnigen Durst. Wir haben vergessen, uns was zu trinken mitzunehmen. Lass mich mal schnell etwas Wasser trinken. Ich bring dir auch was mit.“ „Willst du jetzt schlafen?“, fragte sie mich. „Ich will nicht, aber ich denke, eine kleine Pause täte uns gut. Oder was ist mit dir?“ „Ich möchte gern in deinem Arm einschlafen, geht das?“ „Aber mit dem größten Vergnügen, junge Frau. Komm her und bleib bei mir.“ Im Traum sehe ich sie wieder vor mir, tauche tief in ihre leuchtenden Augen, küsse ihre zartrosa Lippen, berühre ihre Nase mit meiner, stecke meine Zunge in ihr Ohr und kitzle sie damit. ‚Oh, die Nacht ist schon um.‘ Im Halbdunkel lag sie neben mir, ich sah ihre zerwühlten Locken, ihre weiße Haut schimmerte unter der Decke hervor, ihr Atem ging ganz ruhig. Sie träumte gerade, denn ihre Augenlider zitterten. 9. Wir löschen das Licht und ich liege in seinem Arm. Selig wie schon lange nicht. Nein, selig wie noch nie! „Aber mit dem größten Vergnügen, junge Frau. Komm her und bleib bei mir.“ Ich sauge diesen Satz in mich auf und denke, ich werde sofort einschlafen, weil ich todmüde bin. Aber ich kann noch nicht schlafen. Ich fühle immer noch seine Hände auf meiner Haut. Alles kribbelt. Oh, diese Hände! Sie sind nicht nur schön und gepflegt, es sind die zärtlichsten Hände, die man sich vorstellen kann! Starke, ausdrucksvolle Hände, denen man diese unendliche Zärtlichkeit vielleicht gar nicht gleich zutraut … Ich bemerke noch, dass Max gleich eingeschlummert war, und falle dann doch selber in einen tiefen Schlaf. Der Körper ist ja schließlich keine 20 mehr, was ich allerdings gerade vorhin nicht hätte bemerken können, weder bei mir noch bei ihm. So viel Ausdauer hätten wir uns wohl beide nicht zugetraut. Aber jetzt fordert er sein Recht auf Ruhe, und ein paar Stunden hat die Nacht ja noch. Ruhe hat jetzt der Körper, der Geist will im Traum noch nicht aufhören und setzt das sinnliche Spiel fort. Endlose Liebkosungen, das Erforschen aller nur erdenklichen Körperstellen, Küsse mit einer noch nie dagewesenen Intensität! Zugegeben, wir hatten beide etwas nachzuholen, aber dass unsere Körper so für einander geschaffen sind, ist ein Geschenk. Ich will es annehmen – im Traum. Da wache ich auf und Tränen rinnen über meine Wangen. Was wird jetzt aus dem Geschenk werden? Es bleibt nur eine Leihgabe, die heute Nachmittag vorerst einmal zurückgegeben wird. Ich wische die Tränen gleich weg, damit Max sie nicht sieht, wenn er aufwacht. Als ich auf die Uhr schaue, ist es noch nicht ganz fünf Uhr. Ich bin in ungewöhnlicher Weise hellwach und bemerke, dass Max tatsächlich auch nicht mehr schläft! Er sei schon lange wach und habe es genossen, mich anzuschauen, verrät er mir. „Guten Morgen, Liebste“, sagt er zärtlich. „Guten Morgen, Liebster“, und wir fallen wieder in eine Umarmung nach der anderen, küssen uns zärtlich, dann wild und wollen uns nie mehr loslassen. Haut an Haut, eins geworden, beginnen wir den Tag. Zum Schluss duschen wir zusammen. Wir seifen uns gegenseitig ein, spüren noch ein letztes Mal diese alles ändernde Zärtlichkeit, bevor wir uns dann doch zum Frühstück aufraffen. Unser erstes gemeinsames Frühstück! Wie schön das ist, mit ihm am Tisch zu sitzen, von ihm verwöhnt zu werden: „Darf ich dir einen Saft bringen? Welchen hättest du gern?“ Das ist wohl der beste Orangensaft, den ich je getrunken habe! Und so verliebt, wie er mich anschaut, müssen alle Gäste im Raum wissen, was wir letzte Nacht getan haben … Wenn sie es nicht sowieso gehört haben … Die Beherrschung ist etwas gewesen, was ich diese Nacht sicher verloren hatte! Unser Programm für den Tag, für unsere letzten gemeinsamen Stunden, passen wir natürlich dem Wetter an. Linz hat zum Beispiel einige Museen zu bieten. Das ist doch was für uns. Als Erstes haben wir das Ars Electronic Center im Visier, das ist nicht weit weg. Später wollen wir sehen, was sich zeitlich noch machen lässt. Nach einem gemeinsamen Mittagessen dann … zum Bahnhof. Auf dem Weg zum Museum, das direkt an der Donau liegt, fragt Max zum ersten Mal vorsichtig: „Hast du schon darüber nachgedacht, ob du mich wiedersehen möchtest?“ Was für eine Frage! Wiedersehen? Gar nicht nach Hause fahren lassen will ich ihn. Aber gut, das kann ich in dieser Art jetzt nicht sagen. Also formuliere ich es so: „Darüber musste ich keine Sekunde nachdenken. Ich wäre sehr gern so unvernünftig und würde mit dir eine Wiederholung wagen! Es war viel zu schön, um es bei einem Mal bleiben zu lassen. Und wie ist es bei dir? Was meinst du?“ „Mir geht es genauso! Auch wenn ich weiß, eigentlich sollte ich das nicht tun, ich muss einfach! Wenn du es willst, beginne ich schon auf der Heimfahrt mit der Planung unseres nächsten Treffens!“ Wir strahlen uns nur glücklich an und merken, dass wir schon beim Ars Electronica Center angekommen sind. Seltsam, wenige Leute sind hier. Eigenartig für ein so gut besuchtes Museum … Wir betreten das Gebäude, der Haupteingang ist offen. Drinnen ist gerade eine Dame mit Aufräumarbeiten beschäftigt, die uns freundlich erklärt: „Es tut mir sehr leid, dass Sie umsonst gekommen sind, aber am Montag haben in Linz fast alle Museen geschlossen!“ 10. Da standen wir wie die begossenen Pudel, auch ohne Regen. Natürlich haben auch in Linz, so wie in den meisten Städten, die Museen am Montag geschlossen. Wir hatten vor lauter verliebter Konzentration auf uns wohl die Welt um uns herum vergessen. Also suchten wir nach einem Plan B. „Schauen wir uns noch a bissl die Stadt an?“, fragte Leni. „Ja sicher“, erwiderte ich, „wer weiß, ob wir noch mal herkommen. Und dann finden wir sicher noch ein schönes Lokal zum Essen, bevor wir uns schon wieder trennen müssen.“ „Pst“, hauchte sie, „sprich noch nicht darüber. Die Zeit ist eh viel zu schnell vergangen.“ So schlenderten wir also zurück über die Donaubrücke und durch die Straßen von Linz, Arm in Arm, ab und zu stehen bleibend und uns in die Augen schauend und küssend, fast wie Backfische, dachte ich. Dann betraten wir den alten Dom und waren wieder umgeben von Stille. Wir setzten uns auch wieder in eine Bank, diesmal allerdings hielten wir uns an der Hand und schauten gemeinsam die Schönheit des großen Altars und der hellen Decken an. Am liebsten hätte ich sie auch hier geküsst, aber das fand ich dann doch unpassend und wartete damit, bis wir wieder draußen waren. Wir gingen über den Hauptplatz und kamen am Mozarthaus vorbei, wo Wolfgang Amadeus Mozart die sogenannte Linzer Sinfonie komponiert hat. Ich erzählte Leni, dass wir im Rheinland ganz stolz auf Ludwig van Beethoven sind, der in Bonn geboren wurde und später (wie Mozart) auch in Wien lebte und seine wichtigsten Kompositionen dort verfasst hat. „Du lebst doch in der Nähe von Wien, da ist dir doch sicher auch schon einiges von Beethoven begegnet, oder?“ „Ja sicher, wir haben ein großes Denkmal von ihm und viele Wiener verehren ihn sehr. Es gibt immer wieder Aufführungen seiner Musik, vor allem der Sinfonien.“ „In 2020 wird in Bonn, also 25 km von Köln weg, anlässlich seines 250- sten Geburtstages ein großes Beethovenfest gefeiert. Die Stadt Bonn hat es versiebt, ein neues Beethovenhaus bauen zu lassen, was von Post und Telekom voll finanziert worden wäre. Und kein Politiker wird deshalb zur Rechenschaft gezogen. Stattdessen wird jetzt für fast 70 Millionen Euro aus Steuergeldern das aus den Fünfzigerjahren stammende Gebäude renoviert. Ich könnte heulen, denn der Neubau war von der aus dem Irak stammenden Star-Architektin Zaha Hadid bereits geplant und wäre ein echter Hingucker geworden. Mal ganz abgesehen von der Akustik, die auch sicher besser wäre, als sie jetzt im renovierten Gebäude sein wird. Aber ich wollte nicht über Politik reden, entschuldige bitte.“ „Ist schon in Ordnung, auch bei uns läuft in der Politik nicht alles rund.“ Zurück auf der Landstraße, entdeckten wir das Restaurant Klosterhof, ein gemütliches Lokal mit Biergarten, der aber zu der Jahreszeit natürlich tabu war. Großen Appetit hatten wir beide nicht, also begnügten wir uns mit einer Gulaschsuppe. Ich bestellte ein Bier und Leni trank Apfelschorle. Wir kauten auf den Bissen länger herum als üblich, weil uns der nahende Abschied schon im Nacken saß und irgendwie die Stimmung drückte. Nach dem Essen gab’s noch einen Espresso und für mich einen Obstler. Dann sagte ich zu Leni: „Was denkst du denn über ein mögliches Wiedersehen, wann sollte das sein?“ „Am liebsten morgen, nein ehrlich, ich möchte dich gar nicht weglassen, aber was meinst du denn?“ „Ich habe eben schon mal drüber nachgedacht und mir ist eingefallen, dass ich Anfang oder Mitte März nach Dresden muss. Dort könnten wir uns treffen. Oder wir finden etwas zwischen Dresden und Wien. Wär das eine Idee?“ „Das sind ja sechs Wochen bis dahin. Meinst du nicht, dass es schneller gehen könnte?“ „Würd ich ja gern machen, aber ich hab im Moment keine Idee, wo und wie wir das früher hinbekommen. Wäre denn Dresden für dich ein möglicher Treffpunkt oder was wär dir lieber?“ „Wenn ich so drüber nachdenke, könnte das gehen, ist aber ziemlich weit von Wien aus. Wie wär’s mit Prag? Das liegt ungefähr in der Mitte zwischen Wien und Dresden.“ Ich musste kurz nachdenken. „Prag, hm, da war ich schon länger nicht mehr. Dahin gibt’s sicher eine Zugverbindung von Dresden. Ja, ich überleg mir was und dann schreib ich dir.“ Wir verweilten noch bis 15:30 Uhr, spazierten dann zum Hotel zurück und fuhren mit Lenis Auto zum Bahnhof. Sie parkte wieder im Parkhaus, ich griff meinen Trolley aus dem Kofferraum und zog sie auf: „Wenn du mich zum Zug begleitest, findest du dann gleich auch dein Auto wieder?“ „Ja, diesmal merk ich mir die Nummer des Parkplatzes, 231, dann sollte ich es schaffen.“ Traurig trotteten wir zum Bahnsteig und warteten auf die Ankunft des Zuges aus Wien. Gegen zehn nach vier nahm ich sie ganz fest in meine Arme und ich sagte zu ihr: „Liebste Leni, unsere erste Begegnung war traumhaft. Ich hatte mir so viel vorgestellt, aber die Wirklichkeit war noch schöner. Ich weiß jetzt, dass es richtig war, herzukommen, und ich will, nein, ich muss dich wiedersehen. Ich fühle, dass da eine sehr enge Bindung und eine Übereinstimmung zwischen uns ist, die ich vorher nicht so stark erwartet hatte.“ Dann küsste ich sie innig und der Zug rollte ein. Ihre Tränen sah ich erst aus dem Zugfenster. 11. Ich mag Abschiede nicht. Und dieser hier ist besonders traurig, auch wenn wir uns beide redlich bemühen, es nicht zu zeigen. Ein bisschen hilft es uns, in die Zukunft zu schauen. Wann und wo werden wir uns wiedersehen? Für ihn ist das sicherlich nicht einfach. Er muss ja immer einen Grund zum Wegfahren finden, und zwar einen überprüfbaren. Ich hab es da leichter, ich kann hinfahren, wo ich will und mit wem ich will. Wann ich will, geht leider auch nicht ganz. Ich bin noch im Arbeitsleben und die Urlaubstage sind begrenzt. Die werden von jetzt an wohl sehr sorgfältig geplant werden müssen. Dazu kommt, dass mein Führungsjob auch sehr viel meiner Anwesenheit fordert. In meinem Lehrerteam geht es manchmal zu wie im Kindergarten. Aus der Ferne hätte ich das schlecht im Griff … Und wenn mich mein Realitätssinn nicht täuscht, werden diese sechs Wochen bis Prag für uns nicht die kürzeste Wartezeit sein „Liebste Leni, du bist so still! Was beschäftigt dich?“, fragt Max besorgt. „Weißt du,… es ist nicht so einfach. Mir geht durch den Kopf, wie wir durch diese langen sechs Wochen kommen können, wenn mir deine Küsse schon jetzt fehlen, wo du noch gar nicht weg bist!“ Ich versuche zu lächeln. „Das schaffen wir! Denk dran, auf Linz haben wir viel länger gewartet! Wir werden uns weiterhin täglich schreiben und vielleicht kann ich gelegentlich anrufen, wenn meine Frau unterwegs ist zum Beispiel! Ich bin immer bei dir, ganz egal, wo du bist oder was du gerade tust! Ich kann gar nimmer anders!“ Es ist ihm sichtlich unangenehm, mich traurig zu sehen. Ich muss mich wieder zusammenreißen, weinen kann ich später im Auto immer noch. Wir lenken unser Gespräch dann auf andere Themen, um diese Gedanken beiseitezuschieben. Wir erzählen aus unserem Leben und ich spüre, wie sehr ich es genieße, ihm einfach nur zuzuhören. Er hat spannende Dinge erlebt und viele interessante berufliche Anekdoten zu berichten. Trotzdem vergessen wir nicht, rechtzeitig um 15:30 Uhr aufzubrechen. Wir müssen ja noch zurück in die Garage zum Auto. Auf der Fahrt zum Bahnhof bediene ich mein Auto routinemäßig, ohne gröbere Vorfälle. Die Aufregung ist eine andere geworden. Als Max mich beim Aussteigen liebevoll anlächelt und noch fragt, ob ich denn nachher meinen Parkplatz wiederfinden würde, bringt er mich damit sogar zum Lachen: „Ja, diesmal merk ich mir die Nummer des Parkplatzes, 231, dann sollte ich es schaffen.“ Auf dem Weg zum Bahnsteig frage ich mich, was ich eigentlich die ersten 50 Jahre meines Lebens gemacht habe. Ich habe zwei Ehen hinter mir, beide über viele Jahre und beide, bis dass der Tod uns schied. Ich hatte nicht viele sexuelle Abenteuer, aber doch sehr befriedigende. Aber so etwas wie mit Max war mir noch nie passiert! Gibt es das wirklich? Diese wunderbare Übereinstimmung bei allem, was wir tun, dieses Gefühl von Nichts-mehr-anderes-Wollen. Wahnsinn! Wer hätte das gedacht. Es hat doch so harmlos angefangen: … ‚O. k., du spielst auch mit!‘ Die letzten Minuten am Bahnsteig verfliegen viel zu schnell und er nimmt mich noch einmal in den Arm, ganz fest, so als wollte er mich wirklich nie mehr loslassen. Wir küssen uns ein letztes Mal und es erfordert meine ganze Kraft, die Tränen zu unterdrücken. Ich will es ihm jetzt nicht noch schwerer machen. „Das war ein traumhaftes Wochenende für mich“, sage ich, „Ich freu mich so sehr auf das nächste Mal mit dir! Bitte komm bald wieder!“ Er verspricht, sofort mit der Planung unseres nächsten Treffens zu beginnen, da fährt der Zug ein. Als Max einsteigt, muss ich den Impuls unterdrücken, ihm rasch zu folgen und ihn zu begleiten. Es ist, als würde ein Teil von mir weggehen. Wieder so ein Gefühl, das ich so noch nicht kenne. Ein Schmerz, den man eigentlich gar nicht beschreiben kann. Plötzlich weiß ich, was in den Büchern und Liebesfilmen gemeint war, wenn so kitschig verkündet wurde: „Geh nicht weg! Ich kann ohne dich nicht leben!“ Nur keine Tränen! Er hat einen Sitzplatz gefunden und der Zug setzt sich langsam in Bewegung. Max sieht mich durchs Fenster an, winkt noch einmal und schickt einen Kussmund. Da geht es nicht mehr. Ich kann nicht mehr. Tränen rinnen über meine Wangen. Hoffentlich hat er es nicht mehr gesehen … 12. Die Zugfahrt von Linz nach Köln dauert etwa sechs bis acht Stunden, je nachdem, welche Verbindung man erwischt. Ich hatte eine, die knapp sechseinhalb Stunden braucht, weil ich in Frankfurt in den schnellen ICE umsteigen konnte. Also hatte ich viel Zeit zum Nachdenken. Die Tränen auf Lenis Gesicht wollten nicht aus meinem Kopf weichen. Ihr ging es wohl ziemlich genau wie mir auch. Wann war ich denn schon mal so verliebt gewesen? War ich es überhaupt schon einmal. Geht das mit 62? Ist das alles nur ein Traum. Ich kramte mein Tablet heraus und versuchte mich durch Lesen der ZEIT abzulenken. Das Flüchtlingsthema beschäftigt immer noch die Gemüter. Es wird in verschiedenen Artikeln diskutiert, ob die Entscheidung von Angela Merkel richtig war, die Grenzen zu öffnen, und ob sie damit den Flüchtlingsstrom erst ausgelöst hat. Ungarn ist inhuman und Österreich leitet die Flüchtlinge schnell durch nach Deutschland. Die anderen Länder weigern sich überwiegend, Asylsuchende aufzunehmen. Ich bin ja noch in Österreich, aber von den Flüchtlingen merke ich hier im Zug nichts. Auch an der Grenze gibt es keine Kontrollen, wie z. T. schon zu lesen war. Dann finde ich eine Diskussion über den Vertrag mit der Türkei, die drei Milliarden Euro bekommen soll, um möglichst keine Flüchtlinge mehr durchzulassen. Ist das eine Lösung? Wird das aus EU-Töpfen bezahlt oder hängt diese Last letztlich allein an Deutschland. Lange kann ich mich nicht auf die Artikel konzentrieren. Meine Gedanken schweifen plötzlich wieder zu Leni. Sie hat sicher inzwischen im Auto schon die Hälfte des Weges nach Wien zurückgelegt. ‚Ob sie auch so traurig ist wie ich?‘ Woher kommt diese Traurigkeit? Sonst bin ich in meinen Gedanken und Entscheidungen immer so rational und jetzt stehe ich vor dem Problem, dass ich am liebsten nicht zurückgefahren, sondern geblieben wäre. Wie soll ich das Nina, meiner Frau, erklären? Soll oder kann ich das überhaupt? Wird sie an mir eine Veränderung bemerken? Was mache ich morgen? Ich möchte Leni so schnell wie möglich wiedersehen. Ist das Liebe oder nur Hunger nach Sexualität. Wie soll ich die sechs Wochen überstehen, bis wir uns dann vielleicht in Prag treffen. Klar, ich muss Anfang März beruflich nach Dresden, weil ich dort mit einer Firma einen Termin habe. Da kann ich natürlich ein oder zwei Tage dranhängen oder früher losfahren und Leni in Prag in die Arme schließen. ‚Hat das eine Zukunft mit uns? Soll das immer so weitergehen mit gelegentlichen Treffen irgendwo zwischen Wien und Köln?‘ Ich denke zu viel, das bringt nichts. Mein Gefühl säuselt mir zu: ‚Ich will sie sehen, am liebsten morgen und ich will so viel Zeit mit ihr verbringen wie möglich.‘ Wir werden einen Weg finden. Nürnberg: ich habe wieder DIE ZEIT auf dem Tablet aufgeschlagen und stoße auf einen Artikel über den Verkehrsminister Dobrindt, warum die VW Diesel Affäre so langsam aufgeklärt wird. Den schicke ich gleich mal meiner früheren Kollegin Bärbel, die inzwischen in dem Ministerium arbeitet und sich immer über solche Informationen freut. Wer weiß, wie lange sich dieser Skandal noch hinzieht und welche Konsequenzen daraus entstehen. Gut, dass ich inzwischen keinen VW Diesel mehr fahre, sondern einen Japaner. Die scheinen bisher jedenfalls keine Probleme mit manipulierten Tests zu haben. In Frankfurt, wo ich auf dem Bahnsteig auf den ICE nach Köln warte, bin ich schon wieder bei Leni. Eben hat sie mir eine gute Nacht per WhatsApp gewünscht und gebeten, dass ich ihr noch mal schreibe, wenn ich angekommen bin. ‚Angekommen? Was mache ich dann, wenn ich zu Hause bei Nina bin?‘ Sie schläft wahrscheinlich schon, aber morgen früh muss ich ihr von meiner Reise berichten. Da darf ich mich nicht verplappern. Sie wird nach den Kindern in Würzburg und natürlich auch nach Linz fragen. ‚Wie war’s denn dort? Ist das eine schöne Stadt?‘ oder so ähnlich. Besser, ich überlege mir gleich ein paar Antworten und die entsprechenden Formulierungen dazu. Im Zug nach Köln habe ich dann noch eine Stunde und ertappe mich dabei, dass ich einschlafe und von der Nacht mit Leni träume. Verstört wache ich auf. Die Frau ist tiefer in mir drin als ich dachte. Vorsicht. Du bist im Begriff in etwas hineinzurutschen, aus dem es so schnell keinen Ausweg mehr geben wird. Wie konnte das passieren? Schon unsere Chats im letzten Jahr wurden immer intensiver und deutlicher. Aber die Nacht mit ihr hat mich (sie wohl auch) verändert. Ich bin tatsächlich bis über beide Ohren verknallt. Bei unseren Kindern könnte ich das verstehen, die haben das Leben noch vor sich und sollen solche Erfahrungen gern machen. Aber ich? Ich fühle ihre Lippen auf meinen, ihre Hände an meinen, meine Haut an ihrer Haut. Die ist so weich. ‚Aufhören. Gleich bist du in Köln. Noch ein kurzes Stück mit der Straßenbahn, aufschließen und dann bist du zu Hause.‘ Nina schläft tatsächlich schon. Vorsichtig ziehe ich mich aus, auspacken kann ich morgen. Als ich zu Nina ins Bett krieche, sagt sie im Halbschlaf: „Na, du Vielreisender, bist du auch wieder da.“ Dann schläft sie weiter. Morgen werde ich ihr beim Frühstück viel erzählen müssen. Mit Leni im Kopf und im Herzen schlafe ich ein. 13. Die Autofahrt von Linz nach Bad Pirawarth im Marchfeld dauert ca. zwei Stunden. Normalerweise. Ich brauche viel länger, weil ich viel langsamer fahre als sonst. Tränen sind beim Autofahren nicht besonders hilfreich, ebenso wie wild wechselnde Gedanken zwischen Glückseuphorie und Trauer. Himmelhochjauchzend, zu Tode betrübt … Zuerst muss ich mich einmal konzentrieren, bis ich auf die Autobahn auffahre. Ein Artikel über „eine liebestolle Geisterfahrerin“ sollte am nächsten Tag nicht in der Zeitung stehen! Geschafft! Aber dann fährt mein Auto, glaube ich, auf Autopilot. Ich kann an nichts anderes denken. Warum tut das so weh? Warum haben gerade wir zueinander gefunden? So weit und doch so nah! Er ist mir nach so kurzer Zeit schon viel näher, als es Karl und Günther je waren. War es dieser Wahnsinns-Sex, der mich so verrückt macht? Man weiß ja, was die Glückshormone alles anstellen können … Nein, das allein kann es nicht sein. Wenn es nur das wäre, hätte ich doch nicht so viel Spaß und Freude daran, ihm zuzuhören und mehr von seinem Leben zu erfahren. Ich kann stundenlang neben ihm hergehen und einfach nur seine Anwesenheit genießen. Es ist genauso schön, wenn wir mal gar nicht reden. Und woher bitte kommt diese unglaubliche Harmonie, von der ich mir ein Leben lang gewünscht habe, dass es sie gibt? Ein Moment, in dem man fast zwangsläufig an sein voriges Leben denkt. Als ich plötzlich wieder in eine Regenzone fahre, fällt mir auf, dass ich mein Tempo gar nicht anpassen muss. Ich bin schon langsam genug. Auf der West ist reger LKW-Verkehr. Also ist Aufmerksamkeit gefragt. Deshalb müssen diese traurigen Gedanken ganz schnell weg und ich freue mich über dieses unglaubliche Geschenk, dass ich noch einmal so etwas Großes und Schönes erleben darf. Egal wie lang oder wie kurz es dauern würde. ‚Wird man ab 50 dankbarer und sensibler für das Erkennen von Wundern?‘ Ich verspreche mir hier und jetzt, daran festzuhalten, seiner Ehe niemals im Weg zu stehen. Alles, was noch geschieht, sollte zuerst von ihm kommen. Auch wenn ich jetzt schon ganz genau spüre und weiß, dass es Liebe ist, ich werde dieses „Ich liebe dich“ nicht als Erste sagen. Ich werde nichts von ihm verlangen und mich über alles freuen, was ich genießen darf. Und wenn mich doch einmal so etwas wie Unzufriedenheit überkommt, muss ich versuchen, sie zu überspielen. Irgendwie … Oh, nächste Ausfahrt Sankt Pölten! Schon mehr als der halbe Weg hinter mir. Wie schnell die Zeit vergeht beim Träumen … Wo wird er mittlerweile sein? Sein Weg ist ja viel weiter als meiner. Schläft er vielleicht gerade und träumt von uns? Oder quälen ihn die Gedanken und das schlechte Gewissen? Er kommt erst mitten in der Nacht nach Hause. Was wird er seiner Frau erzählen? Oh, schon wieder eine Träne… schnell weg damit. Für die letzten 70 Kilometer schalte ich die Musik lauter, um auf andere Gedanken zu kommen. Was dabei herauskommt? Andrea Berg dröhnt gerade: „Diese Nacht ist jede Sünde wert …“ Ich denke, hm, das ist nicht sein Geschmack. Deutscher Schlager ist nicht seine Richtung, das habe ich schon erfahren. Noch ein kleiner, unbedeutender Unterschied zwischen uns. Und ich war schon wieder bei „meinem“ Max … Bei Claudia Jung mit „Auch wenn es nicht vernünftig ist“ bin ich in Wolkersdorf und mit den letzten Takten von Bernhard Brinks „Von hier bis zur Unendlichkeit“ bin ich zu Hause in meine Garage gefahren. Ich habe die Musik ziemlich laut gestellt und bei fast jedem Lied finde ich etwas, das mich an uns erinnert. Und jetzt, allein zu Haus, kommt alles raus. Ich heule einfach nur los. Koffer auspacken kann ich später immer noch … Als ich mich wieder ein bisschen gefasst habe, schreibe ich Max eine kurze Nachricht und hoffe sehr auf Antwort:

Wien-Köln. 14. Am nächsten Morgen stand ich wie fast immer kurz vor sechs Uhr auf und machte mir einen ersten Kaffee. Dann sah ich ihre Nachricht und schrieb an Leni

Das war die Forstsetzung unserer Dialoge per WhatsApp, wie wir sie schon vor dem Treffen in Linz hatten. Ich musste immer auf der Hut sein, dass Nina nicht plötzlich im Zimmer stand. Das war schon nervig. Nach einigen Minuten schrieb ich Leni, dass wir jetzt besser aufhören sollten, bevor wir noch erwischt würden. Sie: „Passt schon. Ich muss mich jetzt eh langsam fertig machen, sonst komme ich zu spät in die Schule. Bis später, liebster Max.“ Da saß ich nun also mit meinem inzwischen kalten Kaffee und überlegte, was ich Nina erzählen sollte. Ich musste so normal wie möglich wirken, vielleicht etwas müde, weil ich ja erst nach eins im Bett war. Dann hörte ich sie im Bad und kurz darauf kam sie herein. Fröhlich sagte ich: „Guten Morgen, Nina. Hast du gut geschlafen oder hab ich dich in der Nacht geweckt?“ „Alles gut, war nur kurz wach, bin aber gleich wieder eingeschlafen. Wie war deine Reise? Was haben die Kinder gesagt?“ „Anna und Alexander geht’s gut. Anna hat ihr Referendariat in Würzburg beendet und fängt am ersten Juli bei einer Anwaltskanzlei in Leipzig an. Alexander ist im dritten Semester und will ein Auslandssemester irgendwo machen. Sucht gerade nach möglichen Standorten.“ „Wie kommt Anna denn auf Leipzig?“ „Sie hat dort mal eine Freundin besucht und fand es ganz cool. Scheint viele junge Leute zu geben. Sie hat schon eine WG gefunden, wo sie wohnen wird, und meinte, ich sollte sie dort demnächst mal besuchen.“ „Hast du bei Brigitte und den Kindern gewohnt?“ „Ja, hab auf dem Sofa geschlafen.“ Ach ja, das muss ich erklären. Anna und Alexander sind zwei meiner Kinder aus meiner ersten Ehe mit Brigitte. Sie leben noch in Würzburg, d. h., Alexander studiert in München, ist aber am Wochenende oft bei Biggi. Wir treffen uns alle paar Monate meist zu dritt. Klärchen, unsere älteste Tochter, lebt mit ihrer Tochter Sarah und ihrem Mann Achim in Düsseldorf. Die beiden hatten sich mal im Urlaub kennengelernt und Klärchen ist Hals über Kopf zu Achim nach Düsseldorf gezogen. „Und dann bist du noch von Würzburg nach Linz gefahren?“ „Ja, da war ich noch nie. Dachte, ich schau mir die Stadt mal ein wenig an. Schau, ich hab Fotos dort gemacht. Leider hat es viel geregnet, daher gibt es nur ein paar Bilder.“ Ich gab Nina mein Handy und sie scrollte durch die Fotos, die ich in den Straßen von Linz und in den Kirchen gemacht hatte. „Die Kirchen sehen ja ganz nett aus, aber die Stadt nicht so“, sagte Nina. „Na ja, im Regen wirkt vieles nicht so schön und ich habe ja auch nur mit dem Handy fotografiert. Hatte meine Kamera nicht mit. Werde vielleicht zu einer schöneren Jahreszeit noch mal hinfahren. Vielleicht willst du mitkommen.“ „Ach, du weißt doch, deine Fototouren in diverse Städte sind nichts für mich. Da sitze ich dann nur in Cafés und Restaurants und nachher hängt mir das wieder auf den Hüften. Und du läufst herum, machst tolle Bilder und nimmst auch noch dabei ab.“ „Wann fährst du heute zur Arbeit oder arbeitest du von zu Hause.“ „Ach, ich denke, ich werde heute von hier arbeiten. Kochst du uns dann was heute Mittag?“ „Ja gern, was möchtest du essen?“.. Puh, das ging noch mal gut, aber Vorsicht, sie könnte noch mal auf Linz zurückkommen. 15

Am Abend haben wir doch öfters Gelegenheit, wenigstens kurz zu schreiben, wenn Nina mit dem Hund die Abendrunde geht oder mit einer Freundin unterwegs ist. Schnell haben wir uns auch angewöhnt, früh morgens zu schreiben, während sie noch schläft. Sie hält nämlich nichts vom Frühaufstehen. Ich eigentlich auch nicht, aber was tut man nicht aus Liebe und wenn man vor Sehnsucht fast verrückt wird … Auch am Abend bleibe ich für unsere regelmäßige Kommunikation oft sehr lang wach, manchmal bis nach Mitternacht. Max geht fast immer viel später zu Bett als Nina, er kommt mit viel weniger Schlaf aus. Was mir besonders gut gefällt und was mir immer wieder ein großes Interesse von seiner Seite zeigt, ist, dass er immer, wenn wir abrupt unterbrochen werden, sei es durch Telefonate oder durch plötzliches Erscheinen seiner Frau, sich nachher noch mal meldet – oder nur zum kurzen Verabschieden. Da ist richtig Verlass drauf. Auch wenn wir uns bewusst verabreden, hält er das immer ein oder schreibt, wenn etwas dazwischenkommt. Das bin ich nicht gewöhnt. In meinen beiden Ehen hatte ich da andere Erfahrungen gemacht. Mein erster Mann, Karl, war ein lieber Kerl, ein guter Kumpel und Freund, aber in seiner Eigenschaft als Ehemann fühlte er sich zu keinen fixen Vereinbarungen verpflichtet. Bei allem, was wir – eigentlich fest – ausgemacht hatten, musste ich bis zur letzten Sekunde damit rechnen, dass es noch einmal ganz anders kommt. Und wenn er sagte, er ruft um eine bestimmte Zeit an, damals gab es noch kein Handy, konnte man getrost selber drauf vergessen. Dann ärgerte man sich nachher weniger … Das war ziemlich mühsam, aber, wie gesagt, was nimmt man nicht für die Liebe alles in Kauf! Bei Günther, meinem zweiten Mann, war es ein bisschen besser. Was wir uns gemeinsam vornahmen, geschah tatsächlich fast immer. Aber die Sache mit dem Telefonieren war auch nicht so seins. Wir hatten schon Handys, aber Günther war in seinem Denken in manchen Bereichen so alt, wie er wirklich war, nämlich 20 Jahre älter als ich. „Ich bin nicht der Sklave von meinem Telefon“, war seine Standardrede. Und so war es. Oft erreichte ich ihn einen ganzen Tag nicht, obwohl er gesagt hatte, dass er nur bis zum Mittag auf dem Sportplatz sein würde. Er war immer noch Funktionär im Sportclub und Schiedsrichter der Handballjugend. Man wollte ja schließlich jung bleiben … Er bestand hartnäckig auf seinen Zeiten, die er für sich haben wollte, und da war es ihm auch nicht wichtig, sich zwischendurch einmal zu melden, auch nicht dann, wenn es so abgemacht war … Also musste mir ja sehr schnell auffallen, wie verlässlich Max ist. Denn das war etwas, das mir immer sehr gefehlt hat. Das gibt mir jetzt eine Sicherheit, die dieses Gefühl von Zusammengehörigkeit noch verstärkt. Ach nee, schon wieder so ein gefährlicher Punkt, den ich gar nicht so sehr genießen dürfte! 16. Wir verfielen in einen täglichen Schreib-Modus, bei dem wir beide, wann immer es ging, dem anderen kleine Botschaften zusandten. Dabei hatte ich es natürlich schwerer als Leni, denn ich musste immer aufpassen, beim Schreiben und Lesen nicht erwischt zu werden. Manchmal, wenn es gar nicht anders ging, schrieb ich meine Nachrichten auf der Toilette. Aber sie konnte natürlich in der Schule auch nicht immer antworten, denn da gab es andere Probleme zu lösen. Nach einigen Tagen kamen wir auf die Idee, uns kleine Gedichte zu schicken:

Dazwischen versuchte ich immer mal wieder, irgendwo ein kleines Telefonat unterzubringen. Oft diente dazu die morgendliche oder abendliche Runde mit unserem Schäferhund Lady, wenn ich die denn allein machte. Dazu steckte ich mir dann die Kopfhörer ins Ohr. ‚Was die anderen Menschen, denen ich begegnete, wohl von mir dachten?‘ Ich fing an, die nächste Reise vorzubereiten, bei der wir uns sehen würden. Ich telefonierte und schrieb Mails an VW in Dresden, wo ich im März hinsollte, um an einer Projektbesprechung zur nächsten Softwareversion für einige Bauteile teilzunehmen. Es klärte sich, dass der Termin am 14. März stattfinden sollte. Um ein Wochenende herauszuschinden, schwindelte ich Nina vor, dass ich schon am 10. März fahren müsse, denn es gäbe zwei Besprechungen am 11. und am 14. März. Dann buchte ich übers Wochenende ein Hotel in Prag und am Freitag und Montag eine Zugverbindung von Dresden nach Prag und zurück. Ich schrieb Leni die Daten und sie suchte sich einen Zug heraus, um von Wien nach Prag und zurück zu kommen ‚Oh, wie lang das noch dauert, ganze zwei Wochen bis ich losfahre. Hoffentlich gehen die schnell vorbei.‘ Dazu fiel mir wieder ein Vers ein:

Der Tag war vorübergezogen, ohne dass wir viel schreiben und auch nicht telefonieren konnten, aber abends schrieb Leni mir dann folgenden Vers:

Dazu schickte sie mir ein Foto von sich mit, nachdem sie beim Friseur gewesen war

Jetzt war es raus. Ich hatte schon lange darüber gegrübelt, aber ich musste es jetzt schreiben. Ich wollte es ihr lieber sagen, aber das ging grad nicht. Das musste jetzt bis Prag warten. 17 „Ich liebe dich“, hat er geschrieben! Mein Herz macht einen Satz, als ich das lese. Wie elektrisiert bin ich und versuche, meine Gedanken zu ordnen. Ich war immer vorsichtig mit diesen heiklen Worten umgegangen und auch genauso vorsichtig, wenn jemand sie vorschnell aussprach. Aber auch wenn wir uns erst einmal gesehen hatten und es für andere sicher voreilig gewirkt hätte – für mich passt es so sehr. Ich hatte es gespürt, bevor er es geschrieben hatte. Die Art, wie Max mit mir sprach, mit wie viel Gefühl er die schönen Verse schrieb, wie er jede freie Minute nützte, sich bei mir zu melden (Ich bin sicher, im äußersten Fall schrieb er sogar am WC) … all das lässt mich spüren, dass wir keine zwei Fremden auf der Durchreise sind, sondern ein Paar auf dem Weg zueinander. Auch wenn das so gar nicht sein darf …

Das ist an diesem Abend meine Antwort auf seine wunderbaren Zeilen. Und dann schlafe ich zufrieden ein und träume mich an den Rhein, wo ich noch nie im Leben gewesen bin. Am nächsten Morgen kommt prompt ein Vers zurück:

So tragen wir einander mit zärtlichen Worten durch die endlosen Tage, bis die lang ersehnte Zeit gekommen ist. Max war einen Abend vorher da und schickte schon Fotos von dem gemütlichen Hotelzimmer zum Einstimmen

Prag. 18. Am 10. März ging ich erst mal wie alle zwei Tage am Rhein joggen. Heute lief ich allein, denn meine Jogging Partnerin Bärbel war auf einer Dienstreise. Ich hatte also Zeit und Muße zum Träumen und schickte anschließend einen kurzen Vers an Leni. Danach fuhr ich mit dem Auto nach Leipzig, um meine Tochter Anna zum Geburtstag zu besuchen. Sie war inzwischen hierhergezogen und hatte sich in einer WG einquartiert. Das war nicht so meins, also suchte ich mir ein Hotelzimmer in der Nähe und wir verbrachten einen netten Abend miteinander. Anna erzählte von ihren ersten juristischen Versuchen in einer Anwaltskanzlei, schien mir aber nicht so ganz glücklich damit. Ich fragte sie nach ihren Wünschen und sie meinte, sie werde sich wohl irgendwann selbstständig machen. Am nächsten Vormittag ging es in meinem Mazda weiter nach Dresden. Dort sprang ich kurz bei den Kollegen von VW ins Büro und setzte mich dann in den Zug. Nach etwa zweieinhalb Stunden kam ich in Prag an. Das Hotel dort war ein Altbau, aber sehr gemütlich. Unser Zimmer unter dem Dach hatte große Fenster, sodass man den Himmel sehen konnte. Das übergroße Bett versprach heiße Nächte. Das musste ich Leni gleich mitteilen, denn sie würde erst am nächsten Morgen kommen. Abends ging ich in ein nahe gelegenes Restaurant und aß Wildschwein mit „böhmischen“ Knödeln. Dazu ein paar Pilsener Urquell und der Abend wurde immer schöner. Ich konnte mich zu Leni nach Wien träumen, mir vorstellen, was sie grad machte und dass sie morgen Abend bei mir sein würde. Ob die Nacht so werden würde wie in Linz, heiß und wild? Ich traute mich nicht so richtig, ihr davon zu schreiben, und beließ es bei ein paar virtuellen Gute-Nacht-Küssen. Am nächsten Morgen schickte ich Leni ein paar Fotos aus dem Frühstücksraum, damit sie sah, was sie außer mir hier erwartete. Eier mit Speck war jetzt genau das Richtige, um mich auf ihren Besuch vorzubereiten. Danach machte ich einen Spaziergang zum Bahnhof, schaute nach dem Gleis, wo ihr Zug ankommen sollte, und erwartete sie am Bahnsteig. Diesmal war es also umgekehrt wie in Linz und ich freute mich riesig, als sie aus dem Zug stieg und auf mich zu gerannt kam. Wir küssten uns stürmisch neben dem Zug und den vorbeilaufenden Passagieren und ich sah in ihren Augen, dass sie auch am liebsten schnell ins Hotel wollte. Also nahmen wir ein Taxi und zehn Minuten später fingen wir im Zimmer an, uns gegenseitig zu entkleiden. Das ging diesmal ziemlich schnell und schon lagen wir uns auf dem Bett in den Armen. Leni küsste mich wie wild und ich genoss ihre Zunge, umkreiste sie mit meiner und spürte ihre Hände auf meinem Körper. Ich begann, sie zu streicheln, überall wo meine Hände ihren Körper fanden. Das waren offensichtlich interessante Stellen und viele von ihnen riefen ein leises Aah, Ooh oder lautes Stöhnen bei ihr hervor. Plötzlich fragte sie: „Weißt du eigentlich, wie oft ich davon geträumt und mir vorgestellt habe, dass wir uns treffen und lieben?“ „Ich kann es mir denken, denn ich kann dir sagen, ich habe mir das mehrfach täglich vorgestellt und meine Hände und mein Fritzchen gaben dabei keine Ruhe.“ „Wieso heißt der kleine, große Kerl eigentlich Fritzchen? Besser zu dir würde doch Mäxchen passen. Komm mal her, Mäxchen, ich muss dich mal näher kennenlernen.“ Eine Stunde später waren wir dann nach einer Dusche bereit, uns Prag anzuschauen. Leni zog mich aus dem Zimmer: „Komm schon, du Fraueneroberer, jetzt entdecken wir die Stadt.“ 19. Es ist unglaublich, wie harmonisch diese Zeit in Prag ist. Ich habe nicht das Gefühl, dass wir uns erst zum zweiten Mal treffen. Schon als ich ihm am Bahnhof entgegenlaufe, spüre ich wieder diese Verbundenheit, die man sonst nur spürt, wenn man sich schon länger kennt. Wir fallen einander in die Arme und bei diesem Begrüßungskuss vergesse ich alles um uns herum. Wir sehen uns an und es ist, als ob seine Augen sagten: „Komm, lass uns sehen, dass wir schnell ins Hotel kommen!“ Ich erkenne mich selbst nicht mehr. Ich bin einfach verrückt nach Max. Es ist ganz und gar unerklärlich, aber es zieht mich zu ihm hin und ich will ihn nur mehr spüren, an jeder Stelle meines Körpers, ohne Tabus. Ich will in ihm versinken. Hatte ich vorhin noch überlegt, ob sich so eine schöne Nacht wie in Linz wiederholen lässt, so weiß ich es jetzt ganz sicher. Dabei ist es noch gar nicht Nacht, sondern gerade mal früher Vormittag. Ob wir jetzt wohl nur unsere Koffer aufs Zimmer bringen und dann spazieren gehen werden? Also wenn es nach mir ginge, könnten wir uns ruhig Zeit lassen … Als wir im Zimmer ankommen, sehe ich zuerst, dass das Bett noch größer wirkt als auf dem Foto und dann nimmt Max auch schon meine Hand und zieht mich ganz nah zu sich heran. Er hält mich fest und fragt leise: „Was willst du jetzt?“ Ich muss gar nicht antworten. Schon liegen wir auf dem riesigen Bett und alle aufgestaute Lust entlädt sich in einem innigen, zärtlichen und doch wilden Liebesspiel. Zwischendurch ein bisschen Liebesgeflüster und zärtliches Geplänkel machen die Situation noch vertrauter. Er wirkt etwas überrascht, aber auch erfreut, als ich ihm zeige, dass ich für einiges offen bin, was guttut. Ab und zu eine kleine Überraschung hat doch was … Als wir etwa eine Stunde später durch Prag marschieren, können wir kaum unsere Hände voneinander lassen. Irgendwie spüre ich die Kälte gar nicht so sehr. Mit dem Wetter haben wir scheinbar wenig Glück. Bewölkt, kalt, für März eigentlich recht unfreundlich. Aber das macht uns nichts aus. Wir genießen es, miteinander durch die Straßen zu schlendern, die Sehenswürdigkeiten zu erkunden und wenn wir müde sind, das eine oder andere Lokal zu besuchen. Auf dem Weg zum Veitsdom entsteht unser erstes Selfie. Wir strahlen beide wie verliebte Teenager. Wer uns ansieht, muss sofort Bescheid wissen. Im Dom sitzen wir wiederum gemeinsam in einer Bank und lassen andächtig das mächtige Gebäude auf uns wirken. Und das eine oder andere Gebet, dass wir diese schöne Zeit noch lange genießen dürfen, ist auch dabei. Unterwegs kommen wir an vielen Souvenirshops vorbei. Irgendwann meine ich, ich müsste für meine Tochter Sonja und ihren Mann Michael eine Kleinigkeit einkaufen. Da fällt mir ein, dass ich Max noch gar nicht erzählt habe, was passiert ist. „Vorige Woche waren die beiden sehr traurig, und ich auch“, berichte ich. „Die beiden haben sich so sehr auf ihr erstes Baby gefreut, aber Sonja hat es leider verloren. Ziemlich früh, in der 9. Woche. Ich wünsche den beiden, dass es bald klappt. Sie wünschen es sich so sehr!“ Max sagt: „Oh, das ist aber wirklich traurig! Aber du wirst sehen, das wird schon werden. Die beiden haben ja noch genug Zeit!“ Und wir plaudern auf dem Weg noch eine Weile über unsere Kinder und er erzählt mir von seinem erfüllten Leben zwischen Arbeit und Familie. Und auch, wie er durch seinen zeitaufwendigen Job sein Familienleben aufs Spiel gesetzt hatte. Inzwischen habe ich für Sonja ein hübsches Prag-T- Shirt gekauft und bin sehr zufrieden mit meiner Wahl. Beim Altstädter Ring, dem historisch wichtigsten Platz in Prag, angekommen, sind wir erstaunt, wie viele Menschen bei diesem Wetter unterwegs sind. Auf dem Platz ist ein Markt aufgebaut und es tummeln sich nicht nur Touristen dort, sondern auch jede Menge Einheimische. Die meisten warten bereits vor der Aposteluhr, das ist die große Astronomische Uhr auf der Südseite des Rathauses, auf das stündliche Ereignis. Zu jeder vollen Stunde marschieren die Figuren der 12 Apostel an zwei großen Fenstern vorbei. Sehr eindrucksvoll, auch von ganz weit weg, wie wir feststellen. Unser Weg führt uns über die Mitte des Platzes, wo eine große überdachte Holzbrücke aufgebaut ist. Dort ist an einer Tafel zu lesen, dass es Glück bringt und dass Wünsche in Erfüllung gehen, wenn man über diese Brücke geht. Da hat Max eine sehr romantische Idee, wie ich finde. Er sagt: „Was hältst du davon, wenn wir Sonjas neues T-Shirt nehmen und damit über die Brücke gehen? Dann bleiben wir oben stehen und wünschen uns, dass es bald mit einem Baby klappen sollte.“ Ich bin begeistert und so machen wir es. Es ist fast ein mystischer Moment, als wir da oben stehen, mit dem Souvenir in der Hand und unseren Gedanken bei dem geheimen Wunsch. Dass es nur wenige Monate dauern würde, bis mein erstes Enkelkind tatsächlich unterwegs sein würde, ahnen wir noch nicht … Zwischendurch stärken wir uns im Restaurant Svejk mit einem tschechischen Gulasch mit Semmelknödeln und Budweiser. Einfach köstlich! Und so schweben wir glücklich und zufrieden von einer Sehenswürdigkeit zur nächsten. Am meisten genieße ich die Fahrt mit dem Ausflugsboot auf der Moldau. Die Fotos wirken eher traurig, weil der Fluss ohne jeden Sonnenstrahl recht trostlos wirkt. Aber im Herzen spüre ich die Sonne, die ganze Zeit, auch wenn Max mit der Bootskapitänin Veronika um einiges freundlicher scherzt, als es andere Touristen tun. Das ist eben seine offene Art, die alle Leute ebenso freundlich reagieren und zurücklächeln lässt .. Und so sind unsere zwei Tage vergangen wie im Flug und ehe wir uns versehen, finde ich mich auf der Heimreise wieder. Max bleibt noch eine Nacht im Hotel

Köln. 20. Wie einsam doch ein Hotelbett sein kann, wenn man den Duft der Geliebten noch darin riecht, wenn man den Körper förmlich zu spüren glaubt, der noch vor Stunden neben einem lag. Ich saß auf dem Bett und chattete mit Leni. Aber das war kein sehr guter Ersatz für die beiden Tage, die wir gerade hinter uns hatten. Irgendwann schlief ich mitten im Satz ein und träumte davon, dass wir noch einmal über den Altstädter Ring in Prag gingen. Ich schloss sie in meine Arme, küsste sie, sagte ihr ins Ohr, dass ich sie liebe, und erfreute mich an ihren leuchtenden Augen, an ihrem Lächeln und der Antwort: ich liebe dich. Ich musste wohl diverse Träume dieser Art gehabt haben, denn am Morgen war ich ganz durcheinander, wusste allerdings nicht mehr viel von meinen Träumen. Also schrieb ich einen Guten- Morgen-Kuss an Leni, nahm sie in Gedanken mit unter die Dusche und ging dann allein zum Frühstück. Danach fuhr ich mit dem Zug zurück nach Dresden, wo ein weiteres Treffen mit VW auf dem Plan stand. Diesmal musste ich bei den Projektmitarbeitern gehörig auf die Tube drücken, denn die Entwicklung der Programme, die Ende des Monats fertig sein sollten, war weit im Verzug. Also machten wir einen neuen Projektplan, ich verteilte die Aufgaben und fiel abends todmüde im Hotel Waldschlösschen ins Bett. Am nächsten Morgen holte ich Michael Holtheimer, einen Mitarbeiter bei VW, früh um sieben mit dem Auto ab und wir fuhren zusammen nach Berlin. Dort sollten wir mit dem CIO der Brose Gruppe über ein neues Projekt verhandeln, mit dem die IT-Systeme der beiden Unternehmenseinheiten enger verzahnt werden sollten. Die Gespräche zogen sich bis spätnachmittags hin. Michael fuhr mit dem Zug zurück nach Dresden und ich machte mich auf zu dem Ritt über die Autobahn nach Köln. Wegen einiger Staus auf der A2 und der A1 kam ich erst gegen 22:45 h zu Hause an. Nina erwartete mich mit einem Krimi im Bett und war noch hellwach. Ich konnte aber vor Müdigkeit kaum die Augen aufhalten und sagte ihr, dass ich am nächsten Morgen beim Kaffee von der Reise erzählen würde. Beim Frühstück löcherte sie mich dann mit tausend Fragen und ich hatte Mühe, meinen Enthusiasmus über die Tage in Prag zu verbergen. Gott sei Dank konnte ich von der Kälte und dem regnerischen Wetter erzählen, was den Besuch nicht so schön gemacht hatte. Sie meinte dann: „Wenn du zu einer schöneren Jahreszeit noch mal hinfährst, könnte ich dich ja mal begleiten.“ Ich nickte nur und verschluckte mich fast an meinem Kaffee. In unserer Firmenzentrale in Köln gab es dann am Vormittag und am Nachmittag mehrere Meetings, die sich endlos hinzogen, sodass ich erst am späten Nachmittag zu meinen Berichten der letzten Tage kam und es wieder ein langer Tag im Büro wurde. Einen Lichtblick gab es allerdings: mein Chef sagte mir: „Max, wir haben ein neues Projekt bei AUDI gewonnen. Da sollst du die Projektleitung übernehmen. Du hast die meiste Erfahrung im Automobilbereich und der Auftrag ist wichtig und bedeutet für uns einen großen Umsatz, der noch erweitert werden kann. Also halt dich ran und mach das Beste draus.“ Auf dem Nachhauseweg schickte ich aus der Straßenbahn eine kurze Nachricht an Leni: Hallo Liebste Leni, hab eben erfahren, dass ich Mitte April nach Ingolstadt muss. Denkst du, wir können uns dort treffen? Keine drei Minuten später kam ihre Antwort: Liebster, ja super, sag mir genau, wann, dann buche ich einen Zug dorthin. Also hatten wir wieder eine weitere Verabredung und ich fuhr froh nach Hause, wo Nina schon mit dem Essen wartete. Sie hatte heute nicht gearbeitet und warf mir gleich vor, schon wieder so viel Zeit im Büro verbracht zu haben. „Wir sehen uns kaum noch, entweder bist du auf Dienstreise oder ewig im Büro. Meinst du, am Wochenende könnten wir noch mal ein bisschen Zeit zusammen verbringen? Wie wär’s mit einem Besuch in der Sauna und später einem schönen Abendessen irgendwo?“ „Ja, das ist eine Idee, am liebsten am Sonntag, denn am Samstag werde ich zu Hause an der Präsentation für Ingolstadt arbeiten müssen. Im Büro komme ich nicht dazu.“ „Du bist furchtbar, hab den Eindruck, du bist eher mit der Firma verheiratet als mit mir. Dabei bist du dort nur angestellt. Du verbringst viel mehr Zeit mit der Arbeit als ich.“ „Ja, aber du bist in der Schule auch sehr engagiert und meldest dich dauernd für irgendwelche Projekte freiwillig.“ Ingolstadt. 21. Die Zeit bis Mitte April verflog förmlich und inzwischen stand das genaue Datum meiner Reise fest und Leni hatte ihren Zug gebucht. Ich reservierte ein Zimmer im Hotel New Inn im Industriegebiet in der Nähe von Audi. Die Kollegen, die mitfuhren, wollten lieber in der Innenstadt wohnen. Aus verständlichen Gründen hatte ich darauf keine Lust. Leni und ich sollten nach den Meetings noch das Wochenende für uns haben. Und so saß ich am 15. April mit den Kollegen im ICE nach Nürnberg in Gedanken bei Leni und immer wieder aus den Träumen aufschreckend, wenn einer der Kollegen mich etwas zu Audi fragte. Hans meinte: „Du scheinst mir nicht so sicher zu sein, dass das Projekt bei AUDI gut laufen wird oder was bedrückt dich?“ „Ich denke darüber nach, wie wir sie am besten überzeugen können, dass wir nach dem Abschluss der Planung auch weiter die beste Wahl für sie sind und wie wir auch die Umsetzung perfekt hinbekommen. Die Präsentation unseres Teams und unserer Ideen ist eine Sache, aber unsere Rollen müssen klar verteilt sein und wir müssen unterschiedliche Dinge antriggern. Überlegt euch mal, wie ihr das machen wollt. Hans, ich meine, du solltest hauptsächlich den CIO ansprechen und mit Fachwissen glänzen. Egon, du bist der Beste, wenn es um Details für Software aus der Autobranche geht und kannst dabei die übrigen IT-ler überzeugen, ich werde mich auf den CEO und den Einkäufer konzentrieren. Wär das o. k. für Euch?“ Beide nickten und Hans meinte: „Wir müssen dran glauben, dann überzeugen wir sie auch.“ Um 13 Uhr saßen wir bei AUDI im Besprechungsraum und wurden gegrillt. Ich wusste, dass Leni gegen 18:50 Uhr am Bahnhof sein würde, also musste ich nach dem Treffen die Kollegen loswerden. Ich schickte sie um 18:30 Uhr los ins Hotel. Sie wollten am Samstag früh den Zug zurücknehmen. Ich sagte Ihnen, dass wir alles weitere am Montag in Köln besprechen würden. Ich möchte noch Bekannte in Ingolstadt besuchen und erst am Sonntag zurückfahren. So schaffte ich es gerade noch mit dem Taxi zum Bahnhof. Wordox. 22. Die Wordox-Spiele von Leni und Max im September des Jahres vorher hatten zunächst nur mit einfachem Spielen wie diesem hier begonnen

Dann kam der Tag, wo Max abends zum ersten Mal einen kleinen Gutenachtgruß per Chat in Wordox an Leni schickte. Sie war offensichtlich schon früher ins Bett gegangen, jedenfalls kam ihre Antwort erst am nächsten Morgen, allerdings recht früh:

Wien. 23. Von Prag komme ich mit einem Gefühl im Herzen nach Hause, das mir ein ganz neues Leben eröffnet. Ich bin gefangen von dem Verlangen, Max so bald wie möglich wiederzusehen. Aber es dauert natürlich ein paar Wochen, bis es bei ihm wieder möglich sein wird. Ja, eigentlich auch bei mir. Meine Urlaubstage sind ja begrenzt und während des Schuljahres Mitarbeiterinnen zurückzulassen, auf deren soziales Verhalten man nicht wirklich bauen kann, ist ebenfalls schwierig. Ich sollte mich also in nächster Zeit darauf konzentrieren, die Situation in der Schule richtig in den Griff zu bekommen. Also beginne ich, mir Strategien zurechtzulegen, um aus dem kunterbunten Haufen von Personen mit, sagen wir einmal, starken Charakteren ein Team zu formen, mit dem man gut arbeiten kann und auf das man sich verlassen kann. Von Prag zurückgekehrt, mit den Gedanken eigentlich noch ganz wo anders, werde ich in meinem Vorhaben gleich einmal gebremst, indem man mir ein Versetzungsgesuch auf den Schreibtisch gelegt hat. So habe ich einen Grund mehr, mich auf unsere Familienschiffsreise zu freuen, die Ende März rot im Kalender vorgemerkt ist! Immer öfter ertappe ich mich dabei, wie ich auf meinem Handy nachschaue, ob ich eine Nachricht von Max habe. Und er schreibt auch immer dann, wenn er irgendwo allein ist. Und ich antworte auch schnell, außer natürlich in der Schule. Unsere Nachrichten entwickeln sich zu richtigen Liebeserklärungen. Langsam, aber sicher werde ich süchtig danach. Und ich habe das Gefühl, Max geht es genauso. Es wird immer klarer, dass hier mehr im Spiel ist als Wordox und ein paar heiße Nächte. Am 23. März ist es dann endlich so weit. Ich checke mit meiner Familie auf der „Prinzessin Sisi“ ein zur Donaukreuzfahrt zum Eisernen Tor. Sonja muss leider allein mitfahren, Michael muss arbeiten. Aber meine Schwester Helga und ihr Mann Rudi kommen beide mit. Ich teile mir mit meiner Tochter die Kabine. Das ist sehr angenehm, so kommen wir auch wieder einmal dazu, ungestört miteinander zu plaudern. Trotzdem habe ich es die ganze Reise über nicht geschafft, ihr von Max zu erzählen. Sie weiß wohl, dass ich jemand kennengelernt habe, aber die genauen Umstände konnte ich ihr einfach nicht erzählen. Noch nicht … Entlang der Donau gibt es immer wieder Gegenden, in denen das Internet noch nicht so gut ausgebaut ist. In Rumänien ist es besonders schlimm. Wir bekommen mitunter einen ganzen Tag keine Antwort, was inzwischen schwer auszuhalten ist

Es ist ganz eindeutig eine Sehnsucht in unseren Nachrichten zu spüren, wie ich sie noch nie erlebt habe. Und immer mehr wird mir bewusst, dass das eigentlich nicht sein dürfte. Aber gibt es jetzt noch ein Zurück? Ich glaube, zu diesem Zeitpunkt ist es schon zu spät dafür … Auch auf dieser Schifffahrt lässt das Wetter zu wünschen übrig. Die Winterjacke ist unerlässlich, wir tragen an Deck sogar Mützen wegen des starken Windes. Die Erinnerungsfotos erstrahlen alle in einem blassen Grau, besonders die vom Eisernen Tor. Die ersehnte Frühlingssonne bringt mir nur die Vorfreude auf unser Date in Ingolstadt. Das ist mittlerweile fix. Max will dort für seine Firma einen Auftrag an Land ziehen, der es ihm ermöglicht, eine Zeit lang regelmäßig dorthin zu fahren. Am 30. März kommen wir wieder in Wien an. Aus Budapest, Novi Sad, Belgrad, Frusca Gora und Pecs nehmen wir schöne Erinnerungen mit, aber das, was ich sicher nie vergessen werde, ist, wie nah sich zwei Menschen sein können, sind sie auch noch so weit von einander entfernt. Das Wichtigste an diesem Tag ist wohl, dass wir wieder telefonieren können. Endlich wieder seine Stimme hören, die mich so berührt und meine Seele streichelt! In den nächsten Tagen können wir auch öfter miteinander sprechen, Nina ist allein weggefahren, also sind wir kurzfristig flexibler. Und das nützen wir eifrig aus. Wir planen unsere Fahrt nach Ingolstadt. Ich buche den entsprechenden Zug und wir plaudern über unsere Alltagsaktivitäten. Dabei erzählt mir Max, dass er regelmäßig mit Elvira aus dem Fotoclub fotografieren geht, auch dieses Wochenende wieder. Irgendwas in mir wird ganz vorsichtig hellhörig, nachdem er letztens von Bärbel erzählt hat, mit der er gelegentlich joggen geht. Schon etwas eigenartig, nachdem mir sein überfreundliches Verhalten gegenüber völlig fremden Damen aufgefallen ist … Noch bin ich recht vorsichtig mit dem, was ich zu Max sage. Es sind eher so allgemeine Bemerkungen wie: „Du hast aber ein abwechslungsreiches Programm, in dem viele Frauen vorkommen …“ oder: „Oh, mit der warst du aber letztens schon mal unterwegs, oder?“ Aber in mir kommen die alten Gedanken wieder hoch, die ich eigentlich vergessen wollte. Die Gedanken an Günther und an seine Untreue, die ich immer gespürt, aber die ganze Zeit verdrängt habe, bis ich nach seinem Tod erfahren habe, dass ich recht hatte. Immer wenn ich ihn auf meine Vermutungen ansprach, fand er tausend beruhigende, alles erklärende Worte und ich glaubte ihm. Konnte es sein, dass ich jetzt auf denselben Typ Mann noch einmal hereinfalle? Super gutaussehend, Frauenversteher, Retter in der Not für alles, was weiblich ist und „Hilfe“ braucht … Nein, auch wenn es so aussieht, so ist Max nicht! Er kämpft doch schon mit dem schlechten Gewissen, weil er sich heimlich mit mir trifft. Was sollte er da noch mit anderen Frauen anfangen? Je mehr ich darüber nachdenke, umso klarer wird mir, dass ich mich nicht eigentlich vor seiner Untreue fürchte, sondern vor den verführerischen Handlungen der Frauen. Es war ja bei Günther genauso gewesen. Er hat sicher auch keine Absichten gehegt bei der Frau seines Ex-Kollegen. Aber sie war eine richtige Circe und hat ihn irgendwann dort gehabt, wo sie ihn wollte. Genug Ausdauer, der richtige Ausschnitt zur richtigen Zeit, ein Whisky zu viel … wer weiß? Und jetzt bekomme ich das nur schwer aus dem Kopf. Ich muss wirklich aufpassen, dass nicht jedes weibliche Wesen in seiner Umgebung für mich zur Konkurrenz wird. Max hat ja noch genug andere Freundinnen, die er schon viele Jahre kennt, etwa von früheren Dienststellen oder die er bei irgendwelchen Workshops kennengelernt hat. Irene und Gabriele zum Beispiel. Na ja, bei all der Harmonie, die wir spüren, wird doch dieser eine Punkt nicht so ins Gewicht fallen, wenn ich mich bemühe, versuche ich mich zu beruhigen. Und wenn es mir zu viel wird, sollten wir einfach einmal darüber reden. Es gelingt mir auch, diese Gedanken wieder wegzuschieben. Die Nachrichten und Telefonate, die wir austauschen, lassen sie verblassen und rücken unsere Liebe in den Vordergrund. Und so kommt mit großen Schritten der 15. April. Ingolstadt. 24. Ingolstadt! Da bin ich noch nie gewesen. Ich fahre zuerst mit dem Zug von Wien nach München und muss dort umsteigen. Riesengroß, der Hauptbahnhof! Ich komme mir dort ziemlich verloren vor. Und dann blockiert noch eine Horde grölender, Bier saufender Fußballfans den Bahnsteig. Aber ich finde mich dann doch zurecht und steige rechtzeitig in den ICE nach Ingolstadt ein. Jetzt kann ich zur Ruhe kommen und mich auf Max freuen. Den Großteil der Reise habe ich ja hinter mir, nur noch eine Stunde vor mir. Ich spüre die Aufregung in mir aufsteigen. Das Gefühl, wenn ich Max am Bahnsteig sehe und ihn endlich umarmen darf, kenne ich jetzt schon und so male ich mir schon aus, wie es im Hotel weitergehen würde. Ich muss aufpassen, dass ich nicht zu früh aussteige. Max hat mich darauf aufmerksam gemacht, dass das Hotel näher am Bahnhof Ingolstadt Nord ist. Also darf ich nicht am Hauptbahnhof aussteigen! Allerdings ist die Fahrzeit zwischen den letzten beiden Stationen sehr kurz, weshalb ich schon am Hauptbahnhof meinen Koffer aus dem Gepäckfach nehmen und langsam zur Tür gehen will. Als der Koffer auf dem Boden steht, klopft jemand ganz laut von außen an die Fensterscheibe. Ich glaube meinen Augen nicht zu trauen! Da ist Max! Er deutet heftig mit den Händen, ich soll schnell aussteigen. Ich reagiere, so schnell ich kann, schnappe mein Gepäck und laufe damit zur Tür. Im letzten, aber auch wirklich allerletzten Moment, bevor sich die Tür schließt, steige ich aus. Da stehen wir nun. Völlig überrascht und beide überlegend, was uns da passiert ist. Ich sage vorsichtig: „Hattest du nicht extra gesagt Ingolstadt Nord, weil das Hotel dort in der Nähe Ist? Tut mir leid, ich hatte das so in Erinnerung. Hab auch die Fahrkarte danach gekauft.“ „Ach du meine Güte! Ja, stimmt! Das hab ich wohl in meiner Aufregung vergessen. Ich war fest der Meinung, wir treffen uns am Hauptbahnhof! Das tut mir jetzt echt leid!“, entschuldigt sich Max. Zum Hotel bringt uns natürlich ein Taxi, das muss jetzt sein „Hast du noch Hunger, Leni, oder hast du unterwegs was gegessen?“, erkundigt sich Max. Er hat schon eine Kleinigkeit gegessen. „Der einzige Hunger, den ich verspüre, ist der Hunger nach dir!“, antworte ich und ich sehe wieder dieses weiche Lächeln in seinem Gesicht, das mir zu verstehen gibt, dass es ihm genauso geht. Das Hotel liegt mitten im Industriezentrum und es sieht so aus, als wären wir ganz allein hier. Da müssen wir uns keine Gedanken machen, ob uns jemand hören würde. Wir packen auch zuerst nur die nötigsten Sachen aus, eine Dusche brauchen wir nämlich beide. Also beginnen wir unsere erste Nacht in Ingolstadt zu zweit in der Dusche. Die ist nicht besonders groß, wir haben gerade genug Platz, uns gegenseitig einzuseifen und abzuwaschen. Auch das besonders zärtliche Trockenrubbeln genießen wir sehr, bevor wir eng umschlungen auf das Bett fallen. Eigentlich müssten wir müde sein, ich von der langen Reise und Max vom anstrengenden Arbeitstag. Aber alle Müdigkeit ist wie weggeflogen. Wir wollen nur zusammen sein, eins sein – und uns nie mehr loslassen. Nachher, als die Müdigkeit uns doch noch überkommt, lachen wir noch herzlich über unser gut durchdachtes Treffen am Bahnhof und schlafen Haut an Haut ein. 25. Ein neues Hotelzimmer, ein neuer Ort, aber eine schon so sehr vertraute Frau, die ich beinahe am Bahnhof verpasst hätte. Wie blöd kann man doch sein, vorher Anweisungen geben und dann selbst zum falschen Ort fahren. Aber „et hätt noch emme joot jejange“, wie man in Köln sagt. So fanden wir uns also kurz danach in der Dusche, die schon sehr stimulierend war, und dann im Bett wieder, streichelten, küssten uns wie verrückt und waren auch schnell bei den wesentlichen Dingen angekommen. Leni wollte diesmal die Führung übernehmen und ließ mich den Akt genießen. In der zweiten Runde zeigte sie mir etwas, was ich so noch nicht selbst erlebt hatte. Das war ein Gefühl, das ich nicht so schnell vergessen werde. Vor allem, weil ich das Gefühl hatte, dass Leni das auch sehr genossen hat, was ich mir vorher gar nicht hatte vorstellen können. Was uns aber irgendwie immer am besten gefiel, war die Zeit danach, wenn wir nah nebeneinander und uns gegenseitig streichelnd im Bett lagen. Dabei kam auf seltsame Weise ein Gefühl des Austauschs zustande, ohne dass wir sprechen mussten. Auch etwas, das ich so nicht kannte. Am nächsten Morgen wachten wir früh auf und waren schon bald wieder eng umschlungen und in Bewegung. Diesmal durfte ich wieder das Ruder übernehmen, Leni gab sich meiner Initiative hin und fühlte sich sehr wohl dabei. Ich wunderte mich auch wieder über mich selbst, denn so häufiges Miteinanderschlafen war auch neu für mich. Und dass es auch noch für beide so erfüllend war, fanden wir sehr schön. Ich sagte zu Leni: „Hier in dem Industriegebiet müssen wir uns sicher keine Sorgen machen, dass uns jemand hört, auch wenn es manchmal hoch hergeht.“ Beim Frühstück waren wir dann allerdings überrascht, dass dort mehrere Männer saßen, die uns in der Nacht oder heut früh hätten hören können. Aus ihren Gesprächen entnahmen wir, dass sie alle heute abreisen würden, also bestand ja noch Hoffnung. Anschließend bestiegen wir den Bus in die Stadt und schlenderten durch das Zentrum von Ingolstadt. Auch hier konnten wir es nicht lassen und gingen in das Liebfrauenmünster, eine Kirche aus dem 15. Jahrhundert, die mit vielen sehr gut erhaltenen Deckenverzierungen ausgestattet ist. Ich weiß nicht, warum es uns immer wieder in Kirchen zog, vielleicht war es die Tatsache, dass mich zwischendurch mein Gewissen plagte, das mich daran erinnerte, dass ich meine Frau betrog. Das kam inzwischen immer öfter vor und vielleicht suchte ich durch die Kirchenbesuche irgendwie Vergebung für meine Fehltritte. Ich bin nicht unbedingt ein sehr gläubiger Mensch und sonst gehe ich an Ostern und Weihnachten in die Kirche. Von Leni wusste ich, dass es ihr ähnlich ging. Umso erstaunlicher fanden wir es im Gespräch anschließend in einem Café, dass wir an jedem Ort, wo wir uns getroffen hatten, eine oder mehrere Kirchen besucht und uns dort auch schweigend Hand in Hand auf eine Bank gesetzt hatten. Leni meinte: „Ich stelle mir dann immer vor und wünsche mir, dass unsere Liebe uns irgendwann ganz zusammenführt und nicht nur sporadisch an verschiedenen Plätzen.“ Ich wollte ihr nicht zu viel von meinen Gewissensbissen erzählen und sagte nur, dass ich in der Kirche dafür bete, dass wir noch lange zusammenbleiben können. Abends waren wir in einem kleinen Lokal beim Essen, wo wir bayerische Spezialitäten probierten. Danach war ich so satt, dass ich dachte, heute Abend geht aber sicher nix mehr, ich glaubte, ich falle gleich in einen Tiefschlaf. Dann kam es doch anders und wir hätten mit unserem Stöhnen und Jauchzen gut die Hotelnachbarn wecken können, wenn welche da gewesen wären. 26. Endlich haben wir einmal schönes Wetter! Die Sonne scheint fast die ganze Zeit und wir genießen ihre Wärme. Nach unserem Besuch des Münsters finden wir im Café am Schloss ein gemütliches Plätzchen im Freien zum Kaffeetrinken. Da sind nur wenige Tische vor dem Laden, aber gerade dorthin scheint jetzt die warme Frühlingssonne. Wir setzen uns nebeneinander, damit wir sie beide im Gesicht spüren können. Wir plaudern ein bisschen über unsere Gemeinsamkeiten, die wir schon entdeckt haben, und darüber, was wir uns für die Zukunft wünschen. Dann schließen wir einfach die Augen, lehnen uns aneinander und Max hält meine Hand. So sitzen wir eine Weile und sagen nichts. Wieder frage ich mich, woher wohl dieses vertraute Gefühl kommen mag. Von der Hand, die die meine hält, geht eine Kraft aus, die meinen Körper mit Energie durchströmt. Dazu die warmen Sonnenstrahlen … Wann bin ich je so glücklich gewesen? Ich weiß es nicht mehr … Der Tag ist einfach herrlich! Wir spazieren vom Schloss mit dem Bayerischen Armeemuseum zum Stadttheater, weiter zum Museum für konkrete Kunst. Auch hier sind wir uns einig, dass wir es nicht von innen sehen müssten. Und dann sind da noch die Einkaufsstraßen, wo viele Menschen unterwegs sind. Die Altstadt ist von einer Ringstraße umgeben, wo sogar noch Reste der Stadtmauer und alte Stadttore existieren. Also wandern wir noch mindestens um halb Ingolstadt herum. Irgendwann tun uns doch die Füße weh und wir kehren ein, um uns mit einem Bayerischen Abendessen zu stärken. Es schmeckt vorzüglich und wir unterhalten uns blendend. Es ist so schön, dass wir zusammen auch so viel lachen können! Auf dem Rückweg zum Hotel denke ich noch, heute lassen wir es aber gut sein und ruhen unsere beanspruchten Knochen aus. Max sieht auch schon etwas müde aus und so besteht der Plan für den schon fortgeschrittenen Abend darin, noch zu duschen und nachher gleich zu schlafen. Also sofort ab in die erste Tiefschlafphase. Da haben wir aber die Rechnung ohne Mäxchen gemacht … Als ich mich nah zu Max kuschle, bin ich irgendwie hellwach. Und was spüre ich denn da an meinem Schenkel? „Hm“, sage ich leise, „da denkt aber einer nicht an Schlafen!“ „Wahrscheinlich weiß er, dass wir morgen Mittag schon wieder nach Hause fahren“, meint Max mit einem schelmischen Unterton, „und deshalb möchte er dich dringend noch einmal spüren … könnte ich mir denken …“ Und als er mit seiner Hand zu erkunden beginnt, wie es denn auf meiner Bettseite so aussieht, meint er schmunzelnd: „Aha, da ist aber offensichtlich jemand der gleichen Meinung!“ Und weil sich die beiden so einig sind, geben wir natürlich nach. Schlafen könnten wir wahrscheinlich beide sowieso nicht … Umso erstaunlicher ist es, wie früh wir wieder aufwachen. Fünf Uhr und kein Gedanke mehr an Schlaf! Na so was. Ich bin hier nicht ich selbst. Zu Hause würde mir das nicht passieren. Also ich meine, allein zu Hause, ohne Max … Frühstück gibt es ab sieben. Da bleibt uns gar nichts anderes übrig, als die Zeit angenehm zu überbrücken. Max hat da noch ein paar Ideen. Wenn man schon richtig wach ist, muss man ja nicht immer liegen … Und um die Lautstärke machen wir uns mittlerweile gar keine Gedanken mehr. Beim Frühstück sind wir sehr still, nicht nur weil doch auch zwei Herren im Frühstücksraum sind. Wahrscheinlich denkt auch Max daran, dass unsere Zeit begrenzt ist. „Wie schön, dass wir heute noch gemeinsam den Zug nach München nehmen“, sagt er genau in dem Moment, als ich das denke. „Ja, so bleibt uns noch ein bisschen Zeit“, sage ich und unterdrücke das erste Trauergefühl. Köln. 27. Nach dem Frühstück packten wir unsere Sachen und nahmen ein Taxi zum Bahnhof. Wir fuhren den ersten Teil der Bahnstrecke zusammen, weil ich in München meinen Sohn und seine Freundin treffen wollte. So hatten wir also noch eine knappe Stunde im Zug, wo wir Hand in Hand und meist schweigend nebeneinander saßen. Kurz vor München verabschiedeten wir uns voneinander, da Alexander mich am Bahnhof abholen wollte und er uns natürlich nicht zusammen sehen durfte. Ich ließ Leni zuerst aussteigen und schaute ihr hinterher, bevor ich dann langsam am Zug entlang zum Ausgang ging. Diese Frau, die da von mir wegtrippelte, hat mich verzaubert. Ich zog sie mit meinen Blicken aus, sah ihren Rücken und den wohlgeformten Po, der mich im Bett immer zu neuen Eroberungen inspirierte. Ihre Beine, die mich schon ein paarmal umklammert hatten, als wolle sie ein wildes Pferd zureiten. Dann bog sie ab in Richtung von Gleis 14 und am Ende des Bahnsteigs warteten Alexander und Lore auf mich (eigentlich heißt sie Hannelore, aber sie wollte lieber Lore genannt werden). Ich begrüßte die beiden und sah Leni im Augenwinkel zum anderen Bahnsteig gehen, wo ihr Zug nach Wien in Kürze einlaufen würde. Mit Alexander und Lore fuhr ich ein paar Stationen mit der U-Bahn und wir gingen in ein tolles italienisches Restaurant, das Alex ausgesucht hatte. Dort genoss ich ein wunderbares Spargelrisotto, trank einen erfrischenden Pinot Grigio und zum Schluss einen starken Espresso. Beim Essen erzählte ich den beiden vom Projekt bei Audi und Alexander hatte die Neuigkeit, dass er sein Auslandsemester in Mexiko machen werde. „Wann geht′s los? fragte ich ihn. „Anfang Juli fliege ich und ich habe mir ein Round-the-world-Ticket besorgt. Das ist nicht viel teurer als ein normaler Return-Flug, aber dann kann ich von Mexiko über USA nach Hongkong, Singapur und Malaysia weiterfliegen und dort ein paar Freunde besuchen, die da ihre Auslandssemester machen.“ „Tolle Idee, Alex. Fährst du mit, Lore?“, fragte ich. „Nein, aber wir haben überlegt, dass ich am Ende des Semesters hinterherfliege und wir dann ein paar Wochen in USA zusammen Urlaub machen.“ „Wird euch die Zeit, bis kurz vor Weihnachten getrennt zu sein, nicht zu lang?“ „Wir glauben, wir schaffen das, wenn wir täglich telefonieren und uns schreiben“, sagte Alexander. Lore schaute ein wenig traurig drein und es sah für mich nicht so aus, als ob sie auch so fest daran glaubte. Nach dem Essen brachten die beiden mich wieder zum Bahnhof und ich bestieg den ICE nach Köln. Kaum im Zug, schrieb ich an Leni

Den Vers schrieb ich ihr abends kurz vor meiner Ankunft in Köln, da schlief Leni schon und so kam ihre Antwort erst am nächsten Morgen um sechs

Das animierte mich zu folgender Antwort, die ich von zu Hause schrieb, da ich heute nur kurz ins Büro musste. Danach hatte ich Urlaub hatte und fuhr mit einigen Kollegen zum Segeln nach Holland

Einige Stunden später konnte ich dann antworten:

In der Nacht schlief ich sehr schlecht. Mich plagten Gewissensbisse, denn am Morgen zu Hause hatte ich eine hässliche Szene mit Nina. Sie beklagte sich, dass ich dauernd unterwegs sei, kaum von der Reise nach Ingolstadt zurück, schon wieder Koffer umpacken und ab nach Holland. „Man könnte denken, dir liegt gar nichts an mir und am liebsten bist du weit weg von mir“, meinte sie. „Das ist nicht so und das weißt du auch. Der Segeltörn ist doch schon seit Monaten geplant, den machen wir doch seit Jahren immer im Frühjahr. Wenn ich zurück bin, machen wir uns ein paar schöne Tage. O. k.?“ „Ach ja, und dann fährst du eh bald wieder auf die nächste Geschäftsreise. Sicher triffst du da auch nette Frauen und vergisst mich.“ „Unsinn, ich will gar keine anderen Frauen treffen, aber mein Job ist nun mal so, das weißt du doch, und das Projekt in Ingolstadt muss ich nun mal machen. Der Oberste Boss hat mich dazu verdonnert.“ „Ausreden hast du schon immer gefunden ... Ich habe es bald satt, aber fahr nur. Ich hab grad eh genug mit einem neuen großen Projekt in der Schule zu tun.“ So lag ich also jetzt in meiner Koje und zermarterte mir das Hirn, was ich tun sollte. Ich empfand für Leni etwas, das ich so nicht kannte, aber Nina wollte ich auch nicht verlassen. ‚Kann man zwei Frauen lieben? Ich liebe doch auch alle unsere Kinder. Sicher geht das mit zwei Frauen auch. Aber dieses Versteckspiel mit Nina, das kann so nicht weitergehen. Ich muss es ihr sagen … Dann schmeißt sie mich raus. Was mach ich dann? Kann ich mir mit Leni schon so sicher sein?‘ Wir haben uns erst ein paar Mal gesehen, aber das Gefühl für sie ist so stark. So ging es immer hin und her und irgendwann schlief ich dann doch ein. Wien. 28. Ich bin also wieder zurück in der Wirklichkeit. Zurück in meinem Haus, allein mit den wunderschönen Gedanken an unsere Erlebnisse in Ingolstadt. Und Max ist weit weg. Segeln mit seinen Kumpels. Ich spüre fast so etwas wie ein schlechtes Gewissen, weil mir der Gedanke gut gefällt, dass Max nicht zu Hause bei seiner Frau ist. Er ist mir dort sicher näher als ihr, und damit meine ich nicht die räumliche Entfernung. Manchmal denke ich auch an meinen Vorsatz, nur ein bisschen die schöne Zeit zu genießen, die wir zusammen haben, ohne mich wirklich in die bestehende Beziehung einzumischen. Aber mir wird immer bewusster, dass ich das schon tue. Ich sage zwar, ich erwarte nichts und ich werde niemals irgendwelche Ansprüche stellen, die mit Trennung von seiner Frau zu tun haben. Das würde ich auch nie tun, aber ich spüre, dass sich langsam, aber sicher der Wunsch nach mehr in mir breitmacht. Und der Widerspruch, der sich daraus ergibt, tut schon weh. Zum Glück hat Max beim Segeln oft Internet-Empfang, so können wir ziemlich regelmäßig schreiben. Irgendwie haben wir uns schon daran gewöhnt, wenigstens morgens und abends ein paar verbale Liebkosungen auszutauschen. Das tut unheimlich gut

Es ist einfach wunderschön, jeden Morgen mit so viel Zärtlichkeit in den Worten begrüßt zu werden, mit so viel Gefühl und Liebe! Da sind die Unwegsamkeiten in der Schule auch gleich viel besser zu ertragen. Wie ein kleiner Schutzschild für die Seele irgendwie … Außerdem steht auch ein Dreitageseminar an, an dem ich mit vier Kolleginnen aus anderen Schulen teilnehmen sollte. Da sind Spaß und Ablenkung vorprogrammiert. Auch in diesen drei Tagen ist es so, als wären wir nicht tausende Kilometer voneinander getrennt. Ich kann an gar nichts mehr anderes denken als an Max, Max, Max … Meine Konzentration bei den Vorträgen ist natürlich auch entsprechend. Aber das stört mich nicht. Und solange es die anderen nicht bemerken, ist alles gut … Die Abendküsse per WhatsApp werden ebenfalls immer intensiver. Liebster Max! Ich kann nicht anders, ich muss dich vor dem Einschlafen noch mal küssen! Und streicheln! Und drücken! … Na gut, jetzt sollte es reichen bis morgen Früh. Gute Nacht! Seine Antwort kam erst am Morgen mit den nächsten Streicheleinheiten für einen schönen Tag:

Die restliche Zeit, bis wir beide wieder zu Hause sind, überbrücken wir mit schönen Versen, die wir für einander schreiben:

Köln-Lissabon. 29. Nach einer Woche war ich vom Segeln wieder zurück in Köln und es hatte sich inzwischen ergeben, dass ich einen Tag später nach Leipzig zu einem Kundentermin fliegen musste. Als ich Nina davon erzählte, war sie gleich wieder so sauer wie vor dem Segeltörn und sagte: „Immer kommt was anderes dazwischen, wir wollten doch ein paar Tage für uns haben. Jetzt musst du nach Leipzig und am Sonntag fliegst du dann zu deinem Fotoworkshop nach Lissabon. Dann bist du schon wieder mehr als eine ganze Woche weg. Und wie ich dich kenne, musst du dann bald wieder nach Ingolstadt zu deinem Projekt. Ich habe es wirklich satt, wir verbringen kaum Zeit miteinander. Wo soll das denn enden?“ Ich wusste auch nicht, was ich darauf sagen sollte, denn sie hatte ja nicht unrecht. „Lass uns etwas Konkretes ausmachen, damit nicht wieder was dazwischenkommt.“ „Was hältst du davon, wenn wir deinen Geburtstag dieses Jahr allein irgendwo verbringen. Das fände ich schön und das gibt uns Gelegenheit, über uns und unsere Situation nachzudenken und zu sprechen. Sicher wird uns das auch wieder näher zueinander bringen. Was meinst du?“ „Na gut, ich überleg mal und während du in Leipzig bist, suche ich schon mal was raus, wo wir hinfahren könnten.“ „Ja, super, das gefällt mir. Bin sicher, du findest was Schönes und wir werden dort wunderbare Tage verbringen.“ Am nächsten Morgen schrieb ich dann vor dem Joggen an Leni:

So flog ich also nach Leipzig und nahm den Kundentermin wahr, schickte zwischendurch immer mal wieder kleine Botschaften an Leni und telefonierte mit Nina. Sie erzählte mir freudig, dass sie sich Rostock und Heiligendamm angeschaut hatte, und schlug vor, dass wir über meinen Geburtstag dort hinfahren. „Wir könnten in Rostock wohnen, da gibt es Stadtteile ähnlich bunt und durcheinander wie die Kölner Altstadt. Von dort könnten wir auch die Küste in Heiligendamm und anderen Orten besuchen. Wenn wir Glück haben, kann man schon ins Meer zum Baden.“ „Das gefällt mir, hast du das schon gebucht?“ „Noch nicht, wollte dich erst fragen.“ „Wenn es dir auch gefällt, dann mach das, ich glaube, das wird uns beiden guttun.“ Abends im Bett kam sie dann wieder, die innere Stimme, die mir sagte: „Was machst du? Hier schreibst du Liebesbotschaften an Leni und kurz darauf freust du dich auf ein paar schöne Tage mit Nina. Spinnst du eigentlich?“ Ich grübelte lange darüber nach, kam aber zu keinem vernünftigen Entschluss. Kurz vor dem Einschlafen dachte ich: ‚Wenn wir in Rostock sind, muss ich Nina von Leni erzählen. Aber was wird sie dann machen? Ich denke sie wird mich nicht verstehen und unsere Ehe sofort auflösen wollen. Das will ich aber nicht. Aber Leni aufgeben will ich auch nicht.‘ Im Traum war ich dann mit Nina im Gespräch mit einem langhaarigen Künstler am Strand in Heiligendamm, der eine Figur modelliert hatte, die aussah wie Leni. Ich fand sie wunderschön und wollte Nina überreden, sie mit nach Hause zu nehmen. „Wo sollen wir die denn hinstellen? Etwa ins Wohnzimmer?“ „Weiß nicht, aber vielleicht eher ins Schlafzimmer?“ „Die ist doch viel zu groß dafür und außerdem hättest du dann eine weitere Frau neben mir. Willst du das?“ Dann wachte ich ganz verstört auf. Nachdem ich aus Leipzig zurück war, schaute ich mit Nina noch die Bilder der Wohnung in Rostock an, die sie gemietet hatte. Es sah wirklich alles wunderschön aus und ich freute mich drauf. Dann packte ich einen Tag später meinen Koffer und die Fototasche und flog nach Lissabon. Dort nahm ich zusammen mit Irene aus unserem Fotoclub und sieben anderen Teilnehmern an einem Fotoworkshop teil. Ich konnte jetzt etwas freier mit Leni kommunizieren und ihr auch ab und zu ein Foto schicken. Dann überraschte sie mich mit folgender Nachricht:

Leni schickte mir am nächsten Morgen einen Vorrat an Küssen und Streicheleinheiten für meine Fototasche: „Damit du viel Spaß hast und gut versorgt bist.“ So verbrachte ich eine Woche mit Fotografieren am Tag und manchmal auch abends. Und früh am Morgen und spät abends tauschte ich Nachrichten, Küsse usw. mit Leni aus. Das Leben war schön und Nina weit weg. Wien. 30. Der Fotoworkshop in Lissabon beschäftigt mich sehr. Nicht nur, weil wir uns sehr oft und viel schreiben, sondern weil mir da bewusst wird, wie oft und wie lang Max mit anderen Frauen unterwegs ist. Mir ist schon klar, dass Irene nur eine Freundin aus dem Fotoclub ist. Aber mit ihr wegfahren, gleich mehrere Tage … und Nächte? Ist das in Ordnung? Ich denke für mich, wenn ich Nina wäre, würde ich das nicht wollen! Max vertrauen ist eigentlich nicht schwer, diese Augen können ja gar nicht lügen. Und warum sollte er mit anderen etwas anfangen, die er schon viel länger kennt? Das hätte er ja schon vorher haben können. Das macht keinen Sinn. Aber ich weiß, wie die Frauen sein können. Die Frage, ob es reine Freundschaft zwischen Mann und Frau geben kann, so ganz ohne jede sexuelle Regung, beschäftigt mich nun öfter. Freundschaft, so wie er immer sagt, und sonst nichts. Ich selbst hatte damit meine eigenen Erfahrungen. Und die waren eher ungünstig für Max. Es ist doch eher so, dass bei solchen Freundschaften der eine oder die andere insgeheim doch etwas empfindet und es nicht gleich zugibt. Vielleicht, weil man die Schranken nicht durchbrechen will, wenn der andere gebunden ist, oder weil man einfach auf seine Chance wartet. Und genau das bringe ich nicht mehr aus meinem Kopf heraus. Von den vielen Damen, die da herumschwirren, liegen sicher einige auf der Lauer und warten nur auf den richtigen Moment. Auf der Fotoreise sind zwar noch andere Teilnehmer dabei, also auch weitere Damen, aber sie teilen sich immerhin eine Wohnung, sind also Tag und Nacht zusammen. Und ganz sicher geht Max auch mal allein mit Irene auf Tour. Nein, diese Gedanken gefallen mir gar nicht. Aber ich kann sie auch nicht ganz abstellen. Hat er eigentlich einmal darüber nachgedacht, wie es für ihn sein würde, wenn Nina oder ich mit anderen Männern ausgehen oder gar wegfahren würden … mehrere Tage und Nächte? Das bezweifele ich … Und dann ist da noch so ein Teufelchen in meinem Hirn, das mich immer wieder aufmerksam macht, wie sehr doch diese Situation jener gleicht, die ich mit Günther erlebt habe, meinem zweiten Mann. Er hatte auch so eine Freundin. Zuerst war sie nur die Frau seines Kollegen. Sie war, wie er mir versicherte, nicht sein Typ, viel zu dürr und rauchte dazu noch wie eine Dampflok, was er verabscheute. Niemals eine Raucherin! Das war seine Devise! Sie wandte genau die vorher erwähnte Taktik an. Abwarten … zum Alkohol verführen … um Hilfe bei schwierigen Arbeiten im Haus bitten, die ihr armer, kranker Mann nicht machen kann … nach und nach immer mehr Zeit zusammen verbringen … und dann: Falle zu! Geschafft! Ich hatte es die ganze Zeit gespürt und ihm doch immer wieder alle Ausreden geglaubt. Ich hab mich selber belogen. Als er später an Krebs gestorben war, kam die ganze Wahrheit ans Licht. Während ich in der Schule war, hatte er sich immer heimlich mit ihr getroffen … Diese Gedanken sollte ich eigentlich schnell vergessen. Es sind nicht alle Männer gleich. Und dass Max anders ist, ist doch offensichtlich. Aber Engelchen und Teufelchen sollten noch eine ganze Weile in meinem Kopf weiterkämpfen. Das Herz hat es dabei wirklich nicht leicht. Doch immer, wenn ich seine liebevollen Nachrichten lese, ist mir das alles egal. Ich weiß dann, dass er nur mich liebt und dass das so bleiben wird! Zum Trost schnappe ich meine Freundin Martina und fahre mit ihr ins Thermenwochenende. Ein kleiner Wellnessurlaub zwischendurch ist jetzt genau das Richtige. Und es tut so gut, ihr alles zu erzählen. Da hat es Max weitaus schlechter! Er kann mit niemandem über unsere Situation sprechen. Das Risiko wäre viel zu hoch! Martina, selber in einer äußerst unbefriedigenden Beziehung lebend, ist ganz auf unserer Seite. Sie beruhigt auch ein wenig mein Gewissen, wenn sie sagt, dass sie uns beide verstehen kann. Genau genommen bin ich ja auch keine Heilige. Und manchmal frage ich mich schon, ob es richtig ist, was wir tun. Wir fahren fast gleichzeitig nach Hause, ich vom Burgenland, Max von Lissabon. Der Alltag kommt wieder, mit Schule und Neuigkeiten über die Schwangerschaft meiner Tochter für mich und für Max mit Joggen mit Bärbel, Fotografieren mit Elvira und Leben mit Nina. Aber das Schönste ist, wir stürzen uns gleich in die Planung unseres nächsten Treffens in Nürnberg im Juni. Wordox. 31. Mit der Zeit entwickelten sich die Wordox-Chats der beiden weiter und waren die Basis der täglichen Kommunikation. Neben dem Spiel wurden dann mehrfach kleine Botschaften über den Wordox -Chat versandt

Das hatte allerdings den Nachteil, dass bei Spielende, also wenn einer von den beiden ein Spiel gewonnen hatte, der Chat jeweils gelöscht wurde. Daher schrieben sie sich auch zum Teil in WhatsApp und wechselten später auch die Chat–App, und das kam so: In einem Wordox-Spiel kam das Wort buk vor, was Max an einen Witz mit zwei Gedichten zu Timbuktu erinnerte. Er tippte in den Chat bei Wordox folgende Zeile ein: Muss dir schnell einen Witz erzählen, der mir bei buk einfiel. Aber das wird hier zu lang, also schick ich den Witz per WhatsApp. Bei einem Wettstreit von Dichtern sollten die beiden (ein Amerikaner und ein Engländer), die es in die Endrunde geschafft hatten, als Abschlussaufgabe einen Vers zu Timbuktu schreiben. Sie hatten fünf Minuten Zeit und danach trat der Amerikaner ans Mikrofon und sagte: I was a priest for all my life I had no children had no wife. I read the bible thru and thru. On my way to Timbuktu. Das Publikum und die Jury waren begeistert und dachten schon, der Amerikaner werde gewinnen. Dann kam der englische. Dichter dran und las vor: When Tim and I to Brisbane went, We met three ladies in a tent. As they were three and we were two. So I took one and Tim. booked two. Lenis lachende Antwort kam einige Zeit später und sie meinte:

Nürnberg. 32. Als ich am ersten Tag nach Lissabon wieder ins Büro kam, hieß es dort, ich müsse in einigen Wochen nach Nürnberg. Mein Chef meinte, da gäbe es ein Problem in einem bestehenden Kundenprojekt, das nur ich lösen könne. Ich suchte mir die entsprechenden Projektdaten heraus und las die Kundenkommunikation. Dabei stießen mir einige Dinge auf, die so nicht hätten passieren dürfen. Kein Wunder, dass der Kunde, in dem Fall die Siemens NIK, verärgert war. Ich schrieb Leni, dass ich im Juni nach Nürnberg müsse, und fragte, ob wir uns da vielleicht treffen könnten. Ihre Antwort kam prompt:

Also begann ich, ein Team zusammenzustellen, das mich begleiten sollte, und suchte entsprechende Zugverbindungen heraus. Dabei stellte ich fest, dass zu den von mir bzw. uns geplanten Zeiten, fast alle Züge nach Nürnberg ausgebucht waren, keine Ahnung, warum. Also musste ich eine andere Lösung finden. Ich fragte die beiden Kollegen, die mich begleiten sollten, ob sie mit mir mit dem Auto hinfahren aber zurück allein den Zug nehmen würden, da ich auf dem Rückweg noch meine Kinder in Würzburg besuchen wollte. Sie waren einverstanden und Heinz meinte dazu: „Ist doch prima für dich, wenn du das kombinieren kannst, und wir beide können locker mit dem Zug zurückfahren und uns unterwegs noch ein bisschen über evtl. Folgethemen unterhalten. Vom Ergebnis können wir Dir ja nach dem Wochenende berichten und uns miteinander abstimmen.“ Das Problem war also gelöst. Nun galt es noch, Nina zu informieren, ohne dass es wieder Zoff gab. Abends erzählte ich ihr von dem Termin in Nürnberg, der Gott sei Dank erst in drei Wochen anstand, und sie schaute in ihren Kalender. „Du weißt aber schon, dass wir am 4. Juni bei Edgar und Karin zur Silberhochzeit eingeladen sind. Da geh ich nicht allein hin.“ Das hatte ich wieder mal vergessen, also fragte ich vorsichtig nach: „Zu welcher Uhrzeit müssen wir da hin?“ „Abends um 7.“ „Das ist doch machbar, ich habe zwar am Freitag Termine bis abends und muss meine Kollegen zum Zug bringen, aber ich komme dann im Laufe des Samstags zurück. Den geplanten Besuch bei den Kindern lass ich dann halt ausfallen.“ „Na, dann passt das ja grad noch und vergiss nicht, in der Woche danach fahren wir nach Rostock.“ „Natürlich nicht, den Urlaub dafür habe ich schon eingereicht.“ Puh, das ging noch mal gut. Also schrieb ich abends an Leni: Liebste, mein Plan für Nürnberg steht, aber es bleibt uns nur wenig Zeit. Ich fahre mit dem Auto am 1. Juni hin und du müsstest am 3. Juni nachkommen und schon am 4. wieder zurückfahren. Ich kann nur bis Samstag bleiben. Wenn dir das zu kurz ist, verstehe ich das gut, aber natürlich möchte ich dich lieber treffen. Was meinst du? Offensichtlich schlief sie schon, denn sie schaute die Nachricht gar nicht mehr an. Zuerst dachte ich, sie ist sauer und sie möchte den langen Weg von Wien nach Nürnberg nur für ein paar Stunden nicht auf sich nehmen. Aber am nächsten Morgen schrieb sie zurück: Liebster, ich habe schon mal nachgeschaut, an dem Freitag kann ich schon mittags aus der Schule weg, könnte also gegen 17:30 h dort sein. Wann musst du denn am Samstag zurück? Dann such ich mir einen entsprechenden Zug heraus

Ich plante also weiter meine Reise und bereitete die Gesprächstermine vor, immer irgendwie in Gedanken daran, dass ich Leni wiedersehen würde. Wegen meines Segelns und meiner Fotoreise nach Lissabon hatten wir uns diesmal mehrere Wochen nicht getroffen, nur geschrieben und manchmal telefoniert. Ich spürte, wie sehr ich sie vermisste, und mein Verlangen nach ihr wuchs von Tag zu Tag. Abends zu Hause musste ich die Gedanken zumindest zeitweise wieder verbergen und unternahm mit Nina ein paar Spaziergänge und Radtouren. Auf dem Fahrrad konnte ich dann auch meinen Gedanken wieder freien Lauf lassen, denn nicht immer konnten wir nebeneinander fahren und uns unterhalten. Wenn ich dann so träumend hinter ihr herfuhr, kamen die Gewissensbisse zurück und ich hätte mich manchmal am liebsten in den Rhein gestürzt. Ich war doch ein dummes Schwein, das sich nicht für die eine oder andere Frau entscheiden konnte. Ich wusste, ich liebte Nina noch immer und wollte sie weder verletzen noch verlieren. Aber meine Liebe zu Leni und vor allem mein Verlangen nach ihr waren so stark, dass ich mich immer wieder auf den Weg zu ihr machen musste. So kam also der 1. Juni und ich war im Auto auf dem Weg nach Nürnberg mit den beiden Kollegen. Auf der Fahrt besprachen wir unsere Vorgehensweise und kamen mittags an. Das erste Gespräch mit den Kollegen vor Ort fand um 14 Uhr statt, bevor wir dann um 16:30 Uhr den Projektleiter von Siemens trafen. Der zog mächtig vom Leder und erklärte uns, dass er am liebsten den Vertrag mit uns kündigen wolle. Ich bat ihn, sich noch etwas Zeit damit zu nehmen und versprach, am folgenden Tag eine Lösung für ihn vorzuschlagen. Das hieß für uns alle eine längere Abend- bzw. Nachtarbeit, in der wir alle zusammen einen Vorschlag ausarbeiteten. Ich war froh, dass meine beiden Kollegen aus Köln, aber auch drei weitere aus dem Team in Nürnberg gemeinsam mit mir bis nach Mitternacht weiterarbeiteten. Am nächsten Morgen hatten wir dann gegen acht Uhr noch eine letzte Abstimmungsrunde, bevor ich um 10 Uhr den Siemens Projektleiter zunächst allein traf. Es gelang mir, ihn von der Kündigung abzuhalten, aber er wollte sich bis zum nächsten Tag überlegen, wie er unseren Vorschlag, den wir heute vorstellen sollten, bewerten und bei sich umsetzen könne. Also verabredeten wir uns für Freitag 9 Uhr zu einem nächsten Abstimmungsgespräch. Am Nachmittag saßen wir dann noch mal intern zusammen und diskutierten bis abends über mögliche Reaktionen von Siemens und wie wir damit umgehen wollten. Am Freitag um neun begann das Gespräch, an dem diesmal auf beiden Seiten fünf Leute teilnahmen, mit der Aussage des Projektleiters, dass sie unseren Vorschlag nicht annehmen könnten. Die Begründung bot uns allerdings die Chance, eine vorher ausgedachte Alternative ins Spiel zu bringen. Nach einer kurzen Pause gegen 12 Uhr und weiteren Besprechungsrunden war dann um 16 Uhr eine Vereinbarung möglich und wir verabredeten, dass wir diese ausformulieren und am Montag per Mail schicken würden. So konnten wir also kurz nach 17 Uhr das Büro verlassen und ich brachte die Kollegen zum Bahnhof. Ich musste allerdings aufpassen, denn ich wusste, Leni war schon angekommen und ich konnte sie erst in meine Arme schließen, wenn die beiden Kollegen im Zug nach Köln saßen. Ich stand mit den Kollegen am Bahnsteig und wir warteten auf ihren Zug. Da klingelte mein Handy. Ich schaute kurz drauf und sah, dass Leni anrief. „Ach da ruf ich später zurück“, sagte ich zu den Kollegen. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Lenis Zug am anderen Gleis gerade weiterfuhr und dann sah ich sie mit dem Handy am Ohr. Ich schaute kurz zu ihr hinüber und schüttelte den Kopf. Da sah sie mich mit den Kollegen, nahm ihr Handy vom Ohr und legte auf. Heinz meinte: „Was schaust du auf den anderen Bahnsteig? Kennst du dort jemanden?“ „Nö, wieso?“ „Na du hast da grad rüber geschaut und den Kopf geschüttelt.“ „Ach, das war, weil meine Frau grad angerufen hat und ich gedacht habe, das ist jetzt blöd, ich rufe sie später zurück. Hab ich doch auch zu euch gesagt.“ „Ja und sonst ist alles in Ordnung?“ „Sicher, da kommt ja auch schon euer Zug. Den Rest besprechen wir am Montag. Kommt gut nach Hause und genießt euer Wochenende.“ „Danke, du auch.“ Endlich konnte ich zum anderen Bahnsteig stürmen und Leni umarmen. Nach einem langen Kuss fuhren wir ins Hotel Arvena Park in der Görlitzer Straße. „Das wär beinahe schiefgegangen eben am Bahnhof“, sagte ich zu ihr. „Ja, hab’s bemerkt. Das tut mir sehr leid. Hoffe, es gab keine unangenehme Situation mit deinen Kollegen.“ „Na, Heinz hat wohl bemerkt, dass ich zu dir rüber geschaut habe. Ich habe es aber noch mal abbiegen können. Glaube nicht, dass sie irgendeinen Verdacht schöpfen.“ 33. Nürnberg also diesmal – für eine Nacht und einen Tag … Das liegt jetzt nicht gerade um die Ecke und ich bin sicher, dass da viele Frauen vernünftigerweise sofort abgelehnt hätten. Die lange Zugfahrt hin und zurück. Und gratis ist das ja auch nicht. Helga, Sonja und Martina, meine drei Mitwisserinnen werden mich wahrscheinlich für verrückt erklären. Aber wir haben uns eine gefühlte Ewigkeit nicht mehr gesehen! Am liebsten würde ich ein paar Tage Urlaub anhängen, aber im Juni geht das gar nicht. Zu viel los in der Schule, da kann ich meine Vertretung nicht allein werken lassen. Noch dazu, wo es immer noch diese Unstimmigkeiten im Team gibt. Aber ich will da hin. Also müssen die paar Stunden genug sein, denn Max kann auch nicht bis Sonntag bleiben. Ich habe die Nachricht erst am Morgen gelesen, war noch gar nicht richtig wach. Aber die Antwort ist trotzdem schnell getippt. Natürlich ist es eine Zusage! Und noch am selben Morgen buche ich die Züge. Die drei Wochen bis zu unserem Treffen vergehen unheimlich langsam. Die Sehnsucht ist manchmal unerträglich, und in meinen Träumen ist Max bereits Stammgast … Meine Schwester, meine Tochter und meine Freundin haben mich doch nicht für verrückt erklärt, sondern einstimmig gemeint, ich solle es einfach genießen. Und jetzt sitze ich hier im Zug nach Nürnberg und fiebere wunderschönen Stunden entgegen. Und auch das Wetter spielt wieder einmal mit. Sonne im Herzen und Sonne am Himmel. Nürnberg Hauptbahnhof – ich bin da! Max weiß, in welchem Abteil ich sitze, also wird er mich diesmal schnell finden. Er ist aber noch nicht da, geht auch nicht ans Telefon, also marschiere ich langsam Richtung Ausgang. Mein Herz macht einen Sprung, als ich ihn plötzlich am Ende des Bahnsteigs auf mich zukommen sehe. Als wir uns ganz innig umarmen, erklärt er mir, warum er nicht direkt zum Zug kommen konnte. Er musste noch seine Kollegen zum Zug nach Köln bringen und wollte sichergehen, dass sie uns nicht zusammen sehen. Aber ab jetzt stört uns nichts und niemand mehr. Das bisschen Zeit, das wir hier gemeinsam haben, gehört nur uns ganz allein. Wir haben mittlerweile wirklich gelernt, den Augenblick zu leben und zu genießen. Wir bewegen uns quasi in unserer eigenen Welt und gestalten hier unser gemeinsames Zusammensein. Weit weg von zu Hause gehören wir nur einander und der Rest der Welt scheint vergessen. Aber, dass es diesmal gar so wenig Zeit ist, beschäftigt uns schon beide. Und manchmal, wenn sich unsere Blicke treffen, kann ich förmlich in seinen Augen lesen: „Ach Liebste, nur noch ein paar Stunden! Wie traurig!“ Und wenn wir uns dann fest im Arm halten, wollen wir gar nicht loslassen, ja in den anderen am liebsten hineinkriechen. Stundenlang nur festhalten und spüren. So ist diese eine Liebesnacht auch eine ganz innige Kuschelnacht geworden. Ganz eng aneinander geschmiegt schlafen wir ein. Und wenn wir uns umdrehen oder die Liegeposition wechseln, sind wir fest darauf bedacht, den Hautkontakt nicht zu verlieren – bis uns die Morgensonne weckt. Mit einem zärtlichen „Guten Morgen, liebster Max“ beginnen wir diesen Tag mit noch mehr Körperkontakt … Am Samstag besichtigen wir die Altstadt und kehren danach ein, um uns zu stärken. Auch einige Handyfotos und Selfies müssen sein. In der Hausbrauerei Altstadthof finden wir eine gemütliche Ecke und lassen uns verwöhnen mit hausgebrautem Bier und Nürnberger Bratwürsten. Beim Essen werden wir beide ganz still und ich merke, dass Max etwas beschäftigt. „Was hast du denn?“, frage ich, „du wirkst irgendwie bedrückt!“ „Ach, mich plagen seit einiger Zeit immer wieder Gedanken darüber, wie es mit uns weitergehen kann. Ich beschäftige mich oft mit der Idee, Nina die Wahrheit zu sagen. Jetzt bin ich ganz hin- und hergerissen und weiß nicht mehr, was besser ist. Ich weiß aber, dass ich dich und auch sie nicht verlieren will. Aber kann ich ihr das verständlich machen? Was denkst du?“ „Das ist eine schwierige Entscheidung … Einerseits wäre die Wahrheit eine Erlösung, andererseits würde ich an ihrer Stelle eine Entscheidung wollen: sie oder ich. Mit einer anderen im Hintergrund zu leben, ist schwer. Ich weiß nicht …“ „Ja, ich glaube auch, dass es schwer für sie wäre. Du kannst es ja auch, aber sie geht halt von anderen Voraussetzungen aus. Ich weiß auch nicht, wie ich es anstellen soll. Muss noch weiter darüber nachdenken.“ „Andererseits, wenn du ihr sagst, dass es bei uns nur um Sex geht, müsste sie dich doch auch verstehen, oder?“ „Das wäre aber auch nicht die Wahrheit. So sehr ich den Sex mit dir liebe und herbeisehne, aber das wäre auch eine Ausrede. Hm … Aber sie könnte gehen und manches vereinfachen.“ „Das meine ich damit. Wir beide wissen die Wahrheit, aber für sie könnte das plausibel klingen. Könnte ich mir vorstellen …“ „Aber ganz ohne Risiko wär’s nicht. Ich denke weiter darüber nach.“ „Ja, ganz ohne Risiko ist das natürlich auch nicht, das stimmt.“ „Ja, weil auch dann könnte sie mir z. B. verzeihen und verlangen, mit dir Schluss zu machen. Dann hab ich ein Problem … Andererseits hab ich jetzt auch den Konflikt im Kopf …“ „Ich möchte es dir aber von meiner Seite nicht so schwer machen. Ich würde es auch verstehen, wenn du dich ganz für sie entscheidest. Ich habe hier keinen Anspruch auf irgendetwas. Es wäre nicht leicht für mich, dich nicht mehr zu sehen, aber ich will keine Ehe zerstören“. Diese Sätze fallen mir alles andere als leicht, aber sie sind die einzig richtigen. Insgeheim hoffe ich so sehr auf eine andere Lösung, aber vernunftmäßig gibt es wohl keine. Max nimmt zärtlich meine Hände in seine und sagt: „Danke, dass du das sagst, und das weiß ich auch. Danke für deine Liebe und die Kraft, die du mir schenkst! Ich muss weiter darüber nachdenken, was ich tue, und ich glaube, ich muss aufhören, das zu sehr verstandesmäßig zu machen. Aber ich bin nun mal ein Kopfmensch, der sich Hals über Kopf in dich verliebt hat und dich inzwischen liebt! Und da fängt es für den Kopfmenschen an, schwierig zu werden. Wie kann ich zwei Frauen lieben, ohne sie zu verletzen? Du kennst die Wahrheit, sie nicht. Das gefällt mir nicht und ich wäre gern bei euch beiden ehrlich. Ich will aber auch nicht auf dich verzichten. Schon der Gedanke bringt mich zum Heulen …“ „Ja, ich hab auch schon Tränen in den Augen.“ „Lass uns aufhören mit dem Thema und den restlichen Tag noch genießen! Ich liebe dich und danke dir dafür, dass wir auch darüber so offen sprechen können!“ Unsere Biergläser sind inzwischen leer, Max bezahlt und wir wandern weiter Hand in Hand durch die Stadt. Kurz danach sind wir beide wieder in entgegengesetzter Richtung unterwegs und ich schicke ihm die Fotos von unserem Wochenende. Der Abschied wird jedes Mal ein bisschen schwerer. Und sicher brauche ich auch diesmal wieder ein bis zwei Tage, bis dieser Schmerz wieder vergeht … Köln-Bad Gastein-Salzburg. 34. Die Rückfahrt im Auto war lang und ich hing meinen Gedanken und Zweifeln nach. ‚Wie soll das werden mit uns? Kann ich Leni eine Zukunft bieten? Kann ich Nina verlassen? Die Antworten schwankten immer zwischen Ja und Nein. Was für eine Achterbahn.‘ Plötzlich hupte es laut hinter mir. ‚Ich muss besser aufpassen‘, ich fuhr mit 120 auf der rechten Fahrbahn, in Gedanken war ich auf die linke Fahrbahn gerutscht und da kam ein schneller Porsche herangebraust. Hastig lenkte ich wieder nach rechts und öffnete das Fenster, um frische Luft hereinzulassen. Die half aber auch nicht, meine Gedanken zu zerstreuen. Ich versuchte, mir vorzustellen, was mich zu Hause erwarten würde. Es fiel mir wieder ein, dass wir am Abend zur Silberhochzeit mussten. Große Lust darauf hatte ich nicht, aber es hatte den Vorteil, dass ich nicht viel mit Nina reden musste. Schon waren meine Tagträume wieder bei Leni. Noch vor zwei Stunden hatte ich sie geküsst und im Arm gehalten und jetzt vermisste ich sie schon. Soll ich einfach umdrehen und gleich nach Wien durchfahren? Das wär eine schöne Überraschung. ‚Ach, wach auf, du Blödmann, das traust du dich doch nicht. Trennung? Wie sollte ich das Nina beibringen?‘ Ich konnte mir das gar nicht vorstellen. Auch wenn wir nicht immer in allem übereinstimmten, so gab es doch eine tiefe Vertrautheit, die sich über die vielen Jahre entwickelt hatte. Inzwischen war ich in Aschaffenburg angekommen und dachte, ich sollte noch eine Pause einlegen. Also wo ist der nächste Rasthof? Ah, da steht’s: Weiskirchen 5 km. Die schaff ich noch. Ich fuhr also mit etwa 120 Stundenkilometern weiter und war nach wenigen Minuten im Rasthof. Im freundlichen Ambiente des Restaurants holte ich mir einen Pott Kaffee und setzte mich ans Fenster. Ich schaute die Fotos an, die Leni mir geschickt hatte, und fühlte mich wieder in Nürnberg. Dann wieder zurück in die Realität: ‚Was kann ich Nina nachher erzählen? Wir hatten wichtige Punkte zu klären mit den Kunden? Vorsicht. Die Kollegen sind schon gestern zurückgefahren. Also musste ich von mir sprechen und dass der CEO mich am Samstag allein sprechen wollte. Was wollte er? Mir sagen, dass die Ergebnisse des Projektes bisher nicht zu seiner Zufriedenheit seien und wir uns mehr anstrengen müssten. Sonst sei das Projekt in Gefahr. Damit wird sie hoffentlich zufrieden sein, weil das Ende des Projektes bedeuten könnte, dass ich nicht mehr so oft hinfahren müsste. Aber mein Job bringt ja immer wieder neue Einsätze an neuen Standorten und ich werde wieder unterwegs sein. Oh, was täte ich denn, wenn das nächste Projekt in Hamburg wäre? Da könnte ich Leni nicht sehen oder würde sie nach Hamburg fliegen?‘ Gegen 17:30 Uhr kam ich zu Hause an. Nina begrüßte mich frostig: „Na, es wird aber auch höchste Zeit, das wird schon knapp, schließlich müssen wir ja noch nach Stolberg fahren.“ Ich finde, ich habe das vom Timing gut hinbekommen, schnell unter die Dusche und umziehen. Dann düsen wir los und sind pünktlich im Gut Schwarzenbruch, wo die beiden feiern. Kannst du heute zurückfahren? Ich muss den Ärger aus dem Projekt runterspülen.“ „Was gibt’s denn für Ärger?“ „Erzähl ich dir auf der Fahrt, muss jetzt schnell duschen.“ Bei der Silberhochzeitsfeier waren ca. 20 Leute und nach zwei Gläsern Sekt und ein paar Kölsch konnte ich mich entspannen. Nach einem Toast auf das Jubelpaar fragte uns Ulrike, eine langjährige Freundin von Nina: „Wie lange seid ihr jetzt noch mal zusammen? Das müssten auch bald 25 Jahre sein, oder?“ „Dreiundzwanzig, also gibt’s vielleicht bald eine Party bei uns“ „An eure Hochzeit erinnere ich mich noch gut, das war so eine tolle Feier. Das ist jetzt also dreiundzwanzig Jahre her?“ „Ja, nächste Woche.“ Die beiden unterhielten sich weiter und ich stand auf und ging zu Edgar. „Na, mein Lieber, wie fühlst du dich denn an eurem Jubiläum?“ „Sehr gut, denn ich bin mit uns und unserer Ehe sehr zufrieden und glücklich. Ich würde Karin heut auch wieder heiraten. Und du?“ „Na ja, es geht so. Mir fällt zu deiner Silberhochzeit eine Geschichte ein, die ich vor einiger Zeit gehört habe: Ein Mann steht bei seiner Silberhochzeit mit seinem Freund, einem Anwalt, auf der Terrasse. Sie rauchen eine Zigarre und trinken Whisky dazu. Der Mann sagt zu seinem Freund: „Weißt du noch, an meinem fünften Hochzeitstag haben wir auch hier gestanden. Ich hab dich gefragt, was passiert, wenn ich meine Frau umbringe, und du hast geantwortet: Dann bekommst du 20 Jahre. Heute Nacht wäre ich ein freier Mann.“ Edgar lächelt und fragt: „Warum erzählst du mir das?“ „Manchmal habe ich schon so meine Zweifel mit unserer Beziehung. Irgendwie hat sich da etwas abgenutzt, was in den ersten Jahren spannend und interessant war. Habt ihr keine Alltagsprobleme?“ „Nö, wir haben uns aufeinander eingestellt, Karin steht früh auf, ich nicht, also gibt’s kein gemeinsames Frühstück, aber dafür abends möglichst immer ein gemeinsames Abendessen und danach reden wir über das, was wir am Tag erlebt haben. Macht ihr das nicht?“ „Wir reden eher beim Frühstück, das machen wir auch seit langer Zeit, aber es sind andere Gespräche als früher. Außerdem läuft nichts mehr im Bett und das ärgert mich schon oft. Wie ist das bei euch?“ „Na ja, nicht mehr so oft wie früher, aber es ist immer noch schön, ich glaube, für Karin auch.“ „Manchmal denke ich über eine mögliche Affäre nach.“ „Du spinnst, bloß wegen dem Sex eine Affäre anfangen, das könnt ich nicht. Außerdem wäre mir das Risiko zu hoch, ertappt zu werden, und dann würde Karin mich rausschmeißen. Das will ich auf keinen Fall.“ Am Sonntag beim Frühstück sprachen Nina und ich dann über unseren Trip nach Rostock, um meinen Geburtstag und den Hochzeitstag zu feiern. Am nächsten Wochenende sollte es losgehen. „Freust du dich schon?“, fragte ich Nina. „Ja, vor allem darauf, dass wir wieder mal ein paar Tage allein verbringen können. Und ich wünsche mir, dass du keinen Laptop mitnimmst und die Arbeit zu Hause lässt. Kannst du das? Ich mach das doch auch.“ „Na ja, so ganz geht das nicht, das Projekt in Ingolstadt macht mir schon sehr zu schaffen, wie du weißt. Ich möchte ungern aus Rostock zurückkommen und AUDI hat uns den Auftrag gekündigt. Das verstehst du doch, oder?“ „Na das kann ja heiter werden, da lässt meine Freude auf die Reise schon wieder nach. Ich seh mich schon allein durch Rostock oder zum Strand dackeln und du musst arbeiten.“ „Ich versuche es auf das wirklich Notwendigste zu beschränken.“ In der folgenden Woche bereitete ich aber schon die nächste Reise zum Kunden vor, die in fünf Wochen stattfinden sollte. Ich wusste, dass Leni dann zur Kur in Bad Gastein sein würde, also musste ich wieder mit dem Auto fahren, damit wir uns sehen konnten. So plante ich die Reise ab Donnerstag und sagte Nina, dass ich wohl bis zum Wochenende bleiben würde. „Dann fahre ich zu den Kindern.“ „Das ist doch eine gute Idee, vielleicht könnt ihr grillen.“ Unsere Reise nach Rostock war dann tatsächlich sehr schön, wir feierten meinen Geburtstag und den Hochzeitstag. Beinahe hätte es sogar ein sexuelles Erlebnis gegeben, aber dann machte Nina doch wieder einen Rückzieher. Sie hatte sich auch gewünscht, dass wir einen Ausflug in ihre alte Heimat in Danzig machen. Ich schaute nach der Entfernung und sagte: „Aber das sind fast 500 km, da verfahren wir jeweils einen ganzen Tag für die Hin und die Rückreise. Lass uns das doch lieber ein anderes Mal machen. Dann fliegen wir hin.“ „Aber ich war schon so lange nicht mehr dort und würde gern noch mal meine Cousins und Cousinen treffen. Mit deiner Familie machen wir das jedes Jahr.“ „Dann schlag doch für deine Verwandtschaft auch mal so etwas vor. Dann planen wir das auch entsprechend.“ Ich rief nur selten in der Firma an, dafür schlich ich mich manchmal mit dem Vorwand, dort anzurufen, weg und telefonierte mit Leni. Wir freuten uns schon darauf, dass wir uns bald wiedersehen würden. „Wenn du kommst, ist ja mein letzter Tag der Kur. Sollen wir am nächsten Tag nach Salzburg fahren?“, fragte Leni. „Die Idee gefällt mir, da war ich schon lange nicht mehr. Muss mir nur noch überlegen, wie ich das Nina beibringe. Aber mir wird schon was einfallen.“ Die Wochen nach Rostock vergingen wie im Flug mit vielen Diskussionen über das AUDI Projekt und über ein neues, das wir in München bekommen sollten. Dann kam der Tag, wo ich wieder losmusste, und ich verabschiedete mich von Nina. „Also dann grüß und küss die Mädels von mir und wir sehen uns am Sonntagabend.“ „O. k., aber anrufen kannst du ja vielleicht mal zwischendurch, oder?“ „Ja, sicher, telefonieren geht immer mal.“ Die Gespräche bei AUDI nahmen kein Ende und ich kam erst am Freitag gegen 15 Uhr da raus. Dann ins Auto und nach Bad Gastein. Unterwegs rief ich Leni an. Sie war sauer, dass ich erst so spät kommen würde. „Da bleibt uns wieder mal viel zu wenig Zeit.“ „Ach Liebste, mach es mir nicht schwerer, als es sowieso schon ist.“ Gegen 18:30 Uhr war ich am Kurhaus in Bad Gastein und wir fielen uns in die Arme und küssten uns wild. „Was möchtest du machen?“, fragte ich sie „Abendessen im Kurhaus geht nicht mehr, das beginnt immer um sechs. Wollen wir einen Spaziergang machen und schauen, wo wir was essen können? Willst du zuerst noch deine Sachen in mein Zimmer bringen?“ „Ja und nein. Die Sachen können wir doch nachher mitnehmen, lass uns ein bisschen gehen und du zeigst mir den Ort. Sicher hast du in den drei Wochen jeden Weg schon ein paar Mal gesehen, oder?“ „Da hast du recht, aber lass uns einen Schirm mitnehmen. Hier regnet es dauernd.“ Unter dem Schirm durch die Gassen in Bad Gastein, fast wie vor sechs Monaten in Linz, so kam es mir vor. Hier war es etwas wärmer, aber nach einer Stunde Rundgang hatten wir genug, waren an den Beinen nass geworden und kehrten im Jägerhäusl ein. Mein Rehragout und Lenis Backhendlsalat waren sehr schmackhaft und dazu tranken wir eine Flasche Grünen Veltliner. Es hätte also sehr schön sein können, aber irgendwie kam kein Gespräch zustande. Was war das denn? Das kannten wir bisher so nicht. Später in Lenis Kurhotelzimmer küssten wir uns erst mal richtig und zogen uns gegenseitig aus. Kurz darauf landeten wir in dem nur 80 cm breiten Bett. „Da kann man ja quasi nicht nebeneinander, sondern nur aufeinander liegen, sagte ich zu Leni“, und probierte das gleich mal aus. Nach ein paar Versuchen fragte mich Leni, ob ich auf dem Sofa schlafen wolle, denn das sei doch bequemer. „Auf keinen Fall“, antwortete ich schläfrig. „Der Weg da rüber ist mir zu weit. Morgen in Salzburg haben wir sicher ein breiteres Bett. Jetzt will ich lieber nah bei dir sein, komm noch ein bisschen in meinen Arm.“ Dann schliefen wir eng aneinander gekuschelt ein. Am nächsten Tag wachten wir früh auf, blieben aber noch für ein Spielchen in dem kleinen Bett. Dann schlug ich vor, mal zusammen zum Sofa zu wechseln. Dort war es auch schön und ich konnte wieder nicht genug von Leni bekommen. Um acht duschten wir und gingen in den Frühstücksraum, der tatsächlich sehr spartanisch eingerichtet war. Auch das Frühstücksangebot war nicht gerade üppig und ich war froh, dass wir gestern Abend nicht hier gegessen, sondern das nette Jägerhäusl gefunden hatten. Das war doch ein himmelweiter Unterschied. Nach dem Frühstück fuhren wir nach Salzburg und trafen uns in der Tiefgarage des Austria Trend Hotels in Salzburg-Walz-Himmelreich. Lenis kleiner Toyota Aygo neben meinem SUV sah schon putzig aus. Das Hotel war im Vergleich zum Kurhotel tatsächlich ein kleines Himmelreich und nach dem Einchecken testeten wir gleich mal die Qualität der Matratze. Der Test verlief sehr zufriedenstellend und versprach weitere schöne Stunden am Abend. Dann fuhren wir in die Innenstadt von Salzburg, wanderten in den Straßen umher, machten Handyfotos mit Lenis Smartphone und gingen nachmittags ins Sacher. Dort musste ich dann unbedingt ein Stück Sachertorte probieren. Gerade waren der Kuchen und der große Braune gekommen, da klingelte mein Telefon und Nina rief an. „Na, du untreue Tomate, was machst du grad? Ich sitze mit, Lisa und Elke im Garten und wir trinken gerade ein Fläschchen Prosecco.“ „Ich sitze im Hotel Sacher und wir essen Sachertorte.“ Kaum hatte ich es ausgesprochen, fiel mir mein Fauxpas auf, ich hatte ‚wir‘ gesagt! Schnell fügte ich hinzu. „Hier sitzen ganz viele Leute auf der Terrasse in der Sonne und bei mir ist ein Ehepaar aus München am Tisch. Wir unterhalten uns nett und genießen das schöne Wetter.“ „Du lässt es dir also auch gut gehen. Wann kommst du morgen zurück?“ „Ich denke, ich fahre nach dem Mittagessen los und rechne mit sieben Stunden Fahrzeit. Also bin ich vor dem Tatort zu Hause, den können wir dann zusammen anschauen. Oder bleibst du noch bis zum Abend bei den Mädels?“ „Weiß ich noch nicht. Wir haben noch keinen Plan für morgen. Kannst ja mal anrufen, wenn du unterwegs bist.“ „O. k., mach ich, schöne Grüße an die beiden und euch noch viel Spaß.“ „Danke, dir auch.“ „Hui, das war knapp“, sagte ich zu Leni, nachdem ich aufgelegt hatte. Hast du’s auch gemerkt?“ „Ja sicher, ich hab einen Schreck bekommen. Vielleicht solltest du nicht mehr mit Nina telefonieren, wenn ich dabei bin.“ „Aber bisher lief das doch immer ganz gut. Oder ist dir das unangenehm?“ „Nein, das nicht, ich denke nur daran, dass es dann für dich leichter ist.“ „Ach was, leichter. Ich liebe dich und möchte keine Geheimnisse vor dir haben.“ „Das weiß ich und ich liebe dich auch.“ Ich erzählte Leni noch, dass Nina bei ihren beiden Töchtern ist und es sich gut gehen lässt. Also was soll‘s. Wir aßen unsere Sachertorte und fuhren danach zurück zum Hotel. Im Restaurant Globetrotter nahmen wir nur noch einen Snack, ich trank ein paar Biere und Leni einen gespritzten Apfelsaft. Danach fuhren wir mit dem Aufzug in unser Zimmer und es wurde eine ereignisreiche Nacht. Immer wenn wir zusammen waren, spürten wir diesen Zauber, der uns beide erfasst hatte und der uns schon in Ekstase versetzte, sobald wir anfingen, miteinander zu kuscheln. Wien-Bad Gastein-Salzburg. 35. Abendessen mit meiner Freundin Martina! Das ist eine nette Abwechslung nach dem Kuraufenthalt und nach dem wunderschönen letzten Treffen mit Max! Wir haben uns im „Schabanack“ verabredet, ziemlich genau zwischen unseren Schulen. Sie ist mit demselben Beruf gesegnet wie ich, ist nur ein Jahr älter als ich, aber in der leitenden Position wesentlich souveräner, meine ich. Obwohl auch von Grund auf sehr menschlich und immer darauf bedacht, dass es allen gut geht, ist sie doch konsequenter und hat, gesamt gesehen, einen besseren Überblick. Diesmal hat sie aber auch einiges zu berichten. Sie hat jetzt eine Mitarbeiterin, die dauernd im Krankenstand ist und keine Krankmeldungen vom Arzt schickt. „Da ist es ja bei mir harmlos“, sage ich. „Es wird zwar mit der dominanten Kollegin immer schlimmer, die alle anderen für Fehler verantwortlich macht, aber die Vorschriften an sich werden eingehalten.“ „Sei froh, das ist echt mühsam!“ Wir bestellen für mich einen gegrillten Zander und für Martina ein Hühner Risotto und Cola statt Wein. Schließlich haben wir beide noch eine Autofahrt vor uns. Martina wohnt in entgegengesetzter Richtung, schon fast in der Wachau. Ein weiter Weg, den sie jeden Tag nach Wien pendelt. Ganz so weit habe ich es nicht. Während wir auf unser Essen warten, wird Martina neugierig: „Sag mal, wie geht es dir denn jetzt mit Max? Gibt’s da was Neues?“ Sie setzt ein verständnisvolles Lächeln auf, weil sie unsere Situation kennt. „Ja, weißt du, unsere Situation ist gerade ziemlich … wie soll ich sagen … zwiespältig irgendwie. Er hat mich kurz auf der Kur besucht und dann waren wir einen Tag in Salzburg. Weißt, wenn wir zusammen sind, dann gibt es nur uns und wir spüren beide Dinge, die wir so noch nie gespürt haben. Wir wollen uns nie mehr loslassen und es ist so was von sonnenklar, dass wir für immer zusammengehören. Ich spüre, dass er genauso fühlt wie ich, und wir genießen das so sehr. Aber zwischendurch, wenn wir nicht zusammen sind, dann werde ich aus manchen Geschehnissen nicht ganz klug. Es sind nicht wirkliche Zweifel, die sich da einstellen, eher die Sorge, dass er doch bei seiner Frau bleiben könnte … irgendwann.“ „Was meinst du damit? Was macht er da?“, will sie wissen. „Na ja, zum Beispiel als ich jetzt auf Kur war … Wir hatten vereinbart, dass Max an meinem letzten Kurtag ganz früh zu mir kommt. Dann hätten wir einen ganzen Tag für uns gehabt und eine Nacht und einen Tag in Salzburg. Aber er ist erst am Abend gekommen und hat sich tagsüber kaum gemeldet. Sicher, er hat mir dann erklärt, dass er einfach nicht weggekommen ist, schließlich war das eine wichtige Besprechung, bei der er da war. Aber was glaubst du, wie es mir da den ganzen Tag gegangen ist! So oft hab ich schon lang nicht auf die Uhr geschaut. Wir haben eh so wenig Zeit miteinander und dann das! Ich war echt sauer. Als er dann am Telefon sagte, ach Liebste, mach es mir doch nicht so schwer, es geht leider nicht anders, hab ich ein schlechtes Gewissen bekommen. Ich weiß ja, dass es für ihn nicht leicht ist, diese Termine für uns zu organisieren, aber mir tut es um jede Minute unendlich leid, die wir verschenken.“ „Leni, muss ich mir eh keine Sorgen um dich machen? Du hast einmal gesagt, du willst dich gefühlsmäßig nicht zu sehr einlassen. Ich hab das Gefühl, dass das nicht mehr ganz stimmt, oder?“ „Hm … ich weiß nicht. Mein Verstand sagt immer noch, der Mann ist verheiratet und das wird er auch bleiben. Seien wir ehrlich, wie viele Männer versprechen ihren Freundinnen, sich irgendwann zu trennen? Und Max verspricht es noch nicht einmal. Er will Nina gar nicht verlassen. Ich glaub, er kann es auch nicht. Also was soll das werden? Aber mein Gefühl sagt mir, dass das, was seine Augen sagen, und das, was wir spüren, wenn wir zusammen sind, so stark ist, dass es auch kein Zurück mehr gibt. Ich glaube, ich werde noch verrückt!“ Unser Essen wird serviert und es wird für ein paar Minuten still. Der Koch in diesem Lokal kann was! Das stellen wir immer wieder fest. Auf einmal muss ich lachen: „Da fällt mir aber auch eine lustige Begebenheit in Salzburg ein. Lustig vielleicht im weitesten Sinne, aber auf jeden Fall war es aufregend!“ „Erzähl! Du machst mich schon wieder neugierig!“ „Gut. Wir sind an der Salzach spazieren gegangen. Und als wir beim Sacher vorbeikamen, beschlossen wir, einen Kaffee zu trinken. Ein Stück Sachertorte wäre auch grad richtig. Und wie wir so gemütlich schmausen, klingelt in Max’ Jacke das Handy. Es war die Angetraute. Sie dürfte ihn gefragt haben, was er gerade macht, und er sagte, ich sitze im Hotel Sacher und wir essen Sachertorte. Mir wurde plötzlich ganz heiß … ein richtiger Adrenalinstoß war das, als ich das kleine Wörtchen WIR hörte! Ich dachte, oh Gott, hat er jetzt wirklich WIR gesagt? Da hat er schon reagiert und gesagt, dass hier viele Leute sind und dass noch ein Ehepaar mit ihm am Tisch sitzt. Ich sag’s dir, das war aufregend!“ „Ja, das glaube ich, dass das spannend war! Leni, bitte pass auf dich auf und lass dich nur so weit ein, wie es dir guttut! Wie geht es dir eigentlich dabei, wenn Max in deiner Gegenwart mit seiner Frau telefoniert?“ „Eigentlich nicht schlecht. Weißt du, es würde wahrscheinlich wehtun, wenn sie irgendwas Liebes miteinander reden würden. Aber da kommt nichts. Kein ‚Ich freu mich auf dich‘, kein ‚Ich liebe dich‘ oder ‚Du fehlst mir‘ … Das ist so eine freundschaftliche Plauderei, die könnte er genauso mit seiner Joggingpartnerin oder seiner Fotofreundin führen, denk ich mir manchmal. Nein, das bestätigt mir eigentlich, was Max über seine Beziehung erzählt.“ „Na dann ist es gut. Ich stell mir das eher schwierig vor, daneben zu sitzen und zu hören, was sich das Ehepaar zu sagen hat. Das wäre jetzt nicht so meins.“ „Ja, das verstehe ich. Hab ich zuerst auch befürchtet, aber das ist gar nicht so.“ Es tut gut, so offen mit einer Freundin reden zu können. Bei der Nachspeise hat sie mir noch erzählt, wie es ihr drei Monate nach ihrer Trennung geht. Das war eine gute Entscheidung gewesen. Und so geht es endlich auch ihr wieder gut! Köln. 36. Am Sonntagabend, als ich wieder nach Hause kam, war Nina noch nicht zurück. Sie hatte mir am Telefon mitgeteilt, dass sie noch bis abends bei unseren Töchtern bleiben würde, sie würden bei dem schönen Wetter noch mal grillen. Sie hatte mich gefragt, ob ich dazukommen möchte, das hatte ich aber nach der langen Fahrt abgelehnt. Die beiden Mädels wohnen in Düsseldorf und ich wollte nicht noch mal eine halbe Stunde weiterfahren. Ob Nina das verstand, konnte ich aus ihrer knappen Antwort nicht heraushören. So kam ich also gegen 19:30 Uhr nach Hause, machte mir schnell was zu essen, öffnete eine Flasche Früh und setzte mich pünktlich um 20:15 Uhr an den Fernseher. Es lief die erste neue Tatort-Folge nach der Sommerpause, „Durchgedreht“ aus Köln. Es ging um einen brutalen Mord an einer Frau und ihrem Sohn, bei dem die Tochter Zeugin ist. Es sah so aus, als ob die Frau ein Verhältnis mit ihrem Schwager hat. Das Ganze gab mir zu viel zu denken, denn mir fiel meine eigene Beziehung zu Leni immer wieder ein. Also schaltete ich den Fernseher aus und nahm mir mein Buch vor, das ich gerade las: „Das passende Leben“ vom Schweizer Kinderpsychologen Remo H. Lange. Das hatte ich auch Anna geschenkt, weil sie meines Erachtens in ihrem Leben noch sehr auf der Suche war. Bei der Lektüre kommt man nicht auf dumme Gedanken, dachte ich, denn er beschreibt und erläutert darin, was die Individualität des Einzelnen ausmacht und wie man sie leben kann. Ich ertappte mich dabei, dass ich auch hier wieder an Leni denken musste, und fragte mich, ob ich zu viel Individualität für mich verlange. Also legte ich das Buch wieder weg und hörte Musik. Kaum hatte ich eingeschaltet, lief „I like“ von Keri Hilson. Das klang passend zu uns. Also nahm ich mein i-Pad und suchte im Internet nach dem genauen Text. Fand ihn und dachte, den muss ich jetzt Leni schreiben. Es war allerdings inzwischen schon nach 22 Uhr, ‚also schläft sie wahrscheinlich schon‘, vermutete ich. Wir hatten am späten Nachmittag kurz telefoniert und ich wusste, dass sie gut zu Hause angekommen war. Aber seitdem hatte ich mich nicht mehr gerührt. Egal, ich entschloss mich, ihr zu schreiben, telefonieren traute ich mich nicht, denn Nina konnte jederzeit zurückkommen. Als ich das Chat- Programm einschaltete, sah ich, dass sie ein paar Zeilen geschrieben hatte:

Ich schlief ein, bevor Nina zurückkam, und wachte ohne Wecker gegen 5:50 Uhr auf. In der Küche machte ich mir einen Kaffee und schaute ins Handy, während er lief. Leni hatte schon um kurz nach fünf geschrieben. Während der Schulzeit muss sie montags immer schon um 6:30 Uhr losfahren, damit sie als Erste in der Schule ist und evtl. organisatorische Maßnahmen einleiten kann, wenn einzelne Kollegen oder Kolleginnen fehlen. Der Rhythmus war scheinbar trotz der Kur vorher auch während der Ferien bei ihr noch drin und daher war sie schon lange wach gewesen

Wien. 37. Einerseits ist es sehr angenehm, dass immer noch Schulferien sind. So habe ich noch etwas Zeit, mich von den endlosen Diskussionen mit einigen Lehrerinnen zu erholen. Andererseits habe ich dadurch viel Zeit zum Nachdenken und zum Grübeln. Max fährt inzwischen mit seiner Frau ein paar Tage nach Holland. Was werden sie da wohl alles machen? Schöne Spaziergänge unternehmen, miteinander fein essen gehen und einen romantischen Abend haben? … Einen romantischen Abend … Der Gedanke bedrückt mich etwas. Max sagt immer, dass er Nina noch immer liebt. Anders als mich, aber er liebt sie. Da wäre es doch nur natürlich, dass er auch noch zärtliche Versuche starten würde. Es wäre auch recht verdächtig, wenn er das nicht tun würde. Ich erinnere mich gut, dass mein Misstrauen damals bei Günther zum ersten Mal richtig aufflammte, als plötzlich sein Interesse an unserem Sex auffallend weniger wurde. Bei Max und Nina läuft zwar meist nichts, aber er hat doch immer wieder mal Annäherungsversuche gemacht. Das hat er mir erzählt. Nina blockt fast immer ab, und so bleibt es meist beim Versuch. Das ist also nicht weiter schlimm, es passiert ja nichts … Was aber, wenn es diesmal anders ist? Vielleicht spürt sie ja seine Untreue und schwenkt plötzlich um, um ihn zu halten! Was, wenn aus einem romantischen Abend doch ein ganz prickelnder wird und sie sich wieder näherkommen? Oh nein, bitte nicht! Das würde Max noch mehr in die Zwickmühle bringen. Diese Gedanken machen mich sehr unruhig und traurig. Und so beschließe ich, meine Schwester Helga anzurufen, ob ich sie heute noch besuchen kann. Dann komme ich besser über den Abend. Sie spürt natürlich sofort meinen Redebedarf und sagt, ich solle ruhig kommen. Eine halbe Stunde später bin ich bei ihr. Rudi, ihr Mann, zieht sich zum Fernsehen zurück und wir beide setzen uns mit einem guten Glas Traubensaft auf die Couch. Irgendwie ist sie ohnehin so was wie eine Therapeutin für mich. „Was ist los?“, will sie wissen, „dich beschäftigt doch was!“ „Ach ja, weißt du, die Sache mit der großen Liebe ist manchmal nicht so einfach … Ich mach mir irgendwie Sorgen, weil Max gerade mit seiner Frau einige Tage weggefahren ist. Wenn sie in der entspannten Atmosphäre wieder zusammenfinden, was mach ich dann?“ „Ja“, sagt sie „das wär traurig, aber du könntest gar nichts machen. Das weißt du!“ „Ja, ich weiß, das ist es ja. Aber ich liebe ihn inzwischen so sehr, dass ich ihn nicht mehr verlieren möchte. Es ist zum wahnsinnig werden. Ich bin so hin- und hergerissen zwischen Vernunft und Gefühl. Das ist mir überhaupt noch nie passiert.“ „Was hat Max denn gesagt, bevor sie gefahren sind? Was haben sie denn vor? Wie geht es ihm denn dabei?“ „Er hat gesagt, er fährt mit ihr weg, damit sie wieder ein bisschen zufriedener wird. Er ist so oft unterwegs und sie unternehmen kaum noch was zusammen. Also hat er ihr das versprochen. Sie machen sich ein paar schöne Tage ohne Arbeit, ohne PC und weitestgehend ohne Handy. Wir können fast gar nicht telefonieren und nur ganz wenig schreiben. Das macht ihn auch traurig und er hofft, dass Nina an seinem Verhalten nichts bemerkt. Ich mach mir halt Sorgen, dass nach einem romantischen Abend mit viel Wein doch noch was passiert … Nicht, dass ich es nicht in Ordnung finde, aber Max ist so ein gefühlvoller Mensch. Das würde seine Entscheidung maßgeblich zu ihren Gunsten beeinflussen.“ „Dann ist das halt so. Du hast von Anfang an gesagt, du willst keine Ehe zerstören. Vielleicht bringst du sie ja so wieder zusammen!“ „Da hast du zwar recht, aber ich fürchte, das würde ich jetzt nicht mehr gut aushalten. Ich weiß, dass irgendwann eine Entscheidung fällig ist. Es geht nur so, entweder sie oder ich. Und gerechter wäre SIE. Aber es würde mir das Herz brechen, ihn zu verlieren!“ Fast zwei Stunden plaudern wir, und dann fahre ich nach Hause. Helga hat mir viele gute Gedanken mitgegeben, aber die Angst, Max zu verlieren, konnte sie mir nicht nehmen … Köln-Ingolstadt. 38. Die nächsten Tage im Büro waren stressig und ich musste jeweils sehr lange arbeiten. Nina war natürlich nicht begeistert und so versuchte ich, wenigstens am nächsten Wochenende keine Arbeit mit nach Hause zu nehmen. Wir verabredeten, Samstag und Sonntag gemeinsam woanders zu verbringen, und ich versprach, den Laptop zu Hause und auch das Handy ausgeschaltet zu lassen. So entschieden wir uns für einen Kurztrip nach Renesse in Holland, wo wir schon ein paarmal vorher gewesen waren. Ich buchte ein Zimmer in einem Hotel, das direkt am Strand liegt und sehr komfortabel war mit Swimming-Pool und Beach- Bar. Wir fuhren freitags nachmittags hin und weil Ferienzeit war, gab es entsprechend viel Verkehr auf der Autobahn. Daher brauchten wir mehr als drei Stunden und kamen erst zum Abendessen an. Nina hatte auf der Fahrt ein paar Bemerkungen zu meiner vielen Arbeit gemacht und ich hatte sie gebeten, das Thema doch am Wochenende fallen zu lassen, denn sonst wäre es keine richtige Erholung. Beim Abendessen mit einem sehr guten Fisch sprachen wir dann über uns und unsere Beziehung. Sie fragte mich: „Bist du eigentlich noch glücklich mit mir?“, und ich antwortete: „Ja sicher, und du?“ Sie überlegte eine Zeit lang und sagte dann: „Ich habe das Gefühl, dass wir mehr nebeneinander als miteinander leben, deine Arbeit nimmt viel mehr Zeit in Anspruch als früher und wir haben kaum noch Zeit für uns.“ „Das ist sicher richtig. Aber jetzt haben wir doch grad mal wieder Zeit für uns und im Übrigen arbeitest du auch viel, nur manchmal zu anderen Zeiten als ich, und bist doch nicht ständig allein. Was also können wir ändern?“ „Du hast mal gesagt, dass du nicht bis 65 arbeiten wolltest, denkst du das immer noch?“ „Ja, ich könnte mir durchaus vorstellen, nächstes Jahr vorzeitig in Ruhestand zu gehen und dann freiberuflich zu arbeiten. Denkst du, das würde was ändern?“ „Ich weiß nicht, aber dann wärst du hoffentlich mehr zu Hause, oder wie siehst du das?“ „Na ja, das kommt ja darauf an, wo meine Kunden sind, ich werde nicht alles von zu Hause aus machen können.“ „Aber du könntest Aufträge annehmen, die dir bzw. uns passen und keine, bei denen du lange von zu Hause fortbleiben müsstest. Und die eine oder andere Hilfe bei meinen Projekten in der Schule wär auch ganz nett. Oder wenn mal wieder ein schwieriger Kollege bei mir nervt“ „Wenn es so einfach wäre, aber Kunden zu überzeugen mach ich ja auch sonst ...“ „Aber dann arbeitest du doch, um dich zu beschäftigen, der Verdienst steht doch dann nicht mehr im Vordergrund.“ „Das stimmt, aber dennoch kann ich nicht sicher sein, dass ich dauernd zu Hause bin. Willst du denn einen Mann, der dauernd um dich herum ist und dir sagt, wie du deinen Haushalt organisieren sollst? Sicher nicht.“ „Nein, natürlich nicht, aber dann könnten wir so wie früher vielleicht auch mal wieder zusammen einkaufen und kochen. Das hängt doch zurzeit alles an mir und das, neben meiner Belastung in der Schule.“ „Ja, das wär schön und das wünsche ich mir auch. Ich denk mal drüber nach und schau auch mal, welche Möglichkeiten es für einen vorzeitigen Ruhestand gibt.“ Abends im Bett grübelte ich über die Möglichkeit des früheren Ruhestandes nach und stellte mir vor, dass es dann schwierig würde, Leni zu sehen. Da wurde es mir wieder bewusst: Sie war inzwischen viel mehr in meinen Gedanken als Nina. Das konnte so nicht weitergehen. Ich muss demnächst eine Entscheidung treffen, so oder so. Es gab an dem Wochenende kaum eine Gelegenheit, Leni zu schreiben, und gar keine, mit ihr zu telefonieren. Das tat schon weh, mir und ihr, wie ich am Montagmorgen merkte

In der Woche wurde dann in der Firma viel über das Projekt bei AUDI Ingolstadt gesprochen und dass es noch immer nicht rund lief. Wir planten einen weiteren Besuch in zwei Wochen und legten die genaue Strategie fest, was wir mit wem besprechen wollten und wen wir unbedingt auf unsere Seite holen mussten. Als die Termine vereinbart waren, schrieb ich an Leni

Die Tage im Büro vergingen schleppend und die Abende mit Nina waren schwierig, weil sie wusste, dass ich schon wieder nach Ingolstadt fahren würde. Eines Abends sagte sie: „Wenn ich nicht wüsste, dass du dort arbeitest, würde ich annehmen, du hast da eine Geliebte?“ „Ach was du denkst, wie sollte ich denn dort so schnell eine Frau kennenlernen. Dazu hab ich viel zu viel Arbeit.“ „Du weißt doch, wo ein Wille, da ein Gebüsch ...“ Am Dienstag im Zug konnte ich mich gar nicht auf die Gespräche mit AUDI und die Kollegen konzentrieren. Meine Gedanken waren ständig bei Leni. Fünf Tage bzw. vier Nächte. Das versprach toll zu werden. Ich wollte mit ihr planen, wo wir demnächst mal gemeinsam hinfahren würden, ohne Arbeit, nur wir beide. In Ingolstadt fuhr ich zunächst schnell ins Hotel, um einzuchecken und zu sagen, dass meine Freundin Leni Huber (wie das klang: meine Freundin. Was sollte ich sonst sagen?) gegen 17 Uhr ankommen werde. Dann fuhr ich zu AUDI und wir diskutierten heftig den ganzen Nachmittag. Die Kollegen wollten, dass wir abends zusammen ausgehen, aber ich lehnte wegen Müdigkeit ab. „Lass uns das morgen Abend machen, das fände ich besser. O. k.?“ Sie stimmten enttäuscht zu und so konnte ich gegen 18 Uhr im Hotel sein, wo Leni einige Minuten vorher angekommen war. Küssen, umarmen, ausziehen geschah fast gleichzeitig und wir konnten kaum voneinander lassen. Das Bett quietschte wieder, aber um diese Zeit war sicher kaum jemand im Haus. Außerdem war mir das egal, Hauptsache Leni und ich waren zusammen. Beim Abendessen im Weissbräuhaus aßen wir bayerischen Schweinsbraten mit Knödeln und Kraut und unterhielten uns über mögliche Reiseziele. „Wo würdest du denn gern mal hinfahren?“, fragte ich sie. „Also ganz ehrlich, am liebsten wär mir Berlin, denn da wollt ich schon immer mal gern hin.“ „Dann lass uns einen Termin suchen, der für dich passt und den ich dann irgendwie möglich machen muss.“ Wir fanden einen Termin im Juni, wo Leni Pfingstferien hatte und wo ich glaubte, mich frei machen zu können. „Ich würde dann eine Kombination aus Geschäftsreise und Besuch bei einer früheren Kollegin vorschieben. Das wird Nina nicht gefallen, aber es klingt glaubhaft.“ „Sollen wir das jetzt schon buchen?“ „Ja, das können wir morgen machen. Zu Hause werde ich das jetzt noch nicht sagen, sondern erst im neuen Jahr. Aber wir beide können ja schon mal ein Hotel reservieren. Dann haben wir etwas Langfristiges, auf das wir uns freuen können, und dann auch nur für uns zwei, ohne Arbeitsstörungen wie morgen Abend, wenn ich mit den Kollegen weggehen muss.“ „Bist du sicher, dass du das willst?“ „Ja, ganz sicher.“ Später im Hotel zeigte ich Leni, wie sicher ich war, mit ihr zusammen sein zu wollen, und sie genoss das genauso wie ich. Als sie später in meinem Arm einschlief, dachte ich noch mal über die Idee mit Berlin nach, aber es fühlte sich gut an. Nina würde ich schon irgendwie überzeugen. Wien-Ingolstadt. 39. Alle Sorgen, Zweifel und sonstigen negativen Gedanken sind wieder einmal verschwunden. Ich bin endlich wieder auf dem Weg nach Ingolstadt! Max wird mich zwar diesmal nicht abholen, er muss noch arbeiten, aber am Abend sind wir wieder zusammen! Von Dienstagabend bis Samstag, das sind vier Abende … und vier Nächte. Rekord! Er findet doch immer wieder eine Lösung für unsere Treffen. Es liegt ihm offensichtlich sehr viel daran, mich zu sehen und zu spüren. Um 17:45 Uhr komme ich im Hotel an, und gerade als ich den Koffer fertig ausgepackt habe, kommt mein Liebster zur Tür herein. „Was für ein Timing“, sagen wir gleichzeitig, lachen herzlich und begrüßen uns die nächste Stunde sehr ausgiebig … Es ist ein lauer Sommerabend, und so suchen wir uns ein nettes Plätzchen, das wir im Weissbräuhaus finden. In dem großen Gastgarten stehen viele ausladende Kastanienbäume, in deren Schutz wir uns zurückziehen und ein deftiges Abendessen genießen. Wie immer haben wir uns viel zu erzählen und lachen miteinander. Plötzlich wird Max ganz ernst, nimmt meine Hände in seine und fragt mit erwartungsvollem Gesicht: „Wo würdest du denn gern mal hinfahren? Gibt es etwas, was du schon lange einmal sehen wolltest?“ Da muss ich nicht erst nachdenken. Ich habe schon ganz lange eine bestimmte Stadt im Auge. Das erste und letzte Mal, dass ich dort war, war kurz nach dem Mauerfall. „Ja“, sage ich sofort, „also ganz ehrlich, am liebsten wär mir Berlin, denn da wollt ich schon immer mal gern hin.“ Und schon sind wir auf der Suche nach einem Termin und voll in der Zukunftsplanung gefangen. Da ich auf die Schulferien Rücksicht nehmen muss, entschließen wir uns, Pfingsten im nächsten Jahr ins Auge zu fassen. Wir planen mehr als ein halbes Jahr im Voraus! Ist das nicht herrlich? Wieder ein Zeichen für mich, wie ernst es Max ist und wie sicher er ist, dass er mit mir zusammenbleiben möchte! Und schon schwebe ich wie auf Wolken. Berlin … im Juni nächstes Jahr … Am nächsten Morgen buchen wir schon das Hotel. Es ist also fix! Etwas ist bei diesem Ingolstadt-Besuch anders als sonst. Das war mir bei unserer Planung gar nicht so bewusst geworden. Wir haben vier Abende und vier Nächte, ist diesmal wörtlich zu verstehen. Die Tage muss Max größtenteils in der Arbeit verbringen. Jede Menge Termine und Besprechungen warten auf ihn. Und ich darf allein durch Ingolstadt pilgern. Er verspricht, immer so früh wie möglich Schluss zu machen, damit wir von den Abenden etwas haben. Die Altstadt ist recht sehenswert, mit den Stadtmauern, dem Schloss und den schönen Häusern, aber nachdem wir schon zweimal hier gewesen waren, finde ich nicht viel Neues. Und außerhalb der Altstadt habe ich keine Lust, allein zu wandeln. Mein Orientierungssinn ist so gut wie nicht vorhanden, daher ist es für mich mühsam, mich zurechtzufinden. Also beschließe ich, in der Altstadt zu bleiben, wo ich mich schon auskenne, und erst einmal die Kaufhäuser zu besuchen und ein wenig zu shoppen. Und die ganze Zeit begleiten mich die Gedanken, warum ich mir das hier antue. Stundenlang allein sein, den ganzen Tag vertrödeln … Wenn ich wenigstens fotografieren könnte! Das hätte Sinn. Ich hätte meine Digitalkamera mitnehmen sollen. Jetzt habe ich nur mein Handy und knipse ein bisschen herum … So vergehen diese Tage mit wechselnder Stimmung, himmelhochjauchzend am Abend und zu Tode betrübt tagsüber. Eine wahre Gefühlshochschaubahn! ‚Ich will dich so sehr … Warum muss das alles so sein … Ich liebe dich … Geh nicht schon wieder weg …‘ Und beim Abschied am Samstag klammern wir uns beide an unsere Planung für Berlin und hoffen, dass sich bald ein nächstes Treffen für uns einrichten lässt! Noch einmal Ingolstadt … oder doch woanders? Wir werden sehen … Köln. 40. Leni und ich waren am Samstag mit dem Taxi zusammen zum Bahnhof gefahren. Ihr Zug ging früher als meiner und so verbrachten wir die letzte halbe Stunde im Bahnhof. Wir saßen Hand in Hand auf einer Bank am Bahnsteig, wo ihr Zug einfahren würde. Es waren so schöne Tage bzw. eher Abende und Nächte gewesen. Tagsüber war Leni allein in Ingolstadt unterwegs, während ich endlose Diskussionen mit Kunden und Kollegen führte. Abends hatte sie mir von ihren Entdeckungen in der Stadt erzählt und ihre Einkäufe gezeigt. Am Freitagnachmittag wollten alle früh nach Hause und so konnten wir wenigstens den Rest des Tages zusammen in der Stadt umherspazieren. Wir gingen lange entlang der Donau bei strahlendem Sonnenschein und vergaßen die Welt um uns herum. Unsere Gedanken waren schon bei einem nächsten Treffen, so wie wir schon oft im Traum von einem zum anderen Ort unterwegs gewesen waren. „Wann sehen wir uns wieder?“, fragte Leni mich plötzlich, als ich gerade darüber nachgedacht hatte, wie meine Arbeitspläne in den nächsten Wochen aussahen und wann ich vielleicht wieder in Ingolstadt sein würde. „Ich weiß es im Moment noch nicht, denn es gibt bisher keinen konkreten Plan, wann ich wieder herkommen muss.“ „Das ist aber nicht schön, dann haben wir nur Berlin im nächsten Jahr als konkretes Ziel, auf das wir uns freuen können. Ich bin sehr froh, dass wir das jetzt schon geplant und gebucht haben.“ „Ja, solch ein langfristiges Ziel ist ein wunderbarer Gedanke. Und ich bin sicher, ich werde auch bald ein weiteres kurzfristiges Ziel kennen. Mal sehen, wann und wo wir uns wiedersehen.“ „Ich hoffe nur, dass es bald sein wird.“ Diese Gedanken bewegten mich jetzt auf der Bank im Bahnhof wieder und ich sagte Leni, dass ich ihr so bald wie möglich schreiben würde, wann und wo wir uns wieder in die Arme schließen könnten. Dann kam ihr Zug und wir küssten und umarmten uns ein letztes Mal. Sie stieg ein, fand ihren Platz im Waggon 32 und ich ging zum Fenster, an dem sie saß. Wir hielten unsere Hände jeweils auf die eine und die andere Seite der Scheibe gegeneinander. Ich meinte, ihre Haut zu spüren, und eine Trauer befiel mich, dass ich nicht wusste, wann ich sie wieder wirklich würde spüren können. Dann fuhr der Zug los und ich konnte nur ein paar Meter nebenhergehen, bis die Fahrt zu schnell wurde. Ich formte einen letzten Kussmund, sie auch, und dann war sie weg. Die Rückfahrt nach Köln war furchtbar. Es war sehr heiß im Zug, denn die Klimaanlage war ausgefallen. Meine Gedanken wanderten zu Leni, die ebenfalls im Zug saß, und ich stellte mir vor, ich säße neben ihr. Ich spürte ihre Hand in meiner, merkte, wie verschwitzt meine Handfläche war, und das war mir unangenehm. Ich nahm mein i-Pad heraus und fing wieder an, das „passende Leben“ weiterzulesen. In Kapitel IX beschreibt Remo H. Lange Misfit-Konstellationen im Leben. Ich dachte darüber nach, ob ich gerade auch in solch einer Misfit-Situation war und wie ich da herauskommen sollte. Die Einleitung zu Kapitel X „Zeitenwende“ beginnt mit dem Satz: „In einer idealen Gesellschaft, gewissermaßen dem Paradies auf Erden, könnten alle Menschen ein passendes Leben führen. Aus Sicht des Fit-Prinzips wäre sie so beschaffen, dass alle Menschen ihre Individualität leben dürften. Sie könnten ihre körperlichen Bedürfnisse befriedigen, fühlten sich geborgen und in der Gemeinschaft aufgehoben.“ Darüber dachte ich länger nach und kam zu dem Schluss, dass ich mich gerade nicht in einem Paradies befand, auch wenn es sich mit Leni immer so anfühlte. Die Hitze im Waggon wurde unerträglich. Ich nahm meinen Rucksack und ging in den Speisewagen. Hier war die Temperatur etwas besser und ich bestellte mir ein Bier. Aah, das tat gut, und beim zweiten verschwanden auch die schlechten Gedanken. Ich überlegte, was ich wohl in den nächsten Wochen zu tun haben würde. Da hatte es letztens eine Diskussion gegeben über ein neues Projekt in Budapest. Das ist doch nicht weit von Wien ... Ich musste unbedingt versuchen, mehr darüber herauszufinden und mich vielleicht dort irgendwie ins Gespräch bringen. Nach fünf Stunden Fahrt stieg ich total verschwitzt aus dem Zug und in die Straßenbahn in Köln. Als ich zu Hause ankam, war das Haus leer. Nina war ausgeflogen. Ich tippte ihr eine kurze Nachricht: „Hallo Nina, ich bin zurück, wo bist du gerade? Können wir uns irgendwo treffen?“ Es dauerte fast eine Stunde, bis sie antwortete: „Bin mit Doris im Café Heumarkt. Komme gegen 7 nach Hause. Machst du uns was zu essen?“ Also schaute ich in den Kühlschrank, der war ziemlich leer. Daher flitzte ich schnell zum REWE in der nächsten Straße und kaufte ein paar Sachen ein, Spaghetti, Schinken, Sahne. Zu Hause ging ich daran, Spaghetti Carbonara zu machen. Ich holte einen Weißwein aus dem Keller und legte ihn ins Gefrierfach. Da Nina noch nicht zurück war, tauschte ich noch ein paar Nachrichten mit Leni aus

Plötzlich hörte ich Nina nach Hause kommen. Schnell schaltete ich bei meinem Handy auf Wordox um, da stand sie auch schon neben mir. „Na, was machst du Schönes?“, fragte sie. „Oh, ich … eh … habe mir die Zeit mit Spielen vertrieben.“ „Mit wem spielst du denn da gerade?“ „Jetzt gerade mit einer Susanne.“ „Wer ist das?“ „Keine Ahnung, man kennt sich hier ja nicht, sondern sieht nur die Namen und die Spielklasse, in der einer spielt.“ „Und das findest du interessant?“ „Ja, es sind ja immer wieder neue Kombinationen wie beim Scrabble, nur halt übers Netz. Das ist schon spannend.“ „Mir wäre das zu fad.“ Puh, das war gerade noch mal gut gegangen, weil ich schnell von der Chatplattform auf Wordox gewechselt hatte. Der Wein war inzwischen kalt und ich hatte beim Chatten schon zwei Gläser getrunken, die Nudeln waren im Wasserbad zum Warmhalten und die Carbonara-Soße schon leicht verkocht. Ich sagte zu Nina: „Dann können wir ja jetzt essen.“ „Ja, ich hab auch einen Riesenhunger.“ „Magst du ein Glas Frascati?“ „Ja gern, hatte schon zwei Gläser Riesling im Café, aber Frascati ist auch gut.“ Wir unterhielten uns über die letzten Tage, Nina war gut drauf und wir lachten viel. Das ließ mich die unangenehme Rückfahrt vergessen und ich holte noch eine Flasche Wein, stellte mir vor, wir könnten heute vielleicht mal wieder zusammen schlafen. Daraus wurde dann nichts, weil Nina ziemlich schnell einschlief. Schon als ich aus dem Bad kam, schnarchte sie vor sich hin. Also dann weiter im „passenden Leben“ Wien. 41. Wieder einmal sitze ich allein vor dem Fernseher. Mein Wohnzimmer ist nicht aufgeräumt, auf dem Esstisch liegen Zeitungen herum und die Post der letzten Tage. Auf dem Couchtisch sind immer noch die Planungsunterlagen für die Schule ausgebreitet. Für das nächste Schuljahr ist noch einiges zu erledigen. Ist ja egal, denk ich, wen stört’s … Das ist der Vorteil, wenn man alleine wohnt. Hab ich heute mal keine Lust, aufzuräumen, ist es morgen auch noch o. k. … oder übermorgen. Andererseits wäre es doch gerade sehr nett, wenn beim Fernsehen mein Liebster neben mir säße, meine Hand hielte und ich meinen Kopf an seine Schulter lehnen könnte. Dafür hätte ich auch gern aufgeräumt … Manchmal fehlt mir der Lebensmensch an meiner Seite. Nach der Arbeit zusammen den Abend genießen, sich gegenseitig erzählen, was man alles gemacht hat, oder einfach ein bisschen kuscheln … oder auch ein bisschen mehr. Max wäre genau der Richtige dafür. Mit ihm kann ich über alles reden und mit ihm kann ich mir einfach alles vorstellen. Er ist bester Freund und Liebhaber zugleich. Diese Harmonie, genau wie ich es mir immer erträumt habe. Ist schon klar, wir kennen noch keinen Alltag. Wir haben immer nur urlaubsähnliche Situationen. Aber ich spüre, dass wir füreinander geschaffen sind, ob im Urlaub oder im Alltag. Ich muss aber auch bedenken, dass ich jetzt schon lange Zeit mehr oder weniger allein lebe und meine persönlichen Gewohnheiten entwickelt habe. Mit Günther habe ich ja nicht dauernd zusammengewohnt. Wir sind immer unsere eigenen Wege gegangen und haben uns regelmäßig getroffen. Klingt eigenartig bei einem Ehepaar, war aber so. Ich war in seiner Wohnung nie zu Hause, immer nur Gast. Er bei mir auch, und das war ihm ganz recht so. Und jetzt wünsche ich mir meinen Traummann an meiner Seite und bin bereit, meine Gewohnheiten zu überdenken und auch neue anzunehmen. Eigentlich habe ich damit schon begonnen, als ich den Zug nach Linz gebucht habe … Von dem Film, der gerade läuft, bekomme ich kaum was mit. Eine Folge von „SOKO Donau“, die ich eh schon kenne. Ich kann mich nur nicht mehr daran erinnern, wer der Mörder ist. Mir fällt gerade ein, dass Max letztens ganz nebenbei erwähnt hat, es wäre eventuell ein Termin in Budapest in Aussicht. Das wäre doch was! Es ist nicht so weit weg und gut erreichbar. Ich war auch schon dort, das heißt, ich fände mich auch zurecht, falls ich ein paar Stunden allein überbrücken müsste. Wenn sich das noch in den Ferien ausgehen würde, bevor ich zu den Fortbildungsterminen müsste, hätten wir auch sicher ein paar Tage mehr für uns. Ach, was sind das für schöne Gedanken! Während der Vernehmungsszene im Krimi drifte ich komplett ab nach Budapest. Wir genießen die herrliche Aussicht von der Fischerbastei aus über die Stadt und trinken gemeinsam Kaffee. Die Sonne scheint uns ins Gesicht und wir sind glücklich, dass wir hier sein dürfen. Oje, jetzt ist der Krimi zu Ende und ich habe wieder nicht gesehen, wer denn der Bösewicht war. Na, dann gehe ich jetzt schlafen und träume mich zu Max. Aber eine kurze Nachricht muss noch sein: Liebster, ich wünsch dir eine gute Nacht und schöne Träume! Wie wär’s, wenn wir uns nach Budapest träumten? Vielleicht geht es dann in Erfüllung! Ich liebe dich. Köln. 42. Die Arbeit im Büro nahm mich wieder mal voll in Beschlag. Außer dem Projekt in Ingolstadt wurde ich noch gebeten, mich um das Team in Nürnberg zu kümmern, das immer mal wieder Support brauchte. In der Mittagspause am Mittwoch traf ich einen Kollegen aus einem anderen Bereich, der von dem neuen Projekt bei Suzuki in Ungarn erzählte. „Wir sollen dort was Ähnliches machen wie bei Audi in Ingolstadt“, sagte er mir. „Die haben wohl Probleme mit ihrer IT und wollen auf eine neue Version umstellen. Hast du eine Idee, wie wir das gewinnen können?“, fragte Egon mich. „Schick mir doch mal den Anforderungskatalog, ich schau es mir an und melde mich bei dir“, sagte ich zu ihm. Das Dokument war sehr umfangreich und ich nahm mir vor, es zu Hause zu lesen. Abends war Nina zum Kartenspielen mit ihren Freundinnen verabredet, so dass ich genügend Zeit hatte, die Ausschreibung von Suzuki näher anzuschauen. Das war alles wirklich sehr ähnlich wie bei Audi und ich sah auch Parallelen bei den Risiken. Dennoch wollte ich gern an dem Projekt mitarbeiten und sagte das auch zu Egon am nächsten Morgen. „Wunderbar, dann nehm ich dich gleich ins Team mit auf. Hast du denn Zeit, in zwei Wochen mit uns nach Esztergom zu fahren?“ „Wann genau soll das sein?“ „Das erste Meeting ist am 15. August. Da sollen wir uns und unsere Möglichkeiten präsentieren.“ Ich checkte meinen Kalender, der 15. August war ein Montag und ich hatte keine weiteren Termine an dem Tag. „Ja das passt. Soll ich unsere Präsentation aus Ingolstadt von damals entsprechend updaten und auf Suzuki anpassen?“ „Ja, das wäre super. Dann fahren wir beide und der designierte Projektleiter, Karl-Heinz, hin, verteilen die Aufgaben entsprechend und wir werden ihnen eine Präsentation hinlegen, die ihnen den Atem verschlägt.“ „Genauso machen wir es.“ „Soll ich für dich einen Flug mit buchen?“ „Nein, lass mal, ich fahre möglicherweise mit dem Zug, dann springe ich unterwegs noch mal in Ingolstadt und Nürnberg vorbei. Das passt mir dann besser.“ „O. k., dann los. Ich freue mich, dass du dabei bist.“ Zurück in meinem Büro schrieb ich an Leni: Guten Morgen, Liebste, habe gerade mit einem Kollegen einen Plan gemacht für den Besuch in Esztergom bei Budapest. Wir müssen dort am 15. August eine Präsentation halten, könnten also am 14. mit dem Zug hinfahren. Ich komme nach Wien und du steigst zu. Dann bleiben wir ein paar Tage dort und auf dem Weg zurück fahren wir auch wieder mit dem Zug und ich springe noch am Freitag, also am 19. August, beim Kunden in Nürnberg vorbei. Du hast doch in der Woche noch Ferien, oder? Ihre Antwort kam postwendend: Hallo Liebster, hatte mich schon drauf gefreut und nun sollen es wirklich ein paar Tage werden. Ja das ist wunderbar. Sag mir, welche Züge du buchst, dann nehme ich die gleichen. Das ist ja schon in zwei Wochen. Wahnsinn, Ich freue mich riesig!!! Also buchte ich gleich meine Züge und teilte Leni die Verbindungen mit. Sie buchte die entsprechenden Strecken von Wien nach Budapest und zurück. So würden wir fast eine Woche zusammen sein können. Da wurde mir ganz anders. Das hatten wir noch nicht. Also fing ich auch gleich an, die Präsentation vorzubereiten, da hatte ich genug zu tun und mit den Kollegen abzuklären. Abends versuchte ich, Nina die Reise vorsichtig beizubringen, und fragte sie: „Hattest du nicht erwähnt, dass du in der zweiten Augusthälfte mit Elke nach Irland fahren wolltest?“ „Ja sicher, am 20. August fliegen wir. Warum?“ „Oh, wie blöd, ausgerechnet in der Woche davor muss ich jetzt nach Ungarn. Da sehen wir uns kaum, weil ich am Freitagabend zurückkomme. Wann geht euer Flieger?“ „Um 13:45 Uhr.“ „Na, dann kann ich euch wenigstens noch zum Flughafen bringen.“ „So langsam gehen mir deine Geschäftsreisen wirklich auf den Wecker. Die kommen immer zum unpassenden Moment. Du solltest jetzt wirklich mal langsam über deinen Ruhestand nachdenken, damit das aufhört. Ich habe den Eindruck, unsere Ehe ist dir scheißegal. Du gondelst von einem Ziel zum anderen und ich darf mich hier um alles kümmern und sehen, wie ich die Zeiten deiner Reisen sinnvoll verbringe.“ Die Nacht nach dieser Diskussion verbrachte ich zum ersten Mal seit langer Zeit wieder mal auf dem Sofa. Nina war nach unserer Debatte wortlos ins Schlafzimmer verschwunden und ich wollte nicht weiter mit ihr drüber sprechen. Die zwei Wochen bis zum 14. August vergingen schnell, zu Hause wurde wenig gesprochen und im Büro hatte ich viel Arbeit. Endlich saß ich am Sonntag früh im Zug auf dem Weg nach Wien. In zehn Stunden würde Leni zusteigen und wir würden zusammen nach Budapest weiterfahren. Ich hatte nur am Montag den Präsentationstermin und dann konnten wir zusammen bis Mittwoch oder Donnerstag in Budapest bleiben. Traumhaft. Ich klappte meinen Rechner auf und schaute mir die Power Point Präsentation für Suzuki noch mal an. Wien-Budapest. 43

Die Fahrt zum Hauptbahnhof kommt mir endlos lang vor. Wir schreiben fast dauernd und fühlen beide, dass es Zeit ist, uns wieder in die Arme zu fallen. Gefühlte drei Stunden später warte ich auf dem Bahnsteig wieder einmal auf den Zug. Aber diesmal ist es anders. Ich weiß, dass Max in dem Zug schon voll Sehnsucht auf mich wartet. Ich kann neben ihm sitzen, er wird meine Hand halten … Und ich kann in seine unergründlichen Augen sehen und darin versinken. Wenn ich will, die ganze Fahrt lang! Der Klingelton von meinem Handy reißt mich aus meinen Träumen. Oh, Doris ruft an. „Hallo“, sage ich, „ich bin am Bahnhof und steige gleich in den Zug. Ich fahr nach Budapest mit Max.“ „Ach ja, das habe ich ganz vergessen“, meint sie „Wie lang bleibt ihr? Ich wollte fragen, was du nächsten Donnerstag vorhast. Da hätte ich Zeit. Lydia und die anderen auch. Können wir uns da treffen?“ „Wir kommen Mittwoch am Abend zurück. Donnerstag grillen wir bei mir zu Hause. Da kommen meine Schwester, mein Schwager und die Kinder.“ Und aus lauter Höflichkeit rutscht mir der verhängnisvolle Satz heraus: „Wenn ihr wollt, könnt ihr auch gern kommen. Dann lernt ihr endlich meinen Max kennen!“ Das löst sofort die helle Begeisterung aus und Doris sagt spontan zu. „Ich ruf gleich die anderen an, die werden sich freuen!“ Einen Moment lang freue ich mich auch. Dann kommt mir doch der Gedanke ‚Ob das jetzt richtig war? Wenn Doris, Lydia, Markus und Emma auch kommen, sind das schon acht Leute. Hoffentlich ist das Max recht!‘ Diese Gedanken werden durch die erlösende Nachricht unterbrochen:

Am Horizont sehe ich den Zug auftauchen. Jetzt kennen wir uns schon so lang und das Herzklopfen kommt immer noch wie beim ersten Mal. Dass es so was gibt, konnte ich mir nie vorstellen … Ja, ich habe den richtigen Waggon gefunden, Max winkt schon aufgeregt am Fenster. Der Beginn einer sehr aufregenden gemeinsamen Woche. Das Central Hotel ist laut Plan nicht sehr weit vom Bahnhof weg, aber weit genug, um ein Taxi zu nehmen, denken wir. Die Taxifahrer denken das aber nicht. „Mária Utca 10, Hotel Central“, sagt Max durch ein offenes Taxifenster. Zurück bekommt er nur eine abweisende Geste. Und dieselbe Geste noch bei zwei anderen Taxis. „Das Hotel muss näher sein, als wir denken“, sage ich lächelnd und dann marschieren wir mit unseren Koffern los. Zu Fuß dauert es doch fast eine halbe Stunde, bis wir da sind. Aber wir werden mit einem sehr schönen, gemütlichen Zimmer belohnt und es kommt uns so vor, als dauere der Begrüßungskuss fast so lang wie der Spaziergang zum Hotel. Jetzt kann die Spannung etwas nachlassen und nach dem Kofferauspacken schauen wir uns ein wenig in der nahen Umgebung um. Da gibt es bestimmt ein Lokal, in dem wir zu Abend essen können. So ist es auch. Beim Essen besprechen wir noch einmal in Ruhe, wie wir die nächsten Tage gestalten werden. Der Montag ist der einzige Tag, an dem Max arbeiten muss. Er rechnet damit, dass er gegen 16 Uhr fertig sein wird und dass wir dann bereits den frühen Abend gemeinsam verbringen werden. Sein Weg ist allerdings etwas weit. Sein Meeting findet in Esztergom statt, das liegt außerhalb von Budapest. Das ist aber auszuhalten, denke ich, denn ich war schon einmal hier. Es ist nicht alles fremd und ich kann mich ein wenig orientieren. Es gibt viel zu sehen hier, also alles gut. Dann haben wir einen Tag für gemeinsame Ausflüge und zum krönenden Abschluss noch zwei Tage bei mir zu Hause. Wir sind schon bei der Nachspeise, als ich vorsichtig das Thema anschneide: „Ich habe heute im Zug mit meiner Freundin Doris telefoniert und ihr erzählt, dass wir am Donnerstag bei mir zu Hause einen Grillabend mit Helga und den Kindern machen. Dabei ist mir etwas rausgerutscht. Ich hoffe, das macht dir jetzt nicht so viel aus!“ Ich bin ganz verlegen und sehr erleichtert über seine Antwort: „Ach nein, das wird sicher nett. Sind doch nur ein paar Leute mehr. Das ist schon o. k.“ Diese Art, spontan auf Aktivitäten zu reagieren, hat also manchmal auch Vorteile, denke ich, und der restliche Abend verläuft haargenau so, wie wir es uns in den letzten Wochen nicht nur einmal erträumt haben. Nach dem reichlichen Frühstücksbüfett am Montagmorgen verabschieden wir uns wie ein Ehepaar, das zum Arbeitstag aufbricht. So zärtlich wie ein junges Ehepaar, würde ich sagen, noch nicht so flüchtig, wie man es vielleicht nach zwanzig Ehejahren tut. Und wir freuen uns beide schon jetzt auf den gemeinsamen Abend. Noch ein Kuss und noch einer … und dann gehe ich in Richtung Zentrum und Max geht zur Straßenbahn in der anderen Richtung. Max muss um 10 Uhr in Esztergom sein und ich erreiche bequem um 9 Uhr den ersten Hop-on-Hop-off Bus beim Bahnhof. Mein Ticket habe ich schon online gebucht, also muss ich nur noch die rote Linie finden. Ich beschließe, zuerst einmal eine Runde zu fahren. Dann werde ich schon sehen, wo ich aussteigen möchte. Ich setze die Kopfhörer auf und werde vom Guide wieder daran erinnert, dass Budapest sehr viel mit Wien gemeinsam hat. Beide haben knapp unter 2 Millionen Einwohner und sind auf 23 Bezirke aufgeteilt. Die Brücken haben teilweise die gleichen Namen wie z.B. die Kettenbrücke und die Margaretenbrücke. Und viele Straßen und Plätze sind ebenfalls gleich benannt wie der Heldenplatz oder die Ringstraße. Die Innenstadt lässt mich auch optisch beinahe wie zu Hause fühlen. Die alten Gebäude sind teilweise von den gleichen Baumeistern gebaut worden und dass es geschichtlich viele Verbindungen gab, wissen wir ohnehin. Ich mache Halt bei der großen Markthalle, beim antiken Gellertbad und bei der Matthiaskirche. Dort halte ich mich länger auf und mache eine Mittagsrast auf der Fischerbastei, wo ich von der Terrasse aus die herrliche Aussicht genieße. ‚Fotografieren müsste man können, so wie Max! Meine einfachen Handyfotos und die Aufnahmen mit der kleinen Digitalkamera sind mir schon lange nicht mehr genug. Da muss ich wirklich einmal drüber nachdenken!‘ Bei Kaffee und Kuchen schweife ich in Gedanken zum gestrigen Abend zurück. Und wenn ich mich genau erinnere, kommt es mir vor, als wäre Max gestern doch ein wenig schweigsamer gewesen als sonst. Er hat kaum von den alten Zeiten und seinen Reisen erzählt. Und auch gelacht haben wir weniger als sonst. Genau genommen, wenn ich so überlege, fast gar nicht. ‚Ob ich ihn doch mit dem Kennenlernen meiner Familie überfordere???‘ Aber er hat gesagt, es ist in Ordnung, er freut sich drauf. Ach, vielleicht sehe ich auch schon wieder Gespenster und habe nur Panik, dass sich bei uns etwas ändern könnte. Ich wüsste nicht, wie ich das aushalten würde! ‚Ich liebe diesen Mann! Von ganzem Herzen!‘ Ein Blick auf die Uhr sagt mir, ich muss weiter. Ich möchte den nächsten Bus bekommen, um pünktlich an der Donau zu sein. Die Schiffsrundfahrt, die im Ticket inbegriffen ist, möchte ich unbedingt machen. Die Margareteninsel kenne ich noch nicht. Ich bin gut im Plan und darf noch eine Viertelstunde warten, bis wir auslaufen. Während der Schifffahrt schaue ich mehrmals auf mein Handy. Keine Nachricht. Das ist ungewohnt. Ansonsten gibt es schon mal einen Pausenkuss für mich, aber heute ist scheinbar Durcharbeiten angesagt. Dann schicke ich einmal ein paar Küsse und Umarmungen. Vielleicht kommt ja was zurück … Die Margareteninsel ist nicht groß. Bis das Schiff zurückkommt, kann man gemütlich einmal um die ganze Insel wandern. Es gibt dort sehr viele Blumen zu sehen und einen groß angelegten Springbrunnen, der zu bestimmten Zeiten Lichtspiele zeigt. Dazu spielt es klassische Musik. Die Einheimischen nützen die Insel zum Joggen und mitten auf der Insel befindet sich auch ein Sportplatz. Alles in allem ein sehr idyllisches Bild, bis es am Flussufer plötzlich Aufregung gibt! Eine Gruppe von Kindern, ich schätze höchstens 10 Jahre alt, hält auf der Donau ihr Paddeltraining ab, als plötzlich ein Boot kentert und die zwei Kinder ins Wasser fallen. Zum Glück tragen sie Schwimmwesten! Ich beobachte die organisierte Rettung, beinahe bereit, selber einzugreifen. Das ist aber zum Glück nicht nötig. Sofort fährt eines der Boote zu den Verunglückten und nimmt die beiden auf. Ganz schnell ist alles wieder in Ordnung. Die durchnässten Kinder werden ans Ufer gebracht. Ich bin sehr erstaunt, die Erwachsenen in einem Boot ganz am Rand haben nur zugeschaut … Oh, jetzt aber schnell! Gleich kommt das Schiff, das mich zurückbringt. Um 16 Uhr bin ich wieder beim Bus. ‚Jetzt wird sich Max gleich melden und Bescheid sagen, wo wir uns treffen.‘ Ich steige schon einmal in den Bus, der Richtung Bahnhof unterwegs ist, und freue mich auf den schönen Abend. Der Tag verging wirklich sehr abwechslungsreich, abgesehen davon, dass ich lieber mit Max unterwegs gewesen wäre, und davon, dass ich mir langsam Sorgen mache, weil ich die ganze Zeit nichts von ihm gehört habe. Jetzt bin ich eigentlich müde, der letzte Sightseeing-Bus ist auch weg. Also werde ich einfach ins Hotel gehen und dort auf den Verschollenen warten. Essen werde ich nicht gehen, das machen wir doch nachher gemeinsam. Die Zeit vertreibe ich mir mit Wordox und Quizduell. Eine Glückssträhne lässt auch auf sich warten. Als gegen 20:30 Uhr die ersten Tränen über meine Wangen rinnen, kommt die lang ersehnte Nachricht: Liebste Leni, ich bin endlich auf dem Rückweg! Tut mir leid, dass ich mich erst jetzt melde, aber es war ein anstrengender Tag. Erzähl ich dir nachher. Ich hoffe, deiner war schön und du hast viel gesehen! Bis gleich. mein Liebes! Budapest/Esztergom. 44. Egon und Karl-Heinz waren frühmorgens mit dem ersten Flieger angereist und wir hatten uns per WhatsApp verständigt, uns bei Suzuki in Esztergom zu treffen. Einige Minuten vor zehn, als ich schon ungeduldig wurde, stiegen die beiden aus dem Taxi. Es blieb nur wenig Zeit, sich noch einmal abzusprechen, also mussten wir improvisieren. Wenigstens hatte ich die Folien vorab mit unseren Kürzeln gekennzeichnet, damit jeder von uns wusste, wann er dran war. Gestern Abend hatte ich die letzte Version noch mal an die beiden verschickt. Daher klappte unsere Vorstellung auch zunächst sehr gut. Zu Mittag luden uns die Suzuki- Kollegen (zwei Japaner und zwei Ungarn) zum Essen in ihre Kantine ein. Dabei stellten vor allem die Japaner sehr unangenehme Fragen. Ich hatte keine Lust, beim Essen auf solche Dinge zu kommen, und gab jeweils ausweichende Antworten. Beim abschließenden Kaffee sagte ich dann in die Runde: „Dear friends, we are happy, to answer all your questions after lunch and we would really like to understand your situation better. So please allow us also, to ask some questions.” Die Japaner schauten etwas betreten und die beiden Ungarn nickten bedächtig. Was war da wohl los? Auf dem Weg zurück in den Besprechungsraum entschuldigte ich mich zur Toilette und Tamås, der eine der ungarischen Vertreter, ging mit mir. Beim Händewaschen fragte ich ihn, was er denn bisher für einen Eindruck von uns habe? „Oh, ehem, I think your presentation was nice, but we are not sure, that you understand our problem.” Ich bat ihn also, mir zu erklären, was ihre Schwierigkeiten seien, und so erklärte er mir auf dem Rückweg, dass sie von Japan Druck bekommen hätten, bis zum 31.12. ihre komplette IT und die dazugehörige Software umzustellen. „But that is impossible“, antwortete ich ihm. „Yes, we know, but they do not believe us. They threaten to close our factory and open a new one in Bulgaria or Romania, if we do not achieve this goal.” Ich sagte ihm: „Do you think we should present a possible schedule to them and tell them, how long it will take?” Wir besprachen, dass ich den Zeitplan eines anderen Projektes zeigen sollte und wir dann gemeinsam versuchen wollten, den Plan auf Suzuki Ungarn anzupassen. Dann würden die Japaner schon einsehen, dass ihre Vorgabe zu hoch gegriffen ist. Tamås sagte zu mir: „If we manage to convince them together, you will surely get the order for the project. Because last week we had one of your competitors here and they promised to execute the project in six months. However, the Japanese colleagues did not believe them as they do not have as much experience as you have.” Zurück im Besprechungsraum, informierte ich kurz Egon und Karl-Heinz und legte ihnen dar, wie ich vorgehen wollte. Tamås besprach sich intensiv mit seinem ungarischen Kollegen Róbert. Also gingen wir gemeinsam daran, die Schlitzaugen zu überzeugen. Das erwies sich als nicht einfach, denn immer wieder fragten sie das Gleiche zu verschiedenen Abschnitten des Projektes: „Why does this take so long?“ Mit Engelsgeduld versicherten und erläuterten wir ihnen, warum das jeweils so langwierig sei. Nach drei Stunden baten die Ungarn um eine Pause und ließen Kaffee und Kuchen bringen. Die beiden Japaner, Hiro und Keji, hatten eisige Gesichter. Sie hatten wohl das Gefühl, dass wir sie über den Tisch ziehen wollten, was ja auch nicht ganz falsch war. Also fragte ich Hiro, der besser Englisch sprach, in der Pause so ganz nebenbei: „Hiro, what would be your ideal solution for the project?“ Er schaute mich ganz betreten an und ich fürchtete schon, ich hätte die falsche Frage gestellt. Dann sagte er leise: „You should finish the project till end of the year.” Ich schaute ihn an, als ob ich das zum ersten Mal hörte, und überlegte genau meine Antwort. Dann sagte ich ihm, dass ich ungern das Vertrauen meiner Vertragspartner missbrauche und gern langfristige Partnerschaften mit meinen Kunden eingehen möchte. „And therefore, dear Hiro, I am awfully sorry, but this is really not possible. Even if we signed a contract today, we would not be able to achieve this. The minimum time for this project as I have understood it so far, is nine months. I would really love to do this project with you but I do not want to promise something today and start after commencement of the project to try with some tricks that the due date will be postponed. So if your deadline is end of the year, I suggest you look for another partner. However, I know the market and my competitors and therefore I doubt, that you find one, who will be able to stick to your plan. So, before we continue talking, I propose, that you reconsider your deadline.” Ich lächelte ihn an und er verließ den Raum zusammen mit Keji. Also ging ich zu Tamås und Róbert und erzählte ihnen kurz, was ich Hiro gegenüber geäußert hatte. Die Pause dauerte mehr als eine halbe Stunde und ich hörte Hiro und Keji heftig diskutieren. Ich verstehe kein Wort Japanisch aber das, was man hören konnte, klang sehr aufgeregt. Dann riefen sie offensichtlich in Japan an (da musste es doch inzwischen schon fast Mitternacht sein) und redeten weiter laut und heftig in Japanisch mit dem Partner am anderen Ende. Danach kamen sie zurück in den Raum und nahmen Tamås und Róbert beiseite. Leise aber wild gestikulierend redeten sie auf die beiden ein. Dann endlich konnte es weitergehen. Egon stellte die erste Frage (das hatten wir in der Pause so verabredet): „Gentlemen, where should we continue?” Róbert erklärte uns, dass sie in der Pause über den Zeitplan diskutiert hätten und dass sie von uns noch einmal genau die einzelnen Projektschritte erläutert haben möchten. Also gingen wir alle Projektschritte zum dritten Mal durch und wir landeten wieder bei dem Ergebnis, dass das Projekt aus unserer Sicht nicht unter neun Monaten durchzuführen ist. Die Ungarn waren scheinbar damit zufrieden, die Japaner nicht. Da es inzwischen schon 18 Uhr war und meine beiden Kollegen den Rückflug gegen 20:30 h gebucht hatten, hörten wir ohne greifbares Ergebnis auf. Wir verabschiedeten uns von Keji und Hiro. Tamås und Róbert luden mich zum Abendessen ein. Das passte mir überhaupt nicht, aber angesichts der verfahrenen Situation stimmte ich zu. Vielleicht konnten wir beim Essen noch einen Ausweg finden. Auf dem Weg zum Restaurant schaltete ich mein Telefon ein und fand zwei Nachrichten von Leni, die natürlich so langsam ungeduldig wurde, denn eigentlich hatten wir geplant, zusammen zu Abend zu essen. Als ich ihr gerade antworten wollte, klingelte mein Telefon und Nina rief an. Da musste ich also ran gehen: „Sag mal, wann kommst du zurück?“ „Hab ich doch schon gesagt, am Freitag, ich habe hier gerade eine unlösbare Situation und muss sehen, wie wir das hinkriegen. Wieso fragst du?“ „Ich bin heute Mittag im Bad ausgerutscht und habe mir das Handgelenkt verstaucht. Ich war bis eben im Krankenhaus und habe jetzt einen Zinkleinverband am Arm. Mit einer Hand ist man ziemlich hilflos, wie ich grad merke.“ „Oh, das tut mir sehr leid, tut es sehr weh?“ „Inzwischen geht’s, weil ich mir auch schon Ibuprophen reingeworfen habe.“ „Das ist aber wirklich ein blöder Zeitpunkt. Wenn ich zu Hause wäre, könnte ich dir zumindest ein wenig helfen. Aber ich kann hier nicht weg. Wie lange soll der Verband draufbleiben? Kannst du am Wochenende nach Irland fliegen?“ „Ja, was ich immer sage, der Beruf geht bei dir immer vor. Ich zähle ja nicht wirklich. Wieso bin ich überhaupt mit dir verheiratet?“ Wütend legte sie auf und ich begann, mir ernsthaft Sorgen zu machen. Inzwischen waren wir im Restaurant in Budapest angekommen und ich konnte Leni keine Nachricht mehr senden. Hoffentlich würde sie auch ohne Message Bescheid wissen und nicht sauer sein. Beim Essen gingen meine Gedanken immer wieder zu Nina und dann zu Leni. Was sollte ich nur machen? Jetzt wollte Leni mich doch auch schon ihrer Familie und einigen Freunden vorstellen. Und zu Hause wartete eine verletzte, ungeduldige und unglückliche Nina auf mich. Mein Doppelleben würde dadurch noch komplizierter werden. Dann fragte Tamås noch mal nach unserem Zeitplan und ich antwortete ungehalten, das wäre doch nun klar, unter neun Monaten ginge nichts. „But Keji and Hiro do still not believe it.“ Ich sagte ihm, wir sollten die beiden Japaner jetzt erst einmal eine Nacht drüber schlafen lassen. Wenn sie morgen immer noch Zweifel hätten, könnten sie mich ja noch mal anrufen, ich bliebe noch wegen eines anderen Projektes bis Mittwoch in Budapest. Da wurden sie hellhörig und fragten, was das für ein Projekt sei. Ich sagte ihnen im Vertrauen, dass ein großer Automobilhersteller ein neues Werk in Ungarn bauen wolle und darüber würde ich mit deren Vertretern morgen sprechen. Sie wollten natürlich gleich mehr wissen, wer das sei und was da geplant sei. Ich sagte ihnen nicht, dass es sich um Mercedes handele, sondern antwortete: „We have signed a very strict NDA with them so I cannot tell you who it is and what they plan. But it is an important player, this is what I can tell you.” Róbert fragte: “But if you get a contract with this supplier, can you then also work for us?” Ich versicherte ihnen, dass wir mit zwei streng getrennten Teams arbeiten und auch auf beiden Seiten die Geheimhaltung sicherstellen würden. Sie stellten noch mehr Fragen zu ihrem Wettbewerber, aber ich sagte ihnen nichts weiter. Um viertel nach acht wollte ich aber nun wirklich endlich gehen und erfand für die beiden die Ausrede, dass ich für morgen noch einiges vorbereiten müsse. Ich verabschiedete mich und bot ihnen noch mal an, sie könnten mich gern anrufen, wenn sie noch weitere Hilfe benötigten. Aus dem Taxi schickte ich schnell eine Nachricht an Leni. Als ich ins Hotel kam, hatte ich einen Entschluss gefasst und ich fragte Leni zuerst, wie denn ihr Tag gewesen sei. Sie sprudelte heraus mit all ihren Sehenswürdigkeiten und dem kleinen Unfall, den sie beobachtet hatte. Dann fragte sie nach meinem Tag und ich erklärte ihr, dass ich ganz kaputt sei von den langwierigen Gesprächen. „Hast du überhaupt schon was gegessen?“ „Nein, aber jetzt ist es schon fast halb zehn und das ist mir zu spät, noch essen zu gehen.“ Also tranken wir noch ein Glas Wein aus der Minibar, Leni aß ein paar Nüsse und dann gingen wir schlafen. Sie wollte noch gern ein bisschen kuscheln, aber ich wies sie ab. „Liebste, entschuldige bitte, aber ich bin wirklich zu müde. Gute Nacht.“ „Gute Nacht, Liebster. Sagst du mir morgen, was los ist?“ „Ja, das mach ich, aber jetzt schlaf und träum was Schönes. Ich liebe dich.“ „Und ich liebe dich, gute Nacht. Kann ich in deinem Arm einschlafen?“ „Ja sicher, komm her.“ So lag sie kurz danach in meinem Arm und schlief auch schnell ein. Ich dagegen grübelte noch die halbe Nacht, ob mein Entschluss, den ich am frühen Abend gefasst hatte, denn auch richtig sei. Immer wieder schwankte ich hin und her, meine Liebe hielt ich im Arm und meine Frau lag verletzt zu Hause. Was sollte ich bloß tun. Als Leni am nächsten Morgen aufwachte, sagte ich zu ihr: „Liebste, ich muss dir was sagen. Ich kann so nicht weitermachen.“ Leni: „Was meinst du?“ Ich: „Ich meine dieses Doppelleben, das ich seit einigen Monaten führe. Das bringt mich um.“ Leni: „Aber wir haben doch eine sehr schöne Zeit miteinander und ich verlange doch gar nicht, dass du deine Frau verlässt.“ Ich: „Ich weiß, du bist sehr rücksichtsvoll und verlangst eigentlich gar nichts von mir.“ Leni: „Was ist es dann?“ Ich: „Ich fühle mich innerlich zerrissen. Ich liebe dich unendlich, aber irgendwie auch meine Frau. Das klingt selbst für mich komisch und ich hätte nie gedacht, dass mir das einmal passieren würde. Aber so ist es.“ Leni: „Ich weiß das und ich kann damit leben. Das hast du von Anfang an gesagt und ich habe es akzeptiert. Was hat sich jetzt geändert?“ Ich: „Ich weiß nicht, wie ich beides unter einen Hut bekommen soll. Wenn ich mit dir zusammen bin, sind wir beide sehr glücklich miteinander. Wenn ich zu Hause bin, denke ich dauernd an dich und ich weiß, ich sollte das nicht tun.“ Leni: „Aber du hast auch gesagt, dass du deiner Frau nicht so nahe bist wie mir. Vielleicht ist es nur Gewohnheit, was euch beide noch verbindet. Willst du deshalb unsere Liebe aufgeben? Eine Liebe wie weder du noch ich sie je erlebt haben?“ Ich: „Du hast recht, eine Liebe wie unsere gibt’s nur ein Mal. Und ich werde krank, wenn ich daran denke, dass ich dich nicht mehr sehen soll. Aber meine innere Stimme, mein Gewissen, sagt, ich darf das nicht tun. Ich habe meiner Frau versprochen, mit ihr zusammen zu bleiben, bis dass der Tod uns scheidet. Und jetzt betrüge ich sie quasi seit einem dreiviertel Jahr. Ich hab keine Ahnung, ob sie was gemerkt hat. Man sagt ja immer, Frauen haben einen sechsten Sinn für so was. Aber ich will nicht, dass sie was merkt. Daher müssen wir beide uns trennen.“ Leni: „Steht dein Entschluss ganz fest?“ Ich: „Ich kann nicht anders. Es tut mir sehr leid und ich werde es bereuen. Ich will dir nicht wehtun und ich möchte am liebsten mit dir auf einer einsamen Insel glücklich sein. Aber da ist dieser Schatten, diese Stimme, die immer sagt: Das darfst du nicht!“ Leni: „Wie stellst du dir das vor?“ Ich: „Ich denke, wir verbringen heute noch hier, fahren morgen wie geplant zu dir und ich fahre am Freitag nach Hause. Dann brechen wir den Kontakt ab und versuchen beide, unsere Leben allein in den Griff zu bekommen. Bis zu meiner Abfahrt am Freitag möchte ich aber, dass wir beide versuchen, unser Glück, unsere Liebe noch zu genießen, damit wir uns in guter Erinnerung behalten.“ Leni: „Du willst ab Samstag jeden Kontakt einstellen?“ Ich: „Ja, alles andere wäre falsch.“ Leni: „Alles aufgeben, was wir schon erlebt und geplant haben?“ Ich: „Ja, mein Entschluss steht fest, so wie jetzt kann ich nicht weiterleben.“ Leni: „Und wie ich weiterlebe ist dir egal?“ Ich: „Nein, es ist, du bist mir nicht egal. Ich liebe dich, aber ich kann nicht bei dir bleiben. Meine früheren Versprechungen hindern mich daran.“ Leni: „Du liebst also deine Frau mehr als mich?“ Ich: „Nein, ich liebe dich. Aber meiner Frau bin ich verpflichtet. Die Liebe zu ihr ist nicht mehr das, was sie einmal war. Das weißt du auch schon, das habe ich dir alles erzählt. Aber ich kann mich nicht von ihr lösen. Nenn es Gewohnheit, nenn es Verantwortung, nenn es, wie du willst, aber ich kann nicht von ihr los.“ Leni: „Glaubst du, dass du mit ihr glücklicher bist?“ Ich: „Nein, Glück, Liebe, Zärtlichkeit und Sinnlichkeit und gleiches Denken und Fühlen in vielen Dingen gibt es nur mit dir. Ich werde es schon auf der Rückfahrt bereuen, aber ich muss es tun.“ Jetzt war es raus und ich konnte nicht mehr zurück. Leni fing an zu weinen und ich weinte gleich mit. Sie schluchzte heftig und ich schluckte auch schwer. Wenn ich daran dachte, dass ich mich am Ende der Woche für immer von ihr verabschieden sollte, blieb mir fast das Herz stehen. Wie sollte ich das aushalten. Und wie sollten wir die restlichen Tage noch miteinander aushalten? Als die Tränen bei uns beiden getrocknet waren, fragte ich sie: „Möchtest du zuerst unter die Dusche?“ Budapest. 45. Ich hab es gespürt. Irgendwas lag in der Luft, seit wir hier angekommen sind. Aber so ist das, wenn man liebt. Man findet für alles Erklärungen, Entschuldigungen, Begründungen. Man will es nicht wahrhaben und schiebt es einfach weg, so lange, bis es einen trifft wie ein Hammerschlag. Und sein letzter Satz erreicht mich gerade noch: „Möchtest du zuerst unter die Dusche?“ Ich nicke nur, lasse den Kopf sinken, schlüpfe aus dem Bett und gehe ins Bad. Dann schließe ich die Tür hinter mir und putze erst einmal die Zähne. Wie in Trance, alles geht ganz automatisch. Seine Worte hallen in mir nach. Ich begreife sie nicht wirklich. „Ich kann so nicht weitermachen“ … „Ich darf das nicht tun“ … „Ich habe meiner Frau versprochen, bei ihr zu bleiben“ … Gestern noch war davon keine Rede. Alles war gut … oder? Ich drehe das Wasser in der Dusche auf und stelle mich in den warmen Regen. „Ab Samstag stellen wir jeden Kontakt ein“ … „Glück, Liebe, Zärtlichkeit und Sinnlichkeit … gibt es nur mit dir“ … Mit den Wassertropfen kommen die Tränen wieder. ‚Ich weiß, dass er bei seiner Frau bleiben muss. Aber was ist passiert, dass wir nicht so weitermachen können wie bisher?‘ Da fällt es mir wieder ein! Ich habe ihn überfordert mit der geplanten Grillparty! Oh Gott, warum hab ich das gemacht?! Ich hätte es wissen müssen, das ist zu früh! Von seiner Seite aus ist ja alles heimlich, nur meine Verwandten und Freunde wissen teilweise Bescheid. ‚Das hätte ich besser überlegen müssen!‘ Oder hat seine Frau etwas gemerkt? Hat sie ihn gestern angerufen und Druck gemacht? Vielleicht erzählt er mir ja noch, was geschehen ist! Ich nehme den intensiven Geruch des Duschgels wahr, ich habe seines benutzt … Ich werde gerade verrückt vor Verzweiflung! Ich kann nichts tun! Kann ihn nur gehen lassen … Wie ich es versprochen habe: „Wenn du spürst, es geht nicht, dann sag es mir. Ich werde es verstehen, auch wenn es schwer sein wird!“ Genau so habe ich es zu ihm gesagt. Mit dem warmen Wasser spüle ich den Schaum ab und die traurigen Gedanken. Ich trockne mich von den Tränen bis zu den Zehen ab und dann steht fest: ‚Wenn ich jetzt da hinausgehe, muss ich mich zusammenreißen. Wir werden unsere letzten gemeinsamen Tage nicht verschwenden!‘ Max wirft mir einen fragenden, fast verzweifelten Blick zu und geht an mir vorbei ins Bad. Ich weiß, was ich als Nächstes sofort zu tun habe. Ich nehme mein Handy aus der Handtasche und schicke eine WhatsApp an alle, die zum Grillen eingeladen sind. Mir ist nur so schnell keine glaubhafte Begründung eingefallen. Bis nächste Woche weiß ich bestimmt, wie ich das erklären werde. Also schreibe ich kurz und bündig: Hallo, meine Lieben! Es tut mir leid, aber wir müssen leider die Grillparty am Donnerstag absagen! Ich sag euch nächste Woche, warum. Zum Schreiben ist das zu viel. Wir werden das nachholen! Schönen Dienstag! Eure Leni. 46. Unter der Dusche fiel mir wieder ein, was ich gerade gemacht hatte. Ich habe das Liebste in meinem Leben tief verletzt. Und das nur, weil ich vor vielen Jahren mal versprochen habe, zu meiner Frau zu halten. Damals hatte ich Nina in Danzig kennengelernt, als ich bei einem dreimonatigem Projekteinsatz dort war. Kristina Markowska war unserem Projekt als Dolmetscherin zugeordnet worden. Eine dunkelhaarige Schönheit, mit der ich nach drei Wochen im Bett gelandet war und das nicht nur einmal. Nach dem Ende meines Projektes flog ich zurück nach Köln, konnte aber den Kontakt zu ihr nicht lösen. Irgendwie hatte sie mich verzaubert. Wir telefonierten häufiger und nach der Wende besuchte sie mich zuhause, als meine damalige Frau gerade bei einer Freundin in Bayern war. Da hab ich Nina versprochen, ich lasse mich scheiden und wir bleiben zusammen, für immer! Sie zog kurz darauf nach Köln um. Da sie auch eine pädagogische Ausbildung hatte, bekam sie eine Stelle als Lehrerin für Englisch, Latein und Russisch an einem Gymnasium in Köln und zwei Jahre später heirateten wir. Dann bekamen wir zwei Töchter und lebten glücklich und zufrieden. Allerdings war es heute nicht mehr so wie vor fast dreißig Jahren. Vieles war mehr zur Gewohnheit geworden. Dennoch hatte ich sie nach Deutschland gelockt mit meinem Versprechen, dass wir zusammenbleiben würden. Aber was war jetzt richtig? Hatte ich erneut ein Recht auf persönliches Glück? Und das wusste ich, das gäbe es nur mit Leni. Sollte ich es doch noch mal versuchen zurückzudrehen? Wir sind uns so nahe und lieben uns so sehr, dass es jetzt schon sehr wehtat, wenn ich daran dachte, dass ich sie ab Samstag nicht mehr sehen, berühren, küssen und ihre Stimme nicht mehr hören sollte. Ich musste das noch mal genau überlegen. Jetzt erst mal weg mit den trüben Gedanken, duschen und dann möglichst normal mit ihr die nächsten Tage zubringen. Die endgültige Entscheidung verschob ich auf Freitag. Beim Herausgehen aus der Dusche rutschte ich fast aus, konnte mich gerade noch am Handtuchhalter festhalten. Vorsicht, Max, ein Unfall musste jetzt nicht auch noch sein. Also langsam zum Waschbecken, Zähne putzen, rasieren und dann mit Schwung aus dem Bad. Ich sah Leni auf dem Bett sitzen und ihre traurigen Augen schauten mich fragend und vorwurfsvoll an. Ich tat, als hätte ich das nicht gesehen und sagte: „Oh, du bist ja schon fast fertig. Da muss ich mich jetzt beeilen und schnell anziehen, damit wir zum Frühstück kommen. Hast du schon Pläne gemacht, was wir heute alles anschauen?“ „Ja, so ein paar Dinge, die ich gesehen habe, haben mir sehr gut gefallen, und die möchte dir auch zeigen. Komm, wir gehen zum Frühstück und ich zeig sie dir im Stadtplan. Dann sagst du mir, was du noch sehen willst, und schon haben wir ein tolles Tagesprogramm.“ Beim Anziehen schaute ich Leni an, da waren sie wieder, die strahlenden Augen, bisschen dunkel umrandet noch, aber so strahlend wie ich sie immer gesehen hatte. Ich muss mich zusammenreißen. Durfte jetzt nicht traurig ausschauen oder dumme Sachen sagen. Wir wollten die letzten Tage (wenn’s denn dabei bleibt) glücklich miteinander verbringen. Nach wenigen Minuten war ich fertig und nahm sie in die Arme. „Komm, Liebste, lass uns frühstücken. Ich möchte so schnell wie möglich die Orte sehen, die dich angesprochen haben.“ Und ich gab ihr einen langen intensiven Kuss. 47. Frühstück ist eine gute Idee. Ich fühle mich so schwach und kraftlos nach diesem aufregenden Morgen. Meine Augen brennen ein wenig und ich mache mir Sorgen, jeder könnte sehen, dass ich geweint habe. Ein Blick in den Spiegel bestätigt mir den Verdacht und ich versuche, mit ein bisschen Makeup entgegenzuwirken. ‚Na ja, etwas besser als vorher‘, denke ich, dann gehen wir Hand in Hand die Treppe hinunter zum Frühstücksraum. Das Büfett ist reichhaltig, aber ich kann mich nicht gleich entscheiden. Eigentlich habe ich Hunger, aber gleichzeitig habe ich das Gefühl, dass ich nicht viel essen kann. Also entschließe ich mich für die einfache Variante, etwas Gebäck mit Butter und Marmelade. Vielleicht nehme ich nachher noch Obst. Max hat sich auch nur eine Kleinigkeit geholt, sichtlich weniger als sonst. Sieht so aus, als hätten wir beide schon einmal mehr Appetit gehabt … „Hast du Lust, in die Große Markthalle zu fahren? Dort könnten wir ein paar Souvenirs mitnehmen“, frage ich Max, „da gibt es viele Gewürze zu kaufen und andere typisch ungarische Spezialitäten.“ Als praktisch denkender Mensch meint er: „Ja, das ist eine gute Idee. Aber vielleicht erst etwas später, damit wir nicht alles den ganzen Tag mit uns herumtragen müssen. Was meinst du?“ „Klar, da hast du recht! Sehen wir doch gleich nach den Öffnungszeiten … Ah, bis 18 Uhr am Dienstag, sagt Google.“ „Na dann haben wir ja Zeit. Wo möchtest du denn noch hin?“ „Also, ich würde gern mit dir zur Fischerbastei fahren. Da ist auch gleich die Matthiaskirche daneben. Und sehenswert ist auch das riesige Parlamentsgebäude. Was ich gestern nicht geschafft habe, aber auch gern noch sehen würde, ist die Festung, die Citadella am Gellèrtberg. Dort ist die Aussicht über die ganze Stadt noch schöner als von der Fischerbastei.“ Max ist einverstanden und bietet gleich an, die Bustickets für uns beide zu buchen. Die Busstation ist auch nicht weit vom Hotel entfernt. Inzwischen sind wir beide satt und trinken noch unseren Kaffee aus. Max holt vom Zimmer seine Spiegelreflexkamera und ich meine kleine digitale und dann kann es losgehen. Es ist ein herrlicher Sonnentag. Das macht es uns ein bisschen leichter, die grauen Wolken auf unserem gemeinsamen Himmel nicht zu sehen. Wenigstens für eine Weile. Und auch die Sehenswürdigkeiten, die wir zusammen besichtigen, bieten so viel Schönes und Interessantes, dass der Tag wie im Flug vergeht. Ich beneide Max wieder einmal für seine schönen Fotos. Er hat immer eine besondere Sicht auf die Dinge und findet ausgefallene Perspektiven. Sein Spiel mit Licht und Schatten fasziniert mich. Ich versuche das auch mit meiner kleinen Touristen-Cam. Ein müder Abklatsch … Wir sind gut in der Zeit. In der Matthiaskirche haben wir uns nicht allzu lange aufgehalten, obwohl sie sehr beeindruckend und wunderschön ist. Wir haben es vermieden, uns auf eine Bank zu setzen, wie wir es schon so oft in Kirchen gemacht haben. Draußen im Sonnenschein ist es leichter für uns. Das Parlamentsgebäude haben wir komplett umrundet. Das war ein weiter Marsch, und auch den Gellèrtberg haben wir hinter uns. Jetzt haben wir uns einen Kaffee verdient. Zufällig kommen wir gerade an einem Café vorbei und ruhen uns dort ein wenig aus. „Ich schau mal, wo wir heute Abend essen gehen können“, sagt Max und nimmt sein Handy zur Hand. „Hm, wir könnten ins Babel Restaurant gehen. Das hat ausgezeichnete Bewertungen im Netz. Oder wir gehen gleich nach dem Besuch der Markthalle dort in der Umgebung essen. Schau mal, da gibt es mehrere Lokale“, erklärt er mir und zeigt mir auf der Karte jedes einzelne. „Die Markthalle schließt um 18 Uhr“, sage ich, „wir sind weit gelaufen. Meine Füße und ich könnten vor dem Essen eine Dusche gebrauchen. Das spüre ich jetzt schon. Was hältst du davon?“ „Wenn du das gern möchtest, dann machen wir das“, stimmt Max zu, dann bezahlt er und wir brechen auf in Richtung Markthalle. Es bleibt uns immer noch knapp eine Stunde für den Souvenireinkauf und für ein paar Fotos. Mit Paprika, Safran und Co. in den Taschen machen wir uns ziemlich müde auf den Weg zurück zum Hotel. Im Bus lehne ich mich an Max’ Schulter und mache ein bisschen die Augen zu. Es war nach dem Frühstück doch ein wunderbarer Tag geworden. Ich wüsste schon, wie ich mir den Tagesausklang vorstelle … Im Hotel gehen wir schweigend aufs Zimmer. Ich bin irgendwie unsicher, wie ich mich jetzt verhalten soll. Ich könnte mich jetzt einfach ausziehen und ihn so lange küssen, bis er ganz automatisch mit mir in die Dusche kommt. Oder ich könnte … ‚Nein! Was für ein Unsinn! Der Mann hat vor ein paar Stunden mit dir Schluss gemacht! Also vergiss es einfach, geh duschen und zieh dich wieder an!‘ Genauso mache ich es. Ich gehe wortlos ins Bad, ich vermeide es sogar, Max anzuschauen. Das Babel ist ein recht gemütliches Lokal. Wir sind beide froh, dass wir uns dafür entschieden haben. Es war doch ein langer, ereignisreicher Tag. Das Essen schmeckt ausgezeichnet und der rote Wein beginnt schon seine Wirkung zu entfalten. Und wenn ich Max jetzt so in die Augen sehe, glaube ich darin nur einen Wunsch zu lesen: ‚Lass uns bald zurück ins Hotel kommen!‘ Oder schicke ich ihm gerade diesen Wunsch? Wie auch immer, eine Stunde später finden wir uns in dem großen, weichen Bett wieder. Wir fallen uns in die Arme, halten uns ganz fest. Zärtliches Streicheln und Liebkosen ohne Ende. Nur seine Hände spüren … überall … Seine Haut … seine Lippen … „Bitte hör nicht auf! Lass das nie enden!“ Nach dem zärtlichsten Liebesspiel der Welt kuscheln wir uns ganz nah zusammen, so als wollten wir in einander hineinkriechen. „Du bist meine Liebste“, haucht Max in mein Ohr, und dann fallen uns beiden die Augen zu. Budapest/Wien. 48. Der Tag fing beim Frühstück ein bisschen zäh an, aber nachdem wir unterwegs waren und viele Sehenswürdigkeiten in der Stadt zusammen anschauten, wurde es besser. Fast immer hielten wir uns an der Hand, ab und zu blieben wir stehen, wenn wir etwas genauer anschauten, und dann küssten wir uns. Hatte ich wirklich am frühen Morgen mit Leni Schluss gemacht? Irgendwie kam mir das jetzt unwirklich vor. Auf der Pest-Seite der Stadt an der Donau fotografierte ich ein paar alte rostige Schuhe, die ein Künstler dort hinterlassen hatte. Die Schuhe waren scharf im Vordergrund mit der Donau und der Buda- Seite der Stadt unscharf im Hintergrund. Da ich nicht wusste, was es damit auf sich hatte, schaute ich mal schnell bei Wikipedia nach. Dort fand ich die folgende Erläuterung: Die Schuhpaare stehen am Ostufer, auf der Pester Seite der Donau, am Ende der Széchenyistraße etwa 300 Meter südlich des Parlamentsgebäudes, nahe der Akademie der Wissenschaften direkt am Wasser. Auf einer Länge von 40 Metern wurden sechzig Paar Schuhe aus Metall zum Gedenken an die Erschießungen von 1944 und 1945, als Pfeilkreuzler jüdische Ungarn am Donauufer zusammentrieben und erschossen, am Boden angebracht. Der ungarische Historiker Krisztián Ungváry spricht von 2.600 bis 3.600 Opfern, die auf diese Weise ermordet worden sind. Die Schuhe stehen oder liegen „wie zufällig“ übrig geblieben. Das Holocaustmahnmal wurde 2005 so gestaltet, dass es auf den ersten Blick nicht verrät, welches Geschehen dahintersteckt. Stellvertretend für die Opfer sei der Begründer der modernen ungarischen Pharmaindustrie Gedeon Richter genannt, der am 30. Dezember 1944 dort ermordet wurde. Es ist wirklich ein beeindruckendes Kunstwerk und mich inspirierte es zum Nachdenken über Leni und mich. Ich wollte mich gern in Leni’s Schuhe stellen und ihre Gedanken und Gefühle erleben, die sie jetzt gerade hat. ‚Sind sie auch so verzweifelt und durcheinander wie meine?‘ Ich konnte ein paar Tränen nicht vermeiden und Leni fragte mich: „Was ist los, Liebster?“ Die wahre Antwort traute ich mich nicht zu geben, sondern sagte: „Ich habe versucht, mir vorzustellen, wie es den Menschen ging, die hier ermordet wurden. Das bewegt mich schon sehr. Das ist fast wie der Besuch im Konzentrationslager Buchenwald, wo ich vor ein paar Jahren mal war. Dort wurde mein Großvater von den Nazis erschossen oder vergast. Meine Oma bekam nur eine kurze Nachricht: „Ihr Mann ist am 21. Juni 1943 im Lager Buchenwald verstorben.“ „Das ist ja furchtbar, das hast du mir ja noch gar nicht erzählt.“ „Oh, ich wollte dir nichts verheimlichen, das weißt du. Aber es gab bisher keinen Grund, auf dieses schreckliche Thema der Vergangenheit zu kommen.“ Nach einer Pause in einem Café ging es mir dann schon etwas besser und wir konnten die restliche Zeit in der Stadt wieder zusammen genießen. Das Abendessen im Babel war wirklich super. Es war lange her, dass ich so gut gegessen hatte. Die Bewertungen bei Facebook und Tripadvisor waren tatsächlich richtig. Nachdem ich bezahlt hatte und während ich den letzten Schluck Wein nahm, dachte ich drüber nach, wie das gleich in unserem Hotelzimmer wohl sein würde. ‚Können wir zusammen in einem Bett schlafen oder muss ich im Sessel übernachten?‘ Auf dem Nachhauseweg Hand in Hand mit Leni bewegte mich das Thema immer noch. Dann waren wir im Zimmer und küssten uns lange. Vorsichtig fing ich an, Leni auszuziehen und kurz darauf lagen wir wirklich im Bett, so als ob alles heute Morgen Gesagte nicht passiert wäre. Wir küssten und streichelten uns und schliefen mehrmals miteinander und es war wunderschön. Weit nach Mitternacht schlief Leni in meinem Arm ein und ich träumte mich in den morgigen Tag, an dem ich zum ersten Mal mit ihr nach Hause fahren würde. Nach einer ausgiebigen weiteren Kuschelrunde hatten wir am nächsten Morgen schnell unsere Koffer gepackt und gingen zu einem letzten Frühstück. Heute konnten wir das wieder mehr genießen. Gerne hätte ich gewusst, wie Leni unsere Situation empfand, aber wir beide vermieden es tunlichst, darüber zu sprechen. Wir bestellten uns für 9:30 Uhr ein Taxi zum Bahnhof Keleti, wo der Zug nach Wien um 10:10 Uhr abfuhr. Im Zug hielten wir fast die ganze Zeit bis Wien Hauptbahnhof unsere Hand und sprachen wenig. Wir schauten auf meiner Kamera die Fotos an, die ich gemacht hatte und Leni zeigte mir die Schnappschüsse, die sie am Tag vorher in Budapest geschossen hatte. Kurz nach halb zwei kamen wir in Wien Hauptbahnhof an und gingen zum Regionalzug nach Mistelbach. Wir brauchten noch etwa 40 Minuten bis dahin, Leni hatte ihr Auto beim Bahnhof geparkt und knapp 20 Minuten später waren wir bei ihr zu Hause. Leni führte mich durch ihr kleines, aber sehr gemütliches Häuschen und wir gingen auch in den Garten: „Der Pool hat noch 18 Grad Wassertemperatur, möchtest du ihn testen?“, fragte sie mich. „Ach lass mal, erstens hab ich keine Badehose dabei und zweitens ist mir das schon zu frisch. Oder hast du große Lust, hineinzuspringen? Dann mach ich mit.“ „Nein, ich hätt jetzt eher Lust auf einen schönen Kaffee.“ „Da bin ich immer dabei, denn Kaffee ist ja für mich wie Benzin fürs Auto. Also ohne geht gar nix.“ Grinsend schaltete Leni ihre Maschine an und kurz darauf saßen wir mit einem sehr gut duftenden Kaffee und ein paar Keksen in ihrer Gartenlaube. „Wann kommen denn die Gäste zum Grillen morgen?“ fragte ich sie. „Das Grillen hab ich abgesagt, weil ich den Eindruck hatte, dass du das doch nicht so gern möchtest und weil ich auch lieber die letzten Stunden mit dir allein verbringen möchte.“ „Das war bestimmt eine gute Entscheidung. Wir hätten vor deiner Familie und deinen Freunden sicher kein harmonisches Bild abgegeben. Und was machen wir dann morgen stattdessen?“ „Wir könnten in den ersten Bezirk fahren und den Stephansdom und andere Gebäude in der Stadt anschauen und dort vielleicht auch was essen.“ „Das ist eine Superidee, da war ich zwar schon früher mal. Aber erstens habe ich kaum eine Erinnerung daran und schon gar keine Bilder. Also machen wir das. Und was machen wir heute noch?“ „Na ja, da wird sich doch noch was finden, denke ich.“ „Meinst du in deinem Kühlschrank, oder was?“ „Eher in meinem Schlafzimmer.“ „Das ist noch eine bessere Idee, als den Stephansdom zu besichtigen. Der steht morgen auch noch.“ Wien. 49. Zum ersten Mal ist Max bei mir. Zum ersten und gleichzeitig zum letzten Mal? Der Gedanke trübt ein bisschen meine Freude über seinen Besuch. Während ich ihm meine bescheidene Hütte zeige, denke ich: ‚Hoffentlich ist er nicht enttäuscht über mein Zuhause!‘ Es ist noch nicht fertig renoviert. Die dauernd bewohnten Räume sind zwar recht nett geworden, aber im Vorzimmer muss noch viel gemacht werden, ebenso wie in dem Raum, der früher meiner Tochter gehört hat. Wände, Decken, ja sogar elektrische Leitungen gehören teilweise noch ausgetauscht. Dringend erneuert gehört die komplette Küche. Also es ist wirklich noch viel zu tun hier. Max meint aber, dass es sehr gemütlich wirkt, und es klingt ehrlich. Als ich ihm den schönen, großen Garten zeige, ist er begeistert. Es blühen noch immer viele Blumen. Und die kuschelige Laube wirkt sehr einladend. Auf ein gemeinsames Bad müssen wir leider verzichten. Beinahe hätte ich gesagt, das müssen wir leider verschieben. Aber auf wann …? Aber Kaffeetrinken in der Laube ist in Ordnung, dafür ist es noch lange warm genug. Jetzt erst möchte Max wissen, wie es denn mit der Grillparty aussehen würde. Er wirkt einerseits überrascht, als ich ihm sage, dass ich alles abgesagt habe, andererseits sehe ich auch eine gewisse Erleichterung in seinem Gesicht. Es ist schon gut so, das wäre wirklich zu früh gewesen, wie wir ja jetzt wissen. „Ich habe aber allen geschrieben, dass ich erst später alles erklären werde“, gestehe ich Max, und wenn man von der Sonne spricht …, klingelt mein Handy und Helga ist dran. „Hallo, du Ausreißerin“, sagt sie, „seid ihr schon zurück? Und was ist passiert, dass die Grillerei ins Wasser fällt? Wir haben uns schon so gefreut!“ „Hallo. Schwesterherz“, antworte ich, „ja, wir sind schon da! Das ist eine lange Geschichte, die erzähl ich dir, wenn wir uns wiedersehen. Nur so viel erst mal, wir haben gemerkt, dass es zu früh ist für eine große Kennenlern-Aktion und haben nach langem Überlegen beschlossen, noch damit zu warten. Ich weiß, das war ein bisschen kurzfristig und plötzlich, ging aber nicht anders.“ „Ja schade! Ich hoffe, ihr holt das bald einmal nach! Wir sind doch alle schon neugierig auf deinen Max“, gibt sie zu. ‚Deinen Max‘ hat sie gesagt … Ich bringe es nicht übers Herz, ihr zu erzählen, was passiert ist. Erstens sitzt Max neben mir und zweitens würde ich dann gleich wieder losheulen. „Treffen wir uns nächsten Sonntag“, vertröste ich sie, „dann erzähl ich dir alles.“ Wie ich Helga kenne, ahnt sie schon, worum es geht. Sie weiß es immer. Sie kennt ihre Schwester sehr gut. Der Nachmittag wechselt gerade so in den frühen Abend, daher beschließen wir, heute nicht mehr wegzufahren und den Abend ausgiebig zu genießen. Dabei vergeht die Zeit so schnell, dass es wehtut. Ich zeige Max die Fotos von meinem Haus, von der Zeit, als wir es gekauft haben bis heute. „Da ist ja inzwischen viel geschehen“, meint er. „Ja schon, aber leider zu wenig. Ist sich nicht ganz ausgegangen für meine beiden Männer“, sage ich traurig „Jetzt dauert halt alles seine Zeit. Wenn man allein ist und Vollzeit arbeitet, ist das etwas schwierig.“ Das versteht Max und sieht sich auch die Bilder an, die ich vom Garten und den unzähligen Blumen gesammelt habe. „Gar nicht ungeschickt! Hast sie schön in Szene gesetzt“, lobt er mich und ich denke schon wieder einmal an eine teure Kamera. Den restlichen Abend vergessen wir alles rundherum. Es zählen keine Fotos, keine Renovierungsgedanken und auch keine Überlegungen für irgendwelche Erklärungen, die jemand von uns will. Nicht einmal essen wollten wir. Es zählen nur wir zwei. Und wir gehören uns wieder ganz und gar und mit Leib und Seele. Wieder war es nach Mitternacht, als wir endlich müde genug waren, einzuschlafen. Am Donnerstagmorgen frühstücken wir ausgiebig und stärken uns mit Kaffee für einen schönen Ausflug in die Wiener Innenstadt. Das soll ein toller Tag für Max werden. Gut, dass ich mich da ein bisschen auskenne. Ich glaube, dass ich ihm einiges zeigen kann. Von hier brauchen wir etwa eine Stunde bis in die City, etwas mehr als eine halbe mit dem Auto zur U-Bahn und dann mit der U1 direkt zum Stephansdom. Dort beginnen wir unsere Tour. Im Dom sind wie meistens viele Leute. Trotzdem gehen wir hinein und diesmal setzen wir uns auch wieder eine Weile hin und lassen die Größe und die Anmut des Gebäudes auf uns wirken … Und was gäbe ich jetzt dafür, Max’ Gedanken lesen zu können … Erahnen kann ich sie ja. Max macht noch ein paar Fotos im Dom und dann geht’s weiter die Kärntnerstraße hinauf bis zur Oper und zur Albertina, dann weiter am Ring bis zum Parlament. Im Volksgarten, wo die Rosen noch schön blühen, drängt es sich förmlich auf, ein Selfie von uns beiden zu machen. Die Bänke dort laden noch zu einer kurzen Pause ein. Von da ist es nicht weit bis zum Rathaus und zum Burgtheater. Ein Fotomotiv nach dem anderen! Danach verlassen wir noch einmal den Ring Richtung Zentrum und suchen erst einmal ein nettes Lokal zum Mittagessen. Im „Restaurant zum Schwarzen Kameel“ in der Bognergasse werden wir fündig. Wir genießen einen herzhaften Wiener Schweinsbraten mit Knödeln und Sauerkraut und marschieren dann weiter, am Michaelerplatz vorbei zur Hauptfeuerwache am Hof. Die meiste Zeit gehen wir Hand in Hand, außer wenn Max fotografiert. Auf der Freyung zeige ich Max das Gebäude, in dem meine Tochter arbeitet. Zum Schluss wollen wir noch ein bisschen am Donaukanal entlangspazieren. Langsam melden uns unsere Füße, dass wir schon sehr lang unterwegs sind, und wir beschließen, am Schwedenplatz wieder in die U1 einzusteigen und zurück über die Donau zu fahren. Zu Hause angekommen, teilen wir uns noch ein erfrischendes Bier, setzen uns in den Garten und kuscheln uns auf der bequemen Bank zusammen. Nach dem zweiten Bier schaut Max mich ganz zärtlich an und lädt mich ein, mit ihm und einer Flasche Prosecco ins Schlafzimmer zu übersiedeln. Dort hätte er etwas Besonderes mit mir vor. Ob ich denn Vertrauen zu ihm hätte, will er wissen, und ob ich mich ganz in seine Hände geben möchte. Berührt antworte ich: „Liebster, ich habe noch nie zu jemandem so viel Vertrauen gehabt wie zu dir. Und ich habe noch nie so wie hier und heute das Gefühl gehabt, das sagen zu können, was ich jetzt zu dir sage!“ Ich nehme seine Hände in meine, schaue ihm tief in die Augen und flüstere: „Liebster, wir sind eins und wissen genau, was uns guttut und wo unsere Grenzen sind. Darum sage ich, mach mit mir, was du willst!“ 50. Das war ein sehr schöner Tag in der Innenstadt von Wien. Leni zeigte mir außer dem Stephansdom noch ein paar Dinge, die ich noch nicht kannte, und ich konnte auch wieder viele Fotos machen. Als wir nach Hause kamen, fragte ich Leni: „Hast du vielleicht noch was zu trinken?“ „Ja, ich hab eine Flasche Prosecco im Kühlschrank und auch ein paar Dosen Bier. Was magst du denn?“ „Wenn ich ehrlich bin, zuerst ein Bier, weil ich großen Durst hab. Den Prosecco würd ich gern später mit dir trinken.“ „Wie der Herr es wünscht, so wird’s gemacht.“ „Ja aber nur, wenn du das auch willst.“ „Du kannst mir einen Schluck Bier abgeben und den Prosecco später find ich auch gut.“ Nach zwei Dosen Bier und ein paar Nüssen war ich dann weder durstig noch hungrig. D. h. ich war hungrig auf Leni. Ich fragte sie vorsichtig, wann denn der Zugang zu ihrem Schlafzimmer frei wäre. „Wieso, bist du müde?“ „Nicht wirklich, aber ich möchte gern den Prosecco und dich dort mit hinnehmen.“ „Na, dann mach das doch ...“ Ein paar Minuten später, nachdem wir uns gegenseitig ausgezogen hatten und ich am Bett die Flasche geöffnet hatte, stießen wir mit dem kleinen grünen Italiener an. „Prost, Liebster“, sagte Leni. „Prost Liebste, ich liebe dich.“ „Und ich liebe dich, aber das weißt du schon.“ Ich küsste Leni ganz vorsichtig, dann etwas stürmischer und es dauerte nicht lange, da waren wir miteinander vereinigt. Die Verbindung hätte kaum enger sein können. Als wir wieder Luft holen konnten, sagte ich zu ihr: „Kannst du dir vorstellen, von mir ans Bett gefesselt zu werden?“ „Warum, was hast du vor?“ Nun, ich dachte gerade, wir könnten uns entweder wirklich oder zunächst nur in unserer Vorstellung an dein Bettgestell fesseln. Dann ist man dem anderen total ausgeliefert. Hast du so viel Vertrauen zu mir, dass du das mitmachst?“ „Was willst du dann mit mir anstellen?“ „Das siehst du dann schon.“ „O. k., was soll ich machen?“ „Fürs Erste reicht’s, wenn du dich auf den Rücken legst, deine Hände an das Bettgestell oben klammerst und dir selbst vorstellst, du seist dort angebunden. Das heißt, egal, was ich mache, du kannst nichts dagegen tun. Deine Hände sind dort fest.“ Leni überlegte einen kurzen Augenblick und hielt sich dann mit den Händen ganz fest am metallenen Gestell ihres Bettes. Ich fing an, sie überall zu streicheln und vor allem, wenn ich an die Achseln kam, war mir schnell klar, dass dies eine sehr empfindliche Gegend ist, wo nicht so ganz klar ist, ist das jetzt erotisch oder kitzelt das nur. Dann nahm ich ein wenig Prosecco und schütte ihn in ihren Nabel, um ihn kurz darauf daraus zu schlecken. Ein bisschen vom Getränk lief aus dem Nabel heraus zur Seite, den saugte ich auch gleich weg. Aber es gab auch ein kleines Rinnsal nach unten, das ich wegtrinken wollte und dabei dort etwas länger verweilte als nötig. Da es uns beiden gefiel, schenkte ich uns noch etwas nach und kurz darauf hörte ich Leni laut aufstöhnen. Ich machte noch ein wenig weiter und ihr Stöhnen wurde heftiger. Ihre Hände waren richtig am Bett verkrampft und sie hatte die Augen geschlossen. Da sah ich, dass ihr zwei kleine Tränen herunterliefen. Schnell küsste ich sie weg und dann küsste ich sie heftig auf den Mund. Sie schaute mich aus großen Augen an und sagte: „Hör nicht auf, bitte.“ Sie hielt es nicht mehr aus, am Bett gefesselt zu sein, und umfasste meinen Kopf, zog mich zu sich hoch und wir küssten uns lange. „Du bist verrückt“, sagte sie zu mir und du machst mich verrückt. Weißt du das?“ „Ja, ich weiß beides. Und jetzt will ich mit dir tauschen. Jetzt darfst du mich verrückt machen.“ Und das tat sie auch. Sekt in meinen Nabel, Wegschlecken und Streicheln und meine Hände am Bettgestell wurden ganz weiß, so sehr hielt ich mich fest. Nach einiger Zeit, als wir eng umschlungen beieinander lagen, fragte Leni: „Hattest du Angst, als du quasi angebunden warst?“ „Nein, gar nicht. Ich würde mich auch wirklich von dir anbinden lassen.“ „Und wenn ich dich dann gar nicht mehr losmache?“ „Nun dann hast du irgendwann einen toten Mann hier liegen, das wirst du nicht wollen. Also wirst du mich schon wieder losbinden.“ „Ja da hast du wohl recht. Ich dachte auch eher daran, dich so lange hier liegen zu lassen, dass du morgen deinen Zug verpasst.“ „Ja, dann ist das eben so. Auch dafür gibt es eine Lösung.“ „O. k., ich hole zwei Tücher und binde dich an.“ Gesagt getan, ein paar Minuten später hatte sie mich wirklich festgezurrt. Und dann fing sie wieder an, mich zu küssen und zu streicheln. Sie gab mir auch zwischendurch etwas Prosecco zu trinken, da ich inzwischen wieder durstig war. Als ich zum Höhepunkt kam, sagte ich zu ihr: „Bitte hör nicht auf, mach unendlich so weiter.“ Eine Stunde später wachte ich auf und sie band mich los. Der Prosecco war alle und wir konnten kaum noch Piep sagen. Also schliefen wir Arm in Arm ein und ich träumte davon, mit Handschellen wirklich an ihrem Bett gefesselt zu sein. Wordox. 51. Nach vielen Wochen Wordox-Spielen im Winter letzten Jahres wurden die Dialoge in Wordox und auch in ginlo etwas deutlicher

Die erste Idee zu einem möglichen Treffen formulierte Max so: Liebste Leni, hast du gesehen, dass schon wieder das Wort Sex im Spiel vorkam? Ich schreib dir mal in ginlo. Ich bin der Meinung, dass das Wort Sex schon mehrfach vorkam, ist ein Zeichen. Ihre Antwort dauerte etwas:

Max musste sehr vorsichtig sein, denn er war gerade mit Nina in Urlaub. Da war das nicht immer so einfach, sich zum Schreiben wegzuschleichen, und schon gar nicht konnte er so mir nichts dir nichts ein Hotel und einen Zug buchen. Das musste vorbereitet werden. Er sprach also Nina auf den Geburtstag von Alexander an: „Wenn wir zurück sind, würde ich gern für ein Wochenende nach Würzburg fahren, um Alexanders Geburtstag nachzufeiern. Wär das in Ordnung für dich?“ „Wann soll das sein?“ Nun, ich dachte an das letzte Wochenende im Januar, also vom 29. Januar bis 1. Februar.“ „Da muss ich mir dann noch was überlegen, was ich dann mache. Vielleicht fahre ich zu den Mädchen. Die habe ich eh seit Weihnachten nicht gesehen.“ „Schön, dann schlage ich das Alexander und Biggi jetzt mal vor.“ Max schrieb also zuerst an seinen Sohn und dann an seine Ex-Frau, was sie von der Idee hielten, am letzten Wochenende den Geburtstag nachzufeiern. Die Antworten am nächsten Tag waren positiv und so konnte Max die Planung in Angriff nehmen. Er schrieb an Leni:

Teil 2. DREIUNDZWANZIG IST NICHT GENUG. Worte sind die Brücke zum Herzen und der Schlüssel zur Seele. Verfasser unbekannt. Wien. 1 „Nur ein Spielchen“, schreibe ich im Wordox-Chat an Max. Einen ganzen Monat haben wir uns gar nicht gehört und auch standhaft nicht geschrieben, ja nicht einmal Wordox gespielt. Jetzt sitze ich hier, vier Tage vor dem Jahreswechsel. Allein in meinem Wohnzimmer, betrachte ich in Gedanken versunken meinen kleinen, beleuchteten Weihnachtsbaum und nehme mein Handy vom Tisch. ‚Soll ich, oder soll ich nicht? Eigentlich hat es keinen Sinn. Vorbei ist vorbei. Er wollte es doch so.‘ Vor ziemlich genau vier Monaten hat Max mit mir Schluss gemacht. Er hat sich nach einem langen inneren Kampf für seine Frau entschieden, obwohl die Liebe eigentlich hätte siegen müssen. Hat sie aber nicht. Die Vernunft und der Verantwortungssinn haben gewonnen. Und ich habe es traurig hingenommen. Zuerst haben wir es beide nicht geschafft, den Kontakt ganz einzustellen. Wir haben uns drei Monate lang trotzdem fast täglich geschrieben, wir haben mehr denn je voneinander geträumt, aber immerhin haben wir in dieser Zeit nur zweimal telefoniert. Ende November dann der endgültige Bruch:

Von da an war wirklich totale Funkstille. Aber gestern habe ich es nicht ausgehalten. Ich musste Max unbedingt mitteilen, dass meine Tochter ihr Baby sieben Wochen zu früh zur Welt gebracht hat. Immerhin hat er von Anfang an mitgehofft, dass alles gut gehen möge. Und er hat zurückgeschrieben, dass er sich sehr über die Nachricht freut. Und das war’s … wieder Funkstille … Und jetzt? Das Jahr geht zu Ende, das Weihnachtsfest war zwar ein besonderes, weil es die ersten Weihnachten mit meinem Enkelkind waren, aber es war auch sehr traurig und einsam. Kein Wort von Max. Keine Ahnung, wo er war. Keine Ahnung, ob er auch an mich denkt. Manchmal habe ich mir eingebildet, zu spüren, dass er bei mir ist. Ich halte immer noch das Handy fest und überlege, ob ich Max zu einem Spiel einladen soll. ‚Er muss ja nicht antworten … Er kann auch gleich ablehnen … Aber er könnte sich auch drüber freuen. Und was ist schon dabei?‘ Also los: Ich beginne ein neues Spiel und tippe sofort die drei Worte in den Chat „Nur ein Spielchen …?“ Und ich warte sehnsüchtig und gespannt auf seine Antwort. Köln. 2 „Nur ein Spielchen“, schrieb mir Leni in einem Wordox- Spiel nach langer Abstinenz. Ich wusste nicht, was ich sagen bzw. antworten sollte. ‚Wollte ich wieder mit ihr spielen? Wollte ich sie wieder treffen? Ja, ja, ja‘, signalisierte mein Herz, denn die Sehnsucht nach ihr war so stark wie vor vier Monaten, als ich unsere Verbindung gekappt hatte. Mein Verstand hielt dagegen: ‚Aber du hast dich von ihr getrennt, weil du das ständige Lügen und die Parallelbeziehung nicht mehr ausgehalten hast. Wieso willst du dir das jetzt wieder antun?‘ Ich wartete und überlegte also noch einige Zeit, bevor ich ihr im Wordox- Chat zurückschrieb: „oder zwei oder drei.“ Und kurz darauf waren wir wieder im Spiel-Modus und hatten auch den Chat aus Sicherheitsgründen wieder nach ginlo verlagert

So fing das also wieder an, was wir vor vier Wochen beendet hatten. Eine Affäre, die ich als die größte Liebe meines Lebens bezeichnet und die ich beendet hatte, weil mich das Doppelleben mit meiner Frau Nina und mit Leni verrückt machte. Aber ihre Zeilen wieder zu lesen, ihre Augen per Skype wieder zu sehen, das brachte mich schnell wieder auf den gleichen Level zurück, den ich Monate vorher empfunden hatte. Diese Frau musste ich lieben und wieder in meinem Arm halten. Wie konnte ich so blöd sein, die Verbindung zu lösen, wo doch meine Ehe sowieso nur noch auf dem Papier bestand. Da gab es nur noch wenige verbindende Elemente, Sex fand quasi nicht mehr statt und aus der Liebe war Gewohnheit und Verantwortlichkeit geworden. Es dauerte also nicht lange, da überlegten Leni und ich auch schon, wann und wo wir uns wieder treffen könnten. Ich überraschte sie mit der Tatsache, dass ich inzwischen meinen vorgezogenen Ruhestand eingereicht hätte und dass ich zum Ende des ersten Quartals im neuen Jahr aufhören konnte. Ich wollte dann mein eigenes Unternehmen gründen und nur noch Projekte machen, die mir Spaß machten. Kein Druck der Geschäftsführung mehr wie früher: „This is a must win.“ Aber noch war ich ja angestellter Berater und hatte die laufenden Projekte zu betreuen, sodass wir nach Möglichkeiten suchen konnten, wo die nächste Gelegenheit bestand, uns wiederzusehen. Wegen unserer weit auseinander liegenden Wohnorte in Wien und Köln würde es sicher wieder irgendwo dazwischen liegen. „Schaumer amal“, sagte Leni am Telefon. Wordox. 3. Das erste Wordox-Spiel von Leni und Max nach dem Wiederbeginn war gleich wieder spannend für die beiden. Diesmal gewann Leni, auch wenn das am Anfang gar nicht so ausgesehen hatte

Die Dialoge im Wordox-Chat beschränkten sich auf kurze Botschaften wie: „Du hast wieder verdammt viel Glück“ oder „Lass mich doch auch mal gewinnen“, denn ihre Kommunikation fand ja inzwischen auf ginlo statt. Sie spielten meist mehr als ein Spiel parallel, weil auch diese Herausforderung ihnen beiden sehr gut gefiel. Sie hatten inzwischen mal nachgezählt, in ihrem ersten Jahr hatten sie sich genau an 23 Tagen getroffen und fieberten jetzt ihrem ersten Treffen nach vier Monaten entgegen. Leni hoffte, es könnte vielleicht sogar auf den Jahrestag ihres Kennenlernens in Linz fallen, was dann tatsächlich eintraf, wenn auch an einem anderen Ort. Wien. 4. Wie schnell man sich doch erneut an manches gewöhnt! Jeden Morgen schicken wir uns wieder Küsse und Umarmungen für den Tag und abends ist es uns wichtig, Gutenachtküsse auszutauschen. Wir haben das Gefühl, uns nah zu sein, auch wenn es in Wirklichkeit nicht sein kann. Genauso, als wäre nichts geschehen. Vielleicht sind wir uns nur noch ein bisschen nähergekommen. Max hat mir bald nach meiner neuen Spielanfrage gestanden, dass er auch immer wieder an unsere Zeit gedacht hat und dass er sehr froh über meine Initiative war, obwohl es gleichzeitig wieder eine Belastung für ihn bedeutet. Schließlich sei seine Situation zu Hause immer noch die alte. Er selbst hätte sich nicht getraut, wieder anzufangen, und auch gefürchtet, dass ich ablehnen könnte und ihn hassen für seinen „Richtungswechsel“. ‚Ihn hassen …‘, als ob das je möglich wäre! Wie sehr ihn die ganze Sache bewegt, zeigt er mir, als er mir einen Spruch schickt, den er irgendwo gefunden hat und der den Nagel ziemlich auf den Kopf trifft:

Diese Zeilen beschäftigen mich eine Weile. Es ist doch viel Wahres daran. Wenn du beginnst, dein Herz zu verschenken, nimmst du vieles hin, was für dich vorher nie infrage gekommen wäre. Ich sage Ja, obwohl Max nicht frei ist für mich. Ich sage im Geiste schon lange Ja, obwohl sich das wahrscheinlich nie ändern wird. Er wird Nina nicht verlassen, das war von Anfang an klar. Und ich sage Ja, obwohl es für uns wahrscheinlich nie einen gemeinsamen Wohnsitz geben wird, auch wenn wir durch ein Wunder doch zusammenkommen sollten. Genauso muss ich immer mit einer weiteren Trennung rechnen, das schlechte Gewissen hat Max schon einmal zu sehr zu schaffen gemacht. Und auch diese Ungewissheit nehmen wir in Kauf, weil wir beide bereits Ja gesagt haben! Den Jahreswechsel verbringe ich diesmal bei meiner Freundin Herta, die ich schon sehr lange nicht mehr gesehen habe. Telefoniert haben wir gelegentlich. Und weil Herta schon früher, als wir noch zusammengearbeitet haben, alles gewusst hat, was in meinem Leben gerade passiert, erzähle ich ihr von Max und unserer unglaublich bewegenden Geschichte. Ich hoffe sehr auf aufmunternde und bestätigende Worte, und die hat Herta auch für mich. „Du hast schon so viel erlebt und durchgemacht! Leni, auch wenn die Aussichten noch sehr unsicher sind, genieße das, was ihr miteinander erlebt! Du lebst nur einmal!“, sagt sie.„Das möchte ich gerne“, antworte ich, „aber ich will doch keine Ehe zerstören. Irgendwie läuft es aber doch darauf hinaus, oder?“ „Ach, Leni“, meint Herta darauf, „da ist sie wieder, die brave, rücksichtsvolle Frau Lehrerin, die immer gutes Beispiel sein möchte! Hast du schon einmal daran gedacht, dass sich niemand auf so eine Geschichte einlässt, wenn in seiner Beziehung alles in Ordnung ist?“ Da ist natürlich etwas dran … Bald ist es Mitternacht und meine erste Nachricht geht natürlich an meinen Liebsten, und seine kommt postwendend zurück. Ich freue mich wahnsinnig darüber, weiß ich doch, wie schwierig – ja, wie verrückt – es ist, pünktlich um Mitternacht eine Nachricht an die Geliebte zu schicken, wenn man Silvester mit seiner Frau verbringt! Mein erster Traum in diesem neuen Jahr führt mich nach Köln, in den Dom, wo ich noch nie im Leben war. Wir sitzen ganz vorne, mit Blick auf den Altar und es spielt laute, aber wunderschöne Orgelmusik. Andächtig lauschen wir Hand in Hand dem großartigen Klang. Und mit den immer leiser werdenden Tönen im Ohr wache ich schließlich auf. ‚Was für ein Traum!‘ Sofort fällt mir der alte Aberglaube ein: Was man träumt, wenn man an einem Ort zum ersten Mal schläft, geht in Erfüllung! Am nächsten Tag fahre ich heim und in den ersten Wochen des Jahres genießen Max und ich unsere Wordox-Spiele, unsere Korrespondenz in ginlo und wir haben dabei nur eins im Sinn: Wann und wo werden wir uns wiedersehen? Köln. 5. „Was ist das denn für ein Projekt?“, fragte ich meinen Kollegen Karl-Heinz am 2. Januar in der Kantine mittags. „VW in Dresden will die Produktion des PHAETON einstellen und stattdessen künftig dort E- Modelle produzieren. Das bedarf auch einer kompletten Umstellung der IT und wir könnten vielleicht dabei mithelfen. Unser Chef ist schon ganz heiß auf das Projekt. Kurz vor Weihnachten hat er mir gesteckt, dass wir das Projekt unbedingt gewinnen müssen. Du weißt schon: ‚This is a must win‘, wie er immer so schön sagt.“ Ich erinnerte mich, dass er Ähnliches zu mir gesagt hatte. Das war ja der Grund, warum ich Karl-Heinz darauf ansprach. Denn unser CEO, Klaus Herrmann, hatte zu mir bei unserer Weihnachtsfeier am 20. Dezember gesagt: „Mayer, bei dem Prospekt von VW in Dresden können Sie noch mal zeigen, was Sie draufhaben, bevor Sie sich in den Ruhestand verabschieden. Ich verstehe sowieso nicht, warum Sie schon gehen wollen, Sie sind doch erst 63, oder?“ „Weil ich endlich mal das machen möchte, was ich will, und nicht das, was Sie wollen.“ „Was meinen Sie damit?“ „Ich bin dabei, meine eigene Beratungsfirma zu gründen, und ab 1. April werde ich nur noch Projekte machen, die mir Spaß machen.“ „Na, dann wünsche ich ihnen viel Glück. Sie werden sicher noch oft an uns zurückdenken, wenn sie dann keine Aufträge haben.“ „Hast du denn schon einen Plan?“, fragte ich Karl-Heinz. „Wir haben im Dezember schon mal eine erste Projektidee an VW in Wolfsburg geschickt und einige unserer Referenzen angehängt. Wenn sie bis nächste Woche nicht antworten, hake ich mal nach. Hast du Lust, mit daran zu arbeiten?“ „Nach der Ansage von Klausi muss ich das wohl. Also halt mich auf dem Laufenden.“ „Wird gemacht, Alter.“ Drei Tage später rief Karl-Heinz mich an und sagte, dass VW uns eingeladen hatte, am 30. Januar zu präsentieren. Also begannen wir gleich unsere Power Points vorzubereiten und ich schrieb an Leni: Liebste, Warst du schon mal in Dresden? Möchtest du es kennenlernen? Ich muss am 30. Januar dorthin. Werde wohl am Sonntag schon anreisen und bis Dienstag bleiben. Klingt das für dich nach einer Möglichkeit zum Feiern des Jahrestages unseres Kennenlernens in Linz? Scheinbar konnte sie in der Schule nicht gleich antworten und es dauerte einige Stunden, in denen ich immer wieder nachschaute, ob sie geschrieben hatte. Dann endlich ihre Reaktion:

Dresden. 6

Ich entscheide mich nach unserer lustigen Unterhaltung doch für die vernünftigere Lösung, den Zug. Ich würde dann kurz nach ihm, um 14:43 Uhr da sein. Das passt doch perfekt. Wo ich mit Max überall hinkomme! Dresden habe ich noch nie gesehen, das wird bestimmt interessant. Und der Gedanke an unseren Jahrestag! Er lässt mich wieder träumen und hoffen. Es ist ein Jahr her, dass wir uns auf ein Treffen eingelassen haben, von dem wir beide nie geahnt hätten, was daraus werden würde. Genau genommen kann man jetzt noch nicht sagen, was daraus wird. Was sind wir jetzt gerade? Ein Liebespaar, das eigentlich keines sein darf? Zwei Menschen auf der Suche nach Harmonie und Liebesglück? Zwei, die ihr bisheriges Leben aufarbeiten und auf dem Weg zu mehr Zufriedenheit sind? Jedenfalls spüren wir, dass da mehr ist als körperliche Sehnsucht und freundschaftliche Zuneigung. Wir genießen unser Zusammensein unendlich und sind auch beide sehr darauf bedacht, nichts falsch zu machen und vor allem den anderen nicht zu verletzen. Und wir können zwar weit voneinander entfernt leben, aber jeder von uns macht sich Gedanken, was denn der andere gerade macht und wo er denn gerade sein könnte. Ich muss zugeben, damit habe ich zeitweise meine liebe Mühe. Die Erfahrungen aus meiner zweiten Ehe hängen mir immer noch nach. Günther hat mich einige Zeit hinters Licht geführt und eine Art Doppelleben geführt, was erst nach seinem Tod ans Licht kam. Auch wenn mir das völlig bewusst ist, kommen sofort die Gedanken daran wieder hoch, wenn Max sich mit einer seiner Bekannten trifft. Davon hat er nicht wenige. Er hat jahrelang scheinbar die fehlende Aufmerksamkeit von seiner Frau mit harmlosen Treffen zum Essengehen, Fotografieren, Joggen oder Spazierengehen kompensiert. Sogar abendliche Kinobesuche sind nicht ausgeschlossen. Ich verstehe gar nicht, wie Nina das aushält. Ich habe Max schon einmal gesagt, dass ich das an Ninas Stelle nicht mitmachen würde. Dabei hätte ich nicht einmal so große Bedenken wegen seiner Treue. Aber ich als Frau frage mich, warum geht eine Frau mit einem verheirateten Mann ins Kino? Was sucht eine Frau, selber verheiratet, vergeben oder auch frei, mit einem verheirateten Mann im Wald oder am idyllischen Rheinufer? … Eben … Da ist doch was faul, meine ich, zumindest in 90 % der Fälle. Das ist auch der Grund für erste unangenehme Gedanken, als Max mir etwa zwei Wochen vor unserem Wiedersehen in Dresden sagt, dass er ab jetzt Bärbel regelmäßiger zum Joggen treffen wird. Bisher sind sie nur manchmal miteinander gelaufen, wenn es sich zeitlich ergeben hat. Sie möchte aber jetzt öfter trainieren, zweimal wöchentlich – regelmäßig. „Laufen ist aber nicht ihre Stärke“, sagt er noch, „alleine läuft sie gar nicht, also braucht sie jemanden zum Mitlaufen! Sie ist auch viel langsamer als ich, ich muss mich eigentlich immer ihrem Tempo anpassen.“ „Dir ist schon klar, dass du sehr naiv bist, oder?“, muss ich ihn einfach fragen. „Warum?“, will Max wissen, „Bärbel braucht halt jemanden, der sie motiviert.“ „Denk doch einmal bitte darüber nach. Eine Frau, die vom Laufen nichts hält, die seit Monaten trotz Training ihr Tempo nicht wirklich steigern kann oder will, kommt plötzlich auf die Idee, dass sie öfter mit dir mitlaufen will, weil sie alleine gar nicht läuft? Da höre ich doch die Alarmglocken bis Bad Pirawarth läuten!“ „Nein, was du schon wieder denkst! Sie möchte bei einem Firmenwettlauf mitmachen und da braucht sie ein bisschen Motivation. Das ist alles! Und außerdem bin ich ja eh nicht immer da. Und ob sie dann läuft, wenn ich nicht da bin, oder nicht, ist mir eigentlich egal!“, rechtfertigt sich Max, und ich habe sogar das Gefühl, er glaubt wirklich, was er da sagt. Also wird ab sofort zweimal wöchentlich früh am Morgen das idyllische Rheinufer aufgesucht werden. Und ich kann mir denken, was ich will … Jetzt ist jedenfalls wieder alles Unangenehme vergessen, denn ich sitze im Zug nach Dresden und bin auf dem Weg zu meinem Liebsten. Wir sind schon so aufgeregt, dass wir sogar auf Google Maps unsere Züge verfolgen, wie sie aufeinander zufahren. Spannend …! Vier Monate sind lang. Wird noch alles so sein, wie es vorher war, wenn ich jetzt gleich aussteige? ‚Bitte, lass es so sein‘, hoffe ich inständig und erblicke ihn schon durch das Fenster am Bahnsteig. 7. In wenigen Minuten sollte der IC 2443 aus Leipzig in Dresden eintreffen. ‚Wenn Lenis Zug pünktlich ist, wird sie sieben Minuten später ankommen. Das nenn ich Timing. Wie wird das denn sein, wenn ich sie nach so langer Zeit zum ersten Mal wieder in meine Arme schließe?‘ Ich konnte es jetzt kaum erwarten, dass ihr Zug endlich einrollte. Da kam er und ich suchte ihr Gesicht durch die Scheiben der Waggons. Da, ich hatte sie vorbeihuschen sehen und lief neben dem Zug her, bis er zum Stehen kam. Als die Tür aufging, traten zuerst einige andere Passagiere heraus, bevor ich in ihre Augen blickte. Sie hatte mich auch gleich erspäht und kam mit ihrem Köfferchen auf mich zu. „‘Verdamp lang her‘, würde ich mit BAP singen.“ Das waren meine ersten Worte zu ihr und ich sah in ihren Augen, dass sie das Gleiche dachte. Wir küssten uns lange und innig, hielten uns ganz fest und konnten uns gar nicht voneinander lösen. Der Zug fuhr schon wieder weiter, als ich unser Gepäck nahm und zum Ausgang ging. Es war ziemlich kalt in Dresden und es hatte geschneit, daher schlug ich Leni vor, ein Taxi zu nehmen, um schnell ins Hotel zu kommen. Das Leonardo Hotel in der Altstadt empfing uns mit wohliger Wärme und mit einem netten jungen Mann an der Rezeption. „Sie bleiben zwei Nächte?“, fragte er uns. „Ja genau, bis Dienstag“, antwortete ich. Kurz darauf hatten wir unsere Schlüssel für Zimmer 325 und fuhren mit dem Aufzug hinauf. Im Zimmer fielen wir uns wieder in die Arme, küssten uns lange. „Bist du nach deiner langen Fahrt sehr müde?“, fragte ich Leni. „Nicht wirklich, aber ein bisschen hinlegen kann ja nichts schaden. Schließlich haben wir uns vier Monate nicht gesehen.“ Zwei Stunden später gingen wir duschen, zogen uns an und wanderten in Richtung Semperoper und weiter zur Frauenkirche. Es war fast schon selbstverständlich, dass wir auch dieses imposante Bauwerk besuchen und erleben wollten. Im vergangenen Jahr hatten wir an diversen Orten Kirchen besichtigt und so gingen wir auch hier hinein und nahmen in einer Bank Platz. Wir hielten uns an der Hand und schauten uns in dem renovierten Bau dieser imposanten Kathedrale um. Es war wirklich beeindruckend, was man nach der Wiedervereinigung und mit vielen Spenden hier aus der im Krieg zerstörten Ruine neu geschaffen hatte. Vor uns war eine Gruppe Amerikaner, die von einem Führer die Details der Kirche erläutert bekamen. „During the East German Regime, the church remained as it was as a reminder against the war. In 1993 the reconstruction started and in October 2005 the first service took place. The church is now a symbol of reconciliation.” Nachdem wir noch eine Weile in der Bank gesessen und die Ruhe genossen hatten, machten wir uns auf zu einem Spaziergang durch die Altstadt. Der Schnee knirschte unter unseren Schuhen und wir kamen zum Landtag, der direkt neben der Elbe liegt. Weil es empfindlich kalt war, hielten wir nach einem Restaurant Ausschau und fanden in einem modernen Glasbau das Chiaveri. Es war nicht sehr voll und wir bekamen einen wunderbaren Platz neben den großen Fensterflächen mit Blick auf die Elbe. Die Speisekarte ist italienisch- sächsisch gemischt und in Erinnerung an unseren ersten Abend vor einem Jahr in Linz wählten wir beide ein italienisches Gericht. Leni nahm Festonati Finanziera, Nudeln mit Kalbfleischstreifen in Weißweinsoße. Ich entschied mich für Farfalle Chiaveri, Nudeln mit Lachs und Garnelen in Sahne/Weißweinsoße. Dazu nahmen wir einen frischen Frascati und schon bald war die Kälte von draußen vergessen. Leni erzählte mir von der Zeit, als wir getrennt waren, und ein bisschen schlucken musste ich dabei schon. Ein Espresso, ein Grappa und ein durch zwei geteilter Apfelstrudel rundeten das Ganze ab. Gegen neun verabschiedeten wir uns aus dem Lokal und wanderten zu unserem Hotel zurück. 8. Dresden ist noch beeindruckender, als ich gedacht habe! Schon bei unserem ersten Spaziergang überwältigt mich die Schönheit und Einzigartigkeit der Bauwerke. Nur die Kälte und der Schnee machen es ziemlich ungemütlich. Eigentlich passt das ja gut zu meiner Stimmung, denn trotz der unsagbaren Wiedersehensfreude bin ich sehr bedrückt. Etwas beschäftigt mich schon, seit wir einander wieder schreiben. ‚Wie sag ich ihm das bloß, ohne ihn zu verletzen und ohne unnötige Zweifel zu wecken?‘ Besonders, als wir in der Frauenkirche beieinandersitzen und händehaltend die Stille genießen, wird mir bewusst, dass ich unsere Liebe noch einmal auf die Probe stellen werde. Zum Glück ist Max besser gelaunt, er scheint unser Wiedersehen nahezu ungetrübt genießen zu können. Immer wieder macht er lustige Späße und erzählt zwischendurch von seiner Familie und davon, was er in letzter Zeit mit Nina so erlebt hat. Dabei vergeht die Zeit wie im Flug, bis wir spüren, dass sich langsam der Hunger einstellt. Da kommt uns das Chiaveri am Elbufer sehr gelegen. „Das ist aber elegant hier“, staune ich, und Max sagt: „Genau richtig für unsere Wiedersehensfeier!“ Dabei sieht er mich freudestrahlend an und küsst zärtlich meine kalten Hände. Der Kellner weist uns einen schönen Platz mit einer großartigen Aussicht durch die auffällige Fensterfront zu. Unser Blick fällt genau auf die Elbe und die vielen Lichter, die sie umsäumen. Ich komme aus dem Staunen nicht heraus. ‚Wie schön es hier ist!‘ Umso schwieriger wird es für mich, den richtigen Moment zu finden, um mein Herz zu erleichtern. Es muss aber heute Abend sein, noch länger möchte ich diese Sorge nicht mit mir herumtragen. Dann, als wir beide mit der Hauptspeise fertig sind, nehme ich allen Mut zusammen und sage leise zu Max: „Liebster, ich muss dir etwas Wichtiges sagen. Kannst du mir ein bisschen zuhören, bevor du antwortest? Ich brauche ein bisschen Zeit, dir etwas zu erklären.“ Max erstarrt beinahe, etwas wie Angst macht sich in seinem Gesicht breit. „Ja natürlich, Liebste! Was ist passiert? Du siehst besorgt aus!“, sagt er, und ich beginne, mein Gewissen zu erleichtern: „Max, weißt du noch, wie verzweifelt ich war, als du mir gesagt hast, dass wir uns nicht mehr sehen werden? Für mich war das in diesem Moment so schmerzhaft, aber trotzdem sonnenklar, dass es ein Ende für immer sein muss. Man wärmt keine Beziehungen auf, hat schon meine Mutter früher immer gesagt. Und in dieser Zeit der Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit ist mir etwas passiert, das ich schon sehr bald bereut habe.“ Mir kommt es so vor, als hätte Max etwas feuchte Augen bekommen, und er schaut mich nur fragend an. Ich möchte schnell auf den Punkt kommen, um ihn wieder zu beruhigen: „In der Zeit, als wir weder telefonierten noch Nachrichten schrieben, habe ich einen Mann kennengelernt, mit dem ich im ersten Moment wirklich dachte, meine Trauergefühle vernichten zu können. Er ist sehr sympathisch und wirkte verlässlich. Er wohnt nur 20 Minuten von mir entfernt, was mich hoffen ließ, dass er da sein wird, wenn ich ihn brauche. Er ist unverheiratet, das heißt eigentlich, wie ich verwitwet und bereit für eine neue Beziehung.“ Max unterbricht mich kurz: „Oje …, das habe ich einerseits befürchtet, andererseits habe ich nicht gedacht, dass du dich so schnell trösten wirst. So habe ich dich echt nicht eingeschätzt!“ „Das war auch kein Trösten im eigentlichen Sinn. Unsere Beziehung war zu Ende und da war jemand, der für mich da war. Ich war, wenn ich so darüber nachdenke, nicht einmal verliebt. Dann kam noch etwas hinzu, womit ich ja gar nicht gerechnet habe. Gleich bei seinem ersten Besuch brachte er seine Zahnputzsachen mit und wollte sie bei mir im Bad deponieren, denn die würde er ja jetzt oft brauchen. Dieses Alarmsignal habe ich noch ignoriert und mich drei Wochen auf ihn eingelassen. Schon als ich dir die Spielanfrage schickte, war das vorbei.“ „Wirklich? Wie hat er denn reagiert?“ „Ich habe den Mann ziemlich verletzt, glaube ich. Wenn man so will, könnte man fast sagen, ich habe ihn abserviert. Aber es war mir einfach zu viel. Er war fast die ganze Zeit da. Wenn ich von der Schule kam, stand er schon vor der Haustür. Das ganze Wochenende war er da. Und als er dann sagte, er behalte meinen Schlüssel gleich, dass er ihn für sich nachmachen lassen kann, war es genug. Das wollte ich nicht. Da verzichte ich lieber auf die Hilfe, die ich von ihm im Haus hatte. Liebster, glaub mir, da war nicht viel. In körperlicher Hinsicht hat bei uns beiden gar nichts funktioniert. Ich bin auch erst hinterher draufgekommen, dass er trinkt. Das war alles ein großer Fehler! Aber ich wollte es dir einfach ehrlich erzählen, damit du Bescheid weißt. Es wäre doch dumm, wenn du das irgendwann einmal durch einen Zufall hörtest. Was würdest du dann denken?“ Mittlerweile rinnen mir Tränen über die Wangen. Max wischt sie mir weg und nimmt meine Hände in seine. Ich bin erleichtert. Aber wie kann Max das annehmen und verstehen. Ich denke, er wird noch darüber nachdenken. Fürs Erste sagt er nur zu mir: „Liebste Leni, das war zwischen unseren Zeiten. Wenn du mir sagst, dass das Vergangenheit ist, dann will ich mit dir jetzt neu beginnen. Lass uns ein Glas Sekt trinken und auf die neuen Zeiten anstoßen, was immer sie uns bringen mögen!“ Der Abend in dem feinen Lokal klingt noch bei einem leckeren Apfelstrudel sowie mit einem Espresso aus, doch in lockerer, liebevoller Atmosphäre. Im Hotel habe ich das Gefühl, Max möchte mir seine große Liebe beweisen und weicht in dieser Nacht gar nicht von meiner Seite. Und ich erwidere seine Zärtlichkeiten und schmiege mich nah an ihn. Was war das für ein Tag! Wiedersehen nach vier langen Monaten Trennung, ein sehr gefühlvoller Abend und eine weitere bestandene Hürde in unserer Beziehung! 9. Nach dem Frühstück am nächsten Morgen machte ich mich auf den Weg zur Gläsernen Manufaktur. Die beiden Kollegen aus Köln kamen trotz des schlechten Wetters fast pünktlich an, sodass wir wie geplant um 10 Uhr mit unserer Präsentation beginnen konnten. Die Mitarbeiter von VW stellten viele knifflige Fragen, aber wir hatten den Eindruck, dass sie mit unseren Antworten zufrieden waren. Anschließend fuhren Karl-Heinz, Wolfgang und ich noch mit der Straßenbahn in die Altstadt. Dort fanden wir das Restaurant Kutscherschänke und beim Essen diskutierten wir noch mal über das Treffen und die nächsten Schritte. Gegen 14:30 Uhr verabschiedeten sich die beiden Kollegen, um ihren Rückflug nach Köln zu erwischen. Wir verabredeten noch, dass wir uns zwei Tage später im Büro zur Vorbereitung der nächsten Aktionen treffen wollten. Als die beiden weg waren, rief ich Leni an, die noch mit der Stadtrundfahrt unterwegs war. Wir vereinbarten, uns in ca. 30 Minuten beim Zwinger zu treffen, und ich dackelte gemütlich dorthin. Wobei, gemütlich war der Spaziergang dann doch nicht. Erstens war es ziemlich kalt und es schneite. Und außerdem gingen meine Gedanken zurück zu Lenis Geständnis von gestern Abend. Dass sie sich so schnell nach Ersatz umgeschaut hatte, fand ich schon ungewöhnlich, aber andererseits hatte ich definitiv mit ihr Schluss gemacht. Nur gut, dass ihre neue Verbindung nicht besser funktioniert hatte, wer weiß, ob wir dann heute hier wären. Am Zwinger wartete ich nur ein paar Minuten, dann kam Leni auch. Wegen des Wetters beschlossen wir, ins Gebäude zu gehen und uns die Gemäldegalerie anzuschauen. Wir hielten uns immer an der Hand, Leni strahlte noch mehr, als ich es schon kannte, und wir fanden unser Glück grenzenlos. „Wie ist es dir denn in den letzten Wochen ergangen“, fragte sie mich plötzlich. „Ich war ziemlich unglücklich und habe mich einerseits mit Arbeit zugeschüttet. Andererseits habe ich auch meinen Ruhestand endgültig für den 31.3. eingereicht. Ich habe also nur noch etwa acht Wochen zu arbeiten. Das ist doch eine tolle Aussicht, oder?“ „Im Prinzip ja, aber wenn du dann nicht mehr umherreisen musst, wie wollen wir uns dann treffen?“ „Ich werde ab 1.4. als freiberuflicher Berater arbeiten. Einen Auftrag in Köln habe ich schon und ich bin zuversichtlich, dass da auch noch andere hinzukommen. Und dann gibt es noch die Neuigkeit, dass Nina von einer Freundin in Danzig einen Tipp bekommen hat und dort ein älteres Mehrfamilienhaus kaufen will, das renoviert und umgebaut werden muss. Einen Architekten dazu hat sie auch schon gefunden. Der stammt wie sie aus Danzig, lebt in Berlin, arbeitet aber viel in Polen. Dazu wird sie sicher mehr Zeit dort als in Köln verbringen, ich aber eher nicht. Also haben wir auch deshalb mehr Chancen, uns zu sehen.“ „Ja aber was für Gründe finden wir denn, um uns zu treffen?“ „Du hast doch mal erzählt, dass dein Arbeitgeber schon mal einen Coach in eurer Schule eingesetzt hat, mit dem du aber nicht sehr zufrieden warst. Ich habe auch eine Coaching-Ausbildung. Wie wäre es, wenn ich dein Coaching übernehmen würde?“ „Denkst du, das ginge?“ „Theoretisch sicher. Die Frage ist, ob dein Arbeitgeber einen Coach aus Deutschland akzeptiert, aber das lässt sich doch herausfinden.“ „Das mach ich dann mal nach meiner Rückkehr.“ Die Bildergalerie im Zwinger ist wirklich beeindruckend. Ein Gemälde von Vermeer, nämlich das Mädchen, das am offenen Fenster einen Brief liest, hatte es uns besonders angetan. Das Mädchen ist sehr in den Brief vertieft, sodass die Fantasie des Betrachters angeregt wird, der sich fragt, was ist das wohl für ein Brief. Da unsere Kommunikation auch sehr viel aus Lesen und Schreiben bestand, konnten wir uns sehr gut in die Situation des Mädchens hineinversetzen. Mich faszinierte das Bild auch aufgrund der Lichtverhältnisse. Ich konnte mir vorstellen, ein ähnliches Bild fotografisch herzustellen, und Leni meinte, das würde sie auch gern können. „Fotografierst du denn manchmal auch was anderes als nur Erinnerungsbilder?“, fragte ich sie. „Eigentlich nicht, meine einfache Kamera gibt das nicht her.“ „Vielleicht solltest du dir überlegen, eine neue Kamera anzuschaffen.“ „Das will ich eigentlich schon länger, aber ich weiß nicht so recht, was ich kaufen soll.“ Wir fachsimpelten noch ein wenig über mögliche Kameras und ich versprach Leni, nach meiner Rückkehr zu recherchieren, welche Modelle ich ihr empfehlen könnte. 10. Es ist jetzt für mich nichts mehr Neues, auch einmal ein paar Stunden allein durch eine fremde Stadt zu streifen und diese zu erkunden. So geschieht es auch in Dresden, das von den Einheimischen auch liebevoll „Elbflorenz“ genannt wird, während Max arbeiten muss. Nach dem Frühstück trennen sich wieder unsere Wege und ich nehme auch diesmal den Hop-On-Hop-Off-Bus. Heute muss ich mir aber keine Sorgen machen, dass es spät wird. Mit der Präsentation sind Max und seine Kollegen sicher früh fertig. Wahrscheinlich gehen sie dann noch essen und nachher haben wir wieder Zeit für uns. Der Tag vergeht auch wirklich recht schnell. Im Bus lausche ich den interessanten Infos aus dem Kopfhörer. Zwischendurch streut der Fahrer recht witzige Einlagen ein. Das habe ich so auch noch nicht gehört. Gibt der doch eine kleine Einführung in die sächsische Sprache zum Besten. Der Mann hätte echt Talent zum Comedian, denke ich mir. Und so fahre ich einmal die ganze Runde mit und bei der zweiten beschließe ich, den Zwinger anzuschauen. Die Besichtigung ist im Preis inbegriffen. Auch hier habe ich großes Glück mit der Fremdenführerin. Nach der sehr ausführlichen, kurzweiligen Führung bietet sie an, mit interessierten Besuchern die Besichtigung noch außerhalb des Zwingers fortzusetzen. Ich bereue es nicht, mitzugehen, denn so sehe ich auch das große Wandbild des Fürstenzuges und noch einmal die Frauenkirche, wo ich über die spannende Geschichte des Wiederaufbaus informiert werde. Kurz nach 14:30 Uhr ruft Max an und ich freue mich sehr, dass wir uns gleich beim Zwinger treffen wollen. Eilig nehme ich den nächsten Bus, komme aber kurz nach Max an. „Möchtest du lieber woanders hingehen oder schauen wir noch mal gemeinsam den Zwinger an?“, fragt Max, dem es leidtut, dass ich wieder allein sein musste. „Nein, das ist schon o. k., die Bildergalerie habe ich zum Beispiel noch gar nicht gesehen“, antworte ich und wir sind schon auf dem Weg dahin. Es ist schwer auszudrücken, wie schön es ist, mit Max zu plaudern. Über alles und jedes, über Gott und die Welt. Ich höre ihm einfach so gern zu, wenn er erzählt. Ich weiß auch nicht, ob es seine Stimme ist, die mich so fasziniert, der kölsche Akzent oder einfach die liebe Art, wie er sich mir total widmet, wenn wir zusammen sind. Als er mir von seinen und Ninas Plänen erzählt, dass er in den Ruhestand gehen wird und sie ein großes Haus in Polen kaufen will, bin ich hin- und hergerissen zwischen der Ahnung, dass das für deren Beziehung nicht das Beste sein wird, und der Ungewissheit, ob es denn für uns gut sein kann. ‚Nur nicht anfangen, irgendwas zu hoffen oder gar zu erwarten!‘ Wir beginnen, zu überlegen, wie wir unsere zukünftigen Treffen organisieren könnten. Max als mein zukünftiger Coach zum Beispiel ist auf jeden Fall ein Schmunzeln wert. Dann könnten wir uns ganz offiziell treffen. Auch nicht ganz ohne Risiko, würde ich sagen, aber nicht unmöglich. Mal sehen, was wir aus diesen Gedanken machen … Mindestens genauso schön ist die Überlegung, demnächst eine gute Kamera zu kaufen und mit Max vielleicht sein Hobby ein wenig zu teilen. Er hat mich heute gefragt, was ich davon halte, und ich finde die Idee wirklich schön. Seit längerer Zeit schon betrachte ich seine Bilder mit anderen Augen. Ich möchte gern mehr lernen über die Kunst des Fotografierens. Nur mit der Digicam Blumen ein wenig nett in Szene zu setzen, ist mir schon lang zu wenig. Ich bin ganz sicher, dass ich das lernen kann, und dann hätten wir auch tatsächlich ein gemeinsames Hobby. Ich glaube, dass es Max auch Spaß machen würde, mir etwas Knowhow abzugeben. Jetzt warte ich einmal ab, welches Modell er mir für den Einstieg empfiehlt. Wenn ich es mir leisten kann, schlage ich zu! Unser Wiedervereinigungstreffen in Dresden geht also mit ganz vielen schönen Gedanken und auch Erinnerungen zu Ende. Eine große Portion Vorfreude ist auch schon dabei. Wir wissen nämlich noch immer nicht genau, wie es weitergehen soll, aber was wir ganz genau wissen: DASS es weitergehen soll! Köln. 11. In einer sehr glücklichen und liebevollen Nacht feierten wir unseren Jahrestag des Kennenlernens. ‚Wahnsinn, vor einem Jahr hatten wir uns in Linz zum ersten Mal getroffen. Ich kenne diese Frau doch schon so lange und so gut, obwohl wir uns jetzt insgesamt nur 25 Tage gesehen haben. Es kommt mir vor wie ein halbes Leben.‘ Am nächsten Morgen blieben wir nach ein paar sportlichen Übungen noch lange eng umschlungen liegen und genossen dann das reichhaltige Frühstück im Hotel. Wir wollten uns Zeit lassen, denn kurz nach Mittag gingen unsere Züge zurück. Wir stapften danach durch den Schnee wieder in Richtung Altstadt und fanden das schöne Café Borowski, in dem wir die restliche Zeit bis zur Abfahrt verbrachten. Lenis Zug fuhr zuerst ab und sie gab mir einen Brief, den ich aber erst später öffnen sollte. Nachdem ich in den Zug Richtung Leipzig eingestiegen war, riss ich den Brief auf und verschlang die Worte, die sie mir geschrieben hatte. Unheimlich!!! Ich musste das Ganze zweimal lesen. Und noch einmal. Liebster, zum Jahrestag möchte ich Danke sagen für all die schönen Dinge, die ich mit dir erleben darf. Egal wie es mit uns weitergehen wird, ich werde NIE aufhören, dich zu lieben. ICH LIEBE DICH - weil wir einander alles sagen und über alles offen reden können - weil du mich nimmst, wie ich bin - weil ich dir schreiben kann, so oft ich will, ohne dass es dich nervt - weil deine Zärtlichkeit das Schönste ist, was ich je erlebt hab - weil ein Blick von dir mehr sagt als 1000 Worte - weil wir zusammen frei sein können und doch nicht allein sind - weil du mir in 5000 km Entfernung genauso nah bist. wie im Hotelzimmer - weil du so denkst wie ich - weil mein Herz Sprünge macht, wenn es spürt, dass du in der Nähe bist - weil wir ein Herz und eine Seele sind - weil ein bisschen mit dir so viel mehr ist - weil ich weiß, dass du alles, was du mit mir und für mich machst, gerne tust - weil du mein Kissen voller Träume jeden Tag mit. Küssen füllst - weil dein ‚ich liebe dich‘ immer echt klingt - weil die Sonne aufgeht, wenn du anrufst - weil ich dir stundenlang zuhören könnte, wenn du etwas erzählst - weil du mich auch mit deiner Stimme streichelst - weil du die Antwort auf alle meine Fragen bist - weil ich in deinem Lächeln versinken möchte - weil mich deine Verse in eine romantische Welt zaubern - weil du mir Halt und Kraft gibst - weil ich spüre, dass ich mit dir alt werden möchte und dabei jung bleibe - weil du mich schwere Zeiten einfach vergessen lässt - weil wir über dieselben Dinge lachen können - weil du einfach bist, wie du bist. Deine Leni ‚Gibt es das?‘, dachte ich bei mir und mir liefen die Tränen herunter. Ich musste ihr schnell eine Nachricht schreiben

Die Zeit im Zug bis Leipzig verging sehr schnell und bevor ich ausstieg, schickte ich noch schnell ein paar Küsse an Leni. Am Bahnsteig erwartete mich meine Tochter Anna. Wir gingen zusammen zu einem vietnamesischen Restaurant zum Essen. Sie erzählte mir von ihren Klienten, die sie als Anwältin betreute, und von ersten Gerichtsverhandlungen. „Klingt alles sehr spannend und so, als ob du zufrieden wärst“, sagte ich zu ihr. „Ja, es geht mir gut, die Kollegen in der Kanzlei sind nett, in meiner WG mit einer Studentin und einem Informatiker fühle ich mich sehr wohl. Überhaupt habe ich schon viele Freunde hier. Leipzig ist eine sehr junge Stadt und deshalb findet man leicht Kontakt.“ „Das freut mich sehr und beim nächsten Mal komme ich dann mal deine WG besichtigen. Diesmal wär das zu kurz gewesen, denn mein Zug nach Köln geht ja schon in zwei Stunden.“ „Ist schon o. k., ich bin ja auch noch nicht richtig eingerichtet. Bis du das nächste Mal kommst, habe ich sicher noch einiges besser gemacht.“ Die Zeit verging mit unserer Plauderei sehr schnell und schon saß ich wieder im IC nach Frankfurt und weiter nach Köln. Kurz vor Mitternacht war ich wieder zu Hause, wo Nina schon schlief. Am nächsten Morgen blieb nicht viel Zeit für ein Gespräch mit ihr, denn ich wollte möglichst früh ins Büro, am späten Nachmittag wollten wir in die Sauna. Im Büro las ich dann Lenis Nachricht

Abends erzählte ich Nina dann von Dresden und Leipzig. Sie meinte: „Wenn du im Ruhestand bist, kannst du sicher auch deine Kinder öfter besuchen.“ „Da hast du recht und das hab ich Anna auch schon gesagt. Beim nächsten Mal möchte ich auch mal ihre WG- Partner kennenlernen.“ Da Nina am Wochenende ihre Cousinen in Polen besuchen wollte, verabredete ich mich für Samstag mit Bärbel zum Portraitshooting und mit Elvira aus dem Fotoclub zum Shooting in einer alten Industriehalle in Wesseling. Das Monatsthema im Fotoclub war nämlich: Lost Places. Die Session mit Bärbel am Samstag bei uns zu Hause dauerte ein paar Stunden und ich schickte Leni am Sonntag ein paar Bilder. Sie schien nicht sehr begeistert davon, was ich nicht verstand, denn ich fand die Fotos sehr gelungen. Die Fotos mit Elvira in Wesseling am Sonntag nahmen dann auch einige Zeit in Anspruch. Dafür kamen aber sowohl ein paar tolle Porträts von uns beiden heraus als auch viele gute Bilder der verlassenen Halle. Elvira hatte eine Tulpe mitgebracht, die ich in eine Pfütze legte, in die von der Decke Wasser tropfte. Mir gelang ein besonders schöner Schuss, wo ein Wassertropfen gerade neben der Tulpe ins Wasser fällt. Leni wollte keine Bilder von Elvira sehen. Ich glaube, sie hatte irgendwie den Eindruck, dass zwischen ihr und mir mehr als nur fotografisches Interesse bestand. „Unsinn, sagte ich zu ihr am Telefon, Elvira sagt auch immer zu Nina, dass sie nichts von mir will.“ „Und das kommt dir nicht komisch vor?“ „Nein, wieso?“ Na, wenn sie nichts von dir will, warum muss sie das Nina ständig erzählen?“ Ich schickte ihr also nur das Bild mit der Tulpe und ein paar Porträts, die Elvira von mir gemacht hatte. „Das Bild mit der Tulpe ist toll und die Fotos von dir sind auch ganz nett“, meinte Leni dazu. Ich fand alle ganz super, und das sollte sich auch beim nächsten Treffen des Fotoclubs zeigen, wo ich sehr viel Anerkennung für die Fotos bekam. Wien. 12. Zu Hause angekommen, beginnt für uns beide wieder der Alltag. Ich habe in der Schule gerade wieder viel zu tun. Die Schulnachrichten sind zwar schon alle fertig, aber es stehen noch einige wichtige Konferenzen an. Also bin ich sehr beschäftigt und freue mich auf das Wochenende. Nina fährt übers Wochenende weg, da können wir sicher das eine oder andere Mal leichter telefonieren, denke ich. Abends ist das dann auch wirklich kein Problem, aber tagsüber hat Max andere Pläne. Der Samstag gehört Bärbel. Ein paar Stunden Portraitshooting und dann bearbeitet er auch gleich die Fotos. Er schickt mir ein paar Fotos von ihr und fragt bei unserem abendlichen Telefonat nach meiner Meinung. Wie ich sehe, ist sie also wesentlich jünger, keine auffallende Schönheit, aber recht sympathisch. Und sie hatte sichtlich Spaß an der Session. Natürlich sind die Fotos toll … wie immer. Er bringt immer die Zuckerseite von seinem Model auf den Punkt. Licht und Schatten wirken super zusammen. Die Posen sind sehr stimmig. Und: Man beachte das Leuchten in ihren Augen! ‚So, so‘, denke ich, ‚habe ich also recht.‘ Die Dame himmelt Max aber sehr stark an. ‚Dann bin ich aber gespannt, wie du das siehst‘. Es fällt mir also nicht ein, ihm zu sagen, wie gelungen die Fotos sind. Ein kurzes: „Ja, sind ganz nett geworden“ muss reichen. „Bärbel sieht ja sehr glücklich aus in deiner Gegenwart …“ Ui, das war jetzt vielleicht doch etwas gewagt, aber Max reagiert darauf ganz entspannt: „Was meinst du? Sie lächelt doch nur in die Kamera. Du denkst doch nicht, dass da mehr ist, oder?“ Er lacht sogar. „Bei dir vielleicht nicht. Aber bei ihr schon.“ „Ach nee, mach dir keine Sorgen! Da siehst du Gespenster“, versichert mir Max. ‚Dein Wort in Gottes Ohr‘, denke ich und sage: „Genau wie bei Elvira morgen, nehme ich an.“ Für Sonntag ist nämlich ein Fotoausflug mit ihr geplant. „Genau, da musst du dir nix denken. Mit Elvira gehe ich öfters auf Fototour, wie du weißt. Wir machen nur Fotos, sonst nichts“, bestätigt er. Mir brennt die Frage so sehr auf der Seele, dass ich sie gleich anbringe: „Sagt Nina da gar nichts, wenn du andere Frauen triffst, wenn sie wegfährt? Ich würde das nicht wollen!“ „Nö, manchmal scherzt sie darüber und zieht es eher ins Lächerliche. Sie hat kein großes Problem damit.“ „Da wäre ich an deiner Stelle vorsichtig. Wenn eine Frau über etwas Scherze macht, ist das oft genauso, wie wenn andere Fotos nur halbherzig beurteilen“, warne ich ihn und hoffe, dass ich ihm am Telefon mein Schmunzeln und meine Zweifel vermitteln kann. Obwohl ich weiß, dass Max mit Elvira zugange ist, vergeht der Sonntag dann auch recht schnell, weil ich ihn mit den Kindern verbringe. Mein Enkel Paul hat nach seinem schwierigen Start ins Leben jetzt schon sehr viel aufgeholt. Meine Beziehung zu ihm ist etwas ganz Besonderes geworden. Ich habe bei ihm das Gefühl, er genießt alles, was man mit ihm tut, irgendwie mehr als andere Kinder. Am Abend fahre ich sehr zufrieden nach Hause und hoffe auf Nachricht von Max. Diesmal habe ich ihm gleich gesagt, von Elvira muss er mir keine Fotos schicken. Mein Interesse hält sich da echt in Grenzen. Noch eine Frau anschauen, die ihn so anhimmelt wie Bärbel, würde mir nicht guttun. Also schickt er mir stattdessen ein wunderschönes Bild von einer Tulpe – sogar das verliert für mich an Ausstrahlung, als Max mir sagt, die Tulpe hat Elvira zu dem Treffen mitgebracht – und ein paar Portraitfotos, die sie von ihm gemacht hat. Die hätte ich besser auch nicht zu sehen bekommen. Elvira kann auch sehr gut fotografieren und diese Portraits sind großartig. Was mir weniger gefällt, ist der glückliche, zufriedene, ja, strahlende Gesichtsausdruck von Max. Ich könnte mir so ein Foto nicht aufhängen, weil ich immer wüsste, er hat SIE so angeschaut. Jedenfalls fällt mein Feedback wieder sehr mager aus. Ich will eigentlich gar nichts dazu sagen. Ich komme in diesen Momenten mit mir selber nicht ganz klar. Max kann doch machen, was er will und was ihm Spaß macht. Noch dazu, wenn ihm seine Frau diese Freiheiten lässt. Trotzdem frage ich mich, warum muss er sich jetzt immer noch mit anderen Frauen umgeben, wenn wir es doch so schön miteinander haben? Dann mache ich mir halt wieder einmal bewusst, was ich hier wirklich für eine Rolle spiele. Wenn ich Max nicht verlieren will, muss ich das auch akzeptieren können. Vielleicht kann ich das, wenn er es nicht übertreibt. Ich lasse mich überraschen … Köln-München. 13. Im Fotoclub hatten wir auch beschlossen, dass drei von uns, also Irene, Elvira und ich zusammen mit einer anderen Fotogruppe am nächsten Wochenende nach Lüttich fahren wollten, um dort im von dem spanischen Architekten, Santiago Calatrava, gebauten Bahnhof zu fotografieren. Als ich Leni davon schrieb, war sie sauer

So fuhr ich also am Samstag mit dem Auto und Irene und Elvira nach Lüttich. Der Bahnhof war wirklich beeindruckend und wir alle schossen superschöne Bilder. Ich konnte auch ein paar Porträts von Passagieren erhaschen. Die würde ich bestimmt in unserem Jahrbuch verwenden können, das wir einmal pro Jahr machen. Als ich Leni einige Fotos später schickte, war sie auch wieder besänftigt und lobte die Bilder sehr. Die Woche danach im Büro verging recht schnell, schon war es Freitag und ich saß im ICE nach München. Ich hatte wieder mein Buch über das passende Leben dabei, in dem ich einige Kapitel las. Außerdem schaute ich noch mal nach den beiden Fotoausstellungen, die wir uns ansehen wollten, eine von einem Fotografen aus den USA, der offensichtlich sehr schöne Schwarz-Weiß Fotos von Architektur und Menschen machte (also mein Thema), und eine zweite Ausstellung, in der es vorwiegend um Bilder in der Wüste ging. Auch dazu hatte ich in Afrika schon selbst einiges gemacht und beides versprach interessant zu werden. Die viereinhalb Stunden Fahrt von Köln nach München gingen auf die Art recht schnell vorbei. Am Bahnsteig erwartete Leni mich schon und wir gingen zu Fuß zu dem in der Nähe gebuchten Hotel, um uns erst mal wieder richtig zu begrüßen. Es war keine Rede mehr von Eifersucht und anderen Frauen, mit denen ich fotografieren ging. Der Abend gehörte nur uns beiden und er dauerte länger. Wien-München. 14. Vielleicht wird mir jetzt gerade der große Unterschied unserer Lebensweisen bewusst. Oder vielleicht ist Max einfach ein bisschen zu ehrlich zu mir. Ich meine, einerseits ist es toll, dass er mir immer sagt, wo er hingeht und was er unternimmt, das zeigt eigentlich, dass er mir die Wahrheit sagt. Ich tue das ja auch. Aber manchmal frage ich mich schon, ob ich es wirklich immer wissen muss, wenn doch eh nichts dahintersteckt. Jetzt ist er schon wieder mit seinen Fotomädels Irene und Elvira auf Tour. Ein Tagesausflug nach Lüttich. Den ganzen Tag sind sie miteinander unterwegs. Ein wunderschöner, interessanter Samstag für Max – und ganz bestimmt für die beiden Damen. Und ich bin tausend km entfernt und lasse leider meiner Fantasie zu viel freien Lauf. Zum Glück kann ich mich bei den Kindern ein bisschen ablenken. Meinen kleinen Paul halte ich fast jedes Wochenende im Arm. Ich habe das Gefühl, er erkennt mich schon. Als ich am Abend nach Hause komme, denke ich mir: ‚Kannst du nicht einfach froh sein, dass es Max gut geht, und ihm sein Vergnügen gönnen? Das ist ein Fotoausflug, und sonst nichts!‘ Als er mir dann die tollen Fotos von diesem wunderschönen Bahnhof schickt, bin ich ganz begeistert und hoffe, dass wir auch zusammen einmal solche Fotos machen werden. Max freut sich sehr über mein Lob und ich bin wieder einmal sehr froh, dass er sich von zu Hause gleich gemeldet hat. Eine Woche später sind wir auch wieder miteinander verabredet. Und diesmal ist es kein Geschäftstermin. Wir treffen uns in München, einfach so, um zwei Fotoausstellungen zu besuchen. Dieses lockere Eheleben kommt uns schon sehr entgegen. Sie fährt eben mal wieder ein Wochenende zu ihren Freundinnen, er fährt Ausstellungen besichtigen. So sind wir jetzt hier und genießen miteinander ein traumhaftes Wochenende: Zwei sehenswerte Fotoausstellungen, bei denen ich einmal mehr festgestellt habe, wie gern ich auch fotografieren würde, ein Spaziergang durch die Altstadt, von dem wir Selfies mit nach Hause nehmen, auf denen wir mit dem Sonnenschein um die Wette strahlen und eine Liebesnacht, wie man sie inniger nicht erleben kann! Beim Stadtwirt kehren wir zum Essen ein. Die Speisekarte mit bayerisch-österreichischer Traditionsküche ist sehr verlockend. Bevor das Essen serviert wird, zeigt mir Max am Handy ein paar Modelle von Kameras, die er für den Einstieg als geeignet empfindet. Die Nikon P900 coolpix spricht mich sehr an. Sie ist nicht so schwer wie eine Spiegelreflexkamera, ist aber fast so zu handhaben. Man braucht keine zusätzlichen Objektive. Ich beschließe also, zu Hause gleich nach diesem Gerät Ausschau zu halten. Max meint, es wäre gut, sie einmal in der Hand zu haben und zu spüren, ob sie mir liegt. ‚Das sind doch schon wieder gute Aussichten!‘ Und während wir uns kulinarisch verwöhnen lassen, sagt Max zu mir: „Wollen wir uns jetzt einmal überlegen, ob wir das mit dem Coaching wirklich machen wollen, und vor allem, wie?“ „Wenn du glaubst, dass das geht. Ich meine, dann musst du es Nina sagen und dann wäre das ja quasi hochoffiziell“, überlege ich vorsichtig. „Ja genau, als Kundin wärst du praktisch unauffällig. Mit einer Kundin hatte ich nämlich noch nie was, weißt du!“ Er schmunzelt und streichelt dabei meine Hand. So beginnen wir, uns immer ernsthafter hineinzudenken und beschließen dann, tatsächlich seine eben erlangte Selbstständigkeit zu nutzen und eine Kundenverbindung aufzubauen. „Zuerst musst du mich anrufen und mal nachfragen, ob ich so ein Coaching für Schulleiterinnen überhaupt anbiete. Das geht ja aus der Homepage nicht konkret hervor“, schlägt Max vor. „O. k. … und ich muss mich noch erkundigen, wie das mit den Zuschüssen ist, wenn man im Ausland gecoacht wird. Aber da bin ich zuversichtlich.“ „Ja, und dann müssen wir einen Vertrag abschließen und alles läuft ganz offiziell. Dann würde ich sagen, kommst du beim ersten Treffen nach Köln. Da schauen wir einmal, ob wir überhaupt miteinander arbeiten können. Da muss ja alles passen!“ Max schmunzelt und sieht dabei richtig glücklich aus. „Ein Hotelzimmer in der Nähe ist dann kein Problem“, sagt er, „dann teilen wir uns die Zeit schon gut ein!“ Also ich muss schon sagen, da wagen wir uns weit vor, und wir müssen schon sehr vorsichtig sein, damit Nina keinen Verdacht schöpft. Aber Max wird schon wissen, worauf wir da besonders achten müssen. Jedenfalls finde ich es aufregend und möchte mich drauf einlassen. Es zeigt mir ja auch, wie ernst es Max mit uns meint. Das tut er sich doch nicht an, wenn ihm nicht wirklich viel daran gelegen ist! Beim Abschied am Bahnhof machen wir noch ein paar Fotos von uns. Und aus den in entgegengesetzte Richtungen fahrenden Zügen schicken wir uns traurige Nachrichten. Wir sind noch gar nicht richtig weg und fehlen einander schon. Wir haben es beim Abschied beide nicht fertiggebracht, ‚ich liebe dich‘ zu sagen, weil wir sehr nah an den Tränen waren. Also schreiben wir es uns noch mehrmals auf dem Heimweg … Köln-Mallorca. 15. Die nächsten Wochen im Büro, die auch schon die letzten für mich waren, zogen ohne große Ereignisse vorbei, wenn man von meiner kleinen Abschiedsfeier absieht. Nach 28 Jahren im gleichen Unternehmen kamen einige der Kollegen, um sich persönlich von mir zu verabschieden und mit einem Glas anzustoßen. Nina hatte mir geholfen, die kleine Feier zu organisieren. Bei Ihrem Abschied im Gymnasium würden wir sicher etwas Ähnliches machen. Mein erstes Projekt als Freelancer fand bei einer Softwarefirma in Köln statt, wobei ich viel von zu Hause machen konnte und nur ein paar Mal pro Woche in die Firma musste. Das Reisen und Leni fehlten mir schon sehr, so kam es mir ganz gelegen, dass unser nächster Segeltörn vor der Tür stand. In diesem Jahr wollten wir von Mallorca aus nach Ibiza und zurück segeln. Da ich noch nie im Mittelmeer gesegelt war, versprach es eine interessante Erfahrung zu werden. Auch, weil ich für mich wieder mal eine Alkohol-Fastenzeit vom 1. Januar bis Ostern beschlossen hatte, und der Törn fiel in diese Zeit. Die Segelkumpel waren dann auch sehr überrascht, als ich in der E-Mail, in der wir die Beschaffung der Vorräte abstimmen wollten, mitteilte, dass ich diesmal keinen Alkohol trinken würde. „Du willst also kein Ankerbier mit uns trinken?“, war der Kommentar unseres Skippers. „Weder Ankerbier noch Gin-Tonic, so leid es mir tut. Ich habe mir die Fastenzeit verordnet und will mich auch daran halten. Versteht das bitte“, war meine Antwort. Beim Boarding im Flughafen in Köln wurde dann schon gefrotzelt, dass ich wohl unter die anonymen Antialkoholiker gegangen sei. Aber nach der Ankunft in Mallorca, als wir beim Einkaufen waren, kauften wir dann entsprechend weniger Bier und Wein. „Die Flasche Gin schafft ihr auch ohne mich“, sagte ich lachend beim Einräumen auf dem Boot. So liefen wir also am Sonntagmorgen aus von Palma nach Port Andratx. Am folgenden Tag fuhren wir vor der Morgendämmerung los und erreichten nach acht Stunden Segeln den Hafen von Santa Eulalia auf Ibiza. Der Trip brachte mir eine gänzlich unerwartete Erfahrung. Wind und Welle waren gegen mich und so wurde ich zum ersten Mal in meinem Leben seekrank. Da konnten die Kollegen es sich nicht verkneifen und meinten: „Das liegt bestimmt nur an deinem mangelnden Weinopfer für die Meeresgötter.“ Ich erzählte Leni abends am Telefon davon und sie fragte, ob ich denn überhaupt weiterfahren wolle, wenn es schon am zweiten Tag so schlecht ging. „Natürlich, hab mir in der Apotheke schon ein paar Tabletten besorgt, die werde ich die nächsten Tage nehmen, dann wird das schon gut gehen. Übrigens könntest du übermorgen Abend anrufen und mich nach dem Coaching fragen. Ich schick dir eine Nachricht, wann wir beim Ankerbier sitzen und es am besten passt.“ „O. k., das machen wir.“ Zwei Tage später kamen wir in Ibiza Stadt an und nachdem wir das Boot vertäut und uns zum Ankerbier (ich mit Orangensaft) niedergelassen hatten, schickte ich Leni eine kurze Nachricht. Zehn Minuten später klingelte mein Telefon. „Oh“, sag ich, „eine unbekannte Nr. aus Österreich. Wer ist das denn wohl?“ Alle schauten mich groß an und ich melde mich mit „Mayer“ „Huber“, sagt eine mir vertraute Stimme am anderen Ende. „Grüß Gott, Herr Mayer. Kann ich Sie einen Augenblick stören?“ „Ja sicher, worum geht’s denn?“ Und dann erzählte Leni die verabredete Geschichte, dass sie auf der Suche nach einem Coach auf meine Homepage gestoßen sei und sich fragte, ob ich ihr helfen kann. „Das würde ich gern machen, muss Ihnen aber sagen, dass ich zwar schon mit vielen Führungskräften Coachings gemacht, aber mit Leiterinnen von Schulen noch keine Erfahrung habe.“ „Das macht ja nichts, aber die Informationen auf ihrer Homepage und ihr Lächeln auf dem Foto sagen mir, dass wir uns verstehen werden. Und das ist doch das Wichtigste. Ich hatte eine negative Erfahrung mit einem Coach hier aus Wien und das hätte ich von Anfang an wissen müssen, denn die Chemie stimmte nicht.“ „Und Sie glauben, bei uns wär das besser?“ „Ja, auf einen Versuch würde ich es ankommen lassen.“ Und dann sagte ich ihr, dass ich grad beim Segeln sei und ihr erst in zwei Wochen ein Angebot schicken könnte. „Würden Sie denn dann zu mir nach Köln kommen für die erste Session?“ „Sehr gern, denn ich kenne Köln gar nicht, und das soll doch sehr schön sein.“ „Am schönsten im Karneval, aber der ist nun grad vorbei.“ „Da kann man nichts machen. Aber wir wollen ja auch zusammen arbeiten.“ „Stimmt, also schicke ich ihnen mein Angebot und dann telefonieren wir noch mal dazu. Senden sie mir bitte in den nächsten Tagen ihre Kontaktdaten zu. Und dann freue ich mich schon mal auf die Zusammenarbeit.“ „Ich auch und noch viel Spaß beim Segeln.“ Wien-Köln. 16. Das Telefonat vor ein paar Wochen war schon sehr spannend gewesen. Das so zu timen, dass mehrere Leute praktisch Zeugen für unsere erste dienstliche Verabredung sind, kam uns schon sehr geschickt vor. Und als Max seine Frau fragte, was sie von diesem Geschäft hielte, ob er das denn überhaupt machen solle, sagte sie: „Wieso? Klingt doch interessant. Das kannst du doch, also mach es!“ Offensichtlich dachte sich dabei tatsächlich niemand etwas und wir konnten meine Anreise planen. Vertrag schriftlich per Mail abwickeln und Hotel buchen, war bald erledigt, und dann war noch ein wenig Zeit zur Vorfreude. Inzwischen habe ich übrigens den Schritt getan und mir die P900 zugelegt. Ich übe fleißig, lese brav die Gebrauchsanleitung und habe auch schon jede Menge Literatur zum Thema Digitale Fotografie. Ich spüre zwar, dass dieses Hobby langsam, aber sicher, mein bisheriges Hobby – nämlich die Gartenarbeit – ablöst, aber noch ist das kein großes Problem. Es macht mir einfach Spaß und ich spüre auch ein wenig Ehrgeiz. Sonja fotografiert auch, und ich finde, sie macht das besonders gut. Sie hat einen ganz eigenen Stil und fotografiert am liebsten Kinder, Familien und Tiere. Im Moment kommt sie nicht so oft zum Fotografieren, weil das Baby natürlich im Vordergrund steht. Trotzdem machen wir nach dem ersten Experimentieren mit der Kamera gelegentlich kleine Challenges mit bestimmten Themen. Max hat sich dafür als Juror angeboten, und dabei stellt er große Anforderungen an uns, um gerecht bewerten zu können. Da kann ich schon einiges lernen. Ich überlege auch, die Kamera nach Köln mitzunehmen … Der Flug nach Köln ist sehr aufregend für mich. Ich bin zum letzten Mal vor vier Jahren geflogen und vor allem noch nie allein. Zum Glück begleitet mich Max per ginlo durch den Flughafen und sagt mir genau, was ich machen muss. Wir sind beide sehr aufgewühlt und in freudiger Erwartung einer neuen Premiere. Im Flieger muss ich unsere Verbindung aber nach ein paar letzten Küssen trennen. Ich hatte schon immer besondere Angst bei Start und Landung. Diesmal habe ich nicht einmal jemanden neben mir, der meine Hand halten kann! Der junge Mann an meiner Seite würde sich sicher wundern, wenn ich nach seiner Hand griffe. Und seine weibliche Begleitung einen Sitz weiter sicher auch. Also krallen sich meine Hände in die Armlehnen, als der Flieger mit riesigem Getöse die Startbahn entlangrast und schließlich abhebt. ‚Warum mache ich das hier gerade?‘, denke ich verzweifelt. Es ist einfach vernünftiger, zu fliegen. Die Zugreise würde einen ganzen Tag dauern und kostet auch nur unmerklich weniger. Ich bleibe ja auch nur ein paar Tage, also lohnen sich zwei Tage Bahnfahrt hin und zurück nicht. Nun werde ich diese eineinhalb Flugstunden durchhalten und beginnen, mich seelisch auf Köln einzustellen. Ich war da noch nie und bin schon sehr neugierig. Mein Coach hat sich auch freiwillig als Fremdenführer angeboten. Das nenne ich mal kundenfreundlich! Bei diesem Gedanken verfliegt sogar meine Flugangst … wenigstens bis zur Landung … Wieder festkrallen in der Armlehne und aufpassen, dass man nicht dem Nachbarn vor lauter Angst zu nahekommt … Am Flughafen Köln/Bonn wartet Max schon auf mich und das Abenteuer Köln kann beginnen. Seine Frau trifft sich in Danzig mit dem Architekten und wir können die Zeit sicher genießen. Wir begrüßen uns ganz förmlich mit Händeschütteln. Schließlich sehen wir uns zum ersten Mal. Und man weiß ja nie, von wem man wo gerade beobachtet wird. Max nimmt wie selbstverständlich meinen kleinen Koffer und wir steigen in sein Auto. Auf der Fahrt erzähle ich ihm meinen letzten Traum. Der war wirklich interessant und ganz bestimmt darauf zu beziehen, wie riskant – oder mutig, wenn man will – das ist, was wir hier tun: „Ich war in einem Haus, in dem hat ein Löwe geschlafen. Ich war ganz vorsichtig, damit ich ihn nicht wecke. Dann hab ich überlegt, in welchem Raum ich schlafen könnte, ohne dass mir der Löwe gefährlich werden kann. Schließlich hat uns nur eine Türe getrennt, die man nicht versperren konnte, aber Angst hatte ich eigentlich nicht.“ „Pah, der Traum ist aber nicht ohne! Kann schon sein, dass dir dein Unterbewusstsein klarmachen will, dass du dich in die Höhle des Löwen oder der Löwin begibst“, antwortet Max. Nach ca. 20 Minuten Fahrt kommen wir beim Hotel an und Max bringt noch mit mir den Koffer aufs Zimmer. Und weil uns hier wirklich niemand sehen kann, wird jetzt erst einmal nach Herzenslust geküsst und umarmt! Köln. 17. Die Begrüßung im NH-Hotel Köln Altstadt dauerte etwas länger. Schließlich mussten wir wissen, ob man auf dem Bett auch gut liegt. Denn bei uns zu Hause arbeiten war o. k., aber ich hätte es Nina gegenüber nicht übers Herz gebracht, Leni bei uns im Ehebett schlafen zu lassen. Allerdings war die Qualität der Matratze im Hotel ausgezeichnet und wir probierten sie ausgiebig. Dann waren wir beide hungrig und ich entführte Leni in eines meiner Lieblingsrestaurants, der Pfeffermühle am Hänneschen Theater. „Dort müssen wir aber beim SIE bleiben, denn man kennt mich und wenn wir zu sehr turteln, kann das böse ausgehen“, sagte ich zu Leni auf dem Weg dahin. „Kein Problem, Herr Mayer. Betrachten wir das als ersten Arbeitsschritt.“ „Apropos Arbeitsschritt, ich möchte dir gern mein Programm erläutern, das ich mir ausgedacht habe.“ „Machen Sie das doch im Restaurant, Herr Mayer.“ „Wie Sie wünschen, Frau Huber.“ Nachdem wir in der Pfeffermühle unser Essen bestellt und das erste Kölsch getrunken hatten, erklärte ich Leni, wie mein Plan aussah. „Heute Nachmittag machen wir die erste Coaching-Session und heute Abend gehen wir ins Gaffel Brauhaus. Morgen können wir zusammen in Ihrem Hotel frühstücken, dann können Sie am Vormittag einen Altstadtbummel mit Dombesuch machen und Ihre neue Kamera nach Herzenslust ausprobieren. Ich muss zu einem anderen Kunden. Nachmittags machen wir die zweite Coaching-Runde und abends gehen wir nach nebenan ins Hänneschen Theater. Am Samstag gibt’s eine Überraschung und keine Arbeit, denn dann fahren wir zusammen mit Irene, Gabriele und Ralph von meinem Fotoclub zu einem Fotoshooting in ein Studio in der Eifel. Da schießen wir alle zusammen Porträts voneinander.“ Den nächsten Satz flüsterte ich: „So bekommen wir auch ein paar offizielle Bilder von uns.“ Leni schmunzelte. „Und am Sonntagmorgen machen wir dann eine letzte Coaching-Sitzung, bevor ich Sie wieder zum Flughafen bringe. Wie gefällt Ihnen das?“ „Oh, Herr Mayer, das klingt großartig. Ich bin froh, dass ich Sie gefunden habe und wir uns kennengelernt haben. Ich spüre jetzt schon, dass die Arbeit mit Ihnen nicht nur ein Vergnügen sein wird, sondern dass wir auch sehr erfolgreich sein werden.“ 18. Sich zu siezen, ist schon eigenartig, wenn man sich eine gefühlte Ewigkeit kennt und von Anfang an das Du gebraucht hat. Wenn Max ‚Frau Huber‘ zu mir sagt, muss ich mir das Lachen verkneifen, aber nach einiger Zeit finde ich in das Spiel hinein und ich denke, wir wirken überzeugend. Auf dem Weg zu Max nach Hause lasse ich Köln auf mich wirken. Es sieht alles ganz anders aus als bei mir zu Hause. Die Bauweise der Häuser und das Leben in den Straßen sind in nichts mit der Wienerstadt zu vergleichen. Da freue ich mich schon aufs Fotografieren und vor allem auf den gigantischen Kölner Dom. Der Weg ist nicht allzu weit. Ich betrete das Haus und wundere mich nur mehr, wie sich Max bei mir zu Hause wohlfühlen kann. Einzelne Teile habe ich ja schon über Skype gesehen, aber die Gesamtheit ist einfach wunderschön. Allein die Aussicht von seiner Terrasse, direkt ins Grüne! Alles sehr elegant und modern eingerichtet, nicht so wie in meiner alten, teilrenovierten Hütte. Man spürt zwar hier nicht viel weiblichen Einfluss – es stehen nicht so viele Kleinteile herum wie bei mir – , aber es wirkt sehr einladend und gemütlich. Ja, hm … gemütlich ist jetzt nicht so wichtig … wir sind zum Arbeiten hier. Wir nehmen an dem großen Tisch im Wohnzimmer Platz und Max bietet mir zuerst mal Kaffee an. Wir plaudern noch mal kurz über unsere Vorhaben in den nächsten Tagen und dann geht’s los. Zuerst lässt er mich einfach über die Situation in der Schule sprechen. Ich beschreibe die einzelnen Personen, besonders die schwierigen, dann die Situationen, in denen deren Verhaltensweisen problematisch werden. Max schreibt konzentriert alles mit. Dazwischen stellt er Fragen, die mich auf Dinge hinweisen, die mir selbst noch nicht bewusst sind. So kommen wir in ein Gespräch, total sachlich und interessant. Das ist schon einmal ganz anders als bei den Coaches in Wien, die ich erleben durfte, wo der Ausgangspunkt gerade Thema genug für zwei gruppendynamische Spiele war. Dann wurde an der Lösung gearbeitet. Die ganze erste Sitzung hier besteht darin, dass detailliert erarbeitet wird, wie die Gegebenheiten sind und was das für die einzelnen Menschen bedeutet. Als Aufgabe bis zur nächsten Sitzung soll ich mir überlegen, was meine Wünsche sind, wo ich hinwill und was meine Ziele sind. Bis dahin würde Max die Inhalte von heute analysieren und dann schauen, wie das zusammenpasst. Es ist faszinierend, wie konzentriert wir gerade arbeiten konnten. Gut, begrüßt haben wir uns schon im Hotel, also ging das mit der Konzentration schon. Max ist sehr darauf bedacht, in seinen eigenen vier Wänden, das heißt im ehelichen Heim, „brav“ zu sein, was ich auch gut verstehen kann. Darum halten wir uns auch nicht länger als nötig hier auf und beschließen, vor dem Abendessen noch ein wenig am Rhein entlang zu spazieren. Ich möchte gern einmal sehen, wo Max so seine Joggingrunden dreht, und versuche, witzig zu wirken, als ich zu ihm sage: „So, so, diese schöne Idylle darf also Bärbel immer mit dir teilen! Das verstehe ich gut, dass ihr das gefällt.“ Er antwortet, als wäre es das Normalste auf der Welt: „Ja, schön hier, ne? Hier kann man es aushalten.“ „Ja genau“, murmle ich und lasse das Thema besser ruhen. „Ich hätte gleich die Kamera mitnehmen sollen“, sage ich stattdessen. Und dann schlendern wir Hand in Hand dahin, ohne viele Worte, einfach Gegend und Ruhe genießend. Irgendjemand dreht bei uns ständig an den Zeigern der Uhr. Und so kommt es uns vor, als wäre zwischen dem tollen Abendessen im Gaffel Brauhaus und dem Frühstück im Hotel kaum Zeit gewesen. Max muss noch nach Hause, um sich umzuziehen, denn er muss ja noch zu einem Kundenbesuch. Ich schnappe endlich mein Goldstück, die neue Kamera, und begebe mich auf Motivsuche in die Altstadt, wo ich auch sehr schnell fündig werde. Als ich dann vor dem Kölner Dom lande, stockt mir der Atem. Ich wusste schon, dass der Dom größer sein muss als unser Steffl, aber der muss hier ja zweimal reinpassen! Kurz recherchiert, wozu gibt es sonst Google? Tatsächlich die Grundfläche des Stephansdoms in Wien beträgt 3500 qm, die des Kölner Doms 8000! Es ist auch gar nicht so einfach, von meiner Position aus das ganze Gebäude auf ein Foto zu bekommen. Ich bin also richtig beschäftigt. Um 11:30 Uhr beschließe ich, hineinzugehen. Ich war einfach nur mehr überwältigt. Meine Fotos im Dom werden nichts Besonderes. Dazu habe ich zu wenig Erfahrung. Kann schon sein, dass ich mir das auch zu einfach vorgestellt habe. Mit meinen Einstellungen komme ich jedenfalls nicht weit. Keine Ahnung, vielleicht hat es was mit den ISOs zu tun. Da werde ich mir professionellen Rat vom Coach holen. Kurz vor 12 werden die Besucher gebeten, die Kirche zu verlassen oder Platz zu nehmen. Es folgt das Mittagsgebet. Wenn ich schon da bin und das miterleben darf, dann setze ich mich doch lieber hin. Punkt 12 Uhr, die große Dreikönigenglocke ertönt und der Pfarrer tritt ein. Und alles lauscht still dem Gebet … Als ich Max auf der Domplatte wiedertreffe, erzähle ich ihm sofort, wie aufregend und überwältigend alles war, und natürlich, dass ich unbedingt eine Schulung brauche zum Fotografieren in Kirchen. In einem Café habe ich zwischendurch meine Hausübung gemacht und ein bisschen darüber nachgedacht, was ich denn in oder mit meinem Team noch erreichen will und was ich mir wünsche. Das war gar nicht so einfach zu formulieren. Aber Max kann das gut verwerten und baut es am Nachmittag bei unserer zweiten Session in seine Notizen ein. So bekommen wir einen guten Überblick über Gegebenheiten und wo es hingehen soll. Bei der letzten Sitzung werden wir über erste Aufgaben reden, die ich dann in Wien umsetzen werde. Ich bin schon sehr gespannt, aber dabei sehr zuversichtlich. Im Kölner Hänneschen Theater werden unsere Lachmuskeln gehörig aktiviert. Es wird also noch einmal richtig lustig, bevor Max mir seine nächsten Pläne erzählt. 19. Im Hänneschen Theater musste ich ab und zu für Leni übersetzen. Wenn Tünnes un Schäl, et Hännesche un et Bärbelche oder der Speimanes in purem Kölsch loslegen, bleibt kein Auge trocken. Für Nichtrheinländer ist aber das eine oder andere unverständlich, was die seit 1802 spielenden Holzpuppen so von sich geben. Wenn die Puppen durch Knollendorf springen und tanzen und ihre Späße treiben, lacht Groß und Klein sich halbtot. „Dä Schäl luurt dir mem linke Auch en de rächte Täsch“, sagte Bärbel zum Polizisten. „Du dräckelije Köter, maach dat de Land jewinns“, sagte Schäl zum Polizisten. Im realen Leben wohl undenkbar. Mit lachenden Augen verließen wir später das Theater und ich begleitete Leni noch zum Hotel. Auf dem Weg erzählte ich ihr von meinem Plan, in drei Wochen zu einem fünftägigen Fotoworkshop nach Tunesien zu fahren. „Der wird von Carola, einer Fotografin aus Mainz, organisiert, mit der ich auch schon in Lissabon war. Und diesmal fährt nicht Irene sondern Elvira von unserem Fotoclub mit.“ „Und was sagt Nina dazu, dass du mit Elvira eine Woche unterwegs bist?“ „Nichts, wir fahren ja zum Fotografieren. Da denkt sie sich nichts dabei, glaube ich. Ich war ja auch im letzten Oktober schon mit Elvira zu einem Wochenend-Fotoworkshop in München.“ „Und ihr wohnt da sicher immer im gleichen Hotel, oder? Was würdest du sagen, wenn ich mit einem Mann solche Eskapaden machte?“ „Nichts, wieso? Wir machen doch nichts außer Fotos, schauen die abends zusammen in der Gruppe an und bekommen Tipps von Carola, was wir anders bzw. besser machen könnten. Außerdem stellt sie uns für jeden Tag neue Aufgaben. Da bleibt wenig Zeit für Eskapaden.“ „Also ich muss dir sagen, ich finde das nicht in Ordnung, dass du mit Elvira solche Sachen machst. Ich bin sicher, sie hat noch andere Erwartungen, wenn ihr zusammen wegfahrt.“ „Ach Quatsch. Und selbst wenn sie die hätte, ich will ja nichts anderes, also gibt’s das auch nicht.“ „Mein lieber Max, du redest so wie mein verstorbener Günther. Der hat auch immer beteuert, mit der Frau seines Freundes sei nichts weiter. Und nach seinem Tod musste ich dann erfahren, dass sie lange Zeit ein Verhältnis hatten und sich immer unter der Woche gesehen haben, während ich gearbeitet habe.“ „Liebste, ich weiß das. Das hast du mir schon mal erzählt. Aber ich bin Max, nicht Günther. Wenn du kein Vertrauen zu mir haben kannst, haben wir keine gute Basis miteinander. Bei unserer Fernbeziehung und bei den nur gelegentlichen Treffen ist Vertrauen die Grundvoraussetzung. Mehr noch als bei normalen Paaren. Kannst du da mitgehen.“ „Ja, ich vertraue dir ja auch. Aber manchmal werde ich halt an alte Wunden erinnert und dann bricht es aus mir heraus.“ „Du sollst mir ja auch sagen, was dich bewegt und wo ich Dinge tue, die dich traurig machen. Ich bin oft sehr spontan in meinen Entschlüssen und brauche dann deinen regulatorischen Faktor. Aber lass uns das Thema jetzt mal beenden.“ Wir standen inzwischen vor ihrem Hotel und ich fragte mich ernsthaft, ob ich noch mit aufs Zimmer gehen sollte. Da sagte Leni: „Du hast recht. Es war so ein schöner Tag heute und wir wollen ihn noch ein bisschen schöner beenden. Komm, lass uns hineingehen.“ Am nächsten Morgen holte ich zuerst die anderen drei Mitglieder aus dem Fotoclub ab und dann Leni bei ihrem Hotel. Wir fuhren in die Eifel nach Hillesheim, wo ich eine Fotografin kannte, die uns ihr Studio für vier Stunden vermietete. So konnten wir uns gegenseitig mit unseren Kameras fotografieren, wobei wir viel Spaß hatten. Leni konnte ihre Kamera nicht benutzen, weil kein externer Blitz daran angeschlossen werden konnte. Also teilten wir uns meine NIKON 750 und später in ihrem Hotel schauten wir dann gemeinsam die Ergebnisse an. Wir hatten beide ein paar nette Schnappschüsse sowohl von uns gegenseitig als auch von Irene, Gabriele und Ralph gemacht. Da wir am Donnerstag schon in der Gaffel Brauerei gewesen waren, probierten wir am Abend die Malzmühlen Brauerei am Heumarkt aus. Auch hier gefiel es Leni sehr gut und nach ein paar Kölsch fielen wir in ihrem Hotelbett hungrig übereinander her. Wir hätten vielleicht auch in der Malzmühle was essen sollen .. Am Sonntag frühstückten wir bei mir zu Hause und machten dann die letzte Coaching Session. Ich hatte mir ein paar Dinge überlegt, was Leni mit ihren schwierigen Mitarbeitern anders machen sollte, und wir übten das in Rollenspielen. Dabei merkte ich, wie ernst sie die Sache nahm und wie wichtig ihr die Verbesserung ihrer Führungsqualität ist. „Wann wollen wir das nächste Coaching machen?“, fragte ich sie auf dem Weg zum Flughafen. „Von mir aus in ein paar Wochen, vielleicht kommst du dann nach Wien.“ „Sicher, ich checke nachher mal meinen Kalender und mach dir einen Vorschlag. Ich glaube, das Wochenende nach dem Workshop in Tunesien ist noch frei, aber ich muss schauen, was Nina da geplant hat. Ich schreib dir dann später.“ „Schön, dass wir diese Möglichkeit des Coachings gefunden haben. So können wir wirklich das für mich Wichtige mit dem Angenehmen verbinden“, sagte sie, bevor wir am Flughafen ankamen und ich das Auto parkte. Beim Verabschieden am Security Eingang nahm ich sie in den Arm, drückte sie ganz fest, küsste sie und sagte: „Liebste, ich fand unser verlängertes Wochenende ganz toll und ich liebe dich. Ich freue mich schon sehr, in ein paar Wochen nach Wien zu kommen und da weiterzumachen, wo wir heut aufgehört haben.“ Als ich ihr durch die Glasscheibe auf dem Weg zum Handgepäckcheck zuwinkte, fiel mir ein, dass ich eben sehr unvorsichtig gewesen war, sie hier in der Öffentlichkeit zu küssen. ‚Ach was soll’s, et hätt noch immer joot jejange.‘ Köln-Wien. 20. Ach, war das wieder eine schöne Zeit, unser erstes Treffen in Köln! Dass man Zweisamkeit so intensiv erleben und dabei rundherum alles vergessen kann, ist für mich wie ein Wunder. Max ist für mich ein Wunder. Im ersten Moment denke ich dann immer, das kann doch jetzt nicht wahr sein, wenn er mir freudestrahlend erzählt, was denn als Nächstes auf seinem Abenteuerplan steht. So als wäre es die harmloseste Sache, die es gibt. Nun bin ich auf dem Heimflug so sehr mit meinen Gedanken daran beschäftigt, dass gar keine Zeit für Flugangst bleibt. Mit Elvira eine ganze Woche nach Tunesien!!! Natürlich ist der Fotoworkshop an sich eine tolle Sache. Und ich glaube ihm schon, dass auf der Reise nichts passieren wird, was uns schadet. Aber muss erst was geschehen? Für mich ist allein die Tatsache, dass Max genau weiß, dass Elvira sich mehr erhofft, Grund genug, dass er das nicht tun sollte. Dass Nina dem zustimmt, werde ich sowieso niemals verstehen. Warum macht ein Mann einer Frau absichtlich solche Hoffnungen? Warum setzt er Signale, die er in Wirklichkeit nicht meint? Wie soll sie das wissen? Elvira MUSS doch annehmen, dass von seiner Seite ein Interesse besteht, wenn er mit ihr so eine Reise macht. Die beiden müssen gar nicht erst miteinander ins Bett gehen, um mich zu kränken und zu verletzen. Schon ihr Blick auf den Fotos ist eigentlich genug. Dann sind sie dort eine ganze Woche zusammen. Im selben Hotel … Sie frühstücken jeden Morgen zusammen, gehen miteinander auf Fototour und sitzen abends gemütlich – vielleicht mit den anderen – beisammen. Dass keine Gelegenheit zum Alleinsein ist, kann Max der Tante Fini erzählen (so sagt man bei uns, wenn jemand Märchen erzählt). Schon bei dem Gedanken rinnen mir kleine Tränen über die Wangen. Hat das wirklich mit Vertrauen zu tun? Das kann ich mir nicht vorstellen. Ich glaube ihm ja, dass er nichts vorhat und dass er einfach den Fotoworkshop genießen will. Aber eine verliebte Frau kann ungeahnte Register ziehen, wie wir bereits wissen. Und wie komme ich dazu, hunderte Kilometer entfernt zu Hause zu sitzen, mit dem Wissen, dass der Mann meiner Träume Urlaub mit einer anderen macht, dass sie ihm vielleicht gerade in die Augen sieht, oder sie sich mit einem guten Glas Prosecco zuprosten (… Prosecco!!!) oder Seite an Seite in irgendeiner Straßenbahn sitzen? Max ist sonst so ein verständnisvoller Mensch. Er spürt alles, was mich bewegt. Er sagt auch immer wieder, dass er mir nicht wehtun will. Warum tut er es dann, frage ich mich immer öfter. Oder verlange ich wirklich zu viel von ihm? Müsste ich das alles tolerieren, weil ich ihn liebe? Da war es doch unbedingt notwendig, die umgekehrte Frage zu stellen, ob ihm das nichts ausmachen würde, wenn ich mit einem anderen Mann genau das Gleiche täte. Er hat tatsächlich nein gesagt, das wäre ganz normal für ihn. Ich glaube, dass das eine unbedachte Aussage war, um mich zu beruhigen. Er hat sich doch schon Sorgen gemacht, als ich letztens von meinen beiden männlichen Kurbekannten einmal zum Essen eigeladen wurde. Vielleicht müsste ich mit einem der beiden einmal einen Ausflug machen, so über ein Wochenende oder so … Dumm nur, dass ich niemandem falsche Hoffnungen machen möchte … Zu Hause in Wien sind die ersten beiden Tage wieder schwierig. Die Sehnsucht ist, glaube ich, im Flieger mitgeflogen und hat sich mir an die Fersen geheftet. Wir schreiben einander auch wie immer sehr liebevoll, zuerst traurig und dann bewusst positiv, damit nur ja keine Depression aufkommt. Daher planen wir sofort das nächste Coaching. Das erste hat ja hervorragend funktioniert. Köln-Tunesien-Wien. 21. Nun saß ich also im Flieger mit Elvira und wir freuten uns auf Tunesien. Zuerst ging’s nach Tunis, wo wir zwei Tage bleiben wollten, um die Stadt kennenzulernen, aber auch, um Elviras Geburtstag zu feiern. Unsere Hotelreservierung hatte irgendwie nicht geklappt und so mussten wir zuerst noch mit einem lokalen Taxifahrer nach einer Alternative suchen. Das dauerte einige Zeit, aber so sahen wir schon ein paar Straßen und das geschäftige Gewusel der Stadt. Das Hotel, zu dem der Fahrer uns brachte, war eher drittklassig, aber zumindest sauber, und dann saßen wir abends in einem Straßenlokal und stießen mit einem Glas Wein auf den Geburtstag an. Ich machte ein Foto mit dem Handy von Elvira und schickte es Leni. Kaum war es weg, dachte ich: ‚Oh, was wird sie sich jetzt wieder von uns hier zusammenfantasieren?‘ Dabei unterhielten wir uns nur ganz locker. Elvira sagte mir zum wiederholten Mal, wie sie sich über die Reise mit mir und auf den Workshop freue und dass sie das allein niemals gemacht hätte. Leni reagierte auf das Bild gar nicht, was mir bestätigte, dass ich sie schon wieder verletzt und traurig gemacht hatte. ‚Blöd, ich bin aber auch manchmal ein Trampeltier. Ich glaub, ich schicke jetzt nur noch Fotos von Architektur, Landschaften oder Marokkanern, aber keins mehr von Elvira.‘ Zwei Tage später waren wir dann in Kairouan und trafen Carola, die den Workshop leitete, sowie Sibille, Anke und Horst, die ebenfalls daran teilnahmen. Am nächsten Tag kam noch Omar hinzu, der Carola bei der Durchführung unterstützte und mit dem wir einige der Bilder von Einheimischen machten. Er fragte jeweils die Menschen vorher, ob wir Fotos machen dürften, und die meisten waren auch einverstanden. So gelangen uns viele schöne Motive und wir hatten Spaß dabei. An den letzten beiden Tagen wurde Elvira krank (eine Mischung aus Grippe und Durchfall), sodass sie nicht mehr mit uns gehen konnte und ich mich zeitweise um sie kümmerte. Auf der Rückfahrt zum Flughafen nach Tunis und später von Frankfurt nach Köln schleppte ich Elviras Koffer und besorgte ihr was zu essen und zu trinken, denn sie war doch sehr schlapp. Erst als ich sie in Köln mit dem Taxi zu Hause abgeliefert hatte, fühlte ich mich wieder wohl und konnte selbst nach Hause fahren. Nina empfing mich etwas frostig: „Na, du Weitgereister, auch wieder mal da?“ „Ja, und ich bin sehr froh darüber.“ Dann erzählte ich ihr von den schönen Teilen der Reise und von den Strapazen am Ende und sie meinte dann: „Du musst ja auch immer den Samariter spielen, kein Wunder, dass dich andere Frauen mögen. Habt ihr denn wenigstens in zwei Zimmern geschlafen oder musstest du auch nachts Elviras Hand halten?“ „Blödsinn, nachts waren wir natürlich alle immer in unseren eigenen Zimmern.“

In Tunesien hatte ich auch schon mit Leni per Chat den Termin für das nächste Coaching ausgemacht und das Datum rückte langsam näher. Nina machte auch dazu wieder eine Bemerkung: „Immer noch ständig auf Achse, der Mann, entweder zur Krankenpflege nach Tunis oder zum Händchenhalten nach Wien. Hast du auch noch mal Zeit für mich?“ „Ja, immer zwischen meinen Reisen und demnächst, wenn wir das Haus in Danzig renovieren, werden wir sicher mal wieder längere Zeit zusammen sein.“ „Da bin ich gespannt, nicht dass du zwischendurch dann auch mal wieder woanders hinfliegst.“ Am Flughafen in Wien holte mich Leni mit dem Auto ab und brachte mich in eine Pension auf einem Bauernhof in Wolkersdorf, nicht weit von ihrem Wohnort. Ich wollte bewusst nicht bei ihr übernachten, denn ich hatte so das blöde Gefühl, dass Nina zwischendurch mal anrufen würde. So war es dann auch. Abends meldete sie sich und fragte: „Na, wie lief es heute?“ „Wir haben schon die erste Coaching Runde hinter uns und ich bin jetzt zurück in meinem Zimmer. Morgen Vormittag geht’s weiter.“ Ich erzählte ihr nicht, dass Leni dabei neben mir im Zimmer war und wir nach dem Telefonat noch ein paar kleine nette Spielchen miteinander machten, diesmal nicht Wordox .. Vier Wochen später, Nina suchte grad in Danzig zusammen mit Radek, ihrem Architekten, nach Handwerkern für die Renovierung, kam Leni wieder zum Coaching nach Köln. Leider nur von Freitagabend bis Sonntag, mehr Zeit blieb ihr wegen der Abiturprüfungen in der Schule nicht. Aber uns blieb dennoch genügend Raum für Arbeit und Vergnügen. Wordox. 22. Ein Wordox-Spiel zwischen Leni und Max hatte auch eine gewisse Komik, zumindest für Max. Leni war nicht so begeistert. Mitten in der Nacht hatte Max mit mehreren Spielern bzw. Spielerinnen noch gespielt. Das Spiel mit Leni sah so aus:

Im Chat schrieb Max an Leni: Liebste Karla, ich finde, du bekommst immer viel bessere Buchstaben als ich. Find ich ungerecht. Leni antwortete früh am nächsten Morgen:

Wien. 23. Während Max am Fotoworkshop in Tunesien teilnimmt, versuche ich, mich zu Hause gut abzulenken. Nach der Arbeit schnappe ich oft sofort meine Kamera und mache mich auf den Weg irgendwo hin. Beim Fotografieren kann ich gut abschalten, weil ich mich auf die Motive konzentriere. Abends treffe ich Freundinnen oder meine Schwester. Ich halte mich jetzt aber sehr zurück mit Erzählungen über Max. Es müssen nicht alle alles wissen. Ich möchte es nach unserem Neustart langsam angehen, nicht so voreilig wie vor unserer Trennung. Außerdem plagen mich manchmal diese Gedanken wegen der anderen Frauen. Das ist nicht gut. Ich weiß. Aber wie kann ich das abstellen, wenn Max es nicht tut? Manchmal kommt mir vor, er trifft sich sogar immer öfter mit seinen Freundinnen. Oder erzählt er es mir jetzt nur öfter, weil er ehrlich sein möchte? Als Max wieder zu Hause ist, nimmt er sich, sobald es geht, Zeit, um mit mir zu telefonieren. Er erzählt von der tollen Gegend, von Tausenden Fotos, die sie alle zusammen gemacht haben, und davon, wie er die arme, kranke Elvira gepflegt und versorgt hat. Ach ja, ihren Geburtstag hat er auch mit ihr allein gefeiert und er hat zwei Tage nur mit ihr in einem Hotel in Tunis gewohnt, bevor sie gemeinsam zu den anderen gefahren sind. Ich sage nicht mehr viel dazu, genauso wie ich das ‚Strahlefoto‘ von Elviras Geburtstag ignoriert habe, nur eins noch: „Liebster, bitte hör auf, mit anderen Frauen wegzufahren! Das tut unheimlich weh! Ich will dir auf der einen Seite ja nichts verbieten. Ich will dir nur sagen, dass ich das nicht aushalte.“ Wenn mir dann noch so kleine Hoppalas in Erinnerung kommen wie das mit der „Liebsten Karla“ in Wordox und Erzählungen von seiner Fahrt nach München mit Elvira, dann fügt sich da in meiner dummen Fantasie ein Bild zusammen, das manchmal glaubwürdiger ist als die Wirklichkeit. Gut, München war in der Zeit, als wir getrennt waren. Und ich war da auch keine Heilige. Aber gerade deshalb könnte er doch auch recht anfällig gewesen sein für die circende Elvira. Das ist, wie gesagt, alles nur blühende Fantasie und wäre normalerweise keinen Gedanken wert, wenn Max in diesem Punkt etwas einfühlsamer wäre … oder ich weniger eifersüchtig … In den Wochen darauf bemüht sich Max sehr und beschränkt sich auf Joggen mit Bärbel und Fotografieren – immer noch – mit Elvira. Und ich versuche alles, die alten Sachen zu vergessen. Zum Glück fällt es uns beiden leicht, unsere liebevolle Kommunikation beizubehalten. Es liegt uns sichtlich beiden etwas daran, dem anderen entgegenzukommen. In den Chats kommen immer mehr Herzen und Umarmungen dazu und Max versucht auch öfter anzurufen. Fast ganz überzeugen kann er mich, als er mir schreibt: Zu meiner Liebe zu dir fällt mir folgender BAP-Text ein: „Sie määt süchtig.“ Den ganzen langen Text schickt er mir in einer Nachricht und ich schmelze wieder einmal dahin. Die wunderbaren Fotos von Tunesien lassen die letzten Zweifel verschwinden. Ich schicke Max meine ersten Fotos vom Kölner Dom und er ist entzückt: „Die sind dir aber gut gelungen! Gar nicht so einfach, diese Ansicht so hinzubekommen. Alle Achtung!“ Irgendwann kommt dann doch noch einmal Max’ spontanes Verhalten zum Einsatz. Zum Glück kenne ich Gabriele schon vom Fotografieren in der Eifel. Daher ist es jetzt im Rahmen, dass Max von ihrem neuen Buch sehr ergriffen ist und auch gleich die Einladung zu ihrer Buchpräsentation annimmt, von der er um 1:00 morgens nach Hause kommt. Ich nehme das ausnahmsweise sehr locker. Nicht ganz so locker sehe ich, dass Max mit Irene zwei Tage nach Hamburg fährt, natürlich, um Fotoausstellungen anzusehen. ‚Komisch, das haben wir in München auch gesagt …‘ Bei Irene bin ich mir noch nicht sicher. Sie war ja auch mit im Fotostudio. Wenn ich Max mit ihr sehe, habe ich zwangsläufig das Gefühl, da war zumindest einmal was, und wenn es schon lange her ist. Die beiden haben so einen zarten, ja tatsächlich liebevollen Umgang miteinander, der für eine Freundschaft im eigentlichen Sinn nicht typisch ist. Da taucht sie wieder auf, die Frage: ‚Gibt es reine Freundschaft zwischen Mann und Frau?‘ Ja, und jetzt verbringen die beiden eine Nacht – im gleichen Hotel. ‚Mann, sag mir, wie soll ich da diese Gedanken loswerden?‘ Köln-Salzburg. 24. Mit Irene zwei Tage nach Hamburg zu fahren, um Fotoausstellungen zu besuchen, war wieder mal ein spontan im Fotoclub entstandenes Ereignis. Ich hatte das angesprochen und gefragt, wer mitfahren möchte. Zuerst wollten Rudolf, Ralph und Elvira es sich auch überlegen, dann blieb doch nur Irene übrig. Aber da wir zwei uns sehr gut und schon sehr lange von der gemeinsamen Arbeit kennen, wurde das ein tolles Wochenende. Und im Gegensatz zu Lenis Fantasien ging und geht es bei uns nicht um Sex. Wir sind gute Freunde und verstehen uns sehr gut. Ein Außenstehender könnte uns tatsächlich für ein Paar halten, aber das sind wir nicht, nur artverwandte Seelen. Nachher erzählte ich Leni davon und schlug ihr auch vor, dass wir uns in drei Wochen noch mal in Salzburg treffen sollten. „Ich fahre in der Woche zu den Kindern nach Würzburg und könnte dann nach Salzburg weiterfahren. Kannst du dir den Freitag freinehmen? Dann sehen wir uns Salzburg etwas genauer an. Beim letzten Mal war das doch sehr kurz.“ Leni schrieb mir einige Zeit später zurück:

Die nächsten Wochen gingen sehr schnell vorbei, ich hatte bei meinem Kunden auch einiges zu tun und Nina war viel damit beschäftigt, den Kauf und die Renovierung des Hauses in Danzig vorzubereiten. Als ich ihr erzählte, dass ich nach dem Besuch bei meinen Kindern noch mal nach Salzburg fahren wollte, sagte sie: „Ich würde ja mitfahren, aber das geht grad nicht. Ich muss noch mal nach Danzig. Du weißt, wie viel Radek als Architekt in Berlin beschäftigt ist und da nützen wir das Wochenende und besprechen vor Ort im Detail alle Maßnahmen, die notwendig sind im Haus. Und im September fahren wir beide dann hin und kümmern uns um die Renovierung und die notwendigen Umbauten. Darauf freue ich mich schon sehr.“ Uff, Schwein gehabt. So traf ich also Leni zum zweiten Mal in Salzburg und es regnete in Strömen. „Herzlich willkommen“, sagte ich zu ihr, „es sieht so aus, als ob wir heute Abend schnell was essen gehen und es uns dann unter der Bettdecke gemütlich machen.“ „Das ist nicht die schlechteste Aussicht.“ Am nächsten Morgen sah es draußen genauso aus. Also verlängerten wir die Nacht, bis wir um kurz vor zehn zum Frühstück mussten. Dort sagte ich zu Leni: „Der Wetterbericht sagt den ganzen Tag Regen voraus, da werden wir wohl eher indoor Bilder machen. Was meinst du?“ „Ich denke, die Festung, das Festspielhaus und das Mozarteum bieten uns schon einiges und dann könnten wir noch ins Museum gehen. Wir bringen den Tag schon rum.“ „Zur Not können wir immer zurück ins Hotelzimmer zum Trocknen und Aufwärmen. Wenn ich daran denke, könnten wir auch gleich hierbleiben.“ „Die Aussicht gefällt mir auch. Da wir genug Zeit haben, können wir ja vor dem Rundgang noch mal unser Zimmer ein wenig nutzen. Schließlich zahlen wir ja dafür“, sagte Leni schmunzelnd. Später, als wir im Museum waren, erzählte ich Leni, dass ich im September für ca. drei Monate mit Nina nach Danzig müsste. „Aber Mitte Oktober komme ich für 10 Tage zurück, da habe ich zwei Termine zum Training in einer Schule in Düsseldorf und in Dortmund. Das Bewerbungstraining an Schulen mach ich seit einiger Zeit ehrenamtlich und es macht mir große Freude, mit den Jugendlichen zu arbeiten. Du könntest da vielleicht nach Düsseldorf fliegen statt nach Köln, denn zwischen den beiden Terminen liegt ein Wochenende.“ „Drei Monate sind aber eine sehr lange Zeit, aber wenn wir eine Unterbrechung im Oktober haben, ist alles gut. Dann schau ich, dass ich bald die Flüge dafür buche.“ Der Regen in Salzburg wurde nicht viel weniger und so hatten wir am Sonntag auch noch ausgiebig Gelegenheit, die wärmende Bettdecke und unsere Kopfkissen, aber auch die Dusche im Hotel zu nutzen. Fotos hatten wir kaum gemacht, und wenn, dann waren es Spiegelungen im Regen. So verabschiedeten wir uns am Bahnhof in Salzburg bis Oktober in Düsseldorf, auch wenn mir das als Kölner schwerfiel. Leni schaute sehr traurig aus dem Fenster und ich musste auch ein paar Mal schlucken, denn jetzt wären es fast zwei Monate, bis wir uns wieder treffen würden. Salzburg-Wien. 25. Da hat er uns voll erwischt, der berühmte Salzburger Schnürlregen. Wenn der einmal loslegt, kannst du dein Programm umplanen. Sonnige Fotos für meine schöne Kamera gibt’s da nur wenige. Max zeigt mir, wie ich Spiegelungen in Pfützen gut fotografieren kann. Ganz tief runter mit der Kamera, so nah wie möglich ans Wasser. Aber ganz ohne Sonne sieht sogar das traurig aus. Wir machen das Beste daraus, müssen wir ja die nächste Zeit ganz ohne unsere Zärtlichkeiten auskommen. So genießen wir im warmen, trockenen Hotelzimmer jedes Stück Haut, jede Streicheleinheit und jeden Kuss doppelt. Beim Abschied am Bahnhof fällt es uns beiden schwer, uns zusammenzureißen. Aber wir sind trotzdem sicher, dass wir die zwei Monate gut überbrücken werden. Max und Nina sind mit der Renovierung des Hauses in Danzig zugange und ich beginne inzwischen endlich mit dem Umbau meiner alten Küche. Längst fällig, habe ich mich vor ein paar Wochen in die Planung gestürzt, Angebote eingeholt, und in einer Woche wird angefangen. Und die Zeit wird uns diesmal wirklich nicht lang. Wir schreiben uns täglich, wenn möglich mindestens morgens und abends. Die eine oder andere Hunderunde muss für ein Telefonat herhalten. Lady sollte mich jetzt schon an der Stimme erkennen, würde sie mich nicht schon von Köln kennen. Man könnte meinen, Danzig sei nur wenige Kilometer entfernt. Wir halten uns mit Fotos von unseren Baustellen auf dem Laufenden und leben so fast unser gemeinsames Leben. Manchmal wird es bei Max und Nina spät und er kann sich erst melden, wenn ich schon schlafe. Aber das ist nicht so schlimm. Erstens passiert bei den beiden sowieso nichts, und wenn doch, sie sind ja immerhin noch verheiratet … In dieser Zeit mehren sich wieder die Probleme in der Schule. Daher können wir auch manchmal offiziell telefonieren. Ferncoaching sozusagen. Das genießen wir auch beide sehr. Das bisschen Freizeit, das mir bleibt, ist jetzt auch verplant. Ich habe in meiner Umgebung einen Fotoclub gefunden. Ich möchte mich gern weiterentwickeln und etwas lernen. Da dachte ich, ist so was genau richtig. Aber ich bin sehr gespannt, ob das wirklich so klappt, denn die Clubmitglieder sind zwar durchweg sehr sympathisch und freundlich, aber offensichtlich ein festgefahrener Haufen. Es ist eine Runde von älteren Leuten, die schon vor vielen Jahren analog fotografiert haben. Jetzt haben sie sehr verschiedene Ansichten zur digitalen Fotografie und auch unterschiedlichstes Können. Die Ehefrauen der fotografierenden Herren machen am liebsten Urlaubsfotos. Aber richtige. Häuserfront von vorne, damit alles drauf ist. Ja keine Menschen aufs Bild, die könnten stören, und so weiter … Und meine erste Frage nach Clubaktivitäten wurde bereits aktiv ignoriert. Was man so alles tut, um sich abzulenken! Danzig-Köln-Düsseldorf. 26. Am 21. September fuhr ich mit Nina für die nächsten Monate nach Danzig, um die Hausrenovierung zu begleiten und zu überwachen. Wir wohnten mit Lady in einem kleinen Apartment und verbrachten die meiste Zeit auf der Baustelle, in Baumärkten und bei und mit Handwerkern. Denn das Haus war preislich günstig gewesen, dafür musste fast alles neu gemacht werden. Nach zwei Wochen sah das Gebäude innen aus wie im Rohbau. Und nach sechs Wochen, als ich für 10 Tage zurückflog war innen schon vieles wieder neu hergestellt. Vor allem das oberste Stockwerk, in dem Nina drei frühere Wohnungen zu einem Penthouse zusammenlegen wollte, hatte schon ein ganz anderes Gesicht als früher. Radek wollte auch von Berlin aus nach Danzig kommen, um sich das anzusehen. Am nächsten Tag war ich morgens in einer Gesamtschule in Mülheim, um eine 10. Klasse im Bewerbungstraining fit zu machen. Nachmittags holte ich Leni in Düsseldorf ab und wir fuhren zum Hotel Schumacher in der Worringer Straße. Die Begrüßung verlief stürmisch und intensiv, denn wir hatten uns fast zwei Monate nicht gesehen. Am Samstag fuhren wir zusammen zum Landschaftspark in Duisburg (LAPADU), wo wir uns wieder mit unseren Kameras austobten. Leni erzählte mir von ihrem neuen Fotoclub, wo sie es bisher nicht geschafft hatte, die Mitglieder zu gemeinsamen Aktionen zu bewegen. Ich schlug ihr vor, dass sie einfach einen Ort aussuchen sollte, an dem sie gern fotografieren wollte und dann in der Gruppe fragen sollte, wer mitkommen wolle. „Vielleicht brauchen die Damen und Herren einfach einen Schubs, damit sie mitmachen.“ Sonntags fuhren wir nach Oberhausen und besichtigten den alten Gasometer und das Industriemuseum. Am Montag musste ich vormittags in die Martin Luther King Gesamtschule nach Ratingen und Leni fuhr nach Moers. Nachmittags trafen wir uns wieder in Düsseldorf und abends war unser Wochenende schon wieder vorbei, denn Leni musste zurück. Wir waren beide wieder sehr traurig, denn das nächste Treffen würde erst Anfang Januar stattfinden, da ich in einigen Tagen wieder zur Baustelle nach Danzig zurückmusste. Nach einer weiteren Unterrichtseinheit in Ratingen fuhr ich am Dienstag nach Köln und schaute in unserem Haus nach dem Rechten. Es gab einiges an Post nachzuarbeiten und nach drei Tagen flog ich wieder nach Danzig. Die Zeit dort sauste geradezu vorbei, denn täglich gab es irgendetwas zu tun. Am Wochenende konnten Nina und ich mal ausspannen und in die Sauna gehen. Immer wenn ich die Chance hatte, rief ich Leni an und wir schrieben uns täglich viele Botschaften. So waren wir auch über die Entfernung immer verbunden und wussten, was der andere gerade macht. Drei Tage vor Weihnachten wurde der größte Teil des Hauses fertig und wir bekamen an Heiligabend Besuch von unseren Töchtern. Wir hatten alle zusammen ein sehr schönes Weihnachtsfest, das wir zum Teil im der neuen Penthouse Wohnung verbrachten. Nina und ich wohnten noch in dem angemieteten Apartment, aber Lisa und Elke schliefen in einem der fast fertigen Schlafzimmer. Die restliche Renovierung der Wohnung wollten wir im neuen Jahr abschließen und gemütlich einrichten. Zeitweise konnten wir auf der neuen Terrasse sitzen, denn tagsüber war es sehr schön sonnig und angenehm warm. Lisa erzählte von ihren Projekten beim WDR, wo sie viele neue Aufgaben für Filmdesigns übernommen hatte. Elke stöhnte über die Last der vielen Patientinnen, die sie im Praktikum als angehende Ärztin in der Uniklinik zu betreuen hatte. Nina fragte wieder mal danach, ob sie denn noch keinen Partner fürs Leben gefunden hätten. Beide Frauen rollten die Augen und Elke meinte: „Mama, wir sind noch jung und denk dran, was Oma immer gesagt hat: Auf jeden Topf findet sich ein Deckel.“ „Aber wenn ihr nicht bald einen passenden Deckel findet, kann ich mir die Gedanken an Enkel wohl abschminken.“ „Tja, Mama, damit musst du dann wohl leben.“ An Sylvester konnten wir von der Terrasse alle zusammen das Feuerwerk über der Stadt genießen. Ich schaffte es auch ein paar Botschaften mit Leni um Mitternacht auszutauschen, ohne dass die anderen es bemerkten, weil alle mit ihren Handys beschäftigt waren. Am 2. Januar kehrte ich mit Elke und Lisa wieder nach Köln zurück, wo sich ein großer Postberg bei unserer Nachbarin angesammelt hatte. Ich machte nur das Notwendigste und fuhr am 4. Januar mit dem Zug zu Alexander nach München. Anna war auch dahin gekommen und so feierten wir Weihnachten zusammen nach, bevor ich mich am nächsten Tag auf den Weg nach Bratislava machte. Wien-Düsseldorf. 27. Der September und der Oktober bedeuten nicht nur in der Schule viel Arbeit. Auch zu Hause in meiner Küche geht es etwas vorwärts. Alle Wände werden neu gemacht, ebenso Decke und Boden. Auch die Stromleitungen, wenn schon alles offen ist. Die schwerste Arbeit übernimmt mein Schwager. Die alte massive Holzküche zu zerlegen, ist nichts für schwache Muskeln. Aber er schafft das, und vier Wochen später habe ich in dem Raum wunderschöne neue Wände. Die Küche ist bestellt, der Liefertermin steht. Es sieht alles gut aus mit meinem Flug nach Düsseldorf. Von Freitagabend bis Montag haben wir diesmal volles Programm und meine Kamera kommt groß zum Einsatz. In Düsseldorf bin ich wieder einmal allein unterwegs, was mir mittlerweile gar nichts mehr ausmacht. Ich unternehme sogar eine Schiffsrundfahrt auf dem Rhein, wo mir ein paar nette Schnappschüsse gelingen. Im Medienhafen zum Beispiel kann ich mit meinem tollen Tele ein Brautpaar vor dem Hotel Hyatt Regency einfangen, das vor dem silbernen Spiegelei posiert. Die großartige Architektur dort hat es mir gleich angetan, deshalb komme ich auch später mit Max noch mal hierher. Am Rheinufer ist gerade ein großer Vergnügungspark aufgebaut, mit einem gewaltigen Riesenrad und allem Drum und Dran. Ich denke, das ist wohl die bekannte Rheinkirmes. Max erklärt mir aber, dass dafür nicht die richtige Zeit sei. Das müsse eine andere Veranstaltung sein. „Oh, es ist aber mächtig was los hier“, staune ich. Am Samstag fahren wir gemeinsam nach Duisburg, wo wir den Landschaftspark mit seinem riesigen Hochofen besichtigen. Dort haben wir beide die Kamera mit und fotografieren um die Wette. Da gelingen uns ein paar herrliche Aufnahmen und die Ideen fließen. Kein Wunder, der Herbst zeigt sich auch von seiner schönsten Seite. Am Sonntag ist es im großen Einkaufcenter von Oberhausen, dem CENTRO, relativ ruhig. Es haben nur die Lokale geöffnet. Der große Park dort bietet uns wieder einige fotografische Sensationen. Die geschwungene Brücke allein beschäftigt uns über eineinhalb Stunden. Hier mache ich quasi meine ersten Erfahrungen mit Street-Fotografie. Max zeigt mir, wie ich am besten unauffällig Leute fotografiere. Und ich stelle fest, das macht Spaß. Am Montag in Moers bin ich wieder allein unterwegs, während Max bei der Arbeit ist. Hier erinnere ich mich besonders gut an mein Missgeschick beim Fotografieren. Im Ort ist ein wunderschöner Teich mit unendlich vielen Fotomotiven. Jede Menge Enten und Schwäne tummeln sich dort, als ob sie als Models engagiert wären. Man muss einfach nur den Auslöser drücken. Aber ich muss wieder irgendwas vergessen haben, bemerke ich. Die Fotos werden eigenartig düster, obwohl herrliches Licht ist und die Einstellungen stimmen sollten. Fast eine Stunde brauche ich, bis ich draufkomme, dass ich nach den letzten Aufnahmen in einer Kirche die ISO-Zahl nicht zurückgestellt habe. Sehr ärgerlich, denn ich muss weiter, weil ich pünktlich am Bahnhof sein muss, wo Max mich abholt. Es ist so weit, wieder einmal ist der Abschied nah. Ich versuche, beim Kaffee die Situation mit Erzählungen vom Fotoclub aufzuheitern: „Letztes Mal hatten wir uns endlich zum ersten Mal ein Thema ausgemacht, nämlich Herbst, was schon sehr viel Kraft gekostet hat. Und als ich am Donnerstag zum Clubabend kam, hatte Karl Herbstfotos aus dem Jahr 1968 mit, Theresa ein Urlaubsvideo vom Vorjahr und Martha ein Foto, das sie am selben Tag noch schnell gemacht hat, weil es sich vorher nicht ausgegangen ist. Ich hatte, wie ausgemacht, fünf aktuelle Herbstfotos mit. Ich war dafür extra in den Schlosspark Obersiebenbrunn gefahren. Was soll ich mit dem Haufen machen?“ Max lacht laut und gibt mir dann noch ein paar Coaching-Tipps für den Club. Ich liebe diese Zeiten mit Max und es wird wieder sehr einsam zu Hause, auch wenn wir immer in Verbindung bleiben. Zwei Wochen später, als endlich meine Küche eingebaut wird, wünsche ich ihn mir ganz besonders her, denn es hat nicht alles so nach Wunsch geklappt. Ich werde das Gefühl nicht los, dass der Kerl gewissenhafter gearbeitet hätte, wenn ein Mann darauf geschaut hätte. Traurig, aber wahr. Jetzt stehen Diskussionen ins Haus, die ich werde eben alleine führen müssen. Aber bis zum bevorstehenden Jahreswechsel möchte ich das erledigt haben. Bratislava-Köln. 28. Mein Zug aus München kam um 13:30 Uhr in Wien an, wo Leni mich bereits erwartete. Wir umarmten und küssten uns lange am Bahnsteig und fuhren 45 Minuten später weiter nach Bratislava. Dort nahmen wir ein Taxi zum Botel Gracia, also einem Hotelschiff. Unser Zimmer war nicht sehr groß, aber gemütlich. Die Zeit bis zum Abendessen überbrückten wir mit ausgiebigen Zärtlichkeiten auf der bequemen Matratze und wir hatten nach mehr als zwei Monaten Abstinenz viel Spaß dabei und konnten kaum voneinander lassen. Diesmal hatten wir vier Tage Zeit und wir genossen sie ausgiebig. Tagsüber entdeckten und fotografierten wir die Stadt, in der mir vieles vorkam wie in Wien, ganz ähnlich wie in Budapest. Die Österreicher hatten in der Kaiserzeit schon für eine Integration gesorgt, wie man heute sagen würde. Die Slowaken sahen und sehen das sicher etwas anders. Uns gefiel es jedenfalls sehr und wir machten viele tolle Bilder. In meinem Fotoclub hatten wir im Januar das Thema ‚Grenzen‘ und ich fotografierte die neue Donaubrücke im Nebel. Die Einheimischen bezeichnen die Brücke wegen des nur auf der einen Seite vorhandenen Stahlpylons mit großem Turmrestaurant auch als Ufo-Brücke. Auf meinem Foto verschwinden die gegenüberliegende Seite der Brücke und der Turm im Nebel und im Gegenlicht und das Ende lässt sich daher nur erahnen, sodass die Brücke fast wie aus dem Nichts über dem Fluss schwebt. Das Bild wurde später von meinen Fotokollegen sehr gelobt. Da wir uns lange nicht gesehen hatten, gab es neben den Zärtlichkeiten auch viel zu erzählen, das in den Chats und gelegentlichen Telefonaten nicht bei dem andern angekommen war. Wir hatten schon während unserer Zeit in Düsseldorf einen gemeinsamen Urlaub ins Auge gefasst. Im März stand mein nächster Segeltörn in Mallorca an und wir wollten eine Woche vorher zusammen dort Urlaub machen. Davon träumten und darüber unterhielten wir uns in unseren Gesprächen häufig, denn so lange hatten wir uns noch nie an einem Stück gesehen. Ich erzählte Leni, dass ich ein Hotel mit dem Namen Feliz gebucht hätte, was auf Deutsch „glücklich“ heißt. „Ich bin sicher, wir werden dort zur Zeit der Mandelblüte eine wunderbare Zeit haben. Du wirst schon sehen.“ „Ich kann es kaum erwarten, mit dir im Frühling auf Mallorca zu sein“, sagte Leni und strahlte mich dabei an. „Meinst du, wir vertragen uns auch eine ganze Woche lang?“ „Liebster, mit dir vertrage ich mich auch noch länger als eine Woche, denn ich liebe dich.“ Außerdem war dazwischen noch ein weiteres Coaching-Treffen in Köln geplant, das wir in die Karnevalswoche gelegt hatten, in der Nina noch in Danzig sein würde. „Da kannst du mal den legendären Kölner Karneval erleben“, schwärmte ich Leni vor. „Darauf freue ich mich auch schon sehr, denn das kenne ich bisher nur aus dem Fernsehen.“

Auf dem Rückweg fuhren wir dann wieder bis Wien gemeinsam und ich nahm einen Zug nach Leipzig, um Anna dort zu besuchen. Sie wohnte inzwischen mit ihrem neuen Freund Martin zusammen und wir verbrachten zwei sehr schöne Tage miteinander. Martin kümmerte und bemühte sich sehr um Anna, es war wunderbar zu sehen, wie gut die beiden sich verstanden. Ich machte dann noch Fotos von ihnen, weil sie auch eine gemeinsame Homepage planten. Denn sie hatten begonnen, Kuschelkurse anzubieten, zu denen Menschen kamen, denen es sonst im Leben an Zuwendung und Nähe fehlte. Ich sagte den beiden, dass ich mir nicht vorstellen könne, wie das wäre, mit bis dahin fremden Menschen zusammen zu kuscheln, aber die beiden waren sehr von der Idee überzeugt und erklärten mir auch, dass die bisherigen Kurse immer recht gut besucht waren. Nach meiner Rückkehr wollte ich das genauer wissen und ich buchte einen ähnlichen Kurs an einem Wochenende in Köln. Ich war mit fünf Frauen, einem Mann und mit der Kursleiterin zwei Tage zusammen in einem Raum (außer nachts natürlich, da gingen alle heim bzw. in ihr Hotel). Es fing ganz langsam an mit Kennenlernen, sich in unterschiedlichen Konstellationen mit geschlossenen Augen gegenüberzusitzen und dabei an den Händen zu halten. Dabei sollte man versuchen, den anderen zu spüren und zu erkennen. Bei zwei Teilnehmerinnen hatte ich tatsächlich das Gefühl, dass zwischen uns eine Energie floss, und ich konnte nach der Runde jeweils sagen, was ich empfunden und über die Damen herausgefunden hatte. Als ich es ihnen erzählte, war einiges davon auch richtig, was mich echt überraschte. Eine andere Frau hatte wohl ein ähnliches Erlebnis mit mir, denn sie erzählte mir anschließend: „Ich spüre, dass du in deiner Beziehung unglücklich bist. Deswegen hast du eine Affäre angefangen, die dich sehr erfüllt. Aber pass gut darauf auf, denn die Beziehung ist noch jung und könnte zerbrechen.“ Am zweiten Tag ging es dann etwas mehr ans Kuscheln und Berühren. Wir mussten uns bei einer Übung abwechselnd auf den Boden legen, die Augen schließen und die anderen Teilnehmer sollten den oder die am Boden Liegenden streicheln. Ich muss gestehen, dass ich sowohl das Gestreichelt-Werden als auch das Streicheln anderer Menschen als wohltuend empfunden habe. In einem Telefonat einige Tage später erzählte ich Anna davon und sagte, dass ich überzeugt sei, ihre Idee sei gut. „Du kannst sicher kein Vermögen damit verdienen, aber es ist bestimmt eine tolle Nebenbeschäftigung, bei der du andere Menschen glücklich machst.“ Nina meinte, das sei doch eine Schnapsidee. „Ich finde Streicheln mit dir schon manchmal irritierend, aber mit fremden Menschen ist das für mich unvorstellbar.“ Leni war von meiner Idee mit dem Kurs überrascht und fragte mich vorher, ob sie mir denn als Partnerin nicht genüge. Nachher erzählte ich ihr von meinen Empfindungen und erklärte ihr auch, dass das nichts mit Sexualität, sondern nur mit Nähe und Geborgenheit zu tun habe und ich mich in der Gruppe bzw. mit einigen Menschen sehr wohlgefühlt hätte. „Du hast schon manchmal seltsame Ideen. Ich kann mir jedenfalls nicht vorstellen, mit wildfremden Männern auf einer Matte zu kuscheln“, war ihre Antwort. Bratislava-Wien. 29. Ich habe es tatsächlich geschafft, dass meine Küche vier Tage vor Weihnachten fertig und benutzbar ist. Und bis auf ein kleines Problem bei der Bodenverlegung ist alles genau so, wie ich es möchte. Ich bin sehr zufrieden. Das heißt, einem schönen, entspannten Weihnachtsfest steht nichts mehr im Weg. Noch schöner wäre es natürlich, wenn Max bei mir wäre, aber wie heißt es so schön: ‚Das Leben ist kein Wunschkonzert!‘ Wir feiern beide im Kreis unserer Familien und denken ganz innig aneinander, genauso wie in der Silvesternacht. Ich verbringe sie diesmal bei Herta in der Steiermark, in einem Ort mitten im Wald. Stimmungsvoller geht nimmer! Max ist noch mit Nina und ihren beiden Töchtern in Danzig

Und so sind wir beide uns auch in der Silvesternacht, mehr als tausend Kilometer voneinander entfernt, viel näher als Herta und Johann, die beide neben mir stehen und mir zuprosten. Es beginnt ein vielversprechendes Jahr. Unser Urlaub auf Mallorca ist schon in Planung, für den Fotoworkshop in Wien sind wir fix angemeldet und in drei Tagen sind wir schon in Bratislava vereint! Und der Karneval in Köln wird die Krönung. Das wollte ich ja schon lange einmal sehen. Volles Programm also, da vergesse ich sogar, dass Max letztens schon wieder mit Elvira im Wald fotografieren war. Zu dem spaßigen Foto, das er mir geschickt hat, habe ich nur mehr geschrieben „Auch nett“ … Auch das Shooting vor kurzem mit Sylvia vom Fotoclub werde ich heute einmal vergessen, denn ich will für das neue Jahr gern hoffen, dass es uns miteinander gut geht, egal mit wie vielen Frauen Max seinen Alltag verlebt. Das sind alles seine Freunde, die er schon lange kennt. Sie sind nur eben fast alle ziemlich weiblich. Irgendwann wird das auch mir hoffentlich normal erscheinen. Bratislava ist mir nicht ganz unbekannt. Ich war schon zweimal da. Aber zusammen mit Max und unseren Kameras wird es noch einmal so schön. Wir machen Regenfotos, Nebelfotos, Nachtfotos und auch ein paar Sonnenscheinfotos. In jeder Gasse stolpern wir über Motive. Die Donau tut ihr Übriges, besonders im Morgennebel, für den wir extra früh unser gemütliches Bett verlassen haben. Die schönste Erinnerung an den ersten Abend in dem ausgefallenen Hotel ist das Geburtstagsgeschenk, das Max mir mitgebracht hat, eine Halskette von Swarovski mit zwei ineinander verschlungenen Herzen. „Zwei Herzen, die sich nicht mehr loslassen“, flüstert er, „das Symbol für unsere Liebe“, küsst mich und hängt mir den Schmuck um den Hals. Wieder zu Hause erfreue ich mich an meiner neuen Küche. Ich organisiere eine kleine familiäre Einweihungsparty, bei der eifrig nach Max gefragt wird. Ich erkläre, dass wir dabei sind, unsere Beziehungskiste zu klären. Wir besuchen einander, unternehmen vieles miteinander und lassen alles auf uns zukommen. Nur keine voreiligen Erklärungen mehr. Solange Max verheiratet ist, gibt es einfach Grenzen. Ich muss nicht so ein Geheimnis daraus machen wie er, aber zu viel erzählen ist auch nicht gut. Dass es richtig ist, mir Zeit zu lassen, beweist mir Max schließlich mit seiner neuen spontanen Idee, auf die ihn seine Tochter gebracht hat. Von Kuschelkursen habe ich schon irgendwann einmal gehört. In Zusammenhang mit Menschen, denen Zärtlichkeit und Nähe fehlt. Die sollen da auf „unverfängliche“ Art die Möglichkeit bekommen, dieses Manko ein wenig auszugleichen. Bis dahin kann ich noch folgen. Wenn aber Max an so etwas teilnimmt, frage ich mich ernsthaft: ‚Was fehlt dem Mann?!‘ Mehr Nähe, als wir miteinander spüren, geht gar nicht. Mehr Zärtlichkeit, als wir einander geben, kann ich mir gar nicht vorstellen! Dann geht er hin und kuschelt mit wildfremden Leuten? Klarerweise überwiegend Frauen. Er streichelt sie … und lässt sich streicheln … Ich weiß, wie sehr er das genießen kann. Zärtlichkeit und Nähe sind ihm wichtiger als Sex. Und dann erzählt er mir noch, dass er dabei tatsächlich bei manchen was gespürt hat. In diesen Momenten frage ich mich wirklich, ob er mich verletzen möchte. Vielleicht will er mich auf die Probe stellen, wie viel ich aushalte. Manchmal weiß ich das selbst nicht mehr. Köln. 30 ‚Jetzt sind es nur noch wenige Tage, dann kommt Leni zu mir und wir werden wieder ein wenig zusammen arbeiten und auch den Karneval genießen.‘ Das ging mir so durch den Kopf, als ich die Bestätigung bekomme, wann mein erstes ehrenamtliches Projekt in Ghana stattfinden soll. Ich hatte im November eine Bewerbung an den Senior Experten Service (SES) nach Bonn geschickt, weil ich der Meinung war und bin, dass ich von meinen vielen Projekten und Erfahrungen durchaus einiges auf ehrenamtlicher Basis an andere Menschen weitergeben kann. Nun bekam ich also die endgültige Zusage, im April sollte ich mit zwei Kollegen für drei Wochen in Ghana Studenten und Dozenten an einer Universität unterrichten. Ich hatte Leni vor einiger Zeit erzählt, dass ich mich darum beworben hatte, aber jetzt wurde es langsam ernst. Also schrieb ich ihr eine Nachricht

Ich schrieb auch eine Nachricht an Nina, die gerade wieder in Danzig weilte. Sie antwortete nur kurz, dass sie dann ja länger dortbleiben könne und ich könnte ja nach Ghana wieder zu ihr kommen. ‚Hm, da möchte ich doch Leni treffen, na mal sehen, wie wir das machen.‘ Also überlegte ich zuerst, was wir alles machen, wenn Leni über Karneval in Köln sein wird. Auf alle Fälle werden wir am Rosenmontag den Zug anschauen und danach noch irgendwo in einer Kneipe feiern. Wir könnten ja auch Bärbel mitnehmen, dann lernt Leni sie gleich kennen und sieht hoffentlich, dass ihre Befürchtungen, sie wollte was von mir, unbegründet sind. Außerdem schaute ich gleich mal, ob wir noch irgendwo eine karnevalistische Veranstaltung besuchen könnten. Aber da war ich zu spät dran, dafür gab’s keine Tickets mehr. Na gut, dann eben noch ein Besuch in einer Kneipe bzw. einem Brauhaus. Da wird Leni staunen, was an solchen Tagen bei uns los ist. Weiberfastnacht blieb ich zu Hause, denn ohne Leni hatte ich keine Lust zu feiern. Am Freitag holte ich sie vom Flughafen ab und brachte sie wieder in ihr Hotel. Auch dort war natürlich die Halle karnevalistisch geschmückt und Leni war überrascht, überall Luftschlangen und Luftballons und lauter verkleidete Menschen. „Gut, dass ich mir auch ein Kostüm eingepackt habe, sonst würde ich ja hier vollkommen aus dem Rahmen fallen“, sagte Leni, als wir in ihrem Zimmer angekommen sind. „Aber zuerst kannst du ja mal dein Eva-Kostüm anziehen, das reicht hier im Zimmer. Später sehen wir dann mal, was du anziehst.“ Abends im Restaurant XII Apostel sah Leni auch dort fast nur maskierte bzw. kostümierte Leute. Sie selbst hatte sich ein Teufelskostüm mitgebracht und ich war als Biene verkleidet. Das Essen schmeckte, das Kölsch noch mehr und wir lachten viel mit den Nachbarn an unserem Tisch, die aus dem Ruhrgebiet gekommen sind, um in Köln Karneval zu feiern. Die spätere abendliche Vereinigung von Teufel und Biene hatten wir auch noch nicht erlebt. Samstags machten wir zunächst unsere Coaching- Arbeit und gingen nachmittags auf die andere Rheinseite, um ein paar Veedelszöch (also Umzüge in den Stadtvierteln) anzusehen. Auch dort hatten wir viel Spaß mit den Jecken im Zug und den jecken Zuschauern. Überall gab’s was zu trinken und es regnete Kamelle und sonstige Kleinigkeiten. Leni war ganz aus dem Häuschen und sagte: „So hatte ich mir das nicht vorgestellt.“ „Warte bis Montag, da wird das Ganze noch gesteigert.“ Sonntags ließen wir den Karneval hinter uns und fuhren in die Eifel. Es war schön sonnig und nicht zu kalt und wir genossen einen langen Spaziergang. Dabei sprachen wir auch über meinen Einsatz in Ghana und überlegten, wann wir uns dann wieder treffen könnten. „Ich kann es dir noch nicht genau sagen, denn Nina möchte, dass ich nach dem Projekt wieder nach Danzig komme. Ich muss mir also etwas ausdenken, warum das nicht gleich geht.“ „Liebster, ich weiß, dass es schwierig ist, aber bitte, lass uns bald das nächste Treffen nach unserem Urlaub in Mallorca festlegen. Wir hatten eine lange Pause letztes Jahr, aber jetzt möchte ich gern öfter mit dir zusammen sein.“ „Das möchte ich ja auch, aber im Moment kann ich noch nicht verbindlich sagen, wann es sein wird.“ Der Rosenmontag verlief dann ganz nach meinen Erwartungen, Leni war ganz hin und weg von den vielen Wagen, den Jecken und den vielen Kleinigkeiten, die von den Wagen den Zuschauern zugeworfen werden. Und dass die Menschen am Straßenrand mit den vorbeiziehenden Musikkapellen mitsangen und schunkelten, war für sie etwas ganz Neues. Nachher gingen wir zusammen mit Bärbel und einer Freundin von ihr in eine Kneipe in der Altstadt. Auch dort hatten wir viel Spaß, tanzten und sangen mit den anderen mit, bis wir heiser und betrunken waren. Am Dienstag ließen wir es daher ruhig angehen und machten einen langen Spaziergang am Rhein. Dort klingelte plötzlich mein Handy und eine Mitarbeiterin des SES rief mich an: „Herr Mayer, wir haben da ein Projekt in Kasachstan, das würde zu Ihnen passen. Können Sie sich das vorstellen?“ Und sie erklärte mir, dass es dort um Digitalisierung einiger lokaler Unternehmen gehe und das Projekt drei bis vier Wochen dauern solle. „Grundsätzlich interessiert mich das, aber ich gehe ja im April schon nach Ghana. Wann soll denn das Projekt in Almaty stattfinden?“ „Möglichst bald.“ „Na, das muss ich mir noch mal überlegen. Nach dem Projekt in Ghana möchte ich zuerst mal hierbleiben.“ „Ich schicke Ihnen mal die Projektbeschreibung und dann sprechen wir noch mal.“ Leni hatte aufmerksam zugehört und fragte: „Willst du jetzt in ein weiteres Projekt vom SES?“ „Ja, aber das ist mir zu kurzfristig, das werde ich wohl nicht machen.“ „Bitte, Max, was haben wir am Wochenende gesagt, wir wollen uns öfter treffen. Wenn du jetzt nach deiner Rückkehr aus Ghana zu Nina fährst und dann gleich in das nächste Projekt, dann sehen wir uns vielleicht drei Monate nicht. Willst du das?“ „Nein, auf keinen Fall.“ Wien-Köln. 31. Es gibt schon auch in Österreich sehr schöne Faschingsumzüge, selbst mit kunstvollen und lustigen Wagen und in Villach werden zum Beispiel auch große Faschingssitzungen abgehalten. Die sind ganz gut besucht und es herrscht ausgelassenes Treiben. Sie werden sogar im Fernsehen übertragen. Aber mit dem Kölner Karneval lässt sich das in keiner Weise vergleichen. Tagelang Menschenmassen, überall, wo man hingeht. Nicht ein einziger Mensch ohne Verkleidung. Und es kommt nicht selten vor, dass man auf der Straße einfach von jemandem umarmt und geküsst wird. „Das ist hier so, das gehört dazu“, erklärt mir Max, belustigt von meinem überraschten Gesicht. Ich bin sehr froh, dass Max mir gesagt hat, dass man hier ohne Kostüm auffällt. Eigentlich habe ich ihm das nicht ganz geglaubt, aber es ist tatsächlich so. Ich wäre hier die Einzige in normalen Kleidern. Als Teufelin mit langen bunten Haaren, roten Hörnern und einer großen Brille mit zwei leuchtenden Herzen, bin ich aber gut angepasst. Über dem schwarz-roten wallenden Kleid, das ich in einem Kostümverleih gefunden habe, trage ich einen dunkelroten warmen Poncho. Ich finde, ich sehe teuflisch gut aus und unterstreiche diese Wirkung noch mit knallrotem Lippenstift. Das gibt ein paar nette Erinnerungsfotos. Max passt zwar optisch als Biene nicht wirklich zu mir – wir wollten auch gar nicht zu sehr als zusammenpassend auffallen –, aber ich finde ihn süß. Er trägt auch eine leuchtende Brille, die gelbe Spirale ist ein guter Ersatz für die Facettenaugen und passt ausgezeichnet zu den Wackelfühlern. Wir sind perfekt ausgestattet für den Rosenmontagszug. Die Kamera habe ich umgehängt. So kostümiert zu fotografieren, ist schon gewöhnungsbedürftig. Immer ist irgendwas im Weg. Ich bin aber überwältigt und lasse mich dadurch nicht entmutigen! Riesige Wagen mit tollen kunstvollen Aufbauten, einer nach dem anderen. Die aufwendig verkleideten Personen darauf werfen Süßigkeiten und andere Dinge wie Taschentücher oder Blumen in die Menge. Unglaublich, wie viele Leute sich förmlich auf die Straße werfen, um diese zu fangen oder aufzuheben. „Das sind die Kamellen“, erklärt mir Max und ich verstehe jetzt, dass die Menschen immer wieder Alaaf und Kamelle rufen. Dazwischen marschieren Musikkapellen in den tollsten Kostümen auf. Die ganze Straße ist voller Menschen. Wie laut es hier ist! Alle singen mit, es wird geschunkelt, gelacht und zwischendurch viel Bier getrunken. Trotzdem fällt niemand wirklich unangenehm auf. Das gehört hier einfach alles dazu. Ein großartiges Erlebnis! Die Fotos werden sicher ein Hit! Als wir Bärbel und ihre Freundin treffen, freut sich Max schon sehr darauf, dass ich endlich sehe, dass sie nur eine liebe Freundin ist und dass sie garantiert keine Absichten bei ihm hat. Ich beobachte sie ganz genau und bemerke bald, dass sie auch auf meine Reaktionen achtet. Leider kann ich Max also die Freude nicht machen. Später erzähle ich ihm meine Eindrücke, wie ihn Bärbel anstrahlt und wie sie die Augen zugemacht hat bei ihrem harmlosen Karnevalskuss. „Nö, nö, Liebster, alles klar. Wenn du es mir auch nicht glaubst, irgendwann wird sie sich verraten“, warne ich ihn und gebe ihm einen nicht ganz so harmlosen Kuss. Max stimmt mir nicht. zu Irgendwie bin ich auch ein bisschen froh darüber. Das zeigt mir doch, dass er ziemlich immun ist. Er nimmt das scheinbar wirklich nicht wahr. Am Dienstag gehen wir noch mal am Rhein spazieren. Hand in Hand genießen wir das sonnige Wetter und die Zweisamkeit, an die wir bald wieder an verschiedenen Orten denken werden. Es wird demnächst etwas schwierig werden, unsere Treffen zu organisieren. Aber wir sind positiv gestimmt. Irgendwie werden wir das schon schaffen. Der Auftrag vom SES, nach Ghana zu fahren, ist sehr plötzlich dazwischengekommen. Ich verstehe aber, dass Max fahren will. Das hat er sich sehr gewünscht. Es ist auch eine Ehre, dass sie ihn da ausgesucht haben. Und Nina geht es so wie mir, die will ihn auch bald nach Ghana sehen. Fein! Aber dann, danach, geht es wieder aufwärts. So lang kann ich auch noch warten. Als dann plötzlich, mitten ins Gespräch sein Handy klingelt, ahne ich noch nichts Schlimmes. Den ersten Adrenalinstoß, als er von einem weiteren Projekt in Kasachstan – auch heuer noch – spricht, bekomme ich mich gleich wieder in den Griff, als er sagt: „Das muss ich mir noch einmal überlegen. Dieses Jahr passt es eigentlich nicht mehr. Ich melde mich!“ Ich bitte Max von Herzen, sich das gut zu überlegen. Ich weiß, dass ihn das reizt, aber für uns würde es drei lange Monate Trennung bedeuten. DREI Monate! „Liebster, bitte denk gut nach, ob du das willst!“ „Das werde ich bestimmt nicht machen!“, ist für mich beruhigend genug. So kann ich voller Vorfreude auf Mallorca nach Hause fliegen. Bis dahin sind es nur etwas mehr als drei Wochen! Die vergehen mit Arbeit und Enkelbesuchen ohnehin sehr schnell. Und im Flieger nach Wien träume ich noch immer von diesem teuflischen Karnevalserlebnis … Köln-Mallorca. 32. Nach Karneval hatte ich einiges zu tun. Ich musste das Projekt in Ghana vorbereiten, also viele Folien malen. Dazu musste ich mich auch näher mit der Universität und den Studenten beschäftigen, die meine beiden Kollegen schon von früheren Besuchen und Trainings kannten. Das machte mir großen Spaß und bis zur Abreise nach Mallorca verging die Zeit wie im Flug. Nina war inzwischen zurück und fragte mich kurz vor der Abreise: „Wann haben wir denn eine Chance, uns nach deinem Segeltörn noch mal zu sehen? Da sind Ferien und die möchte ich wieder in Danzig verbringen. Willst du noch mal dahin kommen, bevor du nach Ghana fliegst? „Eigentlich nicht, nach dem Segeltörn muss ich mich auf die Unterrichtseinheiten in Ghana vorbereiten und sicher noch mal mit den beiden Kollegen abstimmen. Es wäre besser, ich käme danach oder du kämst dann noch mal zurück nach Köln.“ „Dann sehen wir uns mehrere Wochen nicht und ich weiß nicht, ob das für uns gut ist.“ „Ich denk noch mal drüber nach. Aber ich bin nicht allein daran schuld, du verbringst ja auch viel Zeit in Danzig. Vielleicht passt es im April oder Mai für einige Tage.“ Nina brachte mich am Sonntag zum Flughafen und zweieinhalb Stunden später kam ich in Palma an. Leni hatte einen Flug am Samstag genommen und erwartete mich bereits im Hotel Feliz. Ich holte also meinen Mietwagen, einen nagelneuen Audi Q2, und fuhr schnell zum Hotel. Da mein Flug um 7:10 Uhr gelandet war, kam ich dort pünktlich zum Frühstück an. Leni war in unserem Zimmer und das erste Frühstück mit Küssen, Streicheln und im siebten Himmel ankommen war schon perfekt. Beim zweiten Frühstück im Hotel machten wir Pläne, was wir alles unternehmen würden. Am ersten Tag wollten wir in Palma bleiben und am Montag das Landesinnere erkunden, wo die Mandel- und Zitronenbäume blühten. Unser Glück fühlte sich vollkommen an, eine knappe Woche zusammen auf einer Insel, wo wir nicht an was anderes denken mussten oder wie in Köln Rücksicht nehmen mussten, dass uns jemand sieht. Ein Traum. Der Spaziergang durch Palma mit dem schon für uns obligatorischen Besuch der Kathedrale war wunderbar. Hand in Hand und mit gelegentlichen Stopps zum Küssen und Umarmen, dann ein Glas Wein und ein paar Tapas in einer Bodega. Wir waren uns einig, das wünschten wir uns öfter. Am Montag fuhren wir durch viele tolle Landschaften, zum Teil mit blühenden Mandel- und Zitronenbäumen nach Alaró, besichtigten den Ort und das Kastell. In Bunyola fuhren wir mit der Inselbahn nach Sóller, schauten zuerst den Ort an und wanderten zum Hafen hinunter. Dann fuhren wir wieder mit der Bahn zurück nach Bunyola und mit dem Auto weiter nach Valdemossa, wo wir eine wunderbare Paella aßen. Wir konnten es gar nicht fassen, dass uns alle Orte so begeisterten, dass wir so befreit zusammen sein konnten, und wir genossen jede Sekunde. Abends im Hotel Feliz dehnten wir unsere Streicheleinheiten sehr lange aus und wir erlebten wieder mehrfach den kleinen Tod, der auch schon mal in einem französischen Film (La Petite Morte) beschrieben wurde. Für uns war es das größte Glück. Wien-Mallorca. 33. Endlich Urlaub! In der Schule konnte ich noch rechtzeitig eine beinahe eskalierende Streitigkeit zwischen drei Lehrerinnen unter Kontrolle bringen, sodass ich jetzt auf Mallorca nicht so große Sorgen haben muss, dass sie einander in meiner Abwesenheit etwas antun. Manchmal fühle ich mich wirklich so, als wäre die Lehrerkollegenschaft meine Schulklasse, in der ich die Schiedsrichterin bin. Aber es ging wieder einmal gut aus und jetzt wird nur mehr genossen. Das haben Max und ich beschlossen. Wann und wo haben wir sonst die Möglichkeit, unserer Zärtlichkeit und dem Bedürfnis nach unserer Nähe so offen nachzugeben? Händchenhalten, vielleicht ein Kuss mitten auf einer belebten Straße und einfach sorgloses verliebt aussehen! Ich kann jetzt schon spüren, wie uns das guttun wird. Allerdings sitze ich im Moment noch allein auf dem großen Bett im Hotel Feliz, denn Max kommt erst morgen, das war leider nicht anders möglich. Ich schicke ihm schon einmal Fotos von der schönen Aussicht Richtung Hafen. Es regnet zwar noch, aber bis morgen soll es aufhören. Nach den letzten geschriebenen Gutenachtküssen liege ich noch lange wach. Die lange Anreise geht mir noch einmal durch den Kopf. Mein Flug ging über Brüssel. Ein Wunder, dass ich mich auf dem riesigen Flughafen zurechtgefunden habe. Sogar den Bahnhof habe ich gefunden, sodass ich in die Stadt fahren konnte. Fünf Stunden auf dem Flughafen zu überbrücken, war mir doch zu lang. Sechs hätten es eigentlich sein sollen, aber mein Flug von Wien war verspätet. So kam ich noch zu ein paar netten Fotos von Brüssel und vom Airport. Wenn ich so nachdenke, ist auch meine Flugangst beinahe weg und auch die Angst, auf dem Flughafen etwas falsch zu machen. Trotzdem, zehn Stunden Anreise waren lang und eigentlich müsste ich längst schlafen. Vielleicht geht es, wenn ich ganz bewusst nicht daran denke, dass Max mit Bärbel noch einmal frühstücken war, während ich Brüssel fotografiert habe. Musste das wirklich sein, am Tag vor unserem gemeinsamen Urlaub? Meine Gedanken schwenken um nach morgen und siehe da, es gibt doch noch eine Portion Schlaf. Am nächsten Morgen tauschen wir schon kurz nach vier Uhr die ersten Nachrichten aus:

Und mit dem gemeinsamen Frühstück im Hotel beginnt eine Woche, die wir beide nie mehr vergessen können! Es gibt so viele Momente, die wir einfach nur genießen, so wie wir es uns gewünscht haben. Nur wir zwei und sonst nichts! So sitzen wir etwa in Sóller im Café am Hauptplatz, an einem sonnigen Plätzchen. Wir haben einen wunderschönen Überblick über den ganzen Platz bis zur großen Kirche. Keine zehn Meter neben uns fährt mit lautem Getöse die Bahn vorbei und versetzt uns gedanklich in eine Zeit lang vor uns. Wir sinnieren sogar darüber, wie es denn hier damals gewesen sein könnte. Das gemeinsame Fotografieren macht uns besonders Spaß. Street-Fotografie ist irgendwie das Übungsthema für mich geworden. Wir sehen so viele Menschen mit charakteristischen Gesichtern, bunten Kleidern, roten Haaren und anderen Besonderheiten, die wir alle festhalten wollen. Egal wo wir hinkommen, überall gibt es „Opfer“. Ein Paradies für die Künstlerseele. Ja, ein bisschen sehe ich uns jetzt schon als Künstler. In Valdemossa überredet mich Max, eine Paella zu probieren. Zuerst protestiere ich energisch, weil ich diese Speise automatisch mit Meeresfrüchten assoziiere. Und die gehen gar nicht! Er zeigt mir die Speisekarte und macht mich auf die Vielfalt aufmerksam. „Paella ohne Shrimps und Muscheln, das gibt’s wirklich? Na dann bin ich dabei“, sage ich und bin nachher schwer begeistert. Unsere Spaziergänge, unter anderem bei den blühenden Mandelbäumen, in Port de Sóller und in Palma am Strand dehnen wir so sehr aus, dass uns abends die Füße wehtun. Die Strände sind um diese Jahreszeit noch alle menschenleer. Vereinzelt sind Einheimische unterwegs, die dabei sind, die Badeplätze zu säubern und für die Saison vorzubereiten. Auch an kleinen Baustellen kommen wir vorbei. Der sogenannte Ballermann fast ohne Menschen wirkt schon seltsam, wenn man die Partyszenen aus dem Fernsehen im Kopf hat. Aber mit ein bisschen Fantasie … und davon haben wir ja genug. Unsere letzte Station sind die Drachenhöhlen von Porto Cristo, ein besonderes Erlebnis. Schade nur, dass es Max an diesem Tag nicht so gut geht. Er fühlt sich irgendwie nicht wohl und es wird ihm in der Grotte auch ein wenig schwindlig. Daher fahren wir mit dem Boot nur die kleine Runde. Max möchte aber, dass ich die wunderschöne Lichtshow mit Musik erlebe, und hält noch so lange durch. Wieder zurück an der frischen Luft, geht es ihm ein wenig besser, sodass er fahren kann. Aber irgendwas ist mit ihm nicht in Ordnung. Ich mache mir ein bisschen Sorgen. Bevor wir zurück nach Palma fahren, führt Max mich noch in die Mallorica Perlenfabrik Manacor, wo wir uns eine Weile umsehen und ich schnell Gefallen an den traumhaften Schmuckstücken finde. Max nützt die Gelegenheit und sucht gleich nach einem Geburtstagsgeschenk für seine älteste Tochter. Da wird demnächst der Vierzigste gefeiert. Bevor ich noch auf unsinnige Gedanken kommen kann, fragt er mich schon, was mir denn gut gefällt, und weist die Verkäuferin an, für mich die ausgewählte goldene Halskette und die dazu passenden Ohrstecker, alles jeweils mit einer eingefassten Perle, einzupacken. Was für ein herrlicher Abschluss! Unseren letzten Abend im Zimmer haben wir uns sicher beide anders vorgestellt. Noch einmal, wie in den letzten Nächten öfters, diesen Wahnsinn erleben, um dann die nächste Zeit besser durchstehen zu können. Wer weiß, wie lang es diesmal dauern wird! Wir haben die ganze Woche nicht über Ghana, Kasachstan und Co. gesprochen. Wir wollten nur zusammen sein und von keiner langen Trennung reden. Aber Max geht es noch immer nicht viel besser und weil ich fürchte, ihn körperlich zu überfordern, überrede ich Max, vorsichtig zu sein und nur zu kuscheln. Er meint zwar, das wäre nicht notwendig, und wirkt ein wenig enttäuscht. Aber auch mit einem überanstrengten Herz habe ich schon meine Erfahrung. Ich fürchte mich wirklich, dass es zu viel wäre. Zwar war die Überanstrengung bei meinem ersten Mann Karl vom Schneeschaufeln verursacht worden und nicht vom Sex, aber Anstrengung ist Anstrengung. Wir kuscheln uns also zärtlich aneinander und zelebrieren ein gegenseitiges sich Streicheln am ganzen Körper. Wunderschön! Unvergesslich! In dieser Innigkeit schlafen wir zusammen ein. ‚Wer, bitte, braucht einen Kuschelkurs?‘ Der Abschied am nächsten Tag am Flughafen ist sehr emotional. Zwar schaffen wir es beide, die Tränen zu unterdrücken, aber wir spüren, dass wir unsagbar leiden. Eine ganze Woche haben wir nur uns gehört. Jetzt muss Max wieder sehen, wie er Nina, mich und seine Reisen unter einen Hut bringen kann. Es ist uns wohl beiden klar, dass die nächste Zeit nicht einfach wird. Max begleitet mich so weit, wie er darf, also bis zur Sperre, wo ich meine Bordkarte vorzeigen muss. Die letzte Umarmung dauert richtig lang und den letzten Kuss spüre ich später noch im Flieger. Ich schaue Max traurig nach, während er durch die lange Halle zurückwandert. So lange, bis ich ihn nicht mehr sehen kann. Er ist schon so weit weg, als er sich umdreht und winkt, dass er nicht mehr sehen kann, wie mir die Tränen über die Wangen rinnen. ‚Max, ich liebe dich‘, denke ich noch einmal und dann gehe ich durch die Sperre. Mallorca-Köln-Ghana. 34. Nachdem Leni weg war, hatte ich noch eine Stunde Zeit, bis die anderen Segelkollegen ankommen sollten. Ich genehmigte mir also einen Cortado und einen Cognac 103 und träumte mich zu Leni in den Flieger. Was hatten wir für eine wunderbare Woche zusammen gehabt und jetzt sollte ich einen Teil der Orte, die wir besucht hatten vom Meer aus ansteuern. Diesmal wollten wir Mallorca umrunden und dann im Osten für zwei Tage nach Menorca übersetzen. Danach wieder zurücksegeln nach Mallorca. Die erste Etappe führte uns nach Port Andratx, dort mussten wir wegen Starkwind zwei Tage bleiben. Weiter ging’s nach Port Sóller, wo ich noch einige Tage vorher mit Leni gewesen war. Ich schickte ihr ein Foto und ein paar Küsse, überhaupt schrieben wir viel und sehr gefühlvoll in den zwei Wochen und wenn möglich telefonierten wir am Abend. Dabei setzten wir auch die im letzten Jahr geborene Idee für ein nächstes Treffen in die Tat um und buchten für Anfang Juni die Flüge für einen Urlaub in Berlin. Leni wollte unbedingt da noch mal hin, weil sie vor vielen Jahren zum letzten Mal dort gewesen war, und wir hatten uns Gedanken gemacht, wann das gut passen könnte. Als wir darüber sprachen, meinte Leni: „Es ist zwar noch fast drei Monate bis dahin, aber ich freue mich schon sehr darauf. Das wird sicher wieder so schön wie der Aufenthalt in Mallorca.“ „Ich freue mich auch und für mich wird die Zeit bis dahin sicher schneller vergehen, weil ich ja kurz nach dem Segeltörn für drei Wochen ins Projekt nach Ghana fliegen werde.“ Die Überfahrt von Port Soller nach Ciutadella auf Menorca war ziemlich stürmisch. Diesmal war ich vorbereitet und nahm Reisetabletten und kaute Reisekaugummi. Daher überstand ich den Trip problemlos. In Ciutadella blieben wir auch zwei Tage und es erwartete uns eine wunderschöne Altstadt mit viel weniger Tourismus als auf Mallorca. Am Telefon sagte ich zu Leni: „Das könnte eine Insel für uns werden, wenn wir demnächst mal ans Überwintern im Warmen denken. Auf alle Fälle sollten wir auch hier mal zusammen hinfliegen.“ „Mit dir flieg ich überall hin“, antwortete sie. Der Törn von Ciutadella nach Cala Ratjada verlief problemlos, der Wind stand günstig und wir schafften die Strecke in wenigen Stunden. Die weiteren Orte, die wir ansteuerten, also Porto Cristo, Portocolom, Cabrera und Sa Cápita, waren echte Kostbarkeiten. Das einzige Problem waren die sehr niedrigen Temperaturen. Als wir wieder in Palma ankamen, erzählte uns der Vercharterer, dass dies der kälteste März seit 1928 sei. So war es uns auch vorgekommen. Aber dank einer guten Heizung und edlen Getränken am Abend hatten wir alle das gut überstanden. Zu Hause in Köln gab es einiges aufzuarbeiten und ein paar Termine wahrzunehmen, bevor ich am 4. April zusammen mit Friedrich und Hermann nach Ghana flog. Wir kamen abends in Accra an und eine feucht-heiße Luft empfing uns schon am Flughafen. Die Übernachtung in einem spartanischen Hotel war auch nicht lustig, denn es hielten sich auch hunderte Mücken in meinem Zimmer auf, weil es keine Klimaanlage gab. Gut, dass ich meine Malarone schon zwei Tage vorher eingenommen hatte. Da konnten die Mücken mich zwar stechen aber nicht mit Malaria infizieren. Am nächsten Morgen flogen wir weiter nach Tamale im Norden von Ghana. Dort sollte uns der Fahrer der Universität aus Namoo erwarten, aber der hatte das wohl vergessen. Erst auf unseren Anruf hin setzte er sich in Bewegung und nach drei Stunden war er auch schon da. Er informierte uns, dass er uns zuerst in ein Restaurant in Tamale bringen werde, damit wir uns für die Fahrt stärken könnten. Er müsse zuerst noch mit dem Auto zum Service in die Werkstatt. Im Restaurant konnten wir dann lokales Hähnchen mit Star, einem lokalen Bier, runterspülen und Schwups, vier Stunden später war Qudus auch schon zurück. Wir fragten ihn, wie denn die Freundin hieße, die er besucht hatte, worauf er nur grinste. So kamen wir am Abend in Namoo an und Qudus brachte uns zu dem für uns reservierten Haus. Das Gebäude war erst kürzlich fertig geworden und sollte später als Wohngebäude für die Kindergarten-Mitarbeiter dienen. Der Kindergarten direkt nebenan war noch im Bau. Entsprechend staubig und laut war es in der Regel. Es gab eine Klimaanlage im Wohnraum, unsere Schlafräume hatten keine. Dagegen protestierten wir am nächsten Tag bei der Univerwaltung und bestanden darauf, dass auch die Schlafräume klimatisiert werden müssten. Zwei Tage später, als wir vom Unterricht nach Hause kamen, hatte man die Klimaanlage aus dem Wohnraum bei Friedrich eingebaut und bei Hermann und mir provisorisch je eine neue. Im Wohnraum bräuchten wir ja keine, denn Friedrich könnte ja seine Tür offenlassen, dann würden beide Räume gekühlt, meinte der Verwaltungschef der Uni. Ansonsten gewöhnten wir uns an das pure und einfache Leben in Afrika mit Temperaturen über vierzig Grad, mit Fahrradtransport von der Wohnung zur Uni, mit afrikanischem Essen mittags in der Uni und mit selbst gebrutzeltem Abendessen aus dem, was der Minimarkt in Namoo hergab. Meistens Brot, Eier und Konserven. Die Studenten und die Professoren waren alle sehr nett und wissbegierig, sodass unsere Tage sehr abwechslungsreich und schnell vergingen. Abends fuhren wir manchmal in eine kleine „Kneipe“ in Namoo, also eine Hütte, in der es kaltes Star gab und manchmal eine afrikanische Suppe oder Maisbrei. Da saßen wir drei Weißnasen dann zwischen schwarzen Männern und Frauen, um uns herum rannten Kinder jeglichen Alters und bestaunten die Kwesi (Sonntage). So werden in Ghana Weiße genannt, weil sie das Christentum nach Afrika gebracht haben und daher auch den Sonntag als freien Tag der Woche. Die drei Wochen Schulungsprogram mit Studenten und Professoren wurden am Ende noch durch eine besondere Aktion garniert: Am letzten Wochenende war ein zweitägiger Workshop für lokale Unternehmer geplant, in denen wir ihnen etwas zu wirtschaftlicher Unternehmensführung und Vermarktung präsentieren sollten. Dafür machten wir am Kwesi zuvor Werbung in der heiligen Messe der großen Kirche von Bolgatanga und bei zwei Radiostationen. So schafften wir es, dass zu dem Workshop mehr als 50 regionale Unternehmerinnen und Unternehmer kamen, die sehr interessiert zuhörten und viele Fragen stellten. Am letzten Tag luden uns dann die Dekanin der Uni und der Verwaltungschef zu einem Essen in Bolgatanga ein. Das kannten Hermann und Friedrich schon von ihren früheren Besuchen und warnten mich, dort keinen Fisch zu essen. Der war ihnen schon mal schlecht bekommen. Bei einem Besuch in der Küche des Restaurants sah ich dann auch, warum. Eine Mitarbeiterin nahm die Fische aus, die offensichtlich nicht frisch waren, und sie und die Fische wurden von hunderten von Mücken umschwärmt. Wir zogen es daher vor, Reis und Hähnchen zu essen, was für uns auch ohne Folgen blieb. Einen für Leni und mich entscheidenden Nachteil hatte das Ganze allerdings: Die Kommunikation per Telefon und Chat war wegen des sehr schlechten Datennetzes in der Uni und im Haus äußerst eingeschränkt. In den ersten Tagen konnten wir fast gar keine Verbindung herstellen. Nachdem wir dann selbst einen mobilen Router installiert hatten, wurde es etwas besser, aber die Guthaben der Prepaidkarten rauschten nur so durch, wenn wir mal erfolgreiche Verbindungen hatten. So beschränkte sich unser Austausch auf kurze Botschaften und Emojis, also Küsse und Herzchen, denn viele Worte konnten wir nicht miteinander wechseln. Nach dem Rückflug nach Köln erreichten mich dann gleich drei negative Nachrichten: Erstens, dass Nina Ende Mai für zwei Wochen nach Köln kommen würde. Das überschnitt sich genau mit der Woche, in der Leni und ich nach Berlin fliegen wollten. Also mussten wir den Trip stornieren. Die zweite Nachricht kam vom SES, die das Projekt in Kasachstan inzwischen terminiert hatten. Ich sollte Mitte Mai für zwei Wochen dorthin, genau genommen, exakt neun Tage nach Rückkehr aus Ghana und einen Tag vor der Ankunft von Nina. Also würde es unmöglich werden, Leni zu sehen, denn Nina wollte, dass wir meinen fünfundsechzigsten Geburtstag in der bis dahin fertigen Wohnung in Danzig feiern. Das hieß, ich sollte kurz nach Kasachstan und Ninas Aufenthalt in Köln zum Abschied aus der Schule mit ihr hinfahren und bis Anfang August bleiben, weil uns alle unsere Kinder dort besuchen wollten. Schließlich wollten alle unsere neue Bleibe kennenlernen

Die dritte Nachricht war der Tod meines langjährigen Kollegen Johannes, zu dessen Beerdigung ich zwei Tage nach Ankunft aus Ghana zusammen mit Irene, seiner früheren Sekretärin, hinfuhr. Johannes hatte mit seiner Frau nach seiner Pensionierung ein Hotel auf Usedom übernommen, und so dauerte unsere Fahrt dorthin drei Tage. Das alles traf mich schon sehr, aber als ich das Leni am Telefon erklärte, weinte sie so sehr, wie ich es noch nicht erlebt hatte. Ich fand auch keine guten Worte, um sie zu trösten, und so schlitterten wir in eine größere Krise. Wien. 35. Die Zeiger auf den Uhren in Wien scheinen sich für mich nicht zu bewegen. Max hat sein volles Programm und das gefällt ihm so. Es macht ihn schon auch betroffen, dass wir dadurch wenig Zeit für uns haben, aber er denkt nicht daran, irgendetwas zu ändern. Ich glaube, er genießt es sehr, gebraucht zu werden und sein Wissen weitergeben zu können. Und dabei vergisst er völlig sein Privatleben. Ich kann mir langsam gut vorstellen, dass das in früheren Beziehungen problematisch war. Ich nehme so etwas nicht ohne Kommentar hin. Ich denke mir, wenn ich ihm nicht sage, dass mir das zu viel ist, kann er es nicht wissen. Also mache ich Max darauf aufmerksam, dass ich unter seinem endlosen Engagement leide. Immerhin haben wir noch unsere Berlinreise, auf die wir uns freuen können. Es war wirklich gut, dass wir das Hotel schon letztes Jahr reserviert haben. Wir buchen also jetzt auch die Flüge, sonst hätten wir in den nächsten Monaten keine Chance, uns zu sehen. Der Segeltörn gleich anschließend an unseren Mallorca-Urlaub ist noch gut auszuhalten, weil wir ausgiebig schreiben und telefonieren können, aber das Projekt in Ghana wird für uns mühsam, weil die Verbindung meist sehr schlecht ist. Und das drei Wochen lang. Ich fühle mich recht einsam in dieser Zeit und versuche, mit Fotografieren die traurigen Gedanken zu verscheuchen. Manchmal gelingt es sogar. Irgendwann befällt mich das Gefühl, ich müsse jetzt meine Frisur ändern. Dreißig Jahre Lockenkopf sind genug. Jetzt wird glattgeföhnt. Und, wer hätte das gedacht, von allen Seiten gibt es positive Reaktionen. Auch Max gefällt das gut, ich habe ihm ein Foto geschickt. In diesen Wochen beschäftigen sich auch meine Träume ausgiebig mit unserer Lebenssituation. So werden wir einmal von Nina im Bett erwischt. Ich verstecke mich – sinnigerweise unter der Bettdecke. Als sie mich findet, ist sie aber kein bisschen ärgerlich. Sie wundert sich nur. Das ist ein sehr harmonischer Traum und ich weiß gar nicht recht, was ich damit anfangen soll. Ein Wunschtraum vielleicht, der daraus entsteht, dass Max sich so sehr wünscht, Nina alles sagen zu können? Ein paar Tage bevor Max von Ghana nach Hause kommt, fahre ich mit einigen Kolleginnen zur Pädagogischen Fachtagung in die Wachau, die alle zwei Jahre stattfindet. Kein besonders günstiger Zeitpunkt, denn es fehlen in der Schule schon wieder sieben Lehrer. Aber gebucht ist gebucht. An diesen Tagen schaffen Max und ich es sogar, mehrmals zu telefonieren, und morgens wie abends schreiben wir wieder ausgiebig, was uns sehr guttut. Endlich lesen wir wieder ganz oft unser wunderbares ‚Ich liebe dich‘ Ich komme zwei Tage vor Max nach Hause und habe mich für den Abend mit meinen Nachbarn verabredet. Sie laden mich zum Heurigen ein. Sie möchten noch jemand anderen mitnehmen und fragen mich, ob das für mich ein Problem sei. „Natürlich nicht“, antworte ich und so gehen wir zu viert essen. Es ist ein netter Abend. Winfried, der Überraschungsgast, ist ein angenehmer Gesprächspartner. Als er mich fragt, ob ich nächste Woche Lust hätte, mit ihm was essen zu gehen, überlege ich kurz. ‚Was würde jetzt Max dazu sagen? Ach, sicher gar nichts, er geht ja auch mit anderen Frauen essen. Da ist ja nichts dabei.‘ Und so sage ich zu. Am Tag, als Max auch wieder zu Hause ist, können wir uns wieder ein bisschen öfter hören und vor allem schreiben. Allerdings sind bald auch ziemlich schlechte Nachrichten dabei, die mich hart treffen. Als Max mir eröffnet, dass wir Berlin stornieren müssen, weil Nina zu der Zeit nach Hause kommen will, bin ich schockiert. Dieser Urlaub wäre etwas Besonderes gewesen. Und jetzt, einfach so … stornieren … Nina hat uns in letzter Zeit schon des Öfteren einen Strich durch die Rechnung gemacht, indem sie einfach ihre Vorhaben geändert hat. Wenn man verzweifelt genug ist, so wie ich, könnte man wirklich denken, das sei Absicht. Aber es kommt noch schlimmer. Gleich darauf sagt mir Max, dass er das O. K. für Kasachstan bekommen hat und dass er sich sehr darüber freut. Das heißt, noch einmal zwei Wochen weg und dann für sechs Wochen nach Danzig Da ist die Fahrt zum Begräbnis seines früheren Kollegen mit dessen Sekretärin Irene nur mehr ein Tropfen, der den Krug zum Überlaufen bringt. Alle Zeiten, die für uns infrage gekommen wären, hat Max endgültig anders verplant, und mit dieser Frau will er drei Tage unterwegs sein. Und selbstverständlich im selben Hotel nächtigen. Ich kann nicht mehr anders und heule einfach los. Es ist egal, was er sich jetzt von mir denkt, das halte ich nicht mehr aus. Irgendwie glaube ich langsam, dass ihm unser Zusammensein gar nicht so wichtig ist, wie er oft sagt. Sonst würde er doch anders handeln. Köln-Almaty. 36. Bei der Landung in Köln hatte ich die Tränen von Leni noch nicht verdaut und ich musste mich zuerst mal wieder vom Urlaubsrhythmus auf viele verschiedene Aufgaben einstellen. Neben der Vorbereitung für Kasachstan kam dazu die lange und emotional schwierige Fahrt nach Usedom zur Beerdigung meines Freundes, denn Johannes war mehr als ein Kollege gewesen. Im Sommer vor zwei Jahren hatten Nina und ich ihn und seine Frau Beate in ihrem Hotel in Bansin besucht, als wir an der Ostsee Urlaub gemacht hatten. Damals hatten wir einen wunderbaren Tag zusammen verbracht, viel gelacht und von alten Zeiten geschwätzt, und nun sollten wir ihn auf seinem letzten Weg begleiten. Nina war noch in Danzig und wollte nicht mitfahren bzw. nach Bansin rüberfahren. So trat ich mit Irene, der früheren Sekretärin von Johannes, die lange Fahrt nach Usedom an. Im Auto erinnerten wir uns an viele schöne Stunden mit Johannes und Beate, die beiden waren lange Zeit in einem Projekt in Ägypten beschäftigt gewesen, wo ich sie öfters besucht hatte. „Weißt du noch“, sagte Irene, „immer, wenn ein Kollege ins Projekt flog, schickte Johannes mir eine Einkaufsliste von Beate mit und der Kollege musste seine Einkäufe im Haus der beiden nach seiner Ankunft abliefern. Dann wurde damit und mit einigen lokalen Köstlichkeiten die Begrüßung des neuen Kollegen gefeiert.“ „Ja, ich weiß, das hab ich selbst ein paar Mal in Kairo mitgemacht. Und gegen drei oder vier Uhr morgens sagte Beate dann: „So, jetzt trinken wir noch einen Schnaps und dann gehen wir ins Bett.“ Und wehe, am nächsten Morgen war irgendjemand vom Team nicht pünktlich um acht im Büro, dann gab’s von Johannes ein entsprechendes Donnerwetter mit dem Hinweis: „Wer saufen kann, kann auch arbeiten, wer das nicht kann, hat hier nichts verloren. Ich denke, viele der zahlreich im Projekt eingesetzten Kollegen werden das nicht vergessen, und ich vermute, wir werden einige auf der Beerdigung treffen.“ Da wurden wir dann am nächsten Tag sehr enttäuscht. Beate begrüßte uns traurig, freute sich aber sehr, dass wir gekommen waren. Außer uns hatten allerdings nur zwei weitere Weggefährten den Weg nach Bansin gefunden. Die übrigen Trauergäste waren Verwandte und Freunde aus Usedom bzw. aus Schwaben, wo Johannes ursprünglich herkam. Das war sehr beschämend. Beim Beerdigungskaffee lud uns dann Beate ein, am Abend noch mal ins Hotel zu kommen, um mit den engsten Angehörigen und Freunden zusammen noch ein paar Stunden zu verbringen. Das war wieder sehr bewegend und es wurde auch viel erzählt und schon wieder gelacht. Leni konnte ich von dort kaum anrufen, schickte ihr nur ein Foto, das Irene mit dem Handy von mir gemacht hatte. Mein fröhliches Gesicht deutete sie aber falsch und glaubte, ich grinse Irene an. Ich sah es an ihren Augen, als ich – wieder zurück in Köln – mit ihr telefonierte. Dann kam Nina nach Hause und wir besuchten für zwei Tage unsere Töchter in Düsseldorf (an den Tagen, wo ich eigentlich in Berlin mit Leni hatte sein wollen) und entsprechend missmutig war ich. Nina fragte: „Was ist los mit dir? Freust du dich nicht, dass ich hier bin?“ „Doch, aber ich weiß ja, dass ich in drei Tagen schon wieder nach Almaty fliegen soll, und diesmal ist mir das alles wirklich viel zu schnell. Ich habe noch nicht das ganze Material fertig, das ich dort brauche, und ich hab keine Ahnung, was mich dort erwartet.“ „Ach, wie ich dich kenne, wirst du das wieder super hinkriegen und nachher freudestrahlend berichten, wie toll das Projekt gelaufen ist. Das ist doch immer so bei dir. Ich freue mich jetzt schon, wenn du danach mit mir in unser neues Nest kommst, dann bleibst du hoffentlich mal etwas länger.“ „Ja, das haben wir doch schon verabredet, ich bleib von Mitte Juni, wo wir meinen Geburtstag feiern, bis Anfang August.“ Drei Tage später brachte Nina mich dann zum Zug nach Frankfurt und ein paar Stunden später saß ich im Flieger nach Almaty. Ein bisschen aufgeregt war ich schon, denn obwohl ich schon in vielen Ländern gewesen war, war Kasachstan ein weißer Fleck auf meiner persönlichen Weltkarte. Nach meiner Ankunft kurz nach Mitternacht Ortszeit, holte mich Andrey, ein Möbelfabrikant mit deutschen Wurzeln, zusammen mit seiner Freundin Nastya ab. Er sprach einigermaßen Deutsch, sodass die Verständigung erst mal kein Problem darstellte, aber Nastya sprach nur Russisch und Kasachisch. Ich schickte aus dem Haus von Andrey, wo ich im Gästezimmer untergebracht war, jeweils eine Nachricht an Leni und Nina und konnte kurz darauf auch mit Leni telefonieren, denn wegen des fünfstündigen Zeitunterschieds war sie gerade aufgestanden und beim Frühstück. Ich hatte den Eindruck, dass Leni sehr traurig war wegen meines Projekteinsatzes und wegen des langen Zeitraumes, in dem wir uns nicht sehen konnten. Ich versuchte sie ein wenig aufzuheitern mit der Tatsache, dass wir offensichtlich hier kein Kommunikationsproblem haben würden wie in Ghana. Das schien aber ihre Laune nicht zu verbessern. „Liebster, ich weiß, dass du mich liebst, und ich liebe dich, aber wenn wir uns so lange nicht sehen, vergessen wir das vielleicht und entfernen uns voneinander.“ „Aber doch nur, wenn wir nicht an unsere Liebe und eine gemeinsame Zukunft glauben.“ „Welche Zukunft haben wir denn, wenn du dauernd unterwegs und so weit weg bist?“ „Das wird auch wieder besser, das sind jetzt ein paar unglückliche Ereignisse hintereinander, danach sehen wir uns wieder. Und wenn Nina künftig mehr Zeit in Danzig verbringt, was ich nicht vorhabe, haben wir beide doch viele Gelegenheiten, uns zu treffen.“ „Ach, das sagst du jetzt. Du hast an Karneval auch gesagt, der Einsatz in Kasachstan ist sicher erst im Herbst oder nächstes Jahr. Und jetzt bist du schon dort.“ „Aber er dauert doch nur zwei Wochen.“ „Ja, und dann fährst du für sechs Wochen nach Danzig, das heißt, wir sehen uns nicht von März bis August. Das sind fast fünf Monate. Ehrlich gesagt ist mir das viel zu lang.“ „Willst du unsere Beziehung beenden?“ „Nein, aber ich wollte dir sagen, dass sich das zurzeit ganz beschissen anfühlt.“ Kein guter Start in Almaty, also stürzte ich mich am nächsten Tag in die Arbeit mit Workshops und Besuchen bei diversen Firmen, um ihnen die Vorteile der Digitalisierung näherzubringen und Wege aufzuzeigen, wie sie das in die Praxis umsetzen könnten. Nachts gegen eins oder zwei telefonierte ich mit Leni, morgens, bevor ich zur Arbeit aufbrach, mit Nina. So langsam ging ich auf dem Zahnfleisch und bekam dann immer von beiden Seiten Vorwürfe zu hören, dass ich zu viel weg sei. Gut, dass wenigstens die Kunden in Almaty und an den anderen Orten in Kasachstan, die ich besuchte, mit mir sehr zufrieden waren. Zwei Tage vor meiner Rückreise schickte Leni mir einen Brief, der mir sehr komisch vorkam, in dem sie ihre Zweifel und Gefühle ausdrückte, und beim Lesen hatte ich den Eindruck, sie will mich verlassen und hat auch schon jemand anderen gefunden. Wir sprachen und chatteten so viel wie lange nicht mehr, aber ich wurde meine Zweifel nicht los, dass unsere Beziehung zu Ende ginge. Im Haus von Andrey ging ich oft mit ihm in die Sauna und er zeigte mir die lokale Sitte, sich dabei mit Eichenzweigen gegenseitig zu peitschen. Beim ersten Mal empfand ich das als sehr unangenehm, aber nach einigen Tagen hatte ich mich dran gewöhnt und spürte, wie die brennende Haut danach durch starke Durchblutung angeregt wurde. Wenn Andrey nicht zu Hause war, sprach ich mit Nastya mit Hilfe einer Übersetzungs-App auf dem Smartphone, die ich mir vorher geladen hatte. Dabei konnte ich Deutsch und sie Russisch sprechen, und die App übersetzte das jeweils und sprach für uns die entsprechenden Antworten. Meist ging das ganz gut, aber wenn man nicht deutlich oder zu schnell sprach, war die App überfordert und es kamen oft lustige und unverständliche Sätze heraus. Auch bei Gesprächen mit einigen Unternehmern benutzte ich die App und war sehr froh, dass die Technik heute so hilfreich sein kann. An meinem letzten Abend lud ich Andrey und Nastya in ein Restaurant ein und wir tranken neben einigen Bieren nach lokaler Sitte eine Flasche Wodka. Gegen 20:30 Uhr brachten die beiden mich zum Flughafen und um 22:10 Uhr Ortszeit hob dann meine Maschine Richtung Astana und weiter nach Frankfurt ab. Dank des Wodkas schlief ich schon gleich nach dem Start ein, verpasste Landung und Start des Zwischenstopps in Astana und wachte zwei Stunden vor der Landung in Frankfurt auf, als die Stewardessen das Frühstück brachten. So etwas hatte ich auch noch nie erlebt, aber dadurch war der Flug sehr schnell vergangen. Wien. 37. In mir geht es drunter und drüber. Ich weiß nicht mehr, was ich will und was ich nicht will. Ich liebe Max von Herzen und der Gedanke, ihn zu verlieren, macht mich unendlich traurig und schwermütig. Gleichzeitig ertrage ich es nicht mehr, immer an letzter Stelle zu stehen. Er sagt zwar immer, das ist nicht so, ich sei ihm das Wichtigste, aber das, was er tut, zeigt mir eindeutig, dass das nicht stimmt. Wahrscheinlich spielt meine Fantasie wirklich auch schon ein böses Spiel mit mir. Letztens habe ich Max am Telefon sogar vorgeworfen, er hätte den Anruf damals wegen Kasachstan fingiert. Ich meinte, er hätte das vorher schon gewusst und den Anruf so getimt, dass ich ihn mitbekommen musste. Schon klar, dass das Unsinn ist, aber für mich hat es in der Situation so gewirkt. Die Frauenstimme, die da am Telefon war … und die knappen Antworten … Alles einfach sehr fantasieanregend und wenig vertrauensfördernd. Meine Gefühlswelt ist total durcheinander und ich weiß nicht mehr, was richtig ist und was nicht. Daher nehme ich eine Einladung von Winfried zum Kaffee an. Freundschaftlich versteht sich. Jemand zum Reden ist jetzt genau richtig. Er hat eine ruhige, freundliche Ausstrahlung und kann gut zuhören. Viel erzähle ich ihm zwar nicht von meiner Gefühlswelt, das wäre auch nicht angebracht, aber ich sage ihm, dass ich einen Freund habe und dass wir gerade eine Krise durchmachen. Er sagt nicht viel dazu, sondern erzählt mir von der Trennung von seiner Frau vor ein paar Jahren, mit der er aber noch viel Kontakt hat und der er zu Hause oft hilft, weil sie sonst niemanden hat. ‚Ach nein‘, denke ich ‚nicht schon wieder! Was ist mit der Männerwelt bloß los!‘ Das Reden tut uns dennoch beiden gut und nachdem herauskommt, dass Winfried auch gern fotografiert, vereinbaren wir für das Wochenende gemeinsam mit den Nachbarn eine Foto-Tour zur Sonnenwelt Großschönau. Das ist eine gute Stunde Autofahrt. Die Tage, die Max und ich gemeinsam in Berlin verbringen wollten, vergehen für mich wie in Trance. Was hätten wir alles gesehen? Was hätten wir alles fotografiert? Wie hätte unser Hotelzimmer ausgesehen? Tagsüber bin ich abgelenkt mit Beruf und Gartenarbeit, aber nachts lassen mir die Gedanken keine Ruhe. Und so beginne ich, einen Brief zu schreiben, der Max wachrütteln soll. Vielleicht will er mir aus seiner egozentrischen Welt ein kleines Stück entgegenkommen. Vielleicht verlange ich aber auch zu viel, das wird sich jetzt erweisen. So jedenfalls kann es nicht weitergehen. Ein paar Tage später ist der Brief fertig. Dass ich Max damit die Zeit in Kasachstan nicht leichter mache, ist mir klar. Liebster! Mein viel zu sehr geliebter Max! Ich möchte dir so vieles sagen und kann es nicht, weil mir jedes Mal die Stimme in den Tränen erstickt. Außerdem möchte ich gar nicht weinen und dir alles auch noch schwerer machen. Jetzt beim Schreiben sind die Tränen auch nicht zu vermeiden, aber du musst sie nicht sehen und ich kann sie voll rauslassen, wenn mir danach ist. Das hier ist nicht als Abschiedsbrief gedacht. Ich schreibe nur auf, was ich loswerden möchte. Und das ist so einiges! Wohin es letztlich führt, werden wir sehen … Du hast einmal gesagt, du bist neugierig, wie lange ich unsere schwierige Situation aushalten werde. Und ich dachte wirklich, das wird ewig sein. Egal was passiert, nur die Liebe zählt und alles andere ist egal. Alle paar Wochen einmal auf Wolken schweben und deine Liebe inhalieren! Die Welt um uns herum vergessen und in irgendeiner schönen Stadt mit einander der Wirklichkeit davonlaufen. Ja, das ist so in Ordnung für mich. Das gibt genug Kraft für die nächsten Wochen. Wir schreiben uns täglich und telefonieren so oft es geht und sind uns so auch über tausende Kilometer näher als sich andere je sein werden … Und dein tägliches ICH LIEBE DICH tut so gut in der Seele, ich möchte es nie mehr vermissen! Aber ungefähr fünf Monate! Fast ein halbes Jahr!!! Mit der Aussicht, dass es danach auch nicht besser werden kann … Ich fürchte, ich komme tatsächlich an meine Grenzen. Ich kann gar nicht beschreiben, wie mich jeden Tag die Sehnsucht quält, auch wenn ich genug Arbeit habe und mich sehr bemühe, wie sonst immer positiv zu denken. Ich grüble oft darüber nach, was es mir so schwer macht. Und es wird mir immer bewusster, dass da einige Dinge zusammenspielen. In den Zeiten, wo wir uns öfter oder länger sehen, ist es für mich kein großes Problem, wenn du zwischendurch die Treffen mit deinen anderen Freundinnen und Bekannten genießt. Ich weiß ja, dass da nichts ist und ich vertraue dir wirklich! Und du musst zugeben, ich habe mich kaum jemals beklagt – na ja, ein bisschen über Elvira und Bärbel, wo gewisse Sorgen auch begründet sind … Wenn ich aber die Aussicht auf fünf einsame Monate habe und dann noch mitten drinstecke, macht mich der Gedanke verrückt, dass du gerade mit Bärbel am Rhein entlangläufst, wo wir beide schon miteinander waren. Und das jeden zweiten Tag … Sie darf deine Nähe genießen, die ich mir so wünsche – auch wenn ich es gar nicht dürfte … Nein, stimmt nicht – wünschen darf man sich alles … Sie darf den ganzen Vormittag mit dir frühstücken und mit dir hingehen, wo immer sie will. Sag jetzt nicht, das stimmt nicht! Wenn sie dich bittet, mit ihr irgendwo hinzugehen, sagst du immer ja, wenn du Zeit hast … Das war nur ein Beispiel. Egal ob Bärbel, Irene, Elvira, Sylvia oder wie sie sonst alle heißen, sie gehören zu deinem Leben, und das ist für dich auch wichtig. Und ich denke dabei nicht an einmal im Jahr essen gehen mit einer alten Kollegin oder an eine Reise zu einem Begräbnis mit einer langjährigen Bekannten, sondern an die alltäglichen Zwischendurch-Treffen, von denen dir gar nicht mehr auffällt, wie viele es sind. Wahrscheinlich ist es tatsächlich eine Art Eifersucht, die mich da reitet. Wie oft hab ich mir vorgenommen, einfach nichts zu sagen und einfach hinzunehmen, dass es so ist. Einfach vertrauen, dass du stark genug bist, den Damen im Fall des Falles zu widerstehen, oder einfach naiv genug, nicht zu sehen, wenn sie dich anhimmeln. In Wirklichkeit glaube ich eher, dass es dir ganz guttut, wenn sie dich becircen. Das tut jedem Ego gut … Das war das eine, umgekehrt denke ich mir, wenn du weniger solche Treffen zulassen würdest, könnte ich die langen Zeiträume auch etwas besser überbrücken. Gleichzeitig will und kann ich das gar nicht von dir verlangen. Schon blöd, diese Zwiespältigkeit … Manchmal denke ich mir dann, ich bin ganz schön dumm, wenn ich die eine oder andere Einladung zu einem Kaffeeplausch ablehne. Ja, ja, ab und zu kommt es schon vor, dass jemand mit mir ausgehen möchte. Ich denke mir dann immer, nein, das wäre nicht gut. Derjenige könnte sich falsche Hoffnungen machen. Und wenn ich es dir sage, was denkst du dir? Eigentlich alles Quatsch. Du denkst darüber ja auch nicht nach! Oder? Was ich also eigentlich sagen möchte, ist, dass ich dich mehr liebe als gut ist. Nämlich so sehr, dass mir das, was wir haben, eindeutig zu wenig geworden ist. Das muss ich jetzt endlich einmal zugeben. Und weil das so ist, habe ich auch darüber nachgedacht, wie es denn aussehen würde, wenn ein Wunder geschähe und wir eines Tages doch zusammenkämen. Sag mir, wenn ich nicht recht habe … Ich würde einige Zeit die Wolken genießen, auf denen wir schweben, du wahrscheinlich auch. Ich könnte offiziell auf Fotoreisen mitfahren und auch zum Segeln oder nach Afrika … Herrlich!!! Und irgendwann würdest du dann genauso oft allein wegfahren wie jetzt bei Nina (Afrika, Kasachstan oder ähnliche Aufträge irgendwo auf dieser Welt). Weil du das einfach brauchst. Auch das könnte einige Zeit gut gehen. Bis du anfängst, deine alten Freundinnen zu besuchen, um wieder einmal mit ihnen zu plaudern. Wenn ich bei dir leben würde, würdest du sowieso zumindest weiter mit Bärbel joggen und mit Irene Veranstaltungen besuchen … Und wenn wir hier wären …, würdest du dann auch ganz harmlose weibliche Bekanntschaften schließen? Wahrscheinlich … Ich glaube nicht, dass du auf die Dauer glücklich sein kannst mit nur einer Frau in deiner nächsten Umgebung. Und mir würde es irgendwann fast genauso gehen wie jetzt – nur dass ich an Ninas Stelle wäre. Weißt du eigentlich, welches Glück du hast, mit Nina zusammen zu sein? Ich würde dir diese Freiheiten auch gern alle lassen. Aber ich muss ehrlich zugeben, ich könnte das nicht. Ich könnte das nicht aushalten. Auch wenn ich mir die letzten zwei wunderschönen Jahre was anderes eingeredet habe, für mich ist Zusammensein in Wirklichkeit nur ganz oder gar nicht möglich. Meine Liebe kann sich heimlich im Herzen aufteilen. Das kann ich nicht wirklich beeinflussen. Das geschieht – wie es bei uns passiert ist. Einen Menschen liebt man aber meiner Meinung nach trotzdem immer mehr oder stärker als den anderen. Wenn das passiert, ist es für mich Zeit für eine Entscheidung. Ich weiß, dass du niemals eine Entscheidung für UNS treffen wirst und kannst, aus welchen Gründen auch immer. Und du weißt, dass ich jederzeit sogar gern die dritte Frau Mayer wäre, aber dann auf keinem Fall die Nummer 3, 4 oder 5 in deinem Tagesablauf. Das sind also die Dinge, die mir durch den Kopf gehen, wenn ich zu lang allein bin und wir noch dazu wenig schreiben oder telefonieren können. Dann kommt mir immer öfter der Satz in den Sinn, den ich vor vielen Jahren zu meinem Mann gesagt habe: „Einsam kann ich allein auch sein – zu zweit tut es nur mehr weh.“ So, was machen wir jetzt mit all diesen Überlegungen, die eindeutig erkennen lassen, dass unsere Liebe keine Aussicht auf Zukunft hat – wie du auch schon festgestellt hast? Ich liebe dich unendlich und wenn du mich berührst und ansiehst, werde ich schwach und versinke nur wieder in dir bis zum nächsten schweren Abschied! Ich halte sie nicht mehr aus, diese Abschiede. Schon wenn ich daran denke, heul ich wieder los. Was meinst du, sollen wir uns das wirklich noch einmal antun? Liebster, wahrscheinlich habe ich dich jetzt sehr aufgewühlt. Das tut mir leid, ging aber nicht anders. Ich bin auch sehr neugierig, ob du mich immer noch verstehen kannst und wie du das alles siehst. Ich liebe dich!!! Deine liebste Leni. Zwei Stunden nachdem ich ihm den Brief geschickt habe, antwortet Max: Liebste, ich habe deine Gedanken gelesen, kann aber jetzt nicht antworten. Überlege auch, ob es gut ist, zu schreiben oder zu sprechen. Ich denke darüber nach und liebe dich weiter … Köln. 38. Unser Zuhause nach zwei weiteren Wochen Abwesenheit wollte mir so gar nicht gefallen. Der Brief von Leni und die anschließenden Gespräche und Nachrichten zeigten mir, dass ich sie verlieren würde. Oder hatte ich sie schon verloren? Gab es schon jemand anders? Die letzten Chats in Almaty hatten zum Teil noch wie früher geklungen, aber dann ging es plötzlich bergab:

Teil 3. WAR’S DAS JETZT? Never mind I’ll find someone like you. I wish nothing but the best for you too! ADELE. Wien. 1. So langsam fange ich an, mir Gedanken zu machen, wie das wohl sein wird, wenn ich in zehn Tagen mit Max den Fotoworkshop in Wien machen werde. Mit meinem neuen Freund Winfried habe ich das schon besprochen und er ist nicht begeistert. „Das kannst du doch nicht machen, das würde doch sicher alte Wunden wieder aufreißen“, meinte er, als ich ihm sagte, dass ich den Workshop unbedingt machen will. „Quatsch. Nach so langer Zeit der Trennung können Max und ich sicher freundschaftlich miteinander umgehen.“ Dennoch habe ich Zweifel, ob das wirklich so geht. Die Beziehung mit Winfried ist nicht wirklich glücklich und Max schwirrt ständig in meinem Kopf herum. Ich beschließe, Max zu fragen, wie er die Sache sieht und schreibe ihm eine kurze Nachricht

Köln. 2. Nur noch zehn Tage bis zum Fotoworkshop in Wien. Leni hatte mir geschrieben und ich war total verunsichert, ob wir den Workshop wie Freunde miteinander durchziehen könnten oder ob die Versuchung wieder größer sein würde, dass wir doch wieder zusammenkämen. Ich schlief schlecht, Nina, die wieder in Danzig war, fragte mich am Telefon, was denn los sei mit mir. „Keine Ahnung, es ist so einsam hier. Du hast sicher eine schöne Zeit dort und dir macht das allein sein nicht so viel aus. Aber ich fühle mich hier sehr verlassen und bei der Arbeit geht auch nichts voran. Zum Glück fahre ich bald nach Wien zum Fotoworkshop, das wird etwas Abwechslung bringen.“ „Ja und danach bin ich auch in Köln und wir sind einige Zeit zusammen. Weil ich meinen Abschied aus der Schule bereits hinter mir habe, bin ich so frei wie du und kann hin und her reisen, wann immer ich will.“ „Ja das ist gut. Dann können wir auch viel zusammen unternehmen, wenn du hier bist.“ Ich zählte die Tage bis zum Abflug nach Wien und vermied es, Leni zu schreiben oder anzurufen. Ich wollte einfach abwarten und sehen, wie das Wiedersehen sein würde. Ich fragte mich ernsthaft, ob ich es aushalten würde, dass sie weiter mit Winfried zusammen ist und wir unsere Beziehung wiederaufleben ließen. ‚Das wäre ja mal der umgekehrte Fall von früher oder besser: Dann lebten wir beide in einer festen Beziehung und hätten eine Affäre nebenbei. Affäre? Wie das klingt. Leni war für mich keine Affäre. Sie war und ist meine große Liebe. Daran hat auch die Trennung nichts geändert.‘ Am Tag vor meiner Abreise plötzlich eine Nachricht von Leni: Liebster, ich habe mich von Winfried getrennt. Ich hab die Diskussionen mit ihm über unsere Beziehung nicht mehr. ausgehalten. Mit ihm im Hinterkopf hätte ich dir nicht gegenübertreten können. Das war ja mal ein Hammer. Was sollte ich jetzt tun? Über eine Antwort musste ich erst mal nachdenken. Dann schrieb ich ihr:

Wien. 3. Morgen ist es also so weit. Ich werde Max wiedersehen. Winfried hat mich beschimpft und für verrückt erklärt, als ich ihm vorgestern den Laufpass gegeben habe. „Nach allem, was ich hier für dich in deinem Garten und am Haus gemacht habe, schmeißt du mich einfach so raus? Das ist eine Sauerei. Das hast du geplant und hast mich nur ausgenutzt.“ „Blödsinn, ich war und bin mir nur nicht sicher, was ich für Max empfinde. Das habe ich von Anfang an gesagt. Aber dass ich dich nicht liebe, habe ich dir schon mehrfach gesagt. Ich hatte vor Monaten gehofft, es würde sich etwas entwickeln, aber das hat es nicht. Also lass es uns beenden und jeder geht seinen Weg.“ Harte Worte für jemanden, der einem wirklich viel geholfen und der so manches liebe Wort zu einem gesagt hat. Aber nach allem, was vorgefallen ist, weiß ich jetzt ganz genau, was ich will. Und da helfen nur harte Worte, sonst ist das bis morgen nicht durchgestanden. Morgen ist Workshop-Time. Und jetzt weiß ich endlich, dass ich nicht mehr herumdiskutieren möchte, wer hier was falsch gemacht hat. Ich weiß sowieso, dass ich schuld bin. Das muss ich mir jetzt nicht noch wochenlang anhören. Also ist Schluss und dabei bleibt es! Irgendwie bereue ich es schon, dass ich Max tatsächlich erst morgen mit den anderen treffen werde. Wie schön wäre es jetzt, den Abend mit ihm zu verbringen, ein Glas Wein zu trinken und in seine schönen, warmen Augen zu schauen. ‚Himmel, hab ich das vermisst!‘ Ich muss ihm schnell wenigstens schreiben, dass ich mich auf ihn freue. Da kommt ganz unerwartet die Antwort, dass er noch gar nicht da ist. Sein Flug wurde umgebucht und er ist gerade in Tegel, wo er auf den Anschluss wartet. Dabei meint er noch spaßhalber: „Hoffentlich kommt mein Koffer mit! Das ist hier in Berlin nicht so ganz selbstverständlich.“ Knapp zwei Stunden später die Gewissheit bald nach der Landung: Er ist nicht mitgekommen. Max bekommt von der AUA ein Notfall-Kit und trifft um 23:45 Uhr endlich im Hotel ein. Wir verabschieden uns am Telefon und ich gehe schnell schlafen, damit es bald Morgen ist … Der Treffpunkt bei der Ankeruhr ist gut gewählt. Ein übersichtlicher Platz, wo man alle Ankommenden leicht sehen und erkennen kann. Das Wetter ist vielversprechend, die Kameras sind startbereit. Ich kenne ja nur einen von den Fotografen, also wäre es schön, wir wären die Ersten dort und Max stellte mir die anderen vor. Er kennt fast alle Teilnehmer, soviel ich weiß. Und das Glück ist auf unserer Seite. Zufällig sind wir beide so früh dort, dass wir uns erst einmal richtig herzlich begrüßen können. Wie wunderbar das ist! Seine Hände wieder spüren, seine Lippen … wenn auch nur ganz kurz. „Ist das schön, dass du da bist!“, sage ich zu ihm und er drückt mich einfach nur nah an sich. „Was hältst du davon, wenn wir noch einen Kaffee trinken gehen? Gleich hier von dieser Terrasse aus können wir sehen, wenn die anderen kommen“, fragt Max aufgeregt und wir machen das. Und jetzt? Freundschaft oder mehr? Wir schauen uns lange an. Und es ist uns beiden so sonnenklar: Das mit „nur“ Freundschaft können wir abhaken. Später wollen wir noch einmal über alles reden und uns klarer werden. Aber jetzt trudeln die Workshop-Teilnehmer nach und nach ein und Max stellt mir Werner vor, der in diesen Tagen unser Lehrmeister sein wird. Wir beginnen mit ein paar Stunden Theorie in einem Büro gleich um die Ecke. Da weiß ich es, ich bin hier richtig. Werner spricht über das fotografische Sehen, über Licht und Schatten, Linien und Kurven, Architektur und Menschen, und gibt Tipps, die für jeden Anfänger Gold wert sind. Bei der Vorstellungsrunde ist mir gleich klar, dass ich hier diejenige mit der wenigsten Erfahrung bin. Aber ich glaube auch, dass ich eine mit dem größten Interesse bin. Die anderen Teilnehmer hat Werner aus Leipzig mitgebracht, bis auf seine Fotokollegin aus Wien, die ihn bei seinem Programm unterstützt. Und so kann es dann auch schon losgehen. Unser erstes Ziel ist die Donaucity, unsere Aufgaben „Linien“, „Architektur und Mensch“ und „Spiegelungen“. Ich finde ja, dass ich hier mit meiner Systemkamera klar im Vorteil bin. Es gibt Motive in den unterschiedlichsten Entfernungen, alles kein Problem mit meiner P900. Die Empfehlung dieser Kamera war ein guter Tipp meines Coaches. Vor dem Fotografieren im Rudel mit Leuten, die man nicht kennt, hatte ich vorher ein wenig Angst gehabt. Man kann sich ja verlieren, was macht man dann? Ich fürchtete Stress beim Zusammenhalten der Gruppe. Völlig zu Unrecht. Werner hat alles im Griff. Er sagt immer an, wann und wo wir uns nachher treffen, und wandert selber zwischen uns umher, um uns immer wieder auch mit Tipps zur Seite zu stehen. An diesem ersten Tag fahren wir auch noch zur neuen Wirtschaftsuni in die Bibliothek. Da bin ich erst mal sehr erstaunt. Ein Leipziger muss kommen, um mir dieses Gebäude, ja, dieses Viertel zu zeigen! Dass wir in Wien so einen großartigen Bau von der Stararchitektin Zaha Hadid haben, habe ich bis jetzt großzügig verschlafen. Ich bin restlos begeistert. Unsere Aufgaben dort: „Diagonale“, „Linie“ und „Dreiecke“ Nachdem wir zu Mittag schon mit den anderen in der Mensa gegessen haben, beschließen Max und ich, den Abend bei einem Essen zu zweit zu verbringen. Das fällt nicht weiter auf, weil ohnehin noch alle ihre Fotos bearbeiten wollen. Wir haben ja für den nächsten Morgen die Aufgabe, zu jedem Thema drei Fotos auszuwählen, die wir präsentieren wollen. Das Hotel, in dem Max wohnt, ist in der Nähe des Pratersterns und so suchen wir uns ein Lokal in der Praterstraße, wieder einmal einen Italiener. Im Ristorante Fiorino lassen wir den Tag revuepassieren und ich nütze die Gunst der Stunde wieder einmal für eine Erklärung: „Liebster, wahrscheinlich hast du dir damals gedacht, na toll, jetzt macht sie das Gleiche noch mal wie bei unserem ersten Auseinandergehen! Stimmt’s?“ „Ja klar, sah für mich so aus“, lautet die zerknirschte Antwort. „So war das aber nicht diesmal. Ich hatte gar nichts vor. Es war einfach schön, reden zu können. Ich habe mich verstanden gefühlt … und nach und nach wichtig. Das Gefühl war mir verloren gegangen. Irgendwann, nach einigen Wochen, habe ich mich doch näher darauf eingelassen, in dem Wissen, dass aus uns beiden doch nie mehr ein Paar werden würde. Weißt du, wenn ich einmal Schluss mache, dann ist Schluss … normalerweise … Und dann, ich hoffe, du kannst mir das glauben, dann war es ganz schön im Sommer. Wir waren öfters fotografieren, Rad fahren und haben bei mir im Garten gearbeitet. Winfried hat mir auch geholfen, den alten Holzrand vom Pool zu entfernen und Platz für die neuen Steinplatten zu machen. Da hätte ich mir allein sicher beide Hände gebrochen. Anfangs hatte ich das Gefühl, er macht das alles gern. Doch mit der Zeit spürte ich da eine latente Unzufriedenheit. Es störte ihn, dass ich jede Woche zu den Kindern fuhr oder sie zu mir kamen. Nachdem sie da waren, ließ er nie ein gutes Haar an ihnen. Wenn ich einmal nicht gleich nach der Arbeit Lust hatte, zu ihm zu kommen, nahm er das als persönliche Ablehnung. Und weil mein „Ich liebe dich“ einfach nicht über die Lippen wollte, begannen ihn natürlich Zweifel zu plagen. In der Zwischenzeit fühlte ich mich immer weniger wohl bei Winfried zu Hause. Du musst dir vorstellen, wenn man im Windfang die Stiegen hinaufkommt, liegt da eine Matte. Auf dieser Matte musst du die Schuhe ausziehen und die dürfen nicht auf dem Boden dahinter ankommen. So klinisch geht es im ganzen Haus zu. Das hat mit normaler Reinlichkeit nichts mehr zu tun. Und ich muss zugeben, am Anfang habe ich das so akzeptiert. Bei ihm ist das halt so, bei mir nicht. Aber irgendwann wird das Verstellen zu mühsam. Noch dazu hat er dann angefangen, in meinem Haus die Schlapfen zu wechseln, wenn er vom Haus in den Garten ging und zurück. Weil das aber auch wirklich zu lächerlich ist, glaube ich, dass mich das zum Umdenken gebracht hat. Und dann kam der Workshop immer näher. Und je näher der kam, umso ausweichender und zweifelnder wurde ich wahrscheinlich. Eigentlich wollte ich von Anfang an daran teilnehmen. Als Winfried sich dann dagegen auflehnte, dass ich das mache, war sein Schicksal besiegelt. Und heute bin ich hier. Liebster, kannst du mir glauben, dass ich das zutiefst bereue?“ „Ja, Liebste! Aber das musst du nicht. Wir müssen das so sehen, alles, was passiert ist, hat uns dahin geführt, wo wir heute sind. Und so wie es jetzt aussieht, sind wir beide auf dem Weg zu einander!“

4. Abends im Hotel schrieb ich noch eine kurze Nachricht an Leni, dass ich mich sehr über unser Wiedersehen gefreut hätte und es bedauere, dass wir getrennt voneinander schlafen. Sie antwortete prompt:

Teil 4. WÖRTER-LIEB. DU BIST DER GRUND, DIE VERGANGENHEIT ZU AKZEPTIEREN, DIE GEGENWART ZU LIEBEN UND DIE ZUKUNFT ZU ERWARTEN. Verfasser unbekannt. Köln. 1. Zwei Wochen vor dem geplanten Fotoworkshop in Berlin fasste ich mir endlich ein Herz und rief Leni an. „Hallo Liebste, wie geht’s dir?“ „Oh, liebster Max, schön, dich zu hören! Es geht mir immer noch nicht gut. Ich hatte die ganze Zeit gehofft, du würdest dich mal melden. Diesmal wollte ich nicht unsere Entscheidung rückgängig machen.“ „Wie sieht es denn mit dem Workshop in Berlin aus? Willst du immer noch hingehen?“ „Ja, eigentlich schon. Und du?“ „Ich auch und ich wollte dich fragen, ob wir von unserem Plan abgehen, dass nur einer von uns hinfliegt und ob wir doch zusammen teilnehmen?“ „Das ist keine leichte Entscheidung. Ich möchte sehr gern, aber ich hatte doch gesagt, ein nächstes Treffen gibt es nur, wenn du die Scheidungsurkunde mitbringst.“ „Die Scheidung habe ich noch nicht, aber ich habe mich vor zwei Monaten von Nina getrennt.“ „Waaas? Wie kam das denn?“ „Das ist natürlich eine längere Geschichte und ich will sie dir dann auch bald mal erzählen. Jetzt nur so viel: Ich habe es im April, als wir beide hier in Köln waren, nicht mehr ausgehalten, weil sie mich immer wieder mit allen möglichen Worten gekränkt hat, und habe sie gebeten, endgültig auszuziehen. Das hat sie dann tatsächlich am gleichen Tag gemacht. Ich habe mir vorgenommen, das Haus zu verkaufen und mir eine kleinere Wohnung zu suchen. Am nächsten Tag hab ich mich gefragt, ob das jetzt die richtige Entscheidung war, und wollte sie zurückholen. Habe es aber gelassen. Stattdessen habe ich danach ein Buch gelesen mit dem Titel: „Trennt Euch“ – und das hat mir gezeigt, die Entscheidung war richtig.“ „Habt ihr denn noch Kontakt miteinander?“ „Ja, wir telefonieren etwa alle drei bis vier Wochen, aber bisher ist das ziemlich frustrierend, weil sie natürlich sauer auf mich ist. Ich hoffe, das gibt sich mit der Zeit.“ „Glaubst du, die Trennung ist endgültig? Einen nochmaligen Rückzieher halte ich nicht aus.“ „Ja, ich denke, diesmal ist meine und unsere Entscheidung endgültig. Ich habe inzwischen ganz in der Nähe eine neue Wohnung gefunden, denn unser Haus haben wir verkauft. In ein paar Wochen werde ich umziehen. Auch deshalb habe ich so lange gewartet, bis ich dich anrufe. Ich wollte selbst sicher sein.“ „Liebster, in diesem Fall fahre ich gern mit dir zusammen nach Berlin. Ich kann es noch gar nicht fassen. Das ist ja schon in zwei Wochen.“ „Ja stimmt, aber ich muss vorher noch Irene einweihen. Die ist ja auch dabei. Und wir wohnen alle drei im selben Hotel. Da können wir unsere Beziehung nicht verheimlichen.“ „Oh, das ist richtig. Wie willst du das erklären? Hast du nicht gesagt, dass Irene und Nina sich kennen?“ „Ja genau, wir kennen uns sehr lange. Ich habe schon überlegt, es ihr übermorgen zu erzählen. Da fahren wir zusammen zu einer Veranstaltung vom Handelsblatt nach Düsseldorf. Auf der Fahrt sind wir allein, da werde ich sie aufklären.“ „Ich drück dir die Daumen, dass du die richtigen Worte findest.“ Zwei Tage später saß ich abends mit Irene im Auto und sie erzählte mir von den neuesten Entwicklungen in meiner früheren Firma. „Wir bekommen einen neuen CEO und es kündigen sich schon wieder organisatorische Veränderungen an. Langsam hab ich es satt, dass wir alle paar Jahre mit einer neuen Führungsspitze auch gleich die gesamte Organisation wieder umkrempeln. Ich darf mich mal wieder um die Kommunikation dazu kümmern. Das wird sicher abermals eine harte Nuss.“ „Bin ich froh, dass ich das nicht mehr miterleben muss. Ich hoffe, du kriegst das hin, ohne selbst größeren Schaden zu nehmen. Solche Change-Prozesse nehmen einen ja auch immer ziemlich mit.“ „Ja, ich weiß. Aber ich habe auch nur noch knapp zwei Jahre bis zur Frühpension. Mit der Aussicht halte ich das gut aus.“ „Ich muss dir auch was erzählen, aber das ist noch nicht für die Öffentlichkeit. Ich erzähle es nur dir.“ „Oh, was ist das denn Schönes oder Schlimmes?“ „Beides. Ich habe mich vor zwei Monaten von Nina getrennt. Das ist schlimm, aber inzwischen komme ich schon ganz gut mit der Entscheidung klar. Außerdem möchte ich versuchen, meine Beziehung zu Leni wieder zu kitten. Du kennst sie vom Fotoshooting letztes Jahr und sie fährt auch mit zum Fotoworkshop nach Berlin. Leni und ich hatten eine längere Affäre, die ich auf Wunsch von Nina Anfang des Jahres beendet hatte. Ich hoffe, wir können den Faden wieder aufnehmen, und das werden wir in Berlin versuchen.“ „Mensch Max, das sind ja Neuigkeiten. Bist du sicher, dass du das Richtige tust? Nina und du wart für mich immer ein ideales Paar.“ „Ja, das dachte ich auch lange Zeit. Aber es gab ein paar hässliche Ereignisse, z. B. dass sie sich entschieden hat, dauerhaft in Danzig wohnen zu wollen. Das ist für einen Kölner kein Zuhause.“ „Ja, das verstehe ich gut, denn du willst ja auch immer wieder neue Projekte machen, nicht nur fotografieren, sondern auch deine Beratungsprojekte. Aber trotzdem. Hättet ihr nicht einen Weg finden können, der für euch beide passt?“ „Das haben wir versucht. Wir haben von Januar bis März eine Paartherapie gemacht und dachten, wir schaffen das. Dann war ich drei Wochen im Projekt in Mexiko. Als wir uns hier wieder getroffen haben, hat es nur geknallt. Wir haben ständig gestritten und Mitte April habe ich es nicht mehr ausgehalten und ihr gesagt, sie soll ausziehen. Das hat sie auch prompt gemacht, und seitdem ist quasi Funkstille bis auf zwei kurze Telefonate, in denen wir logistische Dinge geklärt haben.“ „Du redest schon darüber, als ob du das schon weggesteckt hättest.“ „Na das klingt vielleicht so, aber in Wirklichkeit kann man ja seine Gefühle nicht einfach so ausknipsen. Ich habe auch manchmal Zweifel, ob ich es richtig gemacht habe. Aber ich lese gerade ein Buch zu dem Thema und habe auf Ratschlag des Autors eine Liste erstellt mit Dingen, die bei uns passen, und solchen, die nicht harmonieren. Die Zahl der Faktoren, wo wir uns unterscheiden, ist größer. Also war die Entscheidung wohl richtig, auch wenn ich gefühlsmäßig noch nicht ganz drüber hinweg bin.“ „Ja und wie ist das mit Leni?“ „Das muss sich erst noch ergeben. Wir hatten jetzt fast ein halbes Jahr keinen Kontakt. Mal sehen, wie sich das dann in Berlin anfühlt.“ Wien. 2. Als mein Handy läutet und ich am Display seinen Namen lese, glaube ich zu träumen. Aber er ist es wirklich! Nach fast einem halben Jahr ruft Max mich an. Mein Herz macht einen Sprung. Wie sehr habe ich doch gehofft, dass er sich irgendwann wieder melden würde! Und wie oft habe ich geträumt, dass er vor meiner Tür steht und sagt: „Liebste, jetzt wird alles gut. Wir gehören doch zusammen!“ Ich habe es mir so sehr gewünscht, aber die Aussicht auf Erfüllung war gering. Er war es ja diesmal, der Schluss gemacht hat. Und er wollte zu Nina zurück. Paartherapie …Umzug … Neuanfang. Ich kann jetzt noch fühlen, wie es mir gegangen ist, als ich ihm gesagt habe, er soll erst wiederkommen, wenn er die Scheidungsurkunde dabei hat. Mein Herz hat geklopft wie wild, die Tränen sind mir in Bächen über die Wangen geronnen und ich habe nicht gewusst, ob ich zornig, traurig oder gekränkt bin. Wahrscheinlich war ich alles zusammen. Und jede Diskussion wäre sinnlos gewesen. Also habe ich einfach aufgelegt. Flucht könnte man es nennen. Ich wollte nicht mehr hören, wie leid es Max tut, dass er mich so verletzt und noch weniger, dass er nicht anders kann. In diesem Moment war mir klar, dass Ninas Gewohnheitsrecht immer Vorrang haben würde und ich in Wirklichkeit keine Chance habe. Zwei Tage danach hat Max noch eine Nachricht geschrieben. Ich habe sie ohne viel nachzudenken sofort gelöscht. Wer weiß, am Ende hätte er sich wieder entschuldigt und alles rückgängig machen wollen und alles würde von vorn beginnen. Nein, es war jetzt genug. Max hat sich entschieden, und das war’s jetzt. Die folgenden Monate sind sehr schleppend vergangen. Es war zwar immer genug zu tun, sowohl in der Schule als auch zu Hause. Die Zeit, die ich mit meinen Enkelkindern verbrachte, war wunderbar. Aber die Abende und Nächte allein ohne liebevolle Telefonate, Nachrichten und spannende Wordox-Spiele, waren endlos lang und einsam. Irgendwie bin ich wieder an dem Punkt angelangt, an dem ich war, bevor ich Max kennengelernt habe. Mein Interesse an Männern war gleich Null. ‚Wenn ich ihn nicht haben kann, brauche ich gar keinen‘, lautete die Devise. Auch auf die Freude an der Gartenarbeit wartete ich vergebens. Ich hatte an nichts mehr Spaß. Nur die Enkel und das Fotografieren haben mir noch Halt gegeben. Vor ein paar Tagen hat sich diese Unkonzentriertheit gerächt. Ich bin im Garten auf der Böschung zum Pool ausgerutscht und habe mir den linken Knöchel angeknackst. Genau achtzehn Tage vor dem Workshop in Berlin! Es ist also fraglich, ob es Sinn macht, mit dem geschienten Bein dahin zu fliegen. Man ist doch viel zu Fuß unterwegs beim Fotografieren. Und ich will auch nicht die ganze Truppe aufhalten. Außerdem ist nicht klar, ob Max noch fliegen will oder nicht. Es ist alles noch offen. Da klingelt mein Telefon … Berlin. 3 „Der Flug Nr. OS231 ist soeben gelandet.“ Ganz aufgeregt wartete ich im Flughafen Tegel und nun war Lenis Flieger angekommen. ‚Nur noch ein paar Minuten und dann können wir uns nach sechs quälend langen Monaten wieder in die Arme nehmen und küssen. Wie wird das sein?‘ Ein wenig unsicher war ich schon und fragte mich, ob Leni in der Zwischenzeit wieder jemand anders kennengelernt hatte. Ich ging zum Gate Nr. Fünf und erwartete sie sehnsüchtig. Plötzlich sah ich sie hinter der Tür auftauchen und ich wusste, es ist alles richtig. ‚Ich will meine Zukunft mit ihr verbringen und wünsche mir, sie will das auch.‘ Als sie näherkam und ich sie in meine Arme schloss, fühlte es sich fast so an wie vor drei Jahren in Linz. Ganz vorsichtig küssten wir uns, beide sehr zurückhaltend, so, als ob wir uns zum ersten Mal sehen würden. „Komm“, sagte ich zu ihr, „lass uns ins Hotel fahren, dort treffen wir vor dem ersten Workshop noch Irene zu einem Kaffee. Dann kannst du dir selbst noch einmal ein Bild von ihr machen und wirst merken, dass wir nach wie vor sehr gute Freunde sind, aber mehr auch nicht.“ „Liebster, ich will nicht schon wieder anfangen, über andere Frauen zu sprechen. Ich bin erst mal sehr froh, dass wir hier wieder zusammengekommen sind.“ Im Hotel bezogen wir unser Zimmer, nahmen uns kaum Zeit, uns noch einmal zu küssen. Irgendwie waren wir beide aufgeregt und konnten es noch nicht ganz begreifen, dass wir jetzt offensichtlich eine Woche Workshop vor uns hatten, in dem wir uns nicht unbedingt verstecken mussten. ‚Aber konnten wir schon nach außen mit der neu gewonnenen Freiheit umgehen?‘ Irene hatte ich ja schon vorher eingeweiht, aber wie sollten wir uns gegenüber Werner und den anderen Workshop-Teilnehmern verhalten. Leni schien auch darüber nachgedacht zu haben und als wir dann Irene im Café trafen, brachte sie ihr gegenüber das Thema selbst zur Sprache. „Weißt du, Irene, unsere Beziehung ist noch so frisch und ich glaube, es ist besser, wenn wir den anderen Teilnehmern noch nichts davon sagen. Kannst du es einfach auch für dich behalten?“ „Ja sicher, kein Problem“, meinte Irene. „Aber ihr müsst mir schon noch etwas mehr von euch erzählen. Da bin ich neugierig.“ Ich sagte: „Ja, das können wir in einer ruhigen Stunde sicher mal machen, aber jetzt sollten wir in den Workshop-Raum gehen und die anderen begrüßen.“ Außer Werner trafen wir noch auf Astrid und Thomas, den Irene und ich schon von einem früheren Workshop in Hamburg kannten. Es versprach eine nette Runde zu werden. Nach ca. einer Stunde allgemeiner Erläuterungen gab uns Werner die ersten beiden Aufgaben: „Wir gehen gleich zum Abendessen in die ständige Vertretung und danach zum sogenannten Tränenpalast, damit ihr dort erste Bilder von der Architektur in der Region macht. Und heute Abend macht bitte jeder von euch interessante Bilder in euren jeweiligen Badezimmern. Geht für 30 Minuten ins Bad und schaut euch alle Details genau an. Dann macht dreißig Bilder, sucht nachher die drei besten heraus und bringt diese Bilder und drei von der Architektur morgen früh zur Bildbesprechung mit.“ Das wurde ein langer Abend. Leni und ich konzentrierten uns nach Rückkehr in unser Hotelzimmer, möglichst nicht die gleichen Dinge im Bad zu fotografieren. Schließlich sollten die anderen nicht wissen, dass wir das Bad und auch das Zimmer teilten. So brauchten wir mit fotografieren, Bilder aussuchen und bearbeiten bis nach Mitternacht, bevor wir endlich in dem großen Doppelbett nebeneinander lagen. Die Nervosität, die wir schon am Nachmittag gespürt hatten, wollte auch jetzt noch nicht weichen. „Bist du sehr müde?“, fragte ich Leni. „Es geht“, sagte sie, „und du?“ „Ich bin zu aufgeregt, um noch irgendwas mit dir anzufangen“, antwortete ich wahrheitsgemäß. „Also wäre es vielleicht besser, wenn wir jetzt lieber schlafen würden. Was denkst du?“ „Ich verstehe dich und ich denke, du hast recht. Wir haben nicht nur hier viel Zeit, sondern wir haben ein neues gemeinsames Leben vor uns, da müssen wir nichts überstürzen.“ So küssten wir uns nur noch einmal und schliefen tatsächlich bald ein. Um 5:30 Uhr wurde ich schon wieder wach und schaute Leni zu, wie sie schlief. ‚Ist das die Frau, mit der ich den Rest meines Lebens verbringen will. Will ich das wirklich?‘ Meine Gedanken wirbelten nur so durcheinander. Aber mein Gefühl sagte mir: ‚Ja, das will ich. Das Leben mit Nina ist zu Ende und es gibt kein Zurück mehr.‘ In diesem Augenblick wachte Leni auf und strahlte mich an: „Eben noch habe ich von dir geträumt und jetzt liegst du hier ganz nah neben mir.“ „Ich kann noch näher kommen“, antwortete ich und schob mich zu ihr heran. Dann fing ich an, sie zu küssen und ihren Körper zu liebkosen. Die Nervosität war plötzlich weg und es wurde ein langer Austausch von Zärtlichkeiten, sodass wir uns gegen 7:30 Uhr schnell unter die Dusche begeben mussten, damit wir rechtzeitig beim Frühstück sein konnten. Der zweite Workshop-Tag begann mit einem Besuch im Bundestag und später fuhren wir zum ehemaligen Flughafen Tempelhof. Werner hatte für beides Sondergenehmigungen und einen Führer besorgt, sodass wir ausgiebig Fotos machen konnten. Abends gingen wir wieder zusammen essen und danach fanden Leni und ich direkt zueinander. Die Bildbearbeitung musste bis zum nächsten Morgen warten. Da sollten wir um 10 Uhr beim Tempodrom sein, hatten also etwas mehr Zeit als am Tag vorher. Als wir gegen sieben aufwachten, sagte ich zu Leni: „Ich glaube, vor der Bildbearbeitung haben wir kaum noch Zeit für uns?“ „Zehn Minuten sind zehn Minuten“, war ihre Antwort. Nach neun Minuten waren wir fertig, konnten duschen und die Fotos bearbeiten. Nach einem schnellen Kaffee gingen wir in den Stadtteil Kreuzberg und weiter zum Potsdamer Platz. Auch hier gab es jede Menge interessanter Fotomotive. Abends waren wir mit Irene allein zum Essen und erzählten ihr ein wenig von unserer Vergangenheit. Sie hörte lange Zeit zu, stellte einige Zwischenfragen und sagte dann: „Ist doch wunderbar, dass ihr euch gefunden habt. Auch wenn es zuerst ein wenig holprig war, so scheint es doch jetzt eine rosige Zukunft für euch zu geben.“ „Wir wollen unsere Geschichte aufschreiben, damit wir sie immer in Erinnerung behalten. Möchtest Du sie dann mal lesen?“ „Ja, wenn ihr mir das anvertrauen wollt, sehr gern.“ Die beiden letzten Tage vergingen durch die vielen Eindrücke und die dauernd notwendige Bildbearbeitung rasend schnell. Werner brachte Leni und mich am Sonntag mit seinem Auto nach Tegel. Wir hatten noch etwas Zeit, bis unsere jeweiligen Flüge aufgerufen wurden, und sprachen über unsere Zukunft. Das nächste Treffen wollten wir in Lenis Urlaub organisieren und da würden wir erstmals mehr als zwei Wochen zusammen sein und eine kleine Rundreise durch Deutschland, Österreich und Tschechien machen. „Ich freue mich schon riesig darauf“, sagte ich zu Leni, als ich zu meinem Flug ging. „Ich liebe dich und wir werden jetzt mal anfangen, unsere weiteren Treffen zu organisieren. Glaubst du wir schaffen es, trotz der Entfernung zusammenzubleiben?“ Leni sagte: „Entfernung ist doch kein Problem, solange unsere Herzen verbunden sind.“ Den Spruch wollte ich mir gern merken

4. Es grenzt wirklich an ein Wunder! Mein Fuß ist zwar lang noch nicht in Ordnung, aber ich habe ihn so weit schonen können, dass ich einigermaßen gut gehen kann, mit einer Schiene zwar, einer sogenannten Orthese, aber damit so gut wie schmerzfrei. Die Entscheidung, also doch nach Berlin zu fliegen, fällt mir nicht schwer. Ich will Max auf alle Fälle wiedersehen. Ich will Berlin diesmal unbedingt sehen. Und meine kleine Behinderung sollte das nicht verhindern. Zum Glück stellt sich bald heraus, dass ich wirklich kaum Probleme habe, mitzuhalten. Es gibt genug Möglichkeiten, eine kurze Pause zu machen, und ich habe sogar das Gefühl, dass mir die Bewegung guttut. Dazu sind die Fotokollegen und -kolleginnen auch alle sehr rücksichtsvoll und fragen immer wieder nach meinem Befinden. Ich fühle mich sehr gut aufgehoben. Noch besser fühle ich mich in den Armen des Mannes, den ich so lange vermisst habe! Langsam und behutsam nähern wir uns wieder an, wollen nichts zerstören und beginnen zu begreifen, dass wir endlich die Chance haben, miteinander glücklich zu werden. Daher ist es für uns auch kein Problem, unser Geheimnis noch ein wenig zu hüten und nur Irene zur Mitwisserin zu machen. Wir machen das so gut, dass eine der Fotografinnen aus Leipzig, die im Bundestag mitfotografieren, schließlich fragt, ob Max und Irene ein Paar seien. Ich war ein wenig betroffen, aber nicht verwundert. Ich habe ja selber schon oft gesagt, die beiden wirken sehr vertraut miteinander. Auch beim Essen in der „Ständigen Vertretung“, als Max zwischen Irene und mir sitzt, sehe ich, wie er im Gespräch vertieft mit der Hand über ihren Schenkel streicht. Kein Wunder also, wenn auch andere solche Gesten sehen und falsch verstehen. Aber ich weiß ja mittlerweile, dass das nichts zu bedeuten hat. Das Fotografieren in dieser Stadt macht unheimlich Spaß. Sie ist bunt und so vielfältig, alt und modern. Werner kennt die schönsten Locations und gibt uns spannende Aufgaben. Fast alles läuft reibungslos und sehr harmonisch ab. Nur einmal sorge ich für ein wenig Aufsehen. Werner hat uns abends extra noch einmal darauf aufmerksam gemacht, dass wir unbedingt einen Lichtbildausweis mitnehmen müssen, wenn wir in den Bundestag gehen. Ohne geht gar nichts. Ist ja auch gar kein Problem für mich. Ich habe sogar zwei Ausweise in meiner Tasche, den Führerschein und den Reisepass. Am Morgen packen Max und ich unsere Rucksäcke und ich überlege auch gut, ob ich alles habe. Es kann losgehen. Vor dem Bundestagsgebäude erwähnt Werner dann noch einmal die Ausweise, da wird mir plötzlich ganz heiß und mein Gesicht muss wie Purpur geworden sein. Meine Ausweise sind in der anderen Tasche! Ist das ein peinlicher Moment! Werner, die Ruhe in Person, fragt noch mal nach, ob es eine andere Möglichkeit gibt, aber mir bleibt schließlich nur die Option, mit dem Taxi zurückzufahren und meinen Ausweis zu holen, während die anderen schon mal hineingehen. Zum Glück brauche ich nicht lange und werde von einer netten Dame im Gebäude zur Gruppe geführt. Ich habe noch gar nicht viel verpasst von den großartigen Eindrücken. Wir fotografieren außerdem auf dem Alexanderplatz, am alten Flughafen Tempelhof, im Gefängnis von Köpenick, beim Holocaust Denkmal und in den Vierteln mit den modernen Hochhäusern, wo wir uns ganz in die Spiegelungen vertiefen. Es ist wirklich für jeden etwas dabei. Ich habe mich völlig zurecht auf Berlin gefreut, in absolut jeder Hinsicht. Ich bin mir nach diesen Tagen ganz sicher, dass ich mit Max zusammenbleiben möchte. Er sagt, er ist sich auch sicher, dass es richtig ist. Aber ich muss mir bewusst machen, dass er noch in der Trauerphase ist. Schließlich wollte er die Trennung von Nina nicht wirklich. Und so kann ich verständnisvoll auf seine Nachrichten reagieren, in denen ich noch kleine Zweifel erkenne, ob die Entscheidung richtig war. Trotzdem spüre ich jetzt schon, dass es bei der Entscheidung bleibt. Ich fürchte mich nicht mehr vor einem weiteren Rückzieher. Erst recht nicht nach diesen Worten: Ich habe 4 Stunden geschlafen und bin hellwach aufgeschreckt. Jetzt hab ich das Trennungsbuch ausgelesen und versuche, die Ratschläge daraus zu beherzigen. Hab eine lange Liste gemacht mit Dingen, bei denen Nina und ich uns unterscheiden. Bin jetzt wirklich davon überzeugt, dass die Trennung richtig ist. Werde das Nina bei nächster Gelegenheit auch sagen und ihr alles Gute wünschen. Mit dir möchte ich baldmöglichst über unsere Vorstellungen von einer Partnerschaft sprechen. Wir sollten noch sicherer sein, dass es passt. Im Buch steht ein Satz, der mir zuerst falsch vorkam: Liebe ist keine Garantie, dass es passt. Ich denke, das stimmt. Liebe ist die Voraussetzung, dass man überhaupt darüber nachdenkt, ob es passt. Aber wichtig ist, dass man bei den wichtigen Dingen und Vorstellungen übereinstimmt. Wir sollten uns ernsthaft darüber unterhalten. Dazu gehören Fragen wie: Was ist mir wichtig in der Partnerschaft? Wie möchte ich sie führen? Wie möchte ich sie nicht führen? Was möchten wir miteinander teilen? Wie viel Freiraum brauche ich? Welchen Kompromiss kann ich nicht eingehen? Was bereitet mir. Schwierigkeiten? Wie gehe ich mit Konflikten um? Was sind meine Stärken? Was bedeutet Liebe für mich genau? Du siehst, das Buch zeigt nicht nur den Weg zur Trennung auf, sondern auch den für einen Neunanfang. Lass ihn uns wagen, aber nicht unter den falschen Voraussetzungen. Ich liebe dich und ich möchte sehr gern mit dir eine Partnerschaft eingehen. Ich weiß jetzt, dass ich beginne, vollends dafür bereit zu sein und die Altlasten abzuwerfen. Willst du es auch versuchen? Ja, ich will es auch mit dir versuchen! Das will ich von ganzem Herzen. Für die Beantwortung all dieser Fragen werden wir uns genug Zeit nehmen! Wir sind beide keine 20 mehr und wissen doch schon sehr genau, was wir wollen und was wir nicht wollen. Ich bin gespannt, wo wir uns finden und wo wir Kompromisse brauchen! Eine Frage will ich gleich beantworten. Was bedeutet Liebe für mich genau? Liebe ist für mich, dass ich dich in meinem Herzen spüre. Dass ich weiß, wenn ich dich verliere, ist mein Leben nicht mehr, was es war. Diese Sehnsucht am Morgen und am Abend ... Der Wunsch, zu wissen, was du gerade machst (nicht als Kontrolle, sondern zum Teilhaben an deinem Leben). Gegenseitiges Nachsehen von kleinen Fehlern ... Einfach wissen, mit diesem Menschen möchte ich zusammen sein und ALLES erleben! Das ist für mich Liebe .. Ich liebe dich! Und so freuen wir uns beide sehr, dass wir nur mehr zwei Wochen warten müssen, bis wir uns wiedersehen. Wir haben inzwischen sehr viele Fotos zu bearbeiten, so an die 1200 jeder von uns, also wird die Zeit wohl schnell vergehen. Gleich nach der Pädagogischen Werktagung in Salzburg, die ich mit meiner Freundin Martina besuche, fahre ich mit dem Zug nach Passau. Max kommt mit dem Auto dorthin. Dann gibt es wieder nur uns zwei. Und das zwei wunderbare Sommerwochen lang, in denen wir schon wieder viel vorhaben. Wordox. 5. In der Zeit zwischen der Trennung von Nina und dem Wiedersehen mit Leni war Max zweimal unterwegs gewesen. Zunächst machte er einen dreiwöchigen Projekteinsatz in Mexiko

In diesem Projekt sollte er eine kleine lokale Firma unterstützen, die Absatzschwierigkeiten bei ihren religiösen Produkten hatte, weil Konkurrenz aus China alles billiger herstellte und anbot. Es war eine interessante Aufgabe und sie forderte Max einiges ab, andererseits wurde er quasi auch in die Familie des Unternehmers aufgenommen. Das war auch gut so, denn während der Zeit in Mexiko hatte er kaum Kontakt zu Nina und gar keinen mit Leni, und so blieb als wichtige Verbindung nach Hause das Wordox-Spielen mit diversen Partnerinnen. Max spielte abends, wenn er in seinem Zimmer allein war, aber wegen der Zeitverschiebung antwortete niemand. Die Gegenspielerinnen reagierten erst ein paar Stunden später, wenn er schon schlief. Wenn er dann morgens aufwachte und wieder eine Runde weiterspielte, kam auch keine Reaktion, denn dann waren die Gegnerinnen natürlich inzwischen bei der Arbeit. Außerdem gab es mit diesen Spielerinnen fast keine Chats, das war Leni und ihm vorbehalten gewesen. Hier kam höchstens mal ein freundliches „Hallo, gute Nacht“ oder „lass mich auch mal gewinnen“ rüber. Und obwohl er wegen der vielen parallelen Spiele in der Kategorie eine Klasse aufstieg (also von A+ auf S), war das Ganze ziemlich frustrierend für ihn. Also hatte er viel Zeit, über sein neues Leben und seine veränderte Situation nachzudenken. Die Gedanken und Träume flogen zwischen Mexiko und Danzig und dann wieder zwischen Wien und Köln hin und her. Er fragte sich, ob es Nina und ihm nach der Paartherapie gelingen würde, ihre Beziehung tatsächlich wieder in Ordnung zu bringen und sich auf Dauer wieder zu vertragen. Wie konnte er mit der fehlenden Zärtlichkeit leben oder würde sie wieder mehr Nähe aushalten können? Er wusste allerdings, dass es ihm bestimmt nicht gelingen würde, seine Zeit überwiegend in Danzig zu verbringen. Das wollte sie aber, und so würde es sicher schwierig bleiben. Wenn er an Leni dachte, konnte er sich ebenso wenig vorstellen, in Wien bei ihr zu leben. Dazu waren seine Wurzeln doch zu tief in Köln. Er hörte oft ein Lied von Cat Ballou, das die Gefühle für seine Heimat gut beschrieb. Es heißt: „Et jitt kei Wood“, also „es gibt kein Wort ...“ https://youtu.be/VF6p-BGQcl4. Der Refrain „Es gibt kein Wort, das sagen könnte, was ich fühle, wenn ich an Köln denke“ trieb ihm regelmäßig die Tränen in die Augen. Er war schon immer viel unterwegs gewesen, hatte viel von der Welt gesehen, aber seine Heimat und sein Zuhause war, ist und wird immer Köln sein. Davon würde ihn auch keine Leni abbringen. Er konnte sich genauso wenig vorstellen, dass Leni nach Köln umziehen würde. So weit weg von ihren Enkeln wollte sie sicher nicht dauerhaft leben. Wie konnten sie dann eine Zukunft haben. Wie würde die aussehen? Würden sie sich mal hier mal dort treffen oder ständig woanders? Ging das überhaupt. Und die wichtigste Frage: Würde Leni ihn überhaupt noch mal akzeptieren nach der letzten Trennung, wo sie so heftig ablehnend reagiert hatte? Auch Leni spielte während dieser Zeit Wordox mit anderen Partnern. Aber das Spiel konnte sie nicht begeistern. Fast mechanisch und ohne groß nachzudenken, setzte sie ihre Buchstaben ein und verlor die meisten ihrer Spiele, weil sie unkonzentriert war

Die Zeit war für sie ganz schwer. Einerseits dachte sie dauernd an Max und was er wohl gerade machte. Dann wieder sagte sie sich: Vergiss den Typen, der wird seine Frau nie verlassen. Und den Hickhack, den wir jetzt schon so lange hatten, dieses ständige Auf und Ab, wollte sie nicht mehr. Allerdings konnte sie sich auch nicht aufraffen, auszugehen, und wollte niemand anders kennenlernen. Max war der, den sie wollte, und wenn sie den nicht bekommen konnte, dann wollte sie lieber allein bleiben. Kroatien-Dresden-Passau-Traunstein. 6. Nach dem Einsatz in Mexiko und der Trennung von Nina hatte ich noch einen Segelurlaub in Kroatien. Ich war wieder mit der gleichen Truppe unterwegs, aber es war nicht das Gleiche. Abends hatte ich sonst bei Segeltörns aus den Häfen immer Nina oder Leni angerufen oder beide. Jetzt sprach oder schrieb ich mit keiner von beiden. Zudem wollte ich der Crew nicht mit meiner veränderten Situation und meinen Problemen auf die Nerven gehen. So war ich auch dort sehr viel allein, träumte vor mich hin und dachte darüber nach, wie mein Leben wohl weitergehen könnte. Ich beschloss, einen Versuch zu unternehmen, den Fotoworkshop in Berlin mit Leni zusammen zu machen, und wollte schauen, ob sie zustimmte. Dann würden wir sehen, ob es eine gemeinsame Zukunft geben könnte. Noch während des Workshops in Berlin hatten wir begonnen, uns in schon bekannter Manier die nächsten Treffen vorzustellen und zu planen. Ich erzählte Leni, dass ich im Juli für zwei Tage geschäftlich nach Dresden musste, dabei auch Anna in Leipzig besuchen und danach gern Urlaub in Bayern, Österreich und in Tschechien machen wollte. So verabredeten wir uns in Passau, wohin ich von Dresden aus mit dem Auto gefahren war. Es war schon fast wieder Gewohnheit, Leni am Zug abzuholen und mit ihr ins Hotel „Wilder Mann“ zu fahren. Da wir uns schon wieder zwei Wochen nicht gesehen hatten, fiel unsere Begrüßung im Hotelzimmer entsprechend stürmisch aus. „Hast du das Hotel bewusst ausgesucht, damit ich es mal mit einem wilden Man zu tun bekomme?“, fragte Leni anschließend. Ich schmunzelte nur, denn bei der Buchung hatte ich tatsächlich genau darüber nachgedacht. Und ich hatte gleich noch eine andere Überraschung für sie: „Wir haben in unserem Fotoclub diesen Monat das Thema ‚Sonntagmorgen‘. Ich würde gern ein paar Bilder von uns beiden machen, wie wir die Sonntage verbringen, also im Bett. Was hältst du davon?“ „Sollen das pornografische Bilder werden?“ „Nein, ich möchte die Kamera am Fußende des Bettes platzieren und unsere Füße festhalten, mehr soll man auf dem Foto nicht sehen. In einem zweiten Bild möchte ich dein geschlossenes Auge ablichten und das dritte Bild soll deine Hand zeigen, die sich ins Betttuch krallt. Das Ganze soll die Fantasie der Betrachter anregen, aber keine Details von uns zeigen, also es ist nicht mal klar, dass wir das sind.“ „Die Idee gefällt mir. Wann wollen wir das machen?“ „Na jetzt, jetzt liegen wir doch grad schon hier. Und Sonntag ist es auch.“ „Aber wir wollen nicht den ganzen Tag hier verbringen, a bissel von der Stadt möchte ich auch sehen.“ „Ja, das Fotografieren dauert doch nicht lange, wirst sehen, in ein paar Minuten gehen wir duschen und dann in die Stadt.“ Dass das DKuscheln miteinander dann länger dauerte, als erwartet, weil die Brause so schön groß war und zum gemeinsamen Einseifen und mehr einlud, hatten wir vorher nicht ahnen können. Aber wir kamen noch vor Sonnenuntergang in die Innenstadt und konnten auch dort beide ein paar sehr interessante Architekturbilder machen. Zwei Tage später fuhren wir nach Traunstein weiter und bezogen ein neues Hotel. Es hieß Rosenheimer Hof, und auch hier gefiel es uns gut. Ich hatte vorab ein Treffen mit meinem Cousin Hans verabredet, der mit seiner Frau Helene Urlaub am Waginger See machte. So fuhr ich am nächsten Tag dorthin, während Leni den Chiemsee erkunden wollte. Mit Hans verbrachte ich fast den ganzen Tag auf dem Segelboot und holte mir einen Sonnenbrand, denn wir hatten die Sonnencreme vergessen. Dafür wurden wir am Spätnachmittag mit einem tollen Essen von Helene entschädigt. Ein paar Bier rundeten den Tag ab und ich fuhr zu Leni nach Traunstein zurück. Traunstein-Wien-Budweis-Brünn. 7. Ich genieße jede Minute dieser Reise sehr. Das Zusammensein mit Max macht mich einfach glücklich und zufrieden. Seine lustigen Ideen sind so herzerwärmend und bringen immer wieder Abwechslung in unsere Treffen. Und so ist der Aufenthalt in jedem neuen Ort immer etwas Besonderes. Nach Passau geht es gleich weiter nach Traunstein. Dort trennen sich wieder einmal für mehrere Stunden unsere Wege. Max bringt mich zum Chiemsee, bevor er weiterfährt zu seinem Cousin an den Waginger See. Es ist herrliches Wetter und ich beschließe, nachdem ich die Abfahrtszeiten des Rundfahrtschiffes gecheckt habe, vor der Fahrt noch am Seeufer spazieren zu gehen und Fotos zu machen. Natürlich wäre es schöner zu zweit, aber ich kann diese Zeit mittlerweile auch ganz gut genießen. Ich denke an Max und weiß, dass er in Gedanken immer bei mir ist. Eine schöne Vorstellung! Nach etwa einer Stunde kehre ich um, um noch eine Kleinigkeit zu essen und pünktlich am Steg zu sein. Die komplette Rundfahrt ist für mich zu lang, ich buche die Fahrt zur Fraueninsel, die nach der Herreninsel die zweitgrößte der drei Inseln im Chiemsee ist. Nach einer kurzen, angenehmen Überfahrt legen wir an und ich verlasse mit einem Teil der Touristen die Fähre. Die Insel hat einen besonderen Charme. Überall blühen Blumen in gepflegten kleinen Gärten. Viele haben direkten Zugang zum See. Die Fischerei ist hier wohl die größte Einnahmequelle neben dem Tourismus. Den Blickfang auf der Insel bildet die Abtei Frauenwörth, das Nonnenkloster. ‚Schön sieht das aus, aber das wäre wohl nichts für mich‘, denke ich still, schmunzle, fotografiere ein bisschen und wandere daran vorbei. In 45 Minuten hat man das ganze Eiland umrundet, trotz kleiner Fotopausen. Gerade zehn Minuten muss ich noch auf die Rückfahrmöglichkeit warten und jetzt freue ich mich schon sehr, Max bald wieder zu sehen. Zurück in Chiemsee, mache ich es mir noch auf einer Bank gemütlich und nütze die Zeit für ein paar wunderbare Gegenlichtaufnahmen vom See. Die Sonne steht gerade sehr günstig. Zum Abschluss noch ein Eis. Dann ruft Max an, er ist in ein paar Minuten auf dem Parkplatz, wo wir uns am Vormittag getrennt haben. Am nächsten Tag treten wir vorerst die Heimreise an, zu Hause warten die Karten für die Seefestspiele Mörbisch auf uns. ‚Das Land des Lächelns‘ von Franz Lehár steht auf dem Programm. Max ist begeistert und verblüfft mich, weil er fast alle Lieder mitsingen kann. Das hat er in seiner Kindheit oft gehört, weil seine Mutter diese Operette so geliebt hat, erzählt er mir. Wir bleiben vier Tage bei mir und treffen noch Helga und Rudi zum Essen in den ‚Drei Linden‘. Langsam wird es Zeit, dass Max meine Familie näher kennenlernt. Die beiden freuen sich sehr darüber und finden Max sympathisch und unterhaltsam. Natürlich statten wir auch meiner Tochter und ihrer Familie einen Besuch ab. Max hat ja Tina vorher noch nicht gesehen. Die letzten Tage unseres gemeinsamen Urlaubs fahren wir mit dem Auto nach Budweis und Brünn. Fotomotive gibt es überall mehr als genug, und das Wetter hält diesmal auch zu uns. Wir werden wieder viel zu bearbeiten haben. Bisher war auch unsere Stimmung immer sonnig gewesen. Wir haben viel Spaß gehabt, ganz viel Neues gesehen und auch in unseren zärtlichen Stunden gelacht und die Zweisamkeit von ganzem Herzen genossen. Vor drei Stunden haben wir noch in einem Lokal auf dem Hauptplatz von Budweis zwei große Biere getrunken und die vorbeigehenden Menschen beobachtet. Umso verwunderter bin ich, dass ich bei Max plötzlich einen Stimmungswandel beobachte. Er wird immer ruhiger und wirkt irgendwie traurig. ‚Hat er irgendwann mit Nina telefoniert? Nein, wir waren doch die ganze Zeit zusammen. Was ist passiert?‘ Ich traue mich erst gar nicht fragen. Dann lässt es mir keine Ruhe und ich tue es doch: „Liebster, was ist los? Was beschäftigt dich so? Ich spüre doch, dass da was ist.“ „Nein, es ist gar nichts. Alles in Ordnung. Was hältst du von einem Mittagsschläfchen?“, lenkt er ab. Also legen wir uns hin, er dreht sich um, mit dem Gesicht von mir weg, und schläft ein. Ich versuche es auch. Aber es geht nicht. Zu viel geht mir durch den Kopf. Panik steigt auf. ‚Will Max schon wieder Schluss machen? Bitte nicht, das halt ich nicht aus! Was ist passiert? So plötzlich aus dem Nichts. Hat er schlecht geträumt? Hat er irgendeine unangenehme Nachricht bekommen? Ich weiß es nicht …“ Ich kann nichts dagegen tun, mir laufen schon wieder Tränen über die Wangen. Ich versuche, sie zu unterdrücken, aber ganz schaffe ich es nicht. Als Max aufwacht, merkt er das sofort und fällt wieder in seine Traurigkeit zurück. „Liebste, ich weiß auch nicht, was mit mir los ist. Ich kann es dir wirklich nicht sagen. Ich habe gerade überlegt, ob es nicht besser ist, wir schauen nach einem Zug und du fährst nach Hause. Du musst meine Stimmungsschwankungen nicht mitmachen“, sagt er und löst damit bei mir einen regelrechten Heulanfall aus. Ich verstehe die Welt nicht mehr. Vor ein paar Stunden noch Liebe und Herzen rundum und jetzt … schon wieder ein Trümmerhaufen. Als ich mich wieder ein wenig fange, frage ich ihn, warum ich nach Hause fahren soll: „Willst du Schluss machen? Um Himmels willen, warum? Was habe ich gemacht?“ „Du hast gar nichts gemacht. Es liegt nicht an dir. Ich komme mit mir selber nicht klar.“ „Dann gibt es für mich aber keinen Grund, nach Hause zu fahren. Wenn ich nichts falsch gemacht habe und ich gar nicht der Grund für deine Trauerstimmung bin, dann lass uns doch bis morgen warten und sehen, wie es dir dann geht. Bitte!“ Ich nehme Max in den Arm und will ihn einfach nur spüren lassen, dass meine Liebe ihm durch solche Phasen helfen kann. „Ich liebe dich, Max“, flüstere ich ihm ins Ohr, und da sehe ich eine Träne auf seiner Wange. „Liebste, wo nimmst du die Kraft her, mit mir solche Situationen zu meistern? Es ist so schön, dass du da bist“, flüstert er zurück. Dann ziehen wir uns an, schnappen unsere Kameras und ziehen los. Max’ Stimmung bessert sich beim Fotografieren genauso schnell, wie sie vorher schlimmer geworden war. Kann sein, dass die Trauerzeit nach seiner Trennung doch noch nicht vorbei ist. An den letzten zwei Tagen in Budweis ist wieder alles beim Alten und wir sind beide froh, dass ich nicht nach Hause gefahren bin. Wien-Köln-Afrika. 8. Von Budweis fuhren wir zurück nach Wien und verbrachten noch ein paar Tage in Lenis Häuschen. An dem Tag, als wir zurück waren, war es ziemlich heiß. Leni schlug vor, abends vor dem Schlafengehen noch eine kleine Runde in ihrem Pool zu schwimmen. „Ich mach das im Sommer oft, denn dann bin ich abgekühlt und kann besser schlafen.“ „Die Idee ist gut, aber ich habe gar keine Badehose mit.“ „Also warten wir, bis nach zehn, dann ist es dunkel und die Nachbarn können dich nicht sehen.“ „O. k., aber nur, wenn du auch ohne schwimmst. Allein komm ich mir blöd vor.“ „Ja, einverstanden. So machen wir’s.“ Um kurz nach zehn schlichen wir uns also zum Pool, ich splitternackt, Leni in ihrem Bademantel. Den zog sie am Beckenrand aus und kletterte an der Leiter ins Wasser. Ich war schon reingesprungen und erwartete sie im sicher 24 Grad warmen Wasser. Ich nahm sie in den Arm und fing an, sie zu küssen. „Moment, mein Herr, ich hatte von schwimmen gesprochen“, sagte Leni und schob mich weg. Also schwammen wir ein paar Runden, ich vorneweg und sie hinterher. Bei einer Wende erwartete ich sie dann und nahm sie wieder in meine Arme. Diesmal erwiderte sie meine Küsse und das Wasser kam mir plötzlich noch viel wärmer vor. Mein Mäxchen muss das auch so empfunden haben, denn er streichelte über Lenis Haut. Sie strahlte mich an und dann passierte etwas, das ich im Wasser noch nicht kennengelernt hatte, und es war wunderschön. Nachher fragte Leni: „Ob die Nachbarn uns gehört haben?“ „Weiß nicht, aber selbst wenn, sie konnten ja keine Details sehen, also was soll’s.“ Wir schliefen dann tatsächlich sehr gut und am nächsten Morgen besprachen wir unsere Fotopläne für die letzten Tage, die wir zusammen in Wien verbringen wollten. Dabei entstanden auch wieder ein paar tolle Architektur- und Street-Fotos. Der Abschied fiel uns diesmal wieder sehr schwer, denn nach den zwei gemeinsamen Wochen würden wir uns jetzt fünf Wochen nicht sehen. Nach meiner Rückkehr war meine Enkelin Sarah ein paar Tage bei mir und wir fuhren einen Tag nach Bonn ins Haus der Geschichte. Dort fand gerade anlässlich des schon länger diskutierten Brexits eine Sonderausstellung „Very British“ statt. Sarah war sehr interessiert, weil sie eine Woche später mit ihrem Vater eine England-Rundreise machen würde. Am Wochenende feierten wir ihren 10. Geburtstag und am nächsten Tag flogen Klärchen und ich zu einem drei- wöchigen Urlaub nach Namibia. Ich hatte eine solche Reise acht Jahre vorher auch schon mal gemacht, damals hatte ich meine drei Kinder mitnehmen wollen, aber Klärchen flog nicht mit, weil Sarah noch sehr klein war und ihr Mann nicht so lange auf sie aufpassen wollte. Diesmal hatte Ferdi die Idee mit der gleichzeitigen England-Reise gehabt und so konnte Klärchen beruhigt mit mir nach Afrika reisen. Sie hatte es nämlich damals sehr bedauert, dass sie nicht hatte mitfahren können. Umso überraschter war sie gewesen, als ich ihr zum vierzigsten Geburtstag die Rundreise geschenkt hatte. Wir hatten drei tolle Wochen vor uns, denn so lange Zeit, quasi 24 Stunden zusammen ohne jemand anders, war eine ganz neue Erfahrung für uns beide. Wir verstanden uns prächtig, erzählten uns viele Dinge, die wir voneinander noch nicht wussten, und so hörte Klärchen auch zum erst Mal von Leni. Daher hatte sie auch Verständnis dafür, dass ich häufiger mit ihr telefonierte. Klärchen nutzte die Zeit immer, um mit Sarah zu sprechen oder ihr Fotos von den vielen Tieren zu schicken, die wir gesehen hatten. Unsere Reise führte uns zunächst von Windhoek in die Namib Wüste, dann nach Lüderitz, denn Klärchen hatte sich unbedingt auch Pinguine gewünscht und die gibt’s in Namibia nur dort. Dann fuhren wir über Windhoek zurück und weiter nach Etosha, einem der größten Nationalparks der Welt, wo man sich an der Tierwelt wirklich sattsehen kann. Löwen, Geparden und Leoparden waren in Etosha und in den beiden nachfolgenden Reservaten unsere Ausbeute neben vielen Gazellen, Gnus und Giraffen. Auch die Weiterfahrt nach Botswana ins Okavango Delta lohnte sich sehr, denn dort sahen wir unzählige Elefanten und Hippos. Zum Schluss ging es dann noch nach Simbabwe, wo wir die sogenannten Big Five vollmachten, denn wir sahen auch noch ein schwarzes Nashorn und konnten sogar wunderschöne Bilder davon machen, weil es im Sonnenuntergang direkt auf unser Auto zulief. In den drei Wochen legten wir insgesamt mehr als 3000 km zurück, wobei auch Klärchen einen großen Teil fuhr, nachdem sie sich an den Linksverkehr gewöhnt hatte

Am Ende bei den Victoria Fällen machte sie auf den Bildern einen richtig zufriedenen und entspannten Eindruck und ich wusste, es war eine sehr gute Idee gewesen, diese Reise zusammen zu machen. Zwischendurch hatte ich auch immer ein paar Fotos an Leni geschickt und ihr von unseren Erlebnissen erzählt, sodass sie immer wusste, wo wir grad unterwegs waren und was uns vor die Linse kam. Sofort nach der Rückkehr stellte ich dann ein großes Fotobuch zusammen, in dem ich die besten Bilder meiner Afrika- Reisen zusammenfasste. Das Buch begeisterte die Freunde im Fotoclub sehr. Anfang September flog ich für einige Tage zu Leni nach Wien, bevor ich mich in die Vorbereitung meiner nächsten Reise nach Mexiko stürzte. Wien. 9. Bis zu unserem nächsten Treffen vergeht wieder einmal viel Zeit. Fast sechs Wochen, aber es lässt sich einfach nicht anders machen. Max reist mit seiner Tochter nach Afrika, was er ihr schon lange versprochen hat, und auch bei mir tut sich einiges. In der ersten Afrika Woche veranstaltet Werner in Wien einen weiteren Fotoworkshop. Da konnte ich nicht nein sagen, auch wenn Max diesmal nicht dabei sein wird. Ist ja schließlich so gut wie vor der Haustür. Ich freue mich, die Leipziger Fotofreunde wiederzusehen, und lasse mich überraschen, welche mir unbekannten Plätze uns Werner in Wien wieder zeigen wird. Und ich werde nicht enttäuscht. Neben den Standard Locations Donaucity, Viertel 2 und Wirtschaftsuni erkunden wir die Wienerberg City im 10. Bezirk mit ihren Twin-Towers und jeder Menge anderen attraktiven Hochhäusern, die Gasometer City im 3. Bezirk und das Sonnwendviertel um den Hauptbahnhof. Besonders überrascht bin ich bei unserem Ausflug zur Donau. Ich habe nicht gewusst, wie attraktiv die Praterbrücke unter der Autobahn ist. Wiens meistbefahrene Straße, die Südosttangente, führt über diese Brücke. Dass darunter ein Rad- und Gehweg ist, ist zwar nicht ganz neu für mich, aber ich war bisher noch nie dort. Die Badezimmer-Aufgabe möchte Werner diesmal gern wiederholen, was nicht bei allen Teilnehmern Frohlocken auslöst. Aber ich freue mich, weil ich im Gegensatz zu den anderen in meinem eigenen Bad fotografieren darf, das ist sicher bunter als die meisten Hotelbadezimmer. Das Ergebnis kann sich sehen lassen, meinen alle einhellig. Max fehlt mir sehr bei diesen Aktivitäten, ganz besonders, als wir nach dem Fotografieren in der Donaucity noch zur Copa Beach, der ehemaligen Copa Cagrana, gehen und dort in einen Gewittersturm geraten. Wir kommen aber rechtzeitig in einem Strandlokal unter und überbrücken dort die Zeit mit einem leckeren Cocktail. ‚Wie es Max und Klärchen jetzt wohl geht? Irgendwie wäre ich gern bei ihnen!‘ Abends, wenn ich allein nach Hause fahre und dann noch die Fotos für die Präsentation bearbeite, ist der einzige Lichtblick die Aussicht auf ein kurzes Telefonat mit Max. Zum Glück sind das Netz und die Verbindung meist ganz gut. Die nächsten Wochen nütze ich für Treffen mit Freundinnen, die ich schon länger nicht gesehen habe. Herta und Johann verbringen sogar ein Wochenende bei mir. Wir haben Glück mit dem Badewetter und können einander bequem am Pool alle Neuigkeiten berichten. Drei Tage, bevor Max aus Afrika zurückkommt, wird noch die neue Poolabdeckung geliefert und montiert. Die ist unbedingt notwendig, damit meine Enkelkinder durch den Garten laufen können, ohne dass man ständig Angst haben muss, eines fällt gleich ins Wasser. Es wird nicht mehr lang dauern, dann ist auch Tina schon fleißig unterwegs

Zwischendurch nehme ich mir regelmäßig Zeit zum Hausübung-Schreiben. Ich habe nämlich vor einiger Zeit einen Spanischkurs begonnen und zum Vertiefen einen Sommerkurs gebucht. Das war wirklich eine gute Idee. Mein Gehirn ist auch keine zwanzig mehr und braucht schon einige Wiederholungen, bis es sich etwas merkt. In diesem Kurs wird der Inhalt des letzten Semesters zusammengefasst und wiederholt. Die Sprache fasziniert mich schon lange. Nachdem Max auch Spanisch lernt, habe ich mir gedacht, das könnte vielleicht noch eine gemeinsame Aktivität werden. Und wer weiß, wohin es uns noch verschlägt … Als Max endlich wieder von Afrika zurück ist, dauert es nur mehr eine Woche, bis er zu mir kommt. Das ist die Woche, die ich mit Lehrerfortbildung verbringen darf, also vergeht sie auch sehr schnell. Endlich ist es dann wieder so weit und das Wiedersehen ist sehr emotional. Wir bestaunen unsere Fotobücher von Afrika und Wien und sehen in beiden ganz tolle Bilder. Wir beschließen, ab jetzt wirklich ganz fest darauf zu achten, dass die Abstände zwischen unseren Treffen nicht mehr so lang sind. Vielleicht schaffen wir es, Zeiträume von drei bis fünf Wochen zu planen. Es fängt immerhin gut an. Lissabon ist schon in drei Wochen. Lissabon. 10. Die Reise nach Lissabon hatten wir im Fotoclub schon im Frühjahr geplant und sowohl Flüge als auch eine Wohnung gebucht. Drei Wochen vor der Abreise rief mich Gabriele an und sagte, dass sie wegen anderer Termine nicht mitfahren könne. Gabriele ist freiberufliche Journalistin und sie hatte einen Auftrag in Asien angenommen, der sie jetzt für sechs Wochen dort beschäftigen würde. Ich hatte gleich die Idee, dann könnte Leni doch an ihrer Stelle mitfahren, so hätte Gabriele keine unnötigen Kosten und Leni und ich könnten zusammen mit Irene, Hermann und Rudolf den Workshop in Lissabon machen. Ich fragte Leni und sie war sofort begeistert und wollte nach Flügen suchen. Beim nächsten Treffen im Fotoclub am folgenden Dienstag, schon ohne Gabriele, weil sie schon in Thailand war, brachte ich die Idee auf und Irene unterstützte mich sofort, indem sie sagte: „Ich kenne Leni und ich finde es gut, wenn sie an Gabrieles Stelle mitfährt.“ Da stimmten Rudolf und Hermann auch zu und Leni konnte ihre Flüge buchen. Am 28. September holte uns Irene mit dem Auto ab und wir fuhren zusammen zum Flughafen nach Köln. Auf dem Weg sagte ich scherzhaft: „Bin gespannt, ob heute unsere Ausweise kontrolliert werden, denn ich habe es in letzter Zeit schon öfter erlebt, dass die Airline nur die Bordkarten, aber nicht die Ausweise prüft.“ Da ich als Einziger einen Koffer dabeihatte, weil ich einen Beamer zum Fotoanschauen eingepackt hatte, musste ich zum Schalter der TAP, um den Koffer aufzugeben. Die anderen wollten inzwischen einen Kaffee trinken. Danach gingen wir zum Abfluggate und ich konnte als Erster zum Flieger durchgehen. Ich saß schon eine ganze Weile auf meinem Platz, dann kamen Irene und Hermann ebenfalls. Ich fragte sie, was los sei und wo Rudolf denn bliebe. „Stell dir vor“, sagte Irene, „Rudolf hat seinen Ausweis vergessen und man wollte ihn ohne Ausweis nicht mitfliegen lassen. Es war auch zu spät, sich bei der Polizei einen Ersatzausweis ausstellen zu lassen. Rudolf prüft jetzt, ob der mit einem späteren Flug nachkommen kann.“ So flogen wir also zu dritt und zweieinhalb Stunden später nahmen wir die U-Bahn vom Flughafen Lissabon zur Station Intendente, die nahe an unserer gemieteten Wohnung lag. Rudolf hatte inzwischen geschrieben, dass er nicht nachkommen würde, denn durch den nicht angetretenen Hinflug sei auch sein Rückflug verfallen und eine neue Buchung würde fast 600 € kosten. Ich schrieb an Leni, die später ankam, wo und wie sie im Flughafen ein Ticket für die Bahn bekommen könne, wo sie hinfahren musste, und dass ich sie an der Station Intendente erwarten würde. Hermann und Irene zogen inzwischen schon mal allein los und wollten erste Fotos machen, während ich zur Metro ging, um Leni abzuholen. Kurz bevor ich dort ankam, schrieb Leni:

Dann fuhr die Bahn weg und ich sah Leni auf der gegenüberliegenden Seite. Ich war vor lauter Aufregung an der falschen Seite der Bahn nach unten gerannt. Also im Laufschritt zum anderen Bahnsteig und ich konnte sie umarmen. „Tut mir leid, hab die Richtung verwechselt.“ „Macht ja nichts, besser als die Station.“ Wir wanderten fröhlich zu unserer Wohnung und die Begrüßung dort dauerte ein wenig länger. Dabei stellten wir fest, dass unser Bett nicht nur unheimliche Geräusche machte, sondern dass die Matratze auch sehr durchgelegen war. Also beschlossen wir, die Matratze auf den Boden zu legen. So war die zweite Übung geräuschloser und wir waren der Meinung, dass wir das den anderen beiden zumuten konnten. Anschließend rief ich Irene an und fragte sie, wo sie gerade seien, und wir verabredeten uns beim Platz Martim Moniz. Dort trafen wir uns dann eine halbe Stunde später, machten einige Fotos, nahmen noch einen Kaffee und begannen, die Workshop-Tage zu planen. Wir wollten uns jeden Tag ein oder zwei Themen vornehmen und unterschiedliche Gegenden der Stadt besuchen. Für den ersten Tag hatten wir uns das Thema Kommen und Gehen ausgesucht und wir machten Fotos in U-Bahn-Stationen, im Bahnhof Oriente und in Einkaufszentren. Am zweiten Tag hatten wir eine Fahrt mit einer Gruppe gebucht, wo wir an verschiedenen Stellen der Stadt Straßenkunst fotografieren wollten. Abends saßen wir dann immer zusammen im Wohnzimmer unserer Wohnung und bearbeiteten unsere Ausbeute und jeder zeigte seine Top Five des Tages. Wir hatten in der knappen Woche viel Spaß miteinander und wie man auf den nächsten Seiten sieht, gab es auch tolle Ergebnisse. Abschließend kamen wir zum Schluss, dass wir so etwas noch öfter machen könnten, also Workshops, die wir ohne fremde Hilfe durchführen wollten. Dabei wurde dann noch mal über die Idee diskutiert, einen Workshop im nächsten Jahr mit möglichst allen Fotoclub- Mitgliedern in Wien zu machen, den Leni und ich vorbereiten würden

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