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Vorwort

Wir befinden uns im Jahr 3761 nach jüdischer Zeitrechnung oder im Jahr 753 nach Beginn der römischen Zeitrechnung. Als Orientierung: Das Jahr 753 entspricht der Zahl 0 der späteren christlichen Zeitenwende.

Im Jahr 749 der römischen Zeitrechnung starb Herodes der Große. Ihm waren die Provinzen Galiläa, Judäa und Samaria, als Lehen vom römischen Reich überlassen worden. Also im Jahr vier vor der christlichen Zeitrechnung.

Er war in der jüdischen Bevölkerung nicht geachtet, obwohl er in Jerusalem dem Tempel durch Anbauten und Verschönerungen eine bis dahin nicht gekannte Pracht verliehen hatte. Ebenso hatte er durch weitere Prachtbauten, Jerusalem zu einer bedeutenden Stadt im römischen Imperium erhoben.

Man nannte ihn aber auch den Knabenmörder, da er mehrere seiner Söhne, besessen vom Wahn, dass sie ihm nach dem Thron trachteten, hat hinrichten lassen. Der römische Kaiser Augustus tat deswegen den Ausspruch: »Ich wäre lieber Herodes´ Schwein als sein Sohn.«

Da Schweine im jüdischen Glauben nicht koscher waren und deshalb nicht gegessen wurden, hatte ein Schwein die Möglichkeit, das hohe Alter von zehn Jahren zu erreichen. Was manchem Sohn von Herodes verwehrt blieb.

Daraus resultierte die Legende, dass er in Bethlehem, ein kleiner unbedeutender Ort in Judäa, in seinem Todesjahr alle Knaben hat umbringen lassen.

Aber, und das war für die gläubigen Juden vor allem unerträglich, er war nicht das religiöse Oberhaupt der Juden. Er hatte nicht das geringste Interesse, in der Reihe der großen jüdischen Könige, wie David und Salomon, zu stehen.

Sein Lebenswandel entsprach nicht der Heiligen Schrift, der für das Volk der Maßstab war.

Die jüdische Gesellschaft war zerrissen. Auf der einen Seite die Sadduzäer, ein reicher, adliger Priesterstand, die für religiöse Veränderungen offen waren und auf der anderen die Pharisäer, die die Schrift gegen jegliche Auslegung verteidigten.

Diese beiden Gruppen hatten die religiöse Macht in den Händen und nutzten diese weidlich aus.

Herodes hinterließ schließlich sein Reich seinen Söhnen Herodes Archelaos, Herodes Antipas und Herodes Philippos. Deren Machtansprüche mussten durch den römischen Kaiser Augustus bestätigt werden.

Augustus entschied nach Anhörung der Kontrahenten in Rom, dass Archelaos zum Ethnarchen, also zum Volksfürsten, von Judäa, Samaria und Idumäa ernannt wurde.

Antipas zum rangniederen Tetrarchen von Peräa und Galiläa. Und ihr Halbbruder Philippos zum Tetrarchen von den nordöstlichen Gebieten seines Vaters.

Gleichzeitig versuchte die Priesteraristokratie die Forderung, dass anstelle eines Herrschers, die hohepriesterliche Theokratie wiederhergestellt werden sollte, durchzusetzen.

Diese hatte Augustus entschieden abgelehnt.

Das Reich, das trotz des ungeliebten Königs eine Periode des Wohlstands und Friedens durchleben durfte und durch weitsichtige Investitionen auch landwirtschaftlich eine Blütezeit erlebte, war plötzlich zerrissen.

Die darauffolgenden Unruhen veranlassten die Römer immer wieder zum Eingreifen. Lokale Auseinandersetzungen waren an der Tagesordnung.

Gerade im Todesjahr Herodes´, also im Jahr vier vor Beginn der christlichen Zeitrechnung, erblickte ein Knabe in Nazareth das Licht der Welt, der den Ablauf der Geschichte, gewollt oder ungewollt, maßgeblich beeinflussen sollte.

Archelaos, der kurz nach dem Tod seines Vaters in Jerusalem einen Aufstand der Pharisäer brutal niederschlagen ließ, bei dem mehr als 3000 Juden ums Leben kamen, war ein tyrannischer und übellaunischer Regent.

Sein Jahreseinkommen betrug 600 Talente, eine unglaubliche Summe, mit der er für sich in Jericho den Königspalast wieder herstellen ließ. Und er entzog den Bauern für seine eigenen Plantagen die Hälfte des Wassers, was in dieser Region für die Landwirtschaft katastrophale Folgen hatte.

Herodes Antipas, nicht weniger despotisch, hatte sich alle Sympathien der Bevölkerung verscherzt, als er die Frau seines lebenden Bruders zur Frau nahm. Er wurde auch berühmt durch die Hinrichtung von Johannes dem Täufer.

Philippos musste wohl weniger radikal mit seinem Volk umgegangen sein, denn die Geschichtsschreibung hat nicht viel von ihm festgehalten.

Durch diese Aufteilung der Region war die politische Situation im Jahre sechs der christlichen Zeitrechnung so instabil, dass Augustus die Region Judäa einem römischen Präfekten unterstellte.

Archelaos wurde nach Gallien verbannt, einen Ort im römischen Reich, der für die Römer der Vorhof zur Hölle war.

Aber die Region im Heiligen Land beruhigte sich nicht.

Die Gesellschaft spaltete sich immer mehr. Der Handel mit Indien, China und Ägypten bescherte wenigen Händlern einen ungeheuren Reichtum, während die ländliche Bevölkerung immer mehr verelendete.

Dadurch konnten immer mehr radikale Gruppen entstehen, deren Anführer als Messias das jüdische Volk erlösen wollten. Denn je elender die Lebenssituation, desto stärker wurde die Hoffnung auf die Erlösung durch den Herren, dem unaussprechlichen Gott, der den Messias zur Rettung des auserwählten Volkes schicken wird. Dem Volk der Heiligen Schrift.

Aber Rom schlug jeden auch noch so kleinen Aufstand rücksichtslos nieder.

Magdala war ein kleiner Ort in Galiläa, am nordöstlichen Teil des Sees Genezareth. An der Via Maris, eine der wichtigsten Handelsrouten, die Indien, Persien und China sowohl auf dem Landweg als auch auf dem Seeweg mit Rom verbunden hat. Die Seidenstraße und die Weihrauchstraße!

Gewürze, Seide, Gold, Elfenbein und alles, was das vom Reichtum überquellende Rom verlangte, wurde durch diese unruhige Region transportiert.

Miriam lebte in diesem Magdala.

Eigentlich ein größeres Dorf, aber mit sehr vielen Wirtshäusern, Badehäuser und Herbergen, mit all den Annehmlichkeiten, die Begleiter der Karawanen nach dem langen Weg und den Strapazen erwarteten.

Eine römische Garnison war hier stationiert, die das Treiben beaufsichtigen sollte. Obwohl die römischen Söldner den Dienst in dieser Region hassten, die Garnison Magdala war durchaus beliebt. Denn wenn in der Umgebung Ruhe herrschte, war Zeit sich in das Treiben zu stürzen.

Miriams Vater, Joses ben Israel, hatte hier ein Handelshaus geerbt, dass er über die Jahre mit Hilfe der Mutter Rebecca zum größten Handelshaus in Magdala ausbauen konnte. Allein das Haupthaus, in dem sie mit ihrer Mutter Rebecca wohnte, hätte für eine große Schar Menschen gereicht. Hier lebten mit ihr ihre Brüder Ismael, Jakob und Johannes, die alles erben sollten, und ihr jüngerer Bruder Salomon.

Miriam stand oft vor dem Haupttor und konnte die Karawanen kaum erwarten. Besonders wenn Tiere mit dabei waren, die in den reichen Familien äußerst beliebt waren. Vögel von seltener Schönheit, einige konnten Worte nachahmen, und natürlich die Affen. Diese Wesen, die den Menschen so ähnlich waren.

Miriam konnte nicht widerstehen, die Blicke dieser Tiere zu suchen, die oft von einer solchen Trauer erfüllt waren, dass ihr das Herz brechen wollte. Am liebsten hätte sie einige von ihnen befreit, damit sie in die Umgebung fliehen konnten. Aber das war unter Strafe untersagt. Sie wurden dann, wenn sie aus ihren Käfigen ausgebrochen waren, sofort mit Pfeil und Bogen gejagt, da sie in den Weinbergen ihr Futter suchten.

Und auch das Obst war bei den Tieren beliebt. Was hätten ein paar Affen schon geschadet, dachte sie. Obst und Gemüse gab es im Überfluss, dafür hatte Herodes der Große mit der Landreform gesorgt. Über diesen König wurde immer noch gesprochen. Mutter erzählte ihr, dass das Volk ihn gehasst hat, da er ein gottloses Leben führte und die Priester unterdrückt hat. Aber jetzt, wo er gestorben war, jammerten alle, denn seine Söhne hielten sich an kein Gesetz.

Miriam träumte von einem großen Garten voller Affen und Vögel und mit all den Tieren, die mit den Karawanen eintrafen.

Hinter dem Haupthaus waren große Lagerhäuser und Stallungen mit den Kamelen, Pferden und Maultieren, die benötigt wurden, um kranke Tiere, die die lange Reise kaum überstanden hatten, zu ersetzen.

Rebecca, ihre Mutter, traf alle Entscheidungen über die Ware, die Stallungen und auch, ob ein Lasttier getötet werden muss, wenn es zu sehr an Erschöpfung litt.

Rebecca war die Herrin über Magdala.

Aber Rebecca besaß auch Besitzungen in Jerusalem und Sepphoris, der neuen Hauptstadt von Herodes Antipas.

Und dann war da noch Claudius, ein Grieche.

Er hatte eine Kriegsverletzung, die er sich im Krieg gegen die Parther zugezogen hatte. Danach war seine Zeit als Söldner zu Ende. Mit der Rente, die er bekommen hatte, hätte er nicht mehr arbeiten müssen. Aber er wollte noch weiter arbeiten, und so kam er in den Dienst in dem Handelshaus.

Miriam liebte ihn. Er nahm sie mit, wenn er Zeit für sie hatte. Und wer besonders geheimnisvoll für Miriam war, das war Hava. Sie beaufsichtigte, die Stallungen und alles was mit den Tieren zusammenhing.

Sie braute Medikamente aus Kräutern, die die Karawanen mitbrachten, auch für die Menschen. Sie sagte: »Was dem Kamel hilft, hilft auch dem Menschen. Natürlich muss man mit der Dosierung aufpassen. Sonst ist der Mensch tot und das Kamel lebt.«

Vater Joses überließ die ganze Arbeit der Mutter. Er lebte mit den Söhnen im Haus am See.

Miriam hatte wenig Kontakt zu ihren Brüdern und zu ihrem Vater. Ein Mädchen hatte bei ihnen keine Funktion. Sie kostete nur Geld.

Ihre Mutter Rebecca war eine hochgebildete Frau. Sie hatte alles aufgebaut. Sie war die Inhaberin von allem. Aber darüber durfte nicht gesprochen werden. Mutter war die Frau und Vater eben der Herr.

Oft saß sie mit ihrer Mutter zusammen und Mutter erzählte von ihrer Kindheit in Jerusalem und wie sie durch die Hochzeit mit Vater nach Magdala gekommen war.

Die Geschichte Miriam

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