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„Ross sagt nie was, und jetzt spricht er und hat auch noch recht!“, konstatierte Leutnant John.

„Verzeihung, Sir.“

„Jetzt entschuldigt er sich noch mal!“

„Verzeihung, Sir.“

Leutnant John guckte nur noch. Und zwar auf Private Ross. Der wich dessen Blick aus.

„Private Ross, schau' mich an!“

„Verzeihung, Sir.“

Ross schaute zu Leutnant John.

„Wenn du dich noch mal entschuldigst, dann lasse ich dich auf der Stelle von Snyder erschießen!“

„Der trifft mich noch nicht mal, wenn er einen Meter vor mir steht!“

„Na endlich redest du vernünftig, Ross!“

„Aber trotzdem müssen wir jetzt hier weg, Sir.“

„Und wohin?“

„Zur Base.“

„Dort hatte sich niemand gemeldet. Ich denke, die Base ist auch schon von der Lavamasse platt gemacht worden.“

„Ja, ist sie. Aber nur zum Teil. Die Helikopter sind unbeschädigt.“

„Und woher willst du das wissen, Ross?“

„Ich weiß es einfach. Wenn wir noch lange warten, sind die Helikopter auch bald platt, Sir.“

Die anderen des Zuges guckten ratlos. Der Befehlshaber war Leutnant John, er musste entscheiden. Leutnant John überlegte kurz. Er hatte nicht viele Möglichkeiten. Weg mussten sie in jedem Fall, und mit einem Helikopter hatte man mehr Möglichkeiten als mit einem Auto. Zudem hatte Ross aus unerklärlichen Gründen gewusst, dass sich die Lavamasse den Hügel hinauf schob. John entschied sich, dem Rat von Private Ross zu folgen.

„Wir machen es so, wie es Ross gesagt hat!“, sagte John.

Manche waren zu Fuß zum Haus von Miller gegangen, andere mit ihren PKWs.

„Wir sollten Lebensmittel mitnehmen und Waffen.“, meldete Ross an.

„Wofür denn das?“, fragte Leutnant John.

„Es gibt noch mehr Lavaausbrüche, und mit denen wird etwas mitgeliefert, Sir!“

„Ach ja. Und was?“

„Es wird uns nicht gefallen. Deswegen die Waffen.“

„Und was ist es?“

„Ich weiß es noch nicht, Sir!“

„Na gut. Hat jemand Waffen dabei?“, fragte John die Leute seines Zuges.

„Ich habe immer eine Waffe dabei!“, grinste Susan.

„Damit meine ich jetzt nicht dich, Susan!“

„Leichtes Maschinengewehr.“, berichtete die Kampfkatze.

Die anderen hatten diverse Pump-Guns, Schrotflinten und Handfeuerwaffen. Echte Soldaten haben immer irgendwelche Waffen bei sich.

„Wunderbar. Nun zu den Lebensmitteln. Ich habe zuhause einige, die...“

„Nein, dafür ist die Zeit nicht!“, meinte Ross.

„Na gut. Miller!“

Miller hatte verstanden. Er räumte alles, was er hatte, in Beutel. Dabei half ihm Peck Shriners. Shriners war der Intellektuelle des Zuges. Er hatte aber mehrere akademische Abschlüsse, aber nie einen Job gefunden. Dann war er zur Armee gegangen. Dort fühlte er sich wohl. Miller und Shriners waren in der Küche.

„Glaubst du dem Spinner, Peck?“, fragte Miller.

„Welcher Spinner?“

„Na, Ross!“

„Ich denke nicht, dass er ein Spinner ist. Er hat Ahnungen, das sollte man nicht unterschätzen.“

„Was hast du noch mal studiert?“

„Hast du Zeit?“

„Haha, wie lustig!“

„Wenn du das meinst, in der Geschichte der Menschheit gibt es genügend Menschen, die intuierten.“

„Was ist denn das für ein Kram?“

„Das sind Leute, die sich auf ihre Intuition verlassen hatten.“

„Und?“

„Sie hatten damit recht!“

„Ach ja. Und du denkst, wir sollten dem Spinner Ross vertrauen?“

„Bei allem Respekt, Sergeant, wenn du noch mal Spinner sagst, trete ich dir in deinen höherrangigen Arsch!“

Das saß. Sergeant Miller sagt nichts mehr.

Der Morgen dämmerte. Mit zwei Wagen fuhren die sieben des Zuges von Leutnant John los. Ross saß im ersten Wagen auf dem Beifahrersitz, Leutnant John fuhr. Es war das Auto von Miller. Miller saß hinten mit der Kampfkatze. Im zweiten Wagen waren Snyder, Kusnov und Shriners. Im Rückspiegel sah Ross noch, wie die vorwärts strebende Lavamasse begann, das Haus von Sergeant Miller in Brand zu stecken.

„Rechts.“, sagte Ross einfach nur.

Leutnant John fuhr in die Straße, die rechts erschien.

„Das war knapp.“, meinte nur Ross.

„Ne, eigentlich nicht. Du hattest rechtzeitig Bescheid gesagt, wegen der Straße!“

„Das meinte ich nicht. Haste mal in den Rückspiegel geguckt?“

„Werden wir verfolgt?“

„Sozusagen.“

„Von wem?“

„Lavamasse.“

„So schnell?“

„Sergeant Millers Haus geht gerade in die ewigen Jagdgründe, Sir.“

„Lass das mit dem Sir!“

„Jawohl, Ma'me!“

„Schon besser, Girlie!“

„Jetzt immer voll Stoff geradeaus!“

„Ich weiß, so fahre ich jeden Morgen zur Arbeit.“

„Aber nicht mit diesem Tempo.“

„Das ist richtig.“

„Bremsen.“

„Was?“

„Bitte Vollbremsung.“, sagte Ross einfach nur.

Leutnant John legte eine Vollbremsung hin. Das Auto stand. Das Auto dahinter krachte nicht auf den Vordermann auf, weil Snyder fuhr. Es war dessen Wagen.

„Und jetzt?“, fragte John.

„Wir brauchen das Maschinengewehr von Susan.“

„Ist am Start.“, meinte Susan.

Da erschien auch schon das, was Ross gefühlt hatte. John sah es als erster. Dann die anderen. Ross schaute nicht, er wusste.

„Maschinengewehr in Bereitschaft, erst feuern, wenn ich es sage.“, sagte Ross ganz leise.

„Ich mache alles, was du willst, Ross.“, flüsterte Susan schon fast.

Dann bemerkte John, dass Ross die Augen geschlossen hatte.

„Wieso guckst du nicht, Ross?“, fragte John.

„Wenn ich die Augen geschlossen habe, sehe ich besser.“

„Siehst du es etwa?“

„Ja, Sir.“

Leutnant John gefror das Blut in den Adern, aber nicht, weil er das gesehen hatte, was er gesehen, sondern weil Ross Sir gesagt hatte. Dann war der Spuk vorbei.

„Gas geben.“, sagte Ross.

Sofort gab der Leutnant Gas, Snyder folgte.

„Am Wäldchen links rein.“, sagte Ross.

Seine Augen waren immer noch geschlossen.

„Vor oder nach dem Wäldchen?“, fragte John.

„Vor.“

„Aber da ist ein Sumpf!“

„Vollgas.“, sagte Ross nur.

Leutnant John gab Vollgas. Snyder folgte. Sie kamen durch.

„Anhalten.“, sagte Ross.

John stoppte und Snyder hinter ihm ebenso.

„Aussteigen.“, sagte Ross.

„Ross, wieso...?“, hob John an.

„Wir müssen zu dem Zaun, Sir!“

Das Blut gefror Leutnant John wieder in den Adern. Ross und er und auch die anderen eilten mit den Beuteln und Waffen zum Zaun. John sah die Helikopter. Sie waren tatsächlich unversehrt. Jedoch schob sich in der Nähe ein Lavastrom vorbei. Unter diesem konnte man die Base nur noch vermuten. Ross überwand als erster den Zaun, die anderen folgten ihm. Dann hatte John ihn eingeholt. Sie gingen nebeneinander, aber der Leutnant wagte nicht, Private Ross anzusprechen. Denn John wollte nicht wirklich wissen, was Ross alles mit geschlossenen Augen sah. Da erreichten sie die Hubschrauber, und John öffnete die Tür des ersten.

„Nicht der, der hat keinen Sprit mehr.“, meinte Ross, „Wir nehmen einen Black Hawk und die Cobra. Chomsky und Snyder fliegen die Cobra und ich den Black Hawk.“

Leutnant John wagte nicht, zu widersprechen. Die sieben Soldaten bestiegen die Maschinen und warfen die Motoren an. John saß neben Ross.

„Fliegst du jetzt auch mit geschlossenen Augen?“, wollte der Leutnant wissen.

„Nein, so fein ist mein Sehen nicht.“, antwortete Ross.

John war erleichtert, obwohl er mittlerweile auch das Ross zugetraut hätte. Die Maschinen hoben ab. Der Black Hawk führte, die Cobra folgte. Sofort versuchte John mit anderen Einheiten per Funk Kontakt aufzunehmen. Er versuchte alle in Frage kommenden Frequenzen, aber niemand antwortete.

„Wieso hast du mich nicht gefragt, Leutnant?“, fragte Ross.

„Hattest du das etwa auch gewusst?“

Ross sagte nichts.

„Und wohin geht die Reise jetzt?“, fragte Leutnant John.

„Schau' mal nach unten, Leutnant.“, meinte Ross nur.

John war schon froh, dass Ross nicht Sir gesagt hatte. Aber das war einerlei, denn Leutnant John bot sich ein grausiges Bild. Er schaute nur stumm. Ebenso die anderen.

„Und was machen wir jetzt?“, fragte John.

„Wir fliegen in den Norden.“, meinte Ross.

„Dafür reicht aber der Sprit nicht!“

„Ich weiß.“

John sagte nichts mehr. Der einzige Trumpf, den die sieben Soldaten hatten, war Private Ross. Nach einer Weile Selbstversunkenheit nahm John wieder das Wort auf.

„Woher kannst du das, Ross?“

„Ich konnte das schon immer. Ich war zehn Jahre alt und sollte operiert werden. Ich wusste vorher, dass was Schlimmes passieren wird.“

„Und?“

„Ich wäre beinahe nach der Operation verblutet.“

„Wie gut, dass du noch da bist.“

„Danke, Leutnant.“

„Nenne mich Bill.“

„Okay. Ich bin Fred.“

„Hi Fred! Hattest du noch mehr solche Erlebnisse gehabt?“

„Du meinst mein Sehen?“

„Ja.“

„Ich hatte einige.“

„Hast du darüber mit jemandem geredet?“

„Ich bin zum Psychiater gegangen.“

„Was hat der gesagt?“

„Der hatte das irgendwie komisch interpretiert.“

„Magst du mir noch eins erzählen?“

„Das war letztes Jahr gewesen. Ich war mit Kathy in New York, wir besuchten eine Ausstellung. Anschließend suchten wir unser Auto. Du weißt ja, wie Manhattan ist. Kathy redete ständig, dann sagte ich, sie soll mal still sein. Sie war still. Dann spürte ich, und bald waren wir bei unserem Auto.“

„Krass! Und von solchen Sachen hast du noch mehr?“

„So ist es.“

„Na, jedenfalls, ich glaube dir, Fred!“

„Bleibt dir ja auch nichts anderes übrig.“

„Du meinst, wenn es um die eigene Existenz geht, dann glaubt man solchen Leuten wie dir?“

„Das klingt schon fast so, als wären solche Leute wie ich...“

„...nicht von dieser Welt?“

Ross lachte auf.

„Hast 'ne gute Lösung gefunden, Bill!“

Der Rationalist Bill John sagte nichts. Er dachte nach. Anfangen konnte er mit diesen Dingen eigentlich nichts.

„Ich weiß, dass wir Außenseiter sind, Bill. Aber das war nicht immer so gewesen.“, sagte Fred.

„Mir ist das alles fremd, aber ich habe in der letzten halben Stunde gesehen, dass es...“

„...funktioniert?“

„Ja!“

„In der Welt der Rationalisten muss alles funktionieren!“

„Was ist daran so verkehrt?“

„Verkehrt ist daran nichts, aber es ist eine eingeschränkte Sichtweise.“

„Und was ist die andere Sichtweise?“

„Fühlen.“

„Was fühlen?“

„Die übergeordneten Dinge.“

„Da gibt es doch nichts!“

„Haste ja gesehen, Leutnant.“

Der Leutnant sagte nichts weiter.

„Wir müssen tanken.“, meinte Ross nach einigen Stunden Flugs.

John war eingenickt.

„Was?“

„Wir müssen in absehbarer Zeit tanken.“

„So viel zum Rationalistischen!“

„Ich hatte es nicht verneint, Bill.“

„Und hast du eine Vision, wo wir tanken können?“

„Habe ich.“

„Hätte mich auch gewundert!“

„30 Meilen vor uns befindet sich eine unbeschädigte Base.“

„Das ist ja mal was!“, sagte Leutnant John, und er öffnete sich eine Dose Corned Beef.

„Auch was?“, fragte er seinen Piloten.

„Wäre nicht verkehrt.“, meinte Ross.

Bill fütterte seinen Piloten mit einer Gabel. Nach einer zweiten Dose waren sie erst mal satt. Dann war die Base in Sichtweite. Die Cobra und der Black Hawk landeten. John und sein Zug stiegen aus, Soldaten nahmen sie in Empfang.

„Woher kommt ihr?“, fragte ein Sergeant.

„Ostküste!“, sagte Leutnant John.

„Kommen Sie mit zum Colonel!“, meinte der Sergeant.

John und sein Zug folgten ihm zum Büro des Colonels. Sie traten ein, und John sah, dass der Offizier so ziemlich mit seinen Nerven fertig war.

„Sir, die Männer kommen von der Ostküste, mit Helis!“, meldete der Sergeant.

Der Colonel sah Susan.

„Männer?“

„Verzeihung, Sir! Die Dame und...“

„Schon gut. Ich bin froh, dass wenigstens noch einige leben.“

„Leutnant Bill John und das ist mein Zug!“, stellte sich John vor.

„Willkommen, Leutnant! Wir haben Sie es bis hierher schaffen können?“

„Das ist schwer zu erklären, Sir!“

„Versuchen Sie es, Leutnant!“

„Na ja, ich..., äh...“

„Was ist, Leutnant?“

„Ich kann das nicht, Sir.“

„Leutnant, wir befinden uns in einer außergewöhnlichen Situation! Ich bin dankbar für jede Information, egal, wie abstrus sie ist!“

Leutnant John fasste Mut.

„Das hier ist Private Ross! Er sieht Dinge, Sir!“, sagte John und wies auf Ross.

„Er sieht Dinge?“

„Ja, Sir! Deswegen haben wir überlebt!“

„Ungewöhnlich. Aber möglicherweise hilfreich.“

„Sir, ich glaube eigentlich nicht so recht daran, aber wir sind noch da!“

Da gab es in der Base einen Alarm. Die Sirenen heulten auf, und die Erde bebte. Der Colonel, sein Sergeant und der Zug Johns eilten aus dem Büro. Draußen herrschte helle Aufregung. Und da sah Leutnant John wieder das, was er auf der Straße gesehen hatte. Ross stand neben ihm.

„Was ist das?“, fragte John.

„Jedenfalls keine Außerirdischen.“, meinte Ross.

John sah, wie Soldaten von diesen Wesen bei Berührung brannten und vergingen.

„Wir müssen zu den Helis!“, meinte John.

„Negativ, Sir, die sind platt.“

„Und jetzt?“

„Wir warten.“, meinte Ross nur.

„Warten? Bist du verrückt?!“

„Entweder du hörst auf mich, Bill, oder du lässt es!“

John hörte auf Ross. Ebenso der Zug. Und der Colonel und sein Sergeant. Dann waren die Wesen weg. Aber Lava floss vor und hinter denen, die auf Ross hörten.

„Da ist überall Lava!“, sagte John.

„Wir warten.“, sagte Ross.

„Woher nimmst du nur diese Ruhe, Fred?“, fragte Bill.

Fred sagte nichts, er hatte seine Augen geschlossen.

„Betest du, Fred?“, fragte Bill.

„Nein, ich nehme nur wahr.“

„Was nimmst du wahr?“

„Noch warten.“

„Wie lange?“

„Habe Geduld.“

„Fällt mir schwer!“

„Ich weiß.“

Der Spürer

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