Читать книгу Der Winterkönig. Geschichten des Dreißigjährigen Krieges - Jörg Olbrich - Страница 6
ОглавлениеWien, 27. Mai 1618
»Ich fühle mich geehrt, meine Arbeit als kaiserlicher Schreiber antreten zu dürfen«, sagte Anton Serger, als er von Wilhelm Zeidler im Kaiserhof empfangen wurde. Den ganzen Morgen über hatte er sich überlegt, wie er seinen neuen Meister begrüßen sollte und an diesem Satz gefeilt. Jetzt war er so nervös, dass er fast seinen eigenen Namen vergessen hätte.
»Das solltest du auch. Wir haben dich auserwählt, weil du die Universität als Bester deines Jahrganges abgeschlossen hast.«
»Ich habe hart dafür gearbeitet.«
»Natürlich hast du das. Nun beginnt die Zeit, in der du dich zu bewähren hast. Es gibt nicht Wenige, die für diese Anstellung im Kaiserhof töten würden. Vergiss die Zeit auf der Universität. Hier musst du beweisen, dass du dieser Aufgabe würdig bist.«
Anton schaute den alten Professor skeptisch an. Er hatte einen freundlicheren Empfang erwartet und nicht damit gerechnet, dass Zeidler seine Leistungen gleich in den ersten Minuten derartig in Frage stellen würde. Er hatte aber auch gehörigen Respekt vor diesem Mann, der eine hohe Stellung bekleidete und das Vertrauen des Kaisers genoss.
»Ich bin mir der Herausforderungen, die man hier an mich stellt, durchaus bewusst«, sagte er leicht säuerlich.
»Das bist du nicht. Vermutlich denkst du, dass dir nun die ganze Welt offen steht. Das ist aber nicht der Fall. Als Erstes wirst du lernen müssen, demütig zu sein. Ich fürchte, dass das die schwierigste Aufgabe für dich werden wird.«
Das fängt ja gut an, dachte Anton. Als Sohn einer Kaufmannsfamilie aus Wien war es ihm dank der Unterstützung seiner Eltern in den vergangenen Jahren möglich gewesen, sich voll auf sein Studium zu konzentrieren. Er hatte alles daran gesetzt, als Schreiber eine gute Anstellung zu finden und sein Glück kaum fassen können, als man ihn tatsächlich an den Kaiserhof rief. Jetzt war er noch nicht einmal im Gebäude und bekam schon erste Zweifel, ob sich hier wirklich ein Traum für ihn erfüllte. Er atmete tief durch und strich sich die langen dunkelblonden Haare aus dem Gesicht.
»Ich werde meine Aufgabe zu Eurer vollen Zufriedenheit ausführen.«
»Das werden wir sehen. Folge mir.«
Endlich führte Zeidler seinen neuen Helfer in den Palast. Anton wusste, dass der Alte für ihn die wichtigste Person war. Der Professor ging leicht gebeugt und musste sich auf einem Stock abstützen. Seine wenigen grauen Haare hingen in einzelnen Strähnen von seinem Kopf und sahen aus, als würden sie jeden Moment abfallen. Seine Haut war faltig und von dunklen Flecken übersät. Zeidler war alt. Sehr alt. Ewig würde er nicht mehr als erster Chronist am Kaiserhof tätig sein können. Diese Aufgabe wollte Anton von seinem neuen Meister übernehmen. Bis dahin konnte allerdings noch einige Zeit vergehen und er nahm sich vor, noch so viel wie möglich von dem Alten zu lernen.
»Dein Zimmer werden dir die Bediensteten später zeigen. Zunächst gehen wir in die Bibliothek. Dort wirst du in den nächsten Wochen den Großteil deiner Zeit verbringen. Ich hoffe, du bist das Vertrauen wert, welches man in dich setzt.«
Anton war es mehr als recht, dass er zunächst seinen Arbeitsplatz sehen sollte. Er war gespannt auf die Menge von Schriften und Büchern, die in der Bibliothek des Kaisers auf ihn wartete. Nach allem, was man sich auf der Universität erzählte, musste sie gewaltig sein.
Was er wenige Minuten später sah, übertraf seine Erwartungen bei Weitem. Der Raum, in den ihn Zeidler führte, erschien ihm riesig. Er war voller Regale, die bis an die Decke reichten und bis auf den letzten Platz gefüllt waren. Der Raum war so hoch, dass Anton die obersten Böden nicht einmal erreichen würde, wenn er seine doppelte Größe hätte. Mehrere Leitern ermöglichten es, an die Bücher und Schriftrollen, die dort lagen, zu gelangen.
»Ich bin beeindruckt«, sagte Anton staunend und ließ sich von Zeidler in einen Nebenraum führen, in dem es drei Schreibtische gab, die voller Bücher lagen.
»In den ersten Wochen deiner Ausbildung wirst du sehr viel lesen müssen«, erklärte Wilhelm Zeidler. »Ich gehe davon aus, dass du schreiben kannst und auch einiges über die derzeitige Politik im Land weißt. Dieses Wissen wirst du vertiefen. Du musst lernen, die Geschehnisse am Kaiserhof zusammenzufassen und in kurzen Chronikeinträgen festzuhalten. Dabei werde ich dir helfen.«
»Wie lange arbeitet Ihr schon für den Kaiser?«
»Ich bin seit fast vierzig Jahren am Kaiserhof und diente bereits drei Herren.«
Anton sah den Professor überrascht an. Er musste noch älter sein, als er es zunächst gedacht hatte. So spannend die Aufgabe als kaiserlicher Schreiber auch sein mochte, Anton vermutete, dass Zeidler ein sehr einsames Leben zwischen seinen Büchern verbracht hatte. Vielleicht erklärte dies seine verschrobene Art.
»Was ist meine erste Aufgabe?«, fragte Anton neugierig. Er brannte darauf, endlich mit seiner Arbeit zu beginnen und schwor sich, dass er alles daran setzen würde, Zeidler nicht zu enttäuschen. Das war er auch seinem Vater schuldig, der fast vor Stolz geplatzt wäre, als Anton ihm von seiner Anstellung am Kaiserhof berichtet hatte.
»Dein Tatendrang ehrt dich«, sagte Zeidler und lächelte zum ersten Mal, seitdem sich die beiden begegnet waren. »Wir werden an einer Sitzung von Kaiser Matthias, Ferdinand und den Beratern teilnehmen.«
»Wir dürfen bei den Amtsgeschäften des Kaisers zuhören?«
»Natürlich. Wie glaubst du, sollen wir sie sonst protokollieren?«
Anton spürte die Anspannung in seinem Körper. Er hatte nicht damit gerechnet, so schnell auf den Kaiser und seinen Beraterstab zu treffen. Zeidler führte seinen neuen Schüler durch die Gänge des Schlosses. Waren diese zunächst noch sehr schlicht gehalten, wurden sie immer prunkvoller, je näher sie sich den Räumlichkeiten des Kaisers näherten. Die Wände hingen voller bunt bestickter Teppiche und es standen viele alte Rüstungen auf dem Flur. Anton fand nicht die Zeit, sich die Portraits der letzten Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation anzusehen und beschloss, dies so schnell wie möglich nachzuholen. Seine Nervosität stieg ins Unermessliche, als Zeidler die schwere Holztür zum Sitzungssaal öffnete.
***
»Ist das Wien?«, fragte Magdalena und sah aufgeregt aus dem Fenster der Kutsche.
»Ja«, bestätigte Philipp. »Wir haben unser Ziel fast erreicht.«
»Ich hätte nicht gedacht, dass die Stadt so groß ist.«
»Sie ist wunderschön. Nicht umsonst haben die Kaiser sie für ihren Hof ausgewählt.«
»Ich habe noch nie so viele Häuser auf einmal gesehen.«
Philipp lächelte seine Begleiterin an. In den letzten Tagen hatte sie ihm immer wieder erzählt, wie neugierig sie auf die Stadt war. In ihrem bisherigen Leben war sie nicht weit vom Gasthof ihrer Eltern weggekommen und kannte nur das nahegelegene Dorf und das Jesuitenkloster, das auf einem Hügel daneben errichtet worden war. Selbst Prag hatte sie niemals gesehen, obwohl es nur eine Tagesreise von ihrer Heimat entfernt lag.
Unterwegs hatte Philipp Magdalena damit aufgezogen, dass sie ihm eigentlich einen Teil der Reisekosten erstatten müsste. Dennoch bereute er es nicht, ihrem Vater das Geld gegeben zu haben, damit seine Tochter ihn nach Wien begleitete. Er wusste nicht, ob er sein Ziel ohne ihre Hilfe erreicht hätte. Gerade in den ersten zwei Tagen war er noch sehr vom Fieber geschwächt gewesen. Magdalena hatte ihn immer wieder gezwungen zu essen und zu trinken und dafür gesorgt, dass er sich mit Decken warmhielt, obwohl die Temperaturen im Freien bereits sommerlich warm waren.
Mittlerweile ging es Philipp deutlich besser. Die Prellungen an seinem Körper schmerzten noch immer, aber dies spürte er nur, wenn die Kutsche unsanft über einen Stein fuhr. Das Fieber war ebenfalls zurückgegangen. Dennoch freute er sich darauf, endlich wieder in einem Bett schlafen zu können. Um die verlorene Zeit aufzuholen, waren sie große Teile der vergangenen Nächte durchgefahren. Geschlafen hatten sie in der Kutsche und nur gehalten, damit Johann die Pferde versorgen konnte und diese sich ein paar Stunden ausruhen konnten. Unterwegs hatten sie die Tiere drei Mal gegen frische eingetauscht.
»Es wird dir in Wien gefallen. Man wird uns im Kaiserhof Unterkunft gewähren. Es wird uns an nichts fehlen.«
»Du glaubst also wirklich, dass wir im Schloss willkommen sein werden?«
»Daran musst du nicht zweifeln. Du weißt, dass ich wichtige Nachrichten für den Kaiser und König Ferdinand habe. Sie werden dankbar sein, wenn ich ihnen von den Vorfällen in Prag berichte.«
»Gilt das aber auch für mich?«
»Habe keine Sorge. Man wird dich gut behandeln. Genauso wie Johann.«
»Der Kutscher wird sicher in der Nähe der Pferde schlafen wollen.«
»Das wirst du nicht müssen«, antworte Philipp und musste lachen. Seit er Magdalena kannte, hatte er sie nie so unsicher erlebt. Der Anblick der Stadt hatte sie stärker beeindruckt, als der Sekretär erwartet hätte. Er hatte sich längst in seine Begleiterin verliebt. Allerdings war Magdalena bisher allen Bemühungen, die er um die junge Frau angestellt hatte, geschickt ausgewichen. Nach unzähligen Versuchen war es ihm aber zumindest gelungen, seine Begleiterin zur vertrauensvollen Anrede zu bewegen. Obwohl sie jetzt schon mehrere Tage gemeinsam unterwegs waren, konnte er noch immer nicht sagen, ob sie ihn nur des Geldes wegen begleitete.
»Wie lange werden wir in Wien bleiben?«
»Das kann ich dir noch nicht sagen. Ich weiß nicht, welche Aufgaben mir der Kaiser nach meinem Bericht geben wird, denke aber, dass er mich schnell wieder nach Prag zurückschicken wird.«
»Dann wirst du mir die Stadt nicht zeigen können?« Magdalena schaute Philipp sichtlich enttäuscht an.
»Ich war selbst erst einmal hier und kenne mich nicht sehr gut aus. Wir werden aber sicherlich die Zeit finden, Wien genauer zu betrachten.« Nur zu gerne würde Philipp die Gelegenheit für einen romantischen Spaziergang mit Magdalena nutzen. Er war fest entschlossen, weiter um sie zu werben. Er könnte es nicht ertragen, wenn beide nach ihrer gemeinsamen Reise wieder getrennter Wege gehen würden. »Wenn du jetzt nach draußen schaust, siehst du das Schloss.«
Magdalena antworte nicht. Sie starrte wie gebannt aus dem Fenster. Philipp hätte viel darum gegeben, jetzt ihren Gesichtsausdruck sehen zu können. Im Moment konnte er sich aber leider nicht weiter um seine Begleiterin kümmern. Die Kutsche hielt auf einem Vorplatz vor dem Eingang des Schlosses an. Sofort kamen zwei Wachen auf sie zu, öffneten die Türen und forderten die Reisenden auf auszusteigen.
»Ich muss so schnell wie möglich zum Kaiser«, erklärte Philipp mit fester Stimme.
***
Anton kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Ehrfürchtig starrte er den Kaiser des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation und Ferdinand, den König von Böhmen, an, die mit ihren jeweiligen Beratern an einem großen, ovalen Tisch saßen, der etwa zwanzig Personen Platz bot. Zeidler hatte ihm zu Beginn der Sitzung die einzelnen Namen der Anwesenden mitgeteilt. Alle hatte Anton sich jedoch nicht merken können.
Es fiel ihm schwer, sich auf die Gespräche der Adeligen zu konzentrieren und ruhig auf seinem Platz sitzen zu bleiben. Alles war neu und strömte unerwartet plötzlich auf den jungen Schreiber ein, der damit gerechnet hatte, den Großteil seiner Zeit in der Bibliothek zu verbringen. Wegen seiner Unruhe fing sich Anton tadelnde Blicke seines neuen Lehrmeisters ein. Zeidler, der es gewohnt war, an den Sitzungen teilzunehmen, hockte ruhig auf dem Stuhl und machte sich ab und an Notizen. Die beiden Schreiber saßen an einem kleinen Tisch, der nahe genug bei den Adeligen stand, damit sie alles hören konnten, aber weit genug von ihnen entfernt war, um sie nicht zu stören.
Plötzlich stürmte ein Mann der kaiserlichen Wache in den Saal und richtete sofort das Wort an die Adeligen, ohne dass man ihm dieses erteilt hatte. »Draußen steht ein Philipp Fabricius aus Prag, Eure Exzellenz. Er sagt, dass er Euch dringend sprechen muss.«
»Bringt ihn herein«, befahl Kaiser Matthias ungehalten. »Ich will hören, warum uns ein Bote bei unserer Versammlung stören will. Und gnade ihm Gott, wenn es nicht wichtig ist.«
Gespannt sah Anton zu, wie ein junger Mann in den Raum geführt wurde. Diesem ging es sichtlich schlecht. Er war blass und schien Probleme beim Gehen zu haben. Außerdem hielt er den linken Arm in einer gebeugten Stellung vor dem Körper. Seine Kleidung war schmutzig. So wie er aussah, musste er in aller Eile von Prag nach Wien gereist sein.
»Mein Name ist Philipp Fabricius«, sagte der Bote, nachdem er sich verbeugt hatte und zum Sprechen aufgefordert worden war. »Ich bin Sekretär der Statthalter in der Prager Burg. Vor vier Tagen ereignete sich dort Furchtbares. Unter der Führung von Graf Matthias von Thurn wagten die Protestanten einen Aufstand. Dabei wurden die Herren Slavata und Martinitz und außerdem ich selbst aus dem Fenster der böhmischen Hofkanzlei geworfen. Wir haben mit viel Glück und unter Gottes Schutz überlebt.«
»Das ist eine Rebellion«, brauste König Ferdinand auf und schlug mit der Faust auf den Tisch. Sein zusammengedrehter Schnauzbart zitterte dabei heftig über den sich vor Wut rötenden Wangen. »Das dürfen wir den Protestanten nicht durchgehen lassen. Wir müssen sofort einen Gegenschlag vorbereiten!«
»Noch wissen wir zu wenig«, mahnte Kardinal Klesl, der Bischof von Wien und Kanzler des Kaisers. »Wir dürfen uns kein vorschnelles Urteil bilden.«
»Berichte von Anfang an«, befahl der Kaiser und schnitt Ferdinand, der gerade gegen die Worte des Geistlichen aufbegehren wollte, mit einer herrischen Handbewegung das Wort ab.
Jetzt wird es interessant, dachte Anton. Er beobachtete, wie das Gesicht von König Ferdinand immer röter wurde. Sicherlich kochte er vor Wut. Immerhin richtete sich der Aufstand in erster Linie gegen seine Regentschaft. Würde er Matthias tatsächlich davon überzeugen können, einen Krieg gegen die protestantischen Stände zu führen?
Philipp Fabricius berichtete nun ausführlich von den Geschehnissen in der Prager Burg. Während der Kaiser eher einen gelangweilten Eindruck auf Anton machte, schien König Ferdinand seine Wut kaum noch im Zaum halten zu können. Unruhig drehte er abwechselnd an den Barthaaren an seinem Kinn und denen am Schnauzbart.
Auch den kaiserlichen Beratern war anzusehen, wie sehr sie die Worte des Sekretärs aus Prag beunruhigten. Dennoch wurde Fabricius von keinem der Anwesenden unterbrochen. Erst als er mit seinem Bericht zu Ende war, ergriff Kardinal Klesl das Wort.
»Das sind in der Tat schwerwiegende Anschuldigungen, die Ihr da gegen die protestantischen Stände erhebt.«
»Anschuldigungen?«, schrie König Ferdinand dazwischen. »Es ist doch offensichtlich, dass der Mann die Wahrheit spricht. Die Vorfälle haben tatsächlich stattgefunden. Wir müssen mit aller Entschlossenheit gegen diese Rebellion vorgehen!«
»Wir sollten den Aufstand nicht überbewerten«, entgegnete Klesl. »Die Herren in Prag werden sich schon wieder zusammenraufen.«
»Soll ich etwa zusehen, wie dieser Graf von Thurn die Regentschaft über mein Reich übernimmt?«, schrie Ferdinand aufgebracht.
»Habt Ihr vor, persönlich nach Prag zu reisen, um die Geschicke der Stadt wieder in die richtigen Bahnen zu lenken?«
»Ihr wisst genauso gut wie ich, dass mir dies im Moment nicht möglich ist«, beantwortete der König die Frage des Kardinals. »Meine Krönung in Ungarn steht kurz bevor. Ich kann jetzt nicht nach Prag reisen.«
»Wir werden die Stände zu Ruhe und Besonnenheit auffordern«, übernahm Kaiser Matthias das Wort. »Ich gedenke nicht, mit einer überzogenen Reaktion auf die Unruhen einen Krieg heraufzubeschwören.«
»Um den zu verhindern, ist es längst zu spät«, antwortete Ferdinand ärgerlich.
»Ihr wisst, dass sich der Kaiserhof die Kosten nicht leisten kann«, hielt Kaiser Matthias energisch dagegen.
»Die eingezogenen Güter der Rebellen werden die Unkosten für den Krieg reichlich kompensieren und der Schrecken der Hinrichtung wird die Stände zum Gehorsam bringen.« Ferdinand machte keinen Hehl daraus, dass er nicht damit einverstanden war, den Ständen in Prag ihre Rebellion ungestraft durchgehen zu lassen. Schließlich war er der König von Böhmen. Der Aufstand richtete sich damit vor allem gegen ihn.
»Die Entscheidung ist gefallen«, sagte der Kaiser. »Gebt dem Sekretär eine Unterkunft. Versorgt ihn mit Speis und Trank. Er und seine Begleiter sollen sich von der Reise erholen, bevor sie wieder in ihre Heimat zurückkehren. Ich werde ein Schreiben an die Herren in Prag verfassen. Ein Bote wird noch heute dorthin aufbrechen.«
Als Philipp Fabricius den Saal verließ, nahm sich Anton vor, unbedingt noch mit ihm zu sprechen, bevor der Sekretär aus Wien abreiste. Es konnte kein Fehler sein, wenn er den Kontakt mit seinem Kollegen aus Prag pflegte. Eine innere Stimme sagte ihm, dass er dem jungen Mann noch öfters begegnen würde.
Nach dem Ende der Besprechung war Ferdinand der Erste, der aufstand und mit entschlossenen Schritten den Saal verließ. Ein Blick in sein Gesicht reichte Anton aus, um zu wissen, dass er den getroffenen Entscheidungen nicht im Geringsten zustimmte. Als König von Böhmen war er es, der von den Vorfällen in Prag am direktesten betroffen war. Als nur noch Matthias, Wilhelm und Anton im Raum anwesend waren, rief der Kaiser die beiden Schreiber zu sich.
***
»Das ist also dein neuer Schüler«, stellte Kaiser Matthias fest, nachdem Zeidler und Anton an seinem Beratungstisch Platz genommen hatten.
»So ist es, Eure Majestät. Er kommt direkt von der Universität und hat dort als Bester seines Jahrgangs abgeschlossen.«
Anton musste innerlich lächeln. Hatte ihn der Professor jetzt tatsächlich vor dem Kaiser gelobt? Das passte nicht zu den Worten, die er selbst sich einige Stunden zuvor von dem Alten hatte anhören müssen.
»Ich heiße dich in meinem Schloss willkommen, junger Freund. Halte dich stets an die Anweisungen deines Meisters und du kannst es als kaiserlicher Schreiber weit bringen.«
»Ich werde mein Bestes geben, Eure Exzellenz«, antwortete Anton verlegen. Er hätte nicht erwartet, vom Kaiser so direkt angesprochen zu werden. Es würde wohl noch einige Tage dauern, bis er sich daran gewöhnte, regelmäßig mit den höchstgestellten Persönlichkeiten des Reiches zu verkehren.
»Du kannst gleich damit beginnen«, sagte der Kaiser in freundlichem Ton. »Ich werde dir nun ein Schreiben an die Stände in Prag diktieren.«
Anton spürte Zeidlers Hand auf seiner Schulter. Er schaute seinen Lehrmeister an, der ihm aufmunternd zunickte.
»Liebe Getreue«, begann der Kaiser sein Diktat und Anton schrieb die Worte eifrig mit. »Es ist uns zu Ohren gekommen, was sich am Mittwoch nach der Kreuzwoche, am 23. Tag des Monats Mai in unserem Prager Schloss und der königlichen Residenz zugetragen hat. Die böhmische Kanzlei, in der höchste Sicherheit und Respekt herrschen sollten, wurde zum Austragungsort eines Streites, den es unbedingt niederzulegen gilt. Ich versichere, dass sowohl der Kaiserhof in Wien als auch der böhmische König den Majestätsbrief ehren und nicht beabsichtigen, den dort getroffenen Regelungen zuwiderzuhandeln. Ich ermahne die Stände in Prag, sich zum Wohle des Volkes friedlich zu verhalten und freundlich miteinander umzugehen.«
»Hast du alles notiert?«, fragte Zeidler und Anton antwortete mit einem Nicken.
»Schreib den Brief, versehe ihn mit dem kaiserlichen Siegel und überreiche ihn dem Boten.«
Zeidler gab Anton das Zeichen zum Aufstehen. Mit seiner letzten Anweisung hatte Matthias die beiden Schreiber entlassen. Die ungleichen Männer standen auf und verließen den Sitzungssaal.