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Kein Studium ohne wissenschaftliche Arbeit

→ Zur Wissenschaftlichkeit wissenschaftlicher Arbeiten

Niemand kommt wohl heutzutage auf die Idee, eine Fach- oder Bachelorarbeit, eine Diplomarbeit oder einen wissenschaftlichen Artikel in Versform oder in Reimen abzufassen. Genauso wenig wird jemand vorhaben, seine oder ihre Seminar-, Abschluss- oder Masterarbeit auf Latein zu verfassen und einzureichen, obschon das nach den Verordnungen der meisten Universitäten eigentlich möglich wäre. Wer eine Abschluss- oder eine Semesterarbeit einreicht oder wer der Redaktion einer wissenschaftlichen Zeitschrift ein Manuskript vorlegt, weiß, dass eine solche Arbeit in einer ganz bestimmten Art und Weise gestaltet sein muss, dass etwa die Textstruktur einem festgelegten Muster zu folgen hat oder dass bestimmte Darstellungselemente wie Zitate, Belegnachweise oder Literaturangaben vorhanden sein müssen.

Bedeutung der Darstellungsformen

Damit eine Arbeit als Beitrag einer wissenschaftlichen Disziplin gilt, ist eben nicht nur deren Inhalt von Belang; wesentlich sind vielmehr auch die Darstellungsformen, die Art und Weise der Darstellung der Inhalte. Die Darstellungsformen des Wissens, die sich innerhalb einer wissenschaftlichen Disziplin herausgebildet haben, stellen einen wesentlichen Teil der Geschichte und der aktuellen Praxis einer Wissenschaft dar. Abweichungen von in einem Fach üblichen Darstellungsgewohnheiten werden in Rezensionen wissenschaftlicher Werke vermerkt. Die Bedeutung von Darstellungskonventionen in den Wissenschaften schlägt sich nicht zuletzt in all den Wissenschaftsparodien nieder, die in nahezu jedem Fachgebiet existieren (ein besonders gelungenes literarisches Beispiel einer Wissenschaftsparodie: Perec 1991 oder, in der deutschen Übersetzung, Perec 1992).

Unterschiede zwischen verschiedenen Disziplinen und innerhalb einer Disziplin

Es gibt nicht die eine Art, wie wissenschaftliches Wissen dargestellt wird, wie wissenschaftliche Arbeiten auszusehen haben. Wer schon ein wenig in Publikationen verschiedener wissenschaftlicher Disziplinen geblättert hat, kennt die große Spannweite an konkreter Ausgestaltung von Darstellungsformen, in denen sich wissenschaftliche Arbeiten präsentieren. Es bestehen markante Unterschiede zwischen wissenschaftlichen Arbeiten aus verschiedenen Fächern. Mit den Worten eines Wissenschaftshistorikers ausgedrückt: »Selbst in den Wissenschaften werden Wissensansprüche höchst unterschiedlich gestellt – denken Sie an die Praktiken, die Sie einerseits in der Mathematik haben und andererseits in den Experimentalwissenschaften« (Rheinberger 2018: 138). Unterschiede zeigen sich aber nicht nur zwischen verschiedenen Wissenschaften, sondern auch zwischen Publikationen aus einer Disziplin, zumindest, was Details der formalen Gestaltung betrifft. Das wird bei einem Blick in einige Zeitschriften und Publikationen ein und desselben Fachgebietes schnell augenfällig – insbesondere in den Geistes- und Sozialwissenschaften.

Formale Gestaltung nicht Selbstzweck

Bei den Eigenheiten der Gestaltung wissenschaftlicher Texte handelt es sich letztlich um formale Ausprägungen der Anforderungen, die wissenschaftliches Arbeiten kennzeichnen. Die Frage, was Wissenschaftlichkeit ausmacht, ist Gegenstand von Wissenschaftstheorie und -forschung. Im Hinblick auf die praktische Anwendung beim Verfassen von Arbeiten lassen sich hier einige grundsätzliche Gesichtspunkte von Wissenschaftlichkeit umreißen:


Wissenschaftlich arbeiten heißt, einen auch für andere erkennbaren Gegenstand im Hinblick auf eine bestimmte Fragestellung nachvollziehbar zu behandeln, Methoden nachprüfbar anzuwenden, die Quellen offenzulegen, die Erkenntnisse systematisch zu ordnen und sie öffentlich mitzuteilen. Es gilt, mit methodischem Bewusstsein vorzugehen, innerhalb der Arbeit über das Vorgehen, über die Entscheidungen und über die verwendeten Begriffe Rechenschaft abzulegen und den Gedankengang argumentativ darzustellen. Es geht bei einer wissenschaftlichen Arbeit nicht nur darum, Fakten zusammenzutragen, sondern auch darum, zwischen diesen Fakten Zusammenhänge zu erschließen und die Fakten in ihre Begründungs-, Entwicklungs- und Argumentationszusammenhänge zu stellen. Konventionen des Zitierens und Formen der Gestaltung von Belegnachweisen machen also die geforderte Nachvollziehbarkeit wissenschaftlichen Arbeitens augenfällig.

Es gibt nicht nur eine Art der Gestaltung

In Details der formalen Gestaltung unterscheiden sich wissenschaftliche Arbeiten durchaus voneinander, wie schon erwähnt. Innerhalb der in einem Fach üblichen Darstellungsformen besteht somit eine gewisse Wahlfreiheit. Das bringt es auch mit sich, dass bei der konkreten Ausgestaltung von Einzelheiten bis zu einem gewissen Grad persönliche Vorlieben von Autorinnen und Autoren oder Traditionen eines Instituts zum Tragen kommen. Es geht also nicht an, die Wissenschaftlichkeit einer Arbeit nach der Wahl einer bestimmten Zitierweise zu beurteilen oder danach, ob nach der Jahreszahl in einer Literaturangabe ein Komma oder ein Doppelpunkt gesetzt wird. Was vernünftigerweise verlangt werden kann, ist die konsequente Handhabung der einmal gewählten Vorgehensweise innerhalb einer Arbeit.

→ Das Verfassen von Arbeiten in Schule und Studium

Ein Studium wird in der Regel mit einer sogenannten Qualifikationsarbeit abgeschlossen. Das kann je nach Studium eine Bachelor-, Diplom-, Master-, Lizenziats- oder Magisterarbeit sein und schließlich, nach einem Doktoratsstudium und der Arbeit an einem Dissertationsprojekt, eine Doktorarbeit. Wer eine Qualifikationsarbeit zur Erlangung eines akademischen Grades vorlegt, soll mit dieser Arbeit den Nachweis erbringen, dass er oder sie fähig ist, in einem Studienfach eine Fragestellung selbstständig nach wissenschaftlichen Methoden zu bearbeiten. Der Umfang der Fragestellung hängt von der Art der Arbeit ab; in einer Doktorarbeit sollte ein eigenständiger Beitrag zur Forschung im Fach vorgelegt werden, während in einer Bachelorarbeit nur eine begrenzte Fragestellung behandelt werden kann. Immer aber geht es darum, in einer Qualifikationsarbeit zu zeigen, dass man sich über einen bestimmten fachlichen Gegenstand ein selbstständiges und wissenschaftlich begründetes Urteil bilden und Gedanken klar entwickeln kann. Ebenso muss man mit einer solchen Arbeit belegen, dass man in der Lage ist, seine Untersuchungen, Ergebnisse und Überlegungen gemäß den gängigen formalen Konventionen in einem wissenschaftlichen Fach präsentieren und sprachlich korrekt darlegen zu können. Diese Anforderungen sind in Prüfungs- und Promotionsordnungen von Universitäten, Fachhochschulen und Pädagogischen Hochschulen mehr oder weniger explizit und ausführlich festgehalten.

Auch Semester- oder Hausarbeiten müssen formalen Anforderungen wissenschaftlichen Darstellens genügen

Die in einem wissenschaftlichen Fach üblichen Konventionen des Darstellens gelten aber nicht nur für Qualifikationsarbeiten zum Abschluss eines Studiums, sondern für sämtliche Arbeiten, die im Laufe eines Studiums oder in der gymnasialen Oberstufe verfasst werden.


Auch wer eine Abitur- oder Maturarbeit, einen Fachbericht, ein verschriftlichtes Referat, eine Proseminar-, Seminar-, Semester- oder Hausarbeit verfasst, muss sich an den Standards wissenschaftlichen Darstellens im betreffenden Fach orientieren. Solche Arbeiten sind im deutschsprachigen Bildungssystem nicht einfach Aufsätze oder Essays, sondern es wird erwartet, dass sie formal wie eine wissenschaftliche Arbeit gestaltet sind.

Widerstände, Widerwille, Blockaden

Beim Verfassen von Arbeiten gilt es somit nicht nur, sich mit fachlichen Inhalten und Argumentationen auseinanderzusetzen, sondern auch mit den formalen Anforderungen wissenschaftlichen Darstellens. Das wirkt oft regelrecht abschreckend. Widerstände gegenüber dem Schreiben von Haus-, Seminar- und anderen Arbeiten im Studium entstehen nicht zuletzt durch die Art, wie Anforderungen des Darstellens wissenschaftlicher Arbeiten im Studium vermittelt oder, besser gesagt, oft genug eben nicht richtig vermittelt werden. Auf Besonderheiten des Schreibens wissenschaftlicher Arbeiten und vor allem auf Schwierigkeiten, die beim Schreiben dieser Arbeiten kaum je ausbleiben (vgl. Kapitel Die Herausforderung des wissenschaftlichen Schreibens), wird meist gar nicht eingegangen.

Erfahrungssache

Das Verfassen von Arbeiten ist – wie jegliche Art von Schreiben – nicht zuletzt eine Sache der Erfahrung. Welche Angaben wie genau belegt werden müssen, was sich in einer Fußnote darstellen lässt, dieses und weiteres – disziplinspezifisch unterschiedliches – Wissen eignet man sich durch Übung an. Deshalb ist es mehr als angebracht, von Studienbeginn an möglichst viele Gelegenheiten zu nutzen, wissenschaftliches Schreiben zu üben, denn letztlich stellt das Verfassen von Arbeiten die zentrale Leistungsanforderung für einen Studienabschluss dar.


Übungsmöglichkeiten werden allzu oft vernachlässigt. Wer während des Studiums möglichst wenig Arbeiten schreibt, verschenkt Möglichkeiten, Erfahrungen mit dem Schreiben wissenschaftlicher Arbeiten zu sammeln. Auch wenn es nach einem altväterischen Ratschlag klingt: Es lohnt sich, jede Gelegenheit zum Üben zumindest einzelner Aspekte des wissenschaftlichen Schreibens wahrzunehmen. Solche Gelegenheiten kann man sich auch selber schaffen, zum Beispiel bei der Vor- und Nachbereitung einzelner Lehrveranstaltungen oder beim Lesen und Erarbeiten einzelner wissenschaftlicher Werke.

In den letzten gut zehn Jahren hat sich auch die didaktische Unterstützung auf diesem Gebiet deutlich verbessert. An vielen Universitäten und Hochschulen besteht inzwischen die Möglichkeit, sich systematisch mit dem Schreiben wissenschaftlicher Arbeiten auseinanderzusetzen oder gezielte Unterstützung zu erhalten. So werden zum Beispiel Kurse für wissenschaftliches Schreiben durchgeführt oder Schreibberatungen angeboten.


Informieren Sie sich darüber, ob es an Ihrer Universität oder Hochschule ein Schreibzentrum, eine Schreibwerkstatt, ein Schreiblabor oder eine Schreibsprechstunde gibt, und wenn ja, was dort angeboten wird. Nutzen Sie diese Angebote oder Kurse zum Verfassen wissenschaftlicher Arbeiten, die einzelne Institute anbieten.

Hilfe beim Aufbau von Erfahrungen mit dem Schreiben wissenschaftlicher Arbeiten bietet auch die vorliegende Anleitung. Vor allem soll sie durch die Präsentation gängiger Muster wissenschaftlichen Darstellens und durch Hinweise auf mögliche Vorgehensweisen helfen, die mit dieser Tätigkeit verbundenen Probleme und Mühen leichter in den Griff zu bekommen.

Nicht bloße Formsache

Wenn man daran ist, eine Hausarbeit zu verfertigen und darauf achten muss, alle formalen Vorgaben einzuhalten, kann es einem durchaus so vorkommen, als sei das Verfassen einer solchen Arbeit eine reine Formsache, bei der es in erster Linie um das pingelige Einhalten formaler Kleinigkeiten gehe. Auch wenn dieser Eindruck teilweise entstehen kann, stellt das Verfassen von Arbeiten keineswegs eine Trockenübung dar, die nur für die akademische Welt von Relevanz ist. Sich in kurzer Zeit in ein Thema einarbeiten, wesentliche Informationen dazu beschaffen, ein Thema im Hinblick auf eine Fragestellung aufarbeiten, sich mit schwierigen Fachtexten auseinandersetzen, sie im Hinblick auf eine bestimmte Fragestellung auswerten, einen komplexen Sachverhalt analysieren und knapp und korrekt wiedergeben, eine Argumentation nachvollziehen, überprüfen oder aufbauen, das Resultat eigener Abklärungen und Überlegungen nachvollziehbar darstellen, differenziert zu einem Vorschlag Stellung nehmen können – das sind alles Fertigkeiten, die in zahlreichen beruflichen Anwendungsfeldern eine wichtige Rolle spielen. Erfahrungen und Kenntnisse mit der Konzeption, Planung und Durchführung kleiner (Untersuchungs-) Projekte können in verschiedensten beruflichen Zusammenhängen – von Sachbearbeitungsfunktionen in Wirtschaft und Verwaltung über publizistische Tätigkeiten bis hin zu Lehrberufen – von Nutzen sein.

Duden-Ratgeber Die schriftliche Arbeit

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