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Der andere Blick

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Ein halbes Jahrtausend Reformation bietet willkommenen Anlass, über Herkunft und Zukunft des europäischen Christentums nachzudenken. In dem vielstimmigen Jubiläumschor ist von Seiten der evangelischen Kirche eine Stimme nur sehr leise zu hören, die einstmals zum Vornehmsten gehörte, das den Protestantismus auszeichnete. Der liberale Kulturprotestantismus sieht sich als Fortführung des Reformatorischen unter den Bedingungen der Moderne. Er steht für eine Religion, die ohne Heldenverehrung ihrer Vätergestalten, ohne eifernden Dogmatismus und ohne institutionelle Selbstgefälligkeit auskommt. Der liberale Kulturprotestantismus lebt unter Berufung auf die christliche Freiheit von einer Offenheit des Christentums gegenüber Welt und Kultur, er praktiziert ökumenische Aufgeschlossenheit und bestärkt Christinnen und Christen, in nachdenklicher und weiter Religiosität ihr Leben vor Gott und den Menschen zu führen. Man hat dieser Haltung viele Namen gegeben: liberale Theologie, Kulturprotestantismus und Neuprotestantismus. Sie alle treffen Aspekte und doch nie das Ganze. Wie immer man diesen anderen Blick nennt, eine Erinnerung verdient er allemal – in der religiösen Lage unserer Tage mehr denn je. Man kann aus liberaler Perspektive schwerlich mit allem einverstanden sein, was das Reformationsjubiläum zutage fördert. Der Aufwand der Feierlichkeiten ist immens, die Botschaft jedoch alles andere als klar. Auf Nachdenklichkeit und Tiefgang, nicht auf Lautstärke zielt die liberale, kulturprotestantische Perspektive. Denn der andere Blick auf das halbe Jahrtausend Reformation ermuntert zur Besinnung auf das, was den Protestantismus auszeichnet: denkende Frömmigkeit und Mut zum Gestaltwandel.

Der ewige Protest

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