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5. Tatort

Wir fahren gemeinsam in einem Dienstwagen zum Tatort. Warum müssen in letzter Zeit nur so viele Menschen in meinem geliebten Heimatdorf umkommen. Oder um präziser zu sein, ermordet werden? Obwohl ich nur zugezogen bin, empfinde ich dies hier inzwischen als meine neue Heimat: Stets friedlich und vielleicht auch etwas verschlafen, aber mitten im Herzen von Deutschland. Auch sind alle lebensnotwendigen Dinge und Geschäfte vorhanden, beginnend bei den Ärzten und Zahnärzten, über eine Apotheke, bis hin zum gut sortierten EDEKA-Markt, der seit einigen Jahren von Gaby und Jürgen Werner gemanagt wird.

Der Tatort des schrecklichen Verbrechens befindet sich in der Fahrenbachstraße, ganz in der Nähe der ehemaligen Obermühle. Der Antrieb der Mühle war bis etwa 1887 ein großes Wasserrad. Das notwendige Wasser hierfür wurde durch den Fahrenbach und den Rodebach gespeist. Beide Bäche mussten damals extra hierfür entsprechend gestaut werden. Leider ist von dem Wehr und allen anderen damals notwendigen Anlagen heutzutage nichts mehr vorhanden. Eigentlich schade.

Aber jetzt müssen wir uns auf den neuen Fall konzentrieren. Die Spurensicherung ist nahezu fertig und der Gerichtsmediziner, Dr Truber, bereits vor Ort. Gut, dass er es ist. Er ist der fähigste Gerichtsmediziner, den ich in all meinen Dienstjahren kennenlernen durfte. Außerdem ist er seit langen Jahren mein Freund. Dank seiner tiefgreifenden Kenntnisse, nicht nur in medizinischen Dingen, haben wir bereits viele Fälle lösen können.

„Keine Einbruchspuren, keine Tatwaffe, absolutes Chaos. Bericht folgt in Kürze“, werde ich extrem knapp von unserer Spurensicherung in Kenntnis gesetzt. Anscheinend gibt es nichts Weiteres zu sagen und auch Rückfragen meinerseits werden offensichtlich nicht erwartet. Keine Minute später ist das gesamte Team auch schon verschwunden. Das nenne ich mal kurz und bündig. Ich hoffe nur, dass ich tatsächlich irgendwann einen etwas ausführlicheren Bericht erhalte. Denn diese knappen Ansagen nutzen mir fast nichts.

„Wie sieht es aus, Heinz?“, frage ich unseren Gerichtsmediziner. „Bereits etwas Aufschlussreiches entdeckt?“

„Der Name des Toten lautet Peters, Hans Peters, oder um noch genauer zu sein, Dr. Hans Peters. Vermutlich wurde der Einbrecher, oder vielleicht auch die Einbrecher, von unserem Opfer überrascht. Und dies ist womöglich die Folge.“

Die Worte vermutlich und womöglich sind untypische Floskeln im Wortschatz meines Freundes. Fragend schaue ich ihn an. Jahrelange Zusammenarbeit entbindet zum Glück oft von ausschweifenden Wortwechseln. Zumindest bei Männern.

„OK“, beginnt er auch sogleich. „Es ist alles sehr untypisch. Wie du selber gehört hast, gibt es keine Einbruchsspuren. Wurde der Täter etwa hereingelassen? Dann wäre es kein Einbruch. Oder standen die Türen und Fenster vielleicht offen? War unser Mordopfer etwa zu Hause? Ich habe noch nie von so verblödeten Einbrechern gehört, die tagsüber eindringen, wenn tatsächlich jemand zu Hause ist.“

Ich erkenne, dass dies noch nicht alles ist, was mein ehrenwerter Herr Kollege zu sagen hat. Mein fragender Blick bleibt also weiterhin bestehen.

„OK. Falls wider Erwarten der Einbrecher also auf den Hausherren trifft, kenne ich zwei Szenarien. Der Einbrecher würde entweder sofort Hals über Kopf fliehen, oder aber den Zeugen so schnell wie möglich ausschalten.“

„Und hier?“, bohre ich genervt weiter.

„Ich muss die Autopsie erst noch durchführen“, versucht er sich herauszuwinden.

„Muss ich tatsächlich noch einmal fragen?“ Langsam werde ich ungeduldig.

„Sprich sofort oder schweig für immer! Herr Doktor Heinz Truber!“, schreit Jo urplötzlich lauthals und fürchterlich genervt los. Wir zucken alle erschrocken zusammen. Was ist nur mit unserer kleinen Jo los? Ihre bisherige Lethargie scheint einer alles umfassenden Wut zu weichen.

Heinz schaut etwas ängstlich drein und wird drei Nuancen blasser. So hat er meine Kollegin noch nicht kennengelernt.

„Das Opfer wurde erschlagen, würde ich vermuten. Seht Ihr die recht tiefe Kopfwunde? Aber auf den ersten Blick würde ich sagen, er wurde vorher einige Zeit brutal misshandelt, bis er letztendlich starb. Es muss etliche Minuten gedauert haben. Eine Viertelstunde oder länger. Aber nach der Autopsie weiß ich mehr.“

Mit einem vorsichtigen Blick auf Jo verschwindet er, so schnell es geht.

„Das war definitiv kein normaler Einbruch“, verkündet Georg stolz seine Erkenntnis.

„Sag nur!“, kontern Jo und ich simultan.

„Man kann vieles unbewusst wissen, indem man es nur fühlt, aber nicht weiß“, entgegnet mein Partner.

Jo und ich schauen uns nur ratlos an. Irgendwie wird er von Jahr zu Jahr immer sonderbarer und seine überflüssigen Zitate immer zusammenhangsloser. Aber so kennen und so lieben wir ihn. Zumindest manchmal. Eher selten. Für seine Zitate fast nie. Im Prinzip könnte man das Wort –fast- auch weglassen.

Egal, wir drei beginnen intensiv die Wohnung in Augenschein zu nehmen. Alle Räume sind regelrecht verwüstet. Der Inhalt aller Schränke wurde gleichmäßig über den Boden verteilt, die Regale geleert und die Matratzen sowie Sofas aufgeschlitzt, sozusagen das Innere nach außen gekehrt. Außerdem wurden alle Bilder von den Wänden gerissen, da vermutlich nach einem versteckten Tresor gesucht wurde.

Interessanterweise ist auf allen Bildern im gesamten Haus unser Opfer mit einer Frau zu sehen, jeweils in inniger Umarmung. Aber, und das ist das wirklich Bemerkenswerte, auf jedem Foto ist eine andere Dame abgelichtet.

„Es könnte sein, dass etwas sehr Konkretes gesucht wurde. Nachdem der oder die Einbrecher das Gesuchte offensichtlich nicht gefunden haben, wurde der Hausherr intensiv befragt“, beginnt Jo eine erste Deutung der Spuren.

„Aber da der Hausherr tot ist, kann niemand sagen, um was es sich gehandelt haben könnte. Wenn es denn überhaupt so war“, ergänze ich. „Und noch weniger wissen wir, ob er es ihnen verraten hat.“

„Ihnen, ihr oder ihm!“, unterbricht uns Georg.

Natürlich können wir über die bzw. den Täter noch nichts sagen. Aber immer alle Eventualitäten zu erwähnen, ist doch etwas nervig. Aber definitiv können wir auf die Schnelle nicht feststellen, ob es ein Einzeltäter war oder doch mehrere. Und erst recht können wir nicht sagen, ob hier überhaupt Gegenstände verschwunden sind.

„Es wurden ein paar Gegenstände bei einem Pfandleiher wiedergefunden“, unterbricht uns ein mir unbekannter Polizist. Ich schaue ihn solange irritiert an, bis er endlich weitere Informationen hervorbringt.

„Diebeswaren von den letzten Einbrüchen sind wieder aufgetaucht. Ein Pfandleiher aus Kassel hat bei einem angekauften Laptop die Seriennummer kontrolliert und diese auf unserer herausgegebenen Liste wiedergefunden. Und so unglaublich sich das auch anhört, er hat sofort die Polizei informiert.“

Es gibt offensichtlich doch noch mehr ehrliche Geschäftsleute als ich immer befürchtet habe. Es ist schön, auch mal positiv überrascht zu werden! Nachdem wir die Adresse des Ladens erhalten haben, machen wir uns auf den Weg nach Kassel.

Das Pfandleihhaus liegt in der Bosestraße, in der Nähe des Schlösschens Schönfeld, ein Kleinod in der Nähe des Botanischen Gartens und des Park Schönfelds. In diesem Schloss bemühten sich schon um 1813 unter anderem die Gebrüder Grimm darum, alte, deutsche Überlieferungen zu sammeln.


Schlösschen Schönfeld

Im Laden werden wir höflich vom Besitzer empfangen. Nach der üblichen Vorstellungsrunde kommen wir schnell zur Sache.

„Wissen Sie, wer Ihnen den gestohlenen Laptop verkauft hat? Kennen Sie seinen Namen?“, beginne ich direkt.

„Leider nein. Ich hatte ihn auch vorher noch nie bei mir gesehen. Ich habe hier jede Menge Stammkunden. Gegen Ende des Monats wird es bei einigen oft etwas knapp in der Kasse. Da wird das eine oder andere schnell bei mir verpfändet und am nächsten Monatsanfang wieder ausgelöst.“

„Können Sie ihn wenigstens näher beschreiben? Das wäre ebenfalls sehr hilfreich!“

„Nicht wirklich. Es war gerade so ein Gedränge im Laden. Mir fiel nur auf, dass der Typ nicht mit mir handelte, sondern den erstbesten Preisvorschlag annahm. Das machte mich stutzig. Also schaute ich mir, als es im Laden ruhiger wurde, die Sachen, die er mir gebracht hatte, genauer an. Und so habe ich die Seriennummer mit der Liste der Polizei abgeglichen.“

„Wirklich vorbildlich. Aber können Sie den Mann nicht doch etwas näher beschreiben? War er groß oder klein? Welche Haarfarbe hatte er? Hatte er einen Bart?“

„Es ging so schnell. Und ich habe ihm nicht direkt ins Gesicht geschaut, sondern nur schnell den Laptop und das andere Zeug begutachtet.“

“Und wie steht es um seine Kleidung? Gab es da etwas Auffälliges?“

„Keine Ahnung. Sorry, Chef. Da war gerade die Superblonde von nebenan im Laden und wollte ihr iPod zurückhaben“, gibt er inzwischen ziemlich kleinlaut zu. Eine große Hilfe ist er uns offensichtlich nicht.

„Und Ihre Blicke hingen verständlicherweise mehr an dieser Lady, als an Ihrem unbekannten Kunden“, wirft mein Partner mit wissendem Unterton ein.

„Oh, Sie verstehen das sicherlich!“, strahlt der Ladenbesitzer. „Sie hat so zwei prachtvolle, gewaltige …äh… Augen. Sie wissen, was ich meine.“

„Dann können Sie uns also keinen einzigen Hinweis auf den Verdächtigen geben? Weder Aussehen noch sonst eine Auffälligkeit? Absolut nichts?“, frage ich resigniert nach und bin schon in Gedanken auf dem Heimweg.

„Außer Spesen nichts gewesen“, murmelt auch Georg in seinen nicht vorhandenen Bart.

„Nein, ich kann Ihnen leider wirklich nichts über ihn sagen. Es war eben irgend so ´n Typ. Verstehen Sie?“

„Nicht wirklich, aber trotzdem danke“, verabschiede ich mich bereits bei ihm.

„Aber ich habe eine DVD der Überwachungskamera, auf dem er zu sehen sein müsste. Hilft Ihnen das vielleicht weiter?“

„Wenn Dummheit weh tun würde.“, brabbelt Georg nun noch leiser vor sich hin.

„Ja, das würde uns sicherlich helfen. Könnten wir uns die DVD ausleihen?“ frage ich höflich nach.

„Aber sicher. Ich habe sie schon bereitgelegt. Bitte sehr! Sie können sie auch behalten. Ich helfe der Polizei doch gerne. Schnell und direkt!“

Es war weder schnell noch direkt, aber wenn auf der Disk tatsächlich unser Mann zu sehen ist, sei ihm alles verziehen. Jo stand die ganze Zeit nur in sich gekehrt neben uns. Und auch, als wir uns wieder auf den Weg zum Auto begeben, trottet sie uns einfach nach. Sie ist definitiv noch nicht über den Berg.

Ich habe irgendwo mal etwas über Musiktherapie gelesen und hier, ganz in der Nähe, gibt es einen wunderschönen Klangpfad. Also ab zum Musizieren. Aber zuerst kommen wir an Kassels Botanischem Garten vorbei. Für mein Lieschen ist dies stets ein unerschöpflicher Quell von fantastischen Fotomotiven. Wir beide versuchen, so oft wie möglich zu verschiedenen Jahreszeiten hierher zu kommen, um die mannigfachen Eindrücke wahrzunehmen.

Aber bereits wenige Meter entfernt geht es hinab zum Park Schönfeld. Eine herrliche Anlage, in der seit einigen Jahren jeden Sommer die Brüder-Grimm-Festspiele an und auf einem der Teiche stattfinden. Genau in diesem Teil des Parks wurden verschiedene Klanginstallationen errichtet.

Mir bereitet es immer wieder Freude, auf ihnen zu experimentieren. Und mein Partner Georg ist in diesem Sinne sowieso ein großes Kind. Er hämmert wie besessen auf den Basalt-Fächer von K.-J. Dierkes ein. Warum erinnert mich mein Partner nur an eine Figur aus der Muppet Show? Und zwar an den Schlagzeuger -Das Tier-? Allerdings hatte der viel mehr Haare auf den Kopf.

Nur Jo sträubt sich am Anfang, lässt sich aber dann doch von unserer ausgelassenen Art schnell mitreißen. Am meisten hat es ihr das Klanggeländer an der Treppe zwischen dem ehemaligen Rosengarten, dem jetzigen KlangStelenKlan-Bereich, und dem Teich angetan. Es wurde von dem in Kassel ansässigen Künstler Werner Redeker ersonnen. Immer wieder rennt Jo die Treppen hoch und runter und schlägt mit einem Stock über die Geländersprossen.


Die hellen, klaren Töne scheinen durch den gesamten Park zu schweben. Allerdings ergeben sie zusammen mit Georgs hemmungslosen Getrommel und meinen aberwitzigen Versuchen zu musizieren, eine absurde Kakofonie des Grauens. Hoffentlich holt niemand die Polizei wegen groben Unfugs.

Aber all das ist mir egal, als ich bemerke, wie sich Jo' s Augen langsam wieder aufhellen. So verspielt habe ich sie noch nie gesehen. Endlich kommt sie wieder etwas aus ihrem selbsterwählten Schneckenhaus heraus.

Wieder im Büro angekommen, finden wir den vorläufigen Autopsiebericht von Dr. Truber auf meinem Schreibtisch vor. So schnell und gründlich wie immer. Auf Heinz ist eben Verlass! Die Todesursache war ohne Zweifel ein harter Schlag auf den Hinterkopf. Dies war zu erwarten. Interessanter, aber auch umso merkwürdiger, sind dutzende andere Schlagmale quer über den gesamten Körper. Sie waren allesamt sehr brutal und nach Aussage von Dr. Truber, sicherlich extrem schmerzhaft für das gequälte Opfer. Es wurden dabei sogar einige Rippen angebrochen. Außerdem, und dies ist noch unerklärlicher, waren auch mehrere Finger brutal zertrümmert worden und mehrere Zähne ausgeschlagen.

Dr. Truber schlägt zwei mögliche Begründungen für die vorgefundenen Spuren vor. Entweder zügellose Raserei, so eine Art von ekstatischem Blutrausch. Warum muss ich mir hierbei einen Vampir vorstellen? Oder aber eine Art von Folter. Aber warum sollte der ärmste Herr Doktor so grausam gequält werden. Beides ergibt für einen Einbruch keinen Sinn. Damit hat der Bericht diesmal leider mehr Fragen aufgeworfen als beantwortet. Aber den Mörder zu finden, ist auch nicht Aufgabe eines Gerichtsmediziners. Auch wenn dies in etlichen Fernsehserien so dargestellt wird.

Nach einer kurzen, aber fruchtlosen Diskussion schauen wir uns die Überwachungsvideos des Pfandleihhauses auf einem unserer Monitore an. Mehr als vier eintönige Stunden über den Alltag in einem Pfandleihhaus stehen uns bevor. Noch tausendmal langweiliger als die meisten sogenannten Realityshows im Fernsehen.

„Könnt ihr das nicht einfach schneller vorspielen?“, fragt Jo nach. Ein erneutes Lebenszeichen von ihr und eine gute Idee. Also beschleunigen wir auf die doppelte Abspielgeschwindigkeit. Somit nur noch zwei Stunden, aber dafür wimmelt es umso hektischer auf dem kleinen Bildschirm.

„Schneller“, schnaubt Jo.

„Ich erkenne jetzt schon fast nichts mehr. Ein alter Mann wie ich ist doch kein D-Zug.“, bekennt Georg ehrlich. „Und ein ICE oder gar Transrapid, auch wenn er mit Kassel in direktem Zusammenhang steht, schon gar nicht.“

„Wir dürfen schließlich nichts verpassen“, unterstütze ich meinen Partner.

„Lass mich mal ran.“ Und schon übernimmt Jo den Computer und ehe wir uns versehen, läuft der Film mit sechzehnfacher Geschwindigkeit ab. Ich erkenne nur noch verwischte Schlieren und eine gewisse Übelkeit steigt in meinen Eingeweiden auf. Auch Georg muss den Blick schnell abwenden. Nur Jo schaut wie hypnotisiert auf den Monitor. Kann sie hier überhaupt noch Einzelheiten erkennen?

Für Normalsterbliche und Erdenbürger ist dies garantiert absolut unmöglich! Und woran will sie den Typ überhaupt erkennen? Ihn identifizieren? Wir haben überhaupt keine Anhaltspunkte, weder sein Aussehen noch seine Kleidung. Das alles erscheint mir schlicht unmöglich. An Georgs resigniertem Blick erkenne ich, dass er derselben Meinung ist. Niemals wird sie ihn auf diese absurde Weise finden und erkennen können.

„Da ist er!“, erklärt Jo bereits fünf Minuten später mit einem Hauch von Stolz in der Stimme. Wenn sie es tatsächlich geschafft haben sollte, den Typen zu erkennen, kann sie auch stolz sein. Wir blicken alle gebannt auf das Standbild. Ein Mann mittleren Alters steht am Tresen, während etwa ein Dutzend andere Personen im Raum herumwuseln.

„Wieso soll das unser Mann sein?“, frage ich irritiert. Was habe ich hier nicht mitbekommen?

„Seht ihr nicht den Laptop in seiner Hand?“, fragt uns Jo selbstbewusst.

„Ja, schon. Aber bereits am Anfang von diesem Video haben andere Personen ebenfalls Laptops abgegeben. Vielfach! Das kann kein Kriterium für die Überführung des Verkäufers von dem besagten Laptop sein!“, wage ich vorsichtig einzuwenden.

„Das scheint sogar in diesem komischen Laden ganz normal zu sein. Und die Seriennummer kannst selbst du bestimmt nicht erkennen. Auch wenn du ein paar wenige Jahre jünger bist als wir beide!“, stichelt Georg ein wenig.

„Das nicht. Aber seht ihr, wie der Ladenbesitzer die junge, blonde Frau mit den großen … Augen anschmachtet, während er das Geschäft abwickelt?“

„Ihre prallen … Augen sind aber wirklich fantastisch. Einfach überwältigend! Sind die echt? Wahnsinn!“, stimmt mein ehrenwerter Partner, dieser unverbesserliche Schwerenöter, zu. Und ich hatte gehofft, dass er im Alter ein wenig ruhiger wird. Aber genau das Gegenteil scheint der Fall zu sein. „Je oller, je doller!“, würde er jetzt wahrscheinlich von sich sagen.

„Georg, wende bitte deinen Blick von ihren … Augen ab. Es ist doch wirklich ganz egal, ob sie große Augen, Ohren, Füße oder sonst etwas hat“, versuche ich seine Gedanken wieder auf das Wesentliche zu richten.

„Große -sonst was- ist gut!“, grinst er mich allerdings nur breit an. Der Versuch ging nach hinten los. Anscheinend habe ich in all den Jahren noch immer nicht gelernt, meinen Freund einzuschätzen oder gar in den Griff zu bekommen.

„Ihr beide seid schrecklich! Schaut den Frauen nur auf die … Augen oder … sonst was“, kritisiert uns Jo. Sie hat ja recht. Aber dann fährt sie fort: „Aber in diesem Fall stellt die Tussi ihre großen … Augen wirklich zu sehr zur Schau. Wer´s nötig hat. Aber dabei hat sie tatsächlich schöne Augen, falls es einem von euch Männern aufgefallen sein sollte.“

„Konzentriere dich einfach auf den potthässlichen Typen am Tresen“, versuche auch ich meinen Partner wieder einzufangen. „Auf den, der den vermeintlich geraubten Laptop verhökern will. Auch wenn es dir schwerfällt. Irgendwie kommt er mir bekannt vor. Oder was meinst du dazu, mein Freund?“

Kaum schaut er den jungen Mann an, verfliegt sein freches, lüsternes Grinsen. „Ist das nicht der Seppl?“, antwortet er bereits wenige Sekunden später.

„Wer ist denn Seppl? Der Partner vom Kasperle? Und spielt die Hexe auch mit? Oder der Räuber Hotzenplotz? Ist der Räuber Hotzenplotz unser Dieb? Das wäre mal eine irre Pressemeldung. -Der Räuber Hotzenplotz und die böse Hexe brechen in Wohnungen ein-“, legt Jo nach. Der alte Schelm, beziehungsweise in ihrem Fall die junge Schelmin, kommt endlich wieder zum Vorschein.

„Eigentlich ist sein Name Sepp“, antwortet Georg so sachlich wie möglich. Auch er, genau wie ich, muss sich ein lautes Lachen verkneifen.

„Sepp Maier, Sepp Herberger oder Sepp Blatter? Und was hat das alles mit Fußball zu tun?“, kommt aber prompt das Kontra von unserer Jo.

„Sepp Schuster. Sein Name ist Sepp Schuster. Ein bekannter Kleinganove aus der Gegend. Bereits öfters von uns verhaftet wegen Ladendiebstahl oder anderer Kleinigkeiten. Hin und wieder gibt er der Polizei aber auch ein paar brauchbare Tipps aus der Szene, deshalb ist er noch immer auf freiem Fuß.“

„Bisher zumindest. Setz ihn sofort auf die Fahndungsliste. Mit Mord kommt er nicht durch!“, erkläre ich!

Ein Flüstern der Vergangenheit

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