Читать книгу Die Beichtkammer - J.P. Conrad - Страница 3
Kapitel 1
ОглавлениеEs war ein mir vertrauter Geruch, den ich als allererstes, noch bevor ich die Augen öffnete, wahrnahm. Er weckte Kindheitserinnerungen. An das Haus meiner Großeltern; genauer gesagt an ihren Keller. Es war ein altes Haus gewesen, das noch vor dem ersten Weltkrieg gebaut worden war. Und es hatte auf dem Land gestanden. Anders als heute, hatte man damals nur selten komfortabel ausgebaute und vor allem trockene Räumlichkeiten unter seinem Haus gehabt. Und auch meine Großeltern hatten nur einen einfach gemauerten Keller mit niedriger Decke und unebenem Boden gehabt, in dem sie Kartoffeln, Konserven, Eingekochtes und das Bier meines Großvaters gelagert hatten. Es hatte dort stets muffig und nach Feuchtigkeit gerochen. Genau wie hier.
Ich öffnete meine Augen. Ich wusste nicht, wo ich mich befand, noch, wie ich hierhergekommen war. Auch hatte ich nur noch eine blasse Erinnerung daran, wo ich zuvor meine Augen geschlossen hatte. Alles, was ich wusste, war, dass ich geschlafen hatte. Es war dieses Gefühl wie nach einem zu langen Mittagsschlaf, wodurch man den Rest des Tages diese unangenehme Trägheit spürt.
Ich saß auf dem Boden eines fensterlosen Raums. Die Wände rundherum bestanden aus Backsteinen in verschiedenen roten und braunen Schattierungen; sie wirkten alt und schienen schon so manche feuchte Periode überdauert zu haben. Das einzige Licht kam von einer Glühbirne, die schmucklos an einem Kabel von der Decke hing. Sie konnte nicht mehr als 20 Watt haben, denn sie schaffte es kaum, ihr Licht bis in die Ecken des kleinen Raums zu werfen. Der Boden, auf dem ich hockte, fasste sich leicht lehmig und klamm an.
Es gab eine Tür; sie befand sich auf der mir gegenüber liegenden Seite. Sie war aus mit Rostgrundierung unfachmännisch und mit wilden Pinselbewegungen gestrichenem Metall.
Ich war auch nicht alleine in diesem Raum, wie ich als nächstes feststellte: An der linken Wand hockte ebenfalls ein Mann auf dem Boden. Ich schätzte ihn auf Anfang bis Mitte vierzig. Er trug eine dunkelblaue Jeans, ein lindgrünes Hemd und ausgelatschte weiße Turnschuhe. Sein Gesicht war schmal, fast ausgemergelt. Er hatte ein ausgeprägt kantiges Kinn und trug einen Dreitagebart. Der Mann knetete abwechselnd seine Finger, wodurch mehrfach das Geräusch knackender Knochen zu hören war.
Ihm gegenüber saß ein Mädchen, das ich anhand ihrer Klamotten ins Teenageralter einordnete: Sie trug einen Jeansrock, schwarze Strumpfhosen mit Blütenblattmuster und ein schwarzes Rollkragen-Top. Das Mädchen hatte sein Gesicht in seinem Schoß vergraben; ich konnte nur einen dunklen Haarschopf erkennen.
Ohne bisher auch nur ein Wort mit ihnen gewechselt zu haben, war mir eines direkt klar: Wir drei waren nicht freiwillig hier. Mein Puls beschleunigte sich. War ich etwa entführt worden? Ich bemerkte, wie der Mann mit anstarrte. Er hatte dunkle Ringe unter den Augen.
»Sind Sie endlich wach?«
Ich schluckte und räusperte mich. »Hm? Ja. Was ist passiert? Wo bin ich hier?«
Er zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Ich dachte, Sie wüssten es vielleicht.«
Ich versuchte, mich daran zu erinnern, wo ich zuletzt gewesen war und was ich getan hatte. Erst allmählich lichtete sich der Schleier in meinem Kopf etwas. Ich war zuhause gewesen. Ja, in meinem Appartement. Und es hatte an der Tür geklingelt. Mehr konnte ich in diesem Augenblick nicht zu Tage fördern. Es war wie ausgelöscht.
»Wer sind sie?«, fragte mich der Mann. Seine Stimme klang rau und heiser.
»Wegde. Tom Wedge«, stellte ich mich vor.
Der Kerl deutete ein Lächeln an und beugte sich rüber, streckte mir seine Hand entgegen.
»Sam Greenwod. Hi.«
Sein Händedruck war recht schlaff und seine Handfläche ziemlich kalt, was die Vermutung nahe legte, dass er schon eine ganze Weile hier unten war. Auch ich spürte eine gewisse Kälte in meinen Extremitäten, wohl auch aufgrund der fehlenden Bewegung.
»Wie lange bin ich schon hier?«
»Keine Ahnung.« Der Mann fuhr sich mit den Fingern durch sein zerzaustes, grau meliertes Haar. »Aber ich sitze hier schon seit gefühlten fünf Stunden. Und Sie dann wohl noch ein bisschen länger. Als ich zu mir kam, waren Sie schon da.«
Ich schielte kurz zu dem Mädchen. »Und sie?«
Ein erneutes Schulterzucken. »Sie war auch schon hier. Spricht nicht viel.«
»He, du!« Ich verlagerte meinen Oberkörper etwas und berührte sie am Arm. Mit einer blitzschnellen Bewegung stieß sie unsanft meine Hand weg.
»Fass mich nicht an«!, zischte sie und hob den Kopf.
Ich sah in das von Tränen verquollene Gesicht eines ansonsten recht hübschen Mädchens. Sie hatte kurze pechschwarze, sicher gefärbte, Haare, die sie in einer Ponyfrisur trug. Ihr dunkler Lippenstift schien unversehrt, aber die Tränen hatten ihren Lidschatten verlaufen lassen. Sie erinnerte mich etwas an ein Girlie aus der Emo-Bewegung. Aber ich schätzte, dass sie nur einem allgemeinen Trend folgte.
»Entschuldigung«, sagte ich und hob die Hände. »Wer bist du?«
Sie gab keine Antwort, starrte nur mit leeren Augen an die Wand.
»Das ist Amy«, erklärte Sam Greenwood. »Zumindest hat sie das vorhin gesagt.«
»Hi Amy.«
Keine Reaktion.
Ich atmete tief durch. »Hast du vielleicht eine Ahnung, wo wir hier sind?«
Sie blieb stumm. Langsam und schwerfällig erhob ich mich. Ein leichtes Schwindelgefühl umfing mich. Mein Kopf sagte »Mach langsam, irgendwas ist nicht in Ordnung.«
Ich sah mich im Raum um. Außer uns dreien und der Glühbirne war dort wirklich nichts. Doch: In einer Ecke stand ein roter Plastikeimer. Das erschien mir nicht sehr verheißungsvoll. Ich ging zur Tür und fuhr mit den Handflächen über das kalte Metall. Es schien sich um eine Feuerschutztür zu handeln. Sie hatte keine Klinke, nur ein Zylinderschloss. Es kam mir neuer vor, als der Rest, denn es glänzte leicht.
»Hallo?«, rief ich. »Hallo?« Ich hämmerte mit den Fäusten gegen das Türblatt, was ein dumpfes und massiv klingendes Geräusch verursachte.
»Das bringt nichts«, erklärte Sam Greenwood unaufgeregt. »Habe ich schon versucht. Da reagiert niemand.«
Ich legte mein Ohr an und lauschte. Aber ich hörte absolut nichts; nur meinen eigenen, gesteigerten Herzschlag.
Ich konnte es einfach nicht glauben; man hatte mich wirklich gekidnappt! Wie man es aus etlichen Fernsehkrimis oder auch seltener aus den Nachrichten kannte, schien ich hier in diesem Raum gefangen und der Willkür eines oder mehrerer Verbrecher ausgeliefert zu sein.
»He! Macht die verdammte Tür auf!«, rief ich jetzt lauter und mit einer Mischung aus Verzweiflung und Wut. Ich trat mehrfach gegen die Tür und versuchte es dann noch mit einem langgezogenen »Hilfe!«. Aber natürlich brachte auch das nichts.
Ich war noch nie irgendwo eingesperrt gewesen, daher war mir alleine dieser Umstand, selbst ohne den Aspekt der Entführung, schon sehr unangenehm.
»Setzten Sie sich wieder!«, bat mich Sam eindringlich und deutete mit der flachen Hand Richtung Boden.
Ich sah ihn verwundert an. »Wieso? Wollen Sie nicht hier raus?«
»Klar, natürlich. Aber so wird das doch nichts. Und Ihr Geschrei verängstigt die Kleine doch nur noch mehr.«
»Sag noch einmal Kleine zu mir, du Arschloch!«, fauchte Amy und ihre verheulten, roten Augen bildeten dünne Schlitze, als sie ihn ansah.
»He, schon gut!«, versuchte ich sie zu beschwichtigen. »Das hat er nicht böse gemeint.«
Sam entgegnete nichts und sah verärgert zur Seite.
»Was ist das letzte, woran du dich erinnerst, bevor du hierher kamst?«, fragte ich das Mädchen ruhig und ging vor ihr in die Hocke.
Sie wich meinem Blick aus, schaute einfach an mir vorbei. Das ärgerte mich.
»He, du!« Ich wedelte mit der Hand vor ihrem Gesicht. »Wenn wir hier raus wollen, müssen wir zusammen halten und uns gegenseitig helfen.« Jetzt sah sie mich an; Verachtung stand in ihrem Blick.
»Ich kenne euch zwei Penner nicht. Also fickt euch.«
Ich verzog irritiert das Gesicht. »Reizend. Du willst also hier rum sitzen, die Hände in den Schoss legen und nichts tun?« Meine Worte prallten einfach an ihr ab. »Na schön, aber dann erhöhen sich mit jeder Stunde deine Chancen, dass du den da benutzen musst!« Ich deutete auf den Eimer.
Das zeigte offensichtlich Wirkung. Sie sah zuerst den Eimer und dann mich entgeistert an.
»Wie sollen wir denn hier raus kommen? Ist doch aussichtslos«, raunte sie.
Sam verdrehte die Augen und warf die Arme in die Luft. »Pah, mein Gott! Ist das die Jugend von heute? Was ist das denn für eine Einstellung? Lieber mit den Händen in den Hosentaschen ertrinken, als auch nur zu versuchen, zu schwimmen?«
Ich nickte zustimmend. »Schöner Vergleich.«
Amy strafte uns beide abwechselnd mit einem missbilligenden Blick. »Was labert ihr für eine Scheiße? Der da hat bis eben gepennt.« Sie nicke in meine Richtung. »Und du bist wie ein kleiner verängstigter Junge auf und ab gelaufen oder hast gegen die Tür gehämmert. Das bringt uns ja unheimlich weiter.«
»Dein Sarkasmus öffnet uns auch nicht gerade Tür und Tor«, entgegnete ich trocken.
Sam schlug sich mit den Händen auf die Oberschenkel. »Also das ist echt toll! Vielleicht sollten wir jetzt mal mit diesem Gezänke aufhören und anfangen, uns mit der Situation auseinanderzusetzen. Gemeinsam!«
»Er hat Recht.«
»Super«, grummelte Amy sarkastisch und verschränkte ihre Arme noch etwas mehr.
Ich ignorierte es und lehnte mich gegen die Tür. »Okay. Was wissen wir? Augenscheinlich wurden wir alle drei entführt.«
Sam nickte. »Offensichtlich. Warum auch immer. Und zuvor muss ich niedergeschlagen worden sein oder so. Ich weiß es, ehrlich gesagt, nicht mehr.«
Ich überlegte. »Hm. Geht mir ähnlich. Hatten Sie ein Schwindelgefühl, als sie wieder zu sich kamen?«
»Ja. Aber wenn ich es mir genau überlege, eher weniger von einem Schlag. Ich habe auch keinerlei Schmerzen irgendwo. Es war eher…«
»Wie eine Betäubung«, fügte ich automatisch hinzu. Ja, auch ich hatte das Gefühl, dass keine physische Gewalt im Spiel gewesen war. Wenn ich mich doch nur hätte erinnern können. Aber es war wie nach dem Aufwachen aus einem Albtraum; zu schnell verblassten die Bilder und verronnen wie Sand zwischen den Fingern.
»Was ist das letzte, an das Sie sich erinnern können?«, fragte ich Sam.
»Ich war im Shoppingcenter. Das in Westfield. Ich habe ein paar Sachen ins Auto gebracht, in die Tiefgarage.«
»Und?«
»Nichts. Das war’s. Danach bin ich hier aufgewacht. Und Sie?«
Viel mehr gab es da leider auch nicht zu erzählen. »Ich war Zuhause in meinem Appartement. Ich habe am Schreibtisch gesessen und gearbeitet.«
»Was tun Sie?«, fragte Sam.
»Ich bin Lektor bei Headmans & Sprouse.«
»Dem Verlagshaus?«
»Ja.« Kein sehr aufregender Job, aber er war gut bezahlt und man wurde immer mit neuem Lesestoff versorgt; manchmal waren sogar ein paar richtige Perlen dabei. »Auf jeden Fall habe ich am Computer gearbeitet, als es an der Tür geklingelt hatte. Ich bin hin, habe geöffnet und…«
»Und Filmriss, richtig?«, fügte Sam hinzu.
Ich nickte. »Ja, leider.«
»Das ist doch alles Scheiße!«, meldete sich jetzt Amy trotzig.
»Meine Liebe, da stimme ich dir voll und ganz zu«, sagte ich und mir kam ein Gedanke. Ich tastete die Taschen meiner Jeans ab. Sie waren leer. Ebenso die Brusttasche meines Hemds. »Hat denn jemand irgendwas bei sich, das uns nützlich sein könnte?« Selbst meine Armbanduhr hatte ich nicht mehr, wie ich feststellte.
Sam schüttelte direkt den Kopf. »Gar nichts. Nicht mal mehr meinen Autoschlüssel.«
Ich schaute zu Amy. »Und du?«
Sie schüttelte stumm den Kopf.
»Sicher?«
»Ja, MacGyver. Sicher!«, kläffte sie.
»Oh, Sie kennt sich mit TV-Serien der achtziger aus. Toll!«
Ich strafte Sam mit einem verärgerten Blick. Solche Bemerkungen würden das Mädchen nur noch mehr gegen uns aufbringen.
»Ich habe auch nichts«, sagte ich und stelle mich wieder vor die Tür. Mit den Händen fühlte ich an der Zarge entlang; keine, Ahnung, warum. Und in der Tat brachte es mir keine neuen Erkenntnisse. Dann ging ich zu der Wand, an der ich zuvor gesessen hatte, klopfte mit der Faust in Augenhöhe gegen die Ziegel. Sie alle waren ordentlich verfugt und klangen solide. Ich wiederholte den Test an mehreren Stellen an allen vier Wänden. Überall das gleiche. Ich sah zur roh verputzten Decke: Dort liefen zwei Stahlträger quer durch den Raum, dazwischen hing die Lampe. Dann ließ ich meinen Blick einmal durch den Raum schweifen.
»Kein Lüftungsschacht oder ähnliches«, stellte ich mit Unbehagen fest.
Sam nickte ernst. »Richtig. Wird wohl nicht mehr lange dauern, bis uns hier drin der Sauerstoff ausgeht.«
Ich schätzte den Raum auf höchstens zwölf Quadratmeter. Mit drei Personen, die darin atmeten und Kohlenmonoxyd ausstießen, konnte das bald zum Problem werden. Die Frage war nur, ob unsere
Entführer wirklich beabsichtigten, uns ersticken zu lassen. Ich bezweifelte es.
»Sicher werden die sich bald mit und befassen.«
»Die?«
Ich sah zu Amy herunter. »Was?«
»Du hast ›die‹ gesagt.«
»Ja.«
»Woher weißt du, dass es mehrere sind?«
Ich zuckte mit den Schultern. »Das weiß ich nicht. Vielleicht ist es auch nur einer oder eine. Aber wenn jemand drei Personen kidnappt und einsperrt, würde ich eher von mehreren Tätern ausgehen.«
»Warum gerade uns?«, fragte Sam nun.
»Ich weiß es nicht.«
»Haben wir vielleicht irgendwelche Gemeinsamkeiten?«
Amy rümpfte die Nase. »Pah. Ich hab mit euch Pennern ganz bestimmt nichts gemeinsam!«
»Das stimmt nicht ganz«, antwortete ich und versuchte ruhig zu bleiben. »Zumindest stecken wir alle drei hier unten fest. Wir sitzen im selben Boot, wie man so schön sagt.«
Sam runzelte die Stirn und sah mich fragend an. »Hier unten? Wieso sind sie so sicher, dass wir irgendwo unten sind?«
Irgendwie hatte ich das Gefühl, von zwei äußerst misstrauischen Individuen in die Zange genommen zu werden. »Naja, sicher bin ich mir natürlich nicht. Aber zum einen ist es recht feucht hier; schauen Sie sich doch nur den Boden an. Und zum anderen scheint mir so ein rustikaler Raum mit Feuerschutztür doch eher zu einem Keller zu passen, als zu etwas anderem, oder?«
Sam schien das nicht zu überzeugen. »Es könnte ebenso gut ein Lagerraum in einem alten Fabrikgebäude oder so sein.«
»Ist das nicht scheißegal?«, brüllte Amy plötzlich. »Wenn interessiert‘s, wo wir sind? Wie wir hier raus kommen, darum geht’s. Scheiße nochmal!«
Ich konnte mir, trotz der sehr angespannten Situation, ein Grinsen nicht verkneifen. »Hören Sie? Sie hat ›wir‹ gesagt.«
»Immerhin ein Anfang«, brummte Sam.
»Um nochmal auf Ihre Frage von eben zurück zu kommen: Es wäre vielleicht doch interessant zu wissen, ob wir nicht irgendeine Gemeinsamkeit teilen.«
»Von mir aus. Also ich bin Sam Greenword, achtundvierzig, wohne in Enfield, bin verheiratet, habe eine Tochter und arbeite in London beim Fremdenverkehrsamt.«
»Willst du uns nicht noch deine Schuhgröße und deine Schwanzlänge verraten?«
»Amy!«, schimpfte ich. »Was soll das?« Die Kleine ging mir mit jeder Minute mehr auf die Nerven. Und mit jeder ihrer unnötigen und unqualifizierten Äußerungen verbrauchte sie mehr von dem wertvollen Sauerstoff.
Sam winkte ab. »Schon gut. Sie ist halt ein Teenager. Eine schwierige Zeit. Ich hab auch so was zuhause. Was ist mit Ihnen?«
Ich hockte mich wieder an meinen Platz. »Wie schon gesagt, ich bin Tom Wedge, sechsunddreißig. Ich wohne in Brentford und arbeite als freier Lektor.«
»Ich dachte, Sie sind bei Headmans & Sprouse?«, warf Sam, wie ich fand, ziemlich misstrauisch, ein.
»Ja, die meiste Zeit bin ich für die tätig. Aber ich übernehme auch Aufträge von anderen Verlagen.« Warum musste ich mich hier erklären, schlimmer noch, rechtfertigen?
»Was ist ihr Fachbereich?«
»Belletristik.«
Amy verzog das Gesicht. »Was?«
»Romane und so.«
»Die Kinder lesen ja heutzutage höchstens noch die Bedienungsanleitungen für ihr Handy«, sagte Sam und goss damit erneut Öl ins Feuer.
»Ja, klar. Du bist er absolute Experte! Wichser!«
»He!« Jetzt wurde ich richtig sauer. »Schluss jetzt mit diesem Mist! Alle beide!«
»Sind Sie jetzt hier der Chef, oder wie?«, fragte Sam gereizt.
Ich atmete tief durch. Es wurde für mich immer schwerer, die Beherrschung nicht zu verlieren. Dies hing wohl auch damit zusammen, dass – zumindest erschien es mir so – die Luft im Raum immer dünner wurde. Ich spürte, wie sich kleine Schweißperlen auf meiner Stirn bildeten.
»Nein. Aber wir verbrauchen hier mit diesen unsinnigen Kabbeleien zu viel Sauerstoff.«
»Schwachsinn!«, entgegnete Amy schroff.
»Wieso? Was atmest du denn?«
Das Mädchen rutschte ein wenig zur Seite und legte den Blick auf ein Lüftungsgitter in der Wand, direkt über dem Boden, frei.