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Teil IV – Die Höhle der Löwinnen

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Siebzehn.

La Spezia, Juli 2011

Die letzten Kilometer zu Christines Firmenzentrale waren bessere Waldpfade oder Schotterpisten. Nach Le Grazie unterhalb von La Spezias Hafen schlug es sie in die Büsche. Oskar wurde es angst und bange, nicht um ihn selbst, sondern um den schönen Lamborghini. Aber Christine behielt ein flottes Tempo bei und lächelte ihn zuversichtlich an.

»Niveauregulierung!«, kämpfte ihre Stimme gegen die Fahrgeräusche auf dem für Straßensportwagen ungeeigneten Terrain an.

»Deswegen traust du dich, den Lamborghini so zu scheuchen.«

»Was???« Sie hatte ihn nicht verstanden – ein zu langer Satz für diese Geräuschkulisse.

»Wir liegen höher als auf der Straße!«, sprach er laut und deutlich aus und gestikulierte dazu.

»Genau, Spezialfahrwerk für Vaarenkroogsche Anforderungen! Sonst würd ich meinen schönen Lambo nicht so scheuchen«, bestätigte sie unwissentlich den Satz, den sie nicht verstanden hatte und raste gutgelaunt dahin. Ihre buchstäblich ungebremste Lebensfreude zauberte Oskar einen Schmunzler ins Gesicht.

Du kannst noch so drauftreten, Süße, Jean-Pierre fahren wir hier sicher nicht davon.

Er rückte in seinem Sitz nach links und beugte sich etwas vor, sodass er den rechten Außenspiegel einsehen konnte. Das tat er so unauffällig wie möglich, als ob die Schaukelei des Wagens daran schuld war. Im Rückspiegel sah er einen Jean-Pierre, der sichtlich Mühe hatte, an ihnen dranzubleiben. Christine schaffte es, mit einem Straßensportwagen auf unwegsamen Pisten einen getunten Geländeboliden abzuhängen. Und sie bekam Oskars dezente Aktion auch dieses Mal mit, obwohl sie auf die Straße sah. Oskar linste aus Augenwinkeln zu ihr: Sie hantierte souverän wie ein Rallyefahrer, sah durch ihre große Sonnenbrille auf die staubige Piste vor sich und schmunzelte breit und frech. Es sah ganz danach aus, als ob Fräulein Vaarenkroog mit sich zufrieden war.

»Ich liiieeebe Allradantrieb!«, rief sie begeistert aus und trat ebenso begeistert aufs Gas, sodass der Wagen kontrolliert driftete und über den Schotter dahinschoss. Stimmt, sie war mit sich und ihrem Lamborghini V10 hochzufrieden.

Die Bäume lichteten sich, auf einmal war das Meer wieder zu sehen. Und davor eine große Mauer. Als hätte man die Schnapsidee besessen, der Berliner Mauer ein Comeback in den Cinque Terre zu ermöglichen. Wo man hinsah, nur Mauer. In der Tat: In echt wirkt alles immer viel größer. Oder schöner, wie zum Beispiel Christine. Diese hatte ihre Fahrt verlangsamt und hielt auf ein großes Metalltor zu. Beide Flügel öffneten sich nach innen. Oskar hätte bemerkt, falls Christine einen Knopf gedrückt hätte. Zudem näherte sie sich der Einfahrt mit schlafwandlerischer Sicherheit und gleichbleibender, mäßiger Geschwindigkeit. Auch davon würde man absehen, falls ein Wachmann – der just in diesem Moment mal abgelenkt sein könnte – die Tore per Kameraüberwachung und Knopfdruck zu öffnen hätte. Er tippte darauf, dass ihre Fahrzeuge – wie der Lamborghini und der Touareg – funkcodiert waren, also selbsttätig von der Sicherheitsanlage erkannt wurden. Niemand aus Fleisch und Blut musste für das Öffnen des Tores verantwortlich zeichnen – Hitech, vollautomatisch.

Die Mauern um die Firmenzentrale gemahnten erst recht vom Boden aus an ein Gefängnis. Hohe helle Betonmauern mit Stacheldrahtkronen und Überwachungskameras. Auf der rechten Seite der Toreinfahrt bildeten große schwarze Lettern dieselben Schriftzüge wie auf dem Label der Lederjacke von Martina, der Zürcher Dessousladenbesitzerin. Die Erhabenheit der Lettern sprach dafür, dass auf der Rückseite montierte Strahler die Wand nächstens beleuchteten. Die dunklen Schriftzüge würden vor der hell erleuchteten Wand stehen und so perfekt die weißen Etiketten mit schwarzer Schrift nachbilden. Diesen Effekt konnte er nur mutmaßen, da es – wie im Sommer üblich – um sieben Uhr abends noch taghell war.

»Die Cinque Terre sind übrigens ein Nationalpark«, platzte Christine in seine Überlegungen.

»Echt?«, tat Oskar überrascht – eine ihm bekannte Information. Natürlich hatte er sich im Zuge der Arbeitsvorbereitung über ihre ‚Hauptwohnsitze‘ schlau gemacht.

»Ja. Meine Firma liegt schon knapp drin. Eigentlich ist es schon lange nicht mehr erlaubt, hier noch was Neues hinzubauen.«

»Und wie hast du es geschafft?«

»Sondergenehmigung.« Sie schmunzelte verwegen.

Oskar wollte es nicht näher wissen. Vorerst. Der Gedanke, dass sie zu diesem Zweck möglicherweise einen ‚Entscheider‘ beschlafen oder dem einen geblasen hatte, behagte ihm nicht. Ihm behagte es allerdings auch nicht, Christine so einzuschätzen. Oder es ihr zumindest zuzutrauen. Am wenigsten behagte ihm, dass ihm das alles andere als egal war.

»Ich hoffe, du musstest keine mafiösen Beziehungen nutzen«, sprach er bierernst eine andere Vermutung aus. Eine Vermutung, die ihm genauso unlieb wie die erste war. Seit einigen Jahren expandierte die Mafia ins nicht so mafiaverseuchte Norditalien und vergrößerte hier ihren Einfluss.

Christine sah ihn durch ihre große Sonnenbrille scharf, fast strafend an. Er merkte es, obwohl er ihre Augen nicht sehen konnte. Die schmalen Lippen sagten genug. Oskar riss es in seinem Sitz, nicht nur wegen ihres Blickes. Bevor sie die Mauer touchieren konnten, riss sie ihren Kopf nach vorn und das Auto wieder auf Spur. Hasste sie die Mafia so wie er es tat? Auf jeden Fall deutete er ihre Reaktion als klares Nein. Sie durchquerten die Einfahrt.

Das Innere des Anwesens wirkte so gar nicht nach Gefängnis: viel Grün, schöne parkähnliche Anlage. Es hatte etwas von einem Country-Club in einem Schwellenland. Auch hier schienen sich die Reichen hinter hochgesicherten Mauern vom überwiegenden Teil der Bevölkerung abzuschotten. Insofern war es doch eine Art Luxusgefängnis – aber eins, das mehr wie eine Bilderbuchferienanlage als eine Produktionsstätte wirkte.

Sie passierten den Swimmingpool, der die Ausmaße eines besseren Hotelpools besaß, fuhren an einem kleinen Pavillon vorbei, bis sie zu den wichtigsten Gebäuden vorfuhren, darunter auch das Hauptgebäude: Haupteingang gleich Hauptgebäude, klar. Alle Parkplätze waren leer. Fast alle. Christine parkte sich etwas abseits des Hauptgebäudes ein, unweit eines schwarzen SUVs, der vor einem separaten Bungalow stand. Dieser vermutlich zweite Dienstwagen besaß eine gewisse Ähnlichkeit zum Touareg, den Jean-Pierre bewegte, und wirkte dennoch höchst unterschiedlich. Es war das einzige andere Auto auf dem Gelände.

»Sind alle schon im Wochenende«, bestätigte Christine die Vermutung ihres Beifahrers. Es war schließlich Freitag abend. »Manchmal wird bei uns noch spätabends gearbeitet. Aber nur, wenn sich‘s nicht vermeiden lässt. Ich will, dass die Leute ihre Freizeit haben. Erst recht in den Cinque Terre und erst recht im Sommer.« Sie sah ihn an und bestätigte eine weitere Vermutung. Die, dass auch in der Modebranche kein ‚Dienst nach Vorschrift‘ geschoben, sondern über normale Bürozeiten hinaus gearbeitet wird. Wie sie als Chefin damit umging, lieferte sie als Erklärung gleich nach. Sie achtete darauf, dass ihre Leute trotz der hippen wie taffen Modebranche genug Freizeit hatten. Oskar fand das cool, so cool wie sie.

»Voilà, mein Allerheiligstes!« Sie zog eine alberne Schnute mit Hasenzähnen, schob ihre Sonnenbrille auf die Nasenspitze und setzte einen clownesken Schieler auf – das unwiderstehliche Spaßvögelchen. Oskar grinste und ließ dann seine Blicke über das Anwesen schweifen.

»Cool«, war sein knappes Statement.

»Och, das war doch noch gaaar nix, mein Schatz«, sprach sie so albern wie ihre Mimik aus. Der Gedanke, dass sie sicherlich noch mehr Erstaunliches zu bieten hatte, ließ ihn nachdenklich schmunzeln.

Jean-Pierre konnte in der Tat an ihnen dranbleiben, obwohl Christine einen ziemlich heißen Reifen fuhr. Sie fuhr schnell, aber stressfrei, war eher das Gegenteil einer hektischen Raserin, bei der man sich als Beifahrer unwohl fühlte. Trotz des Christine-artig flotten Tempos empfand Oskar die Fahrt mit dem Straßenrenner als entspannend. Das ein oder andere Mal war er unterwegs eingenickt, und die flotte Fahrerin hatte dann schmunzelnd zu ihm geblickt.

Als Christine und Oskar ausgestiegen waren, schwebte der Touareg ein. Jean-Pierre stieg aus. Er hatte während der Fahrt sein Jackett ausgezogen und lehnte seine muskulösen Arme lässig auf dem Türrahmen des hohen SUVs.

»Jetzt hab ich doch noch ein paar Meter auf euch verloren, Oskar. Und das auch noch im Gelände«, witzelte er.

»Tja, ist halt nicht leicht an Christine dranzubleiben«, witzelte Oskar zurück und hoffte, nicht zu zweideutig gewesen zu sein.

»Wenn du wüsstest, wie recht du hast«, orakelte Jean-Pierre, sodass Christine die Augenbrauen hob. Auch das eine typische Christine-Mimik. Oskar kannte mittlerweile einiges davon und konnte es auch zuordnen. Dieses war die Kombination hochgezogene-Augenbrauen-mit-schmalen-geraden-Lippen – nicht optimal für den Empfänger, quasi die mimische Vorstufe zur gelben Karte.

»Oskar schafft es sicher, an mir dranzubleiben«, bemerkte sie salopp und doch irgendwie ernst.

»Das befürch…« Jean-Pierre hielt inne, als Christine ihren Zeigefinger hob. Er reagierte ebenso schnell, wie Christine ihren Zeigefinger hob. Da war sie, die gelbe Karte. Die niedliche, geradezu zuckersüße Frau hatte eine scheints naturgegebene Autorität. Durch und durch die geborene Chefin. Wenn jemand sogar Kali kuschen lassen konnte, dann sie. Unschwer zu erraten, dass Jean-Pierres Satz in seiner Vollständigkeit wohl so lauten sollte: ‚Das befürchte ich auch.‘ Oskar überließ es den beiden, Augenblitze auszutauschen. Dass Christines Vertrauter und Bewacher nicht begeistert von ihrem neuem Naheverhältnis war, konnte Oskar sich nicht nur ausmalen, er hatte auch jedes Verständnis dafür. Wenn Jean-Pierre wüsste, wie recht er mit seinem Argwohn hatte. Vielleicht wusste er es ohnehin. Der Blonde hoffte natürlich, dass es nicht so war und besah sich den mutmaßlichen zweiten Dienstwagen.

Es war in der Tat ein Touareg, aber einer, der selbst für Kenner nicht auf den ersten Blick als solcher erkennbar war. Dieser Touareg sah sogar noch ‚gefährlicher‘ als der von Jean-Pierre bewegte aus. Konnte der vielleicht auch Schiffe schleppen? Dem Aussehen nach handelte es sich um einen Stealthbomber auf Rädern: komplett mattschwarz, dunkle Fenster, schwarze Rückleuchten, sogar verdunkelte Scheinwerfer-Deckgläser, verbreiterte Radkästen, in ihnen übergroße, schwarze, martialische Leichtmetallräder mit monsterbreiten Reifen. Die VW-Zeichen im Grill und am Heck waren schwarz, kein Fitzelchen Chrom. Nichts glänzte, nichts blinkte, nichts Helles – alles schwarz. Sogar die riesigen Scheibenbremsen waren dunkel. Wahrscheinlich Keramikbremsen, schlussfolgerte Oskar. Der gebürtige Berliner war mit Schuhen und gerecktem Hals so gerade eben groß genug, um mehrere feine Querfugen im Dach erkennen zu können. Man musste schon sehr genau hinsehen, so passgenau waren die vier Dachsegmente aneinander gefügt. Das war weder ein Sonnen- noch ein normales Schiebedach. Sehr interessant! Und wie sah es im Inneren aus? Allein die getönte, aber zumindest nicht schwarze Frontscheibe bot ein wenig Einblick, ein minimales Zugeständnis an geltende Zulassungsbestimmungen. Im Inneren schien es ebenfalls einige Extras zu geben. Das auffälligste war eine am Sportlenkrad angebrachte Kugel – sicherlich eine Art Bedieneinrichtung für was auch immer. Abschussvorrichtung? Auslöser für den eingebauten, unter den dunklen Scheinwerfergläsern versteckten Raketenwerfer?

Jetzt sind wir aber wirklich bei James Bond, kam ihm ein eigener Einwand in den Sinn. Dennoch passte es irgendwie zu dem schiere PS-Power ausstrahlenden, gepanzerten ‚Sonderfahrzeug‘. Die für geübte Augen erkennbar dicken Fensterscheiben sprachen für eine zumindest leichte bis mittlere Panzerung. Seine Augen wanderten wieder zum Kühlergrill. Moment! Inmitten des Kühlergrills prangte etwas, das er auf den ersten Blick für ein normales, allerdings ‚unsichtbares‘ weil geschwärztes VW-Logo gehalten hatte. Es war ein Kreis, der statt eines Vs und Ws lediglich ein V umschloss. Und dieser Kreis war an seiner rechten Seite von einem schmalen Spalt unterbrochen. Kein Kreis, ein C. CV. Na klar.

»Kann man mit dem auch Schiffe schleppen?«, fragte Oskar in die Runde. Es war ihm egal, ob Christine oder Jean-Pierre die Frage beantworten würde. Er wollte in erster Linie von der Missstimmung ablenken. Soviel Harmoniebedürfnis war ihm sogar als Berufsmörder geblieben. Ihm behagte nicht, wenn Menschen wegen ihm ein Zerwürfnis hatten. So verhielt es sich zumindest bei Menschen, die ihm nicht egal waren. Er liebte nicht nur Christine, langsam aber doch begann er, ‚ihren‘ Jean-Pierre nicht nur zu verstehen, sondern zu mögen. Die schlaue Christine hatte recht: ‚Die zwei werden sich mögen.‘

»Der kann eher einen Airbus in die Luft ziehen. Ist mehr auf Speed getrimmt«, brummte Jean-Pierre.

»Noch mehr?!«, fragte Oskar ungläubig. Schon der von Jean-Pierre bewegte Wagen galt nicht nur als außerordentlich stark, sondern auch schnell. ‚Keine Tempoabriegelung bei 250‘.

Was sind denn schon 250 Sachen? Da lassen wir uns noch lange nicht abriegeln!

»Ist das auch ein V10?« Oskar sah abwechselnd zu Jean-Pierre und Christine. Die wandte ihren Kopf von Oskar ab und signalisierte mit einem erwartungsvollen Blick zu ihrem dunkelhäutigen Vertrauten, sich dieses Mal zurückhalten und den Männern das automobile Wortgeplänkel überlassen zu wollen.

»Nein«, brummte Jean-Pierre noch tiefer. »Auch kein Diesel, sondern ein Benziner. Ein W12 Biturbo, weit jenseits der 500 PS. Wir wissen es nicht genau, weil er den Leistungsprüfstand zerfetzte. … Und der geht bis 600… plus zehn Prozent Toleranz.«

»Demnach irgendwo jenseits der 660 PS«, grummelte Oskar kaum hörbar und hob die Augenbrauen. »Voll der Hammer«, quittierte er lauter.

»Eben nicht. Ein ‚Hummer‘ sieht gefährlich aus, ist aber ein Spielzeugauto dagegen«, konterte Jean-Pierre, der wusste, dass der phonetisch ähnlich klingende Machotraum auf vier Rädern nicht gemeint war.

»Der sieht aber auch nicht grad ungefährlich aus. Wer braucht denn sowas?«, spielte Oskar auf Christines Bemerkung über den Bugatti an.

»Jemand, der überall Schnellster sein will. Auch abseits der Straße«, plapperte Christine sorglos. Ihre Augen studierten ihren neuen Lover, wie der den Wagen studierte. Obwohl er komplett versteinert dastand, machte diesmal Jean-Pierre den Eindruck, als hätte er Christine für ihre Äußerung rügen wollen. Der reglose Modellathlet schien genau darauf zu achten, wie weit sich seine Chefin mit ihren Äußerungen aus dem Fenster lehnen würde. Trotz seiner spürbaren Begeisterung für dieses Monstervehikel verkniff er sich das Kundgeben weiterer technischer Details. Und das wiederum registrierte Oskar.

Bingo! Damit war die innere Frage beantwortet oder eher die Vermutung bestätigt. Dieses über und über schwarze, furchterregende Vehikel war sicher ein Dienstfahrzeug. Und zwar Kalis – freundlich zur Verfügung gestellt von ihrer Chefin Christine Vaarenkroog, CV. Ob die tödliche Kali genauso wie ihr Dienstwagen das Eigentum der schönen Designerin war? Kali ist ein Werkzeug Christines Werkzeug. Und dieser schwarze Bomber war eins von Kalis Werkzeugen. Oskars erste Berührung mit der zeitgemäß ausgestatteten Todesgöttin bestand darin, mit einer Hand über den matten Lack ihres Boliden zu fahren.

»Darf man so überhaupt rumfahren?«, brach er in die geradezu telepathische Stille zwischen Christine und Jean-Pierre ein und tippte mit dem Finger auf die dunklen Scheinwerfergläser.

»Sondergenehmigung«, brummte der große junge Mann knapp. Wahrscheinlich wollte er mit seiner flotten Auskunft weiteren Äußerungen von Christine vorgreifen. Jean-Pierre passte in der Tat auf Christine auf, auch in dieser Hinsicht. Er achtete darauf, dass sie sich nicht verplapperte und damit eventuell in Gefahr brachte. Der Junge war auf Zack! Noch eine Frage war soeben beantwortet, eine weitere Vermutung bestätigt: Das ‚Mädchen für alles‘ war wirklich ein enger Vertrauter der Modedesignerin und Killer-Agentin. immer mehr sprach dafür, dass er Kenntnis von dem geheimen Nebenerwerb besaß.

»Aha. Na dann… darf man das wohl«, quittierte Oskar abgehackt und stülpte erneut die Unterlippe vor. Klar. Vaarenkroog und Co, die Sippe der Sondergenehmigungen. Dieses ‚Auto‘ war eine einzige fahrende Sondergenehmigung. Das galt bereits für die offiziellen, sichtbaren oder zumindest leicht auffindbaren, nicht serienmäßigen Teile. Ein Raketenwerfer mochte wohl übertrieben sein, aber dass dieser Wagen auch das ein oder andere extravagante Special beherbergte, stand außerhalb jeder Diskussion. Specials, für die keine Verkehrsbehörde dieser Welt Sondergenehmigungen erteilen würde.

James Bond und sein Ausstattungsspezialist Q lassen grüßen.

Wie war das gleich? Gegen Kali und ihre Agentin sind wir Waisenknaben!

Eine lebende Killerlegende stand einem Kinohelden wohl kaum nach. Nur: Das hier war echt, kein Kino.

Ihr Vehikel ist hier! Sie demnach auch. Zumindest sehr wahrscheinlich.

»Schatz…«, begann Christine niedlich.

»Ja?«

»Wir wollten uns jetzt eigentlich nur noch von Jean-Pierre verabschieden, und ihr Männer macht wieder eine Auto-Diskussion daraus.«

»Tschuldige.«

»Ist nicht schlimm. Ich steh auch auf Autos, wie du vielleicht schon gemerkt hast.« Sie sah Oskar süß und mitleiderregend von unten an. Papa Vaarenkroog hatte recht: Sie konnte ihre Niedlichkeit wirklich manipulativ einsetzen. Etwas Niedlicheres als diese Frau musste erst noch erfunden werden. »Aber ich möchte weiter«, zog sie einen Schmollmund.

»Aber klar, Süße. Äh… wir fahren weiter?«

»Ja. Wir zwei, Jean-Pierre bleibt hier.«

»Ihr habt das Liebesnest, Oskar«, spitzte Jean-Pierre. Auch diese Äußerung konnte Oskar nachvollziehen. Der Vertraute musste den neuen Lover als Störfaktor sehen. Mehr noch: als Gefahr. Dafür brauchte es keine Eifersucht.

»Eigentlich dachte ich, du würdest mich hier noch etwas rumführen«, wandte sich Oskar an die Hausherrin. Selbstredend war er auf diese Hochsicherheitsanlage neugierig. Nun umso mehr. Wie er schon bei Gregs Garten-Briefing vermutet hatte, war es wohl nicht nur Christines Zentrale. Zuviel deutete auf eine Kali-Infrastruktur hin. Und sie war hier! Zumindest sprach die Anwesenheit ihres ‚Dienstwagens‘ dafür. Ihm fielen Garagen auf. Warum stand der schwarze Bomber nicht auch in der Garage? Weil er regelmäßig und wohl auch kürzlich bewegt wurde. Deswegen war auch sie hier!

Ganz schön leichtsinnig. Der Blonde berichtigte sein Urteil über vermeintlichen Leichtsinn, den Wagen ‚offen‘ herumstehen zu lassen. Das Spezialfahrzeug stand auf einem hochgesicherten, nicht von außen einsehbaren, menschenleeren Gelände. Einzig Oskar war ein Betriebsfremder, aber sicherlich kein Insider, der auf Kalis Vehikel schließen könnte. Die reale Todesgöttin war keinem Normalbürger ein Begriff.

»Heute nicht mehr, mein Schatz. Ich möchte mich nur noch entspannen«, Sie zwinkerte und machte eine aufmunternde Handbewegung in Jean-Pierres Richtung. Oskar reichte ihm die Hand.

»Mach‘s gut, Jean-Pierre. Wir sehen uns ja sicher die Tage.«

»Aber klar sehen wir uns, Oskar.«

Christine beobachtete die Szene schmallippig mit kaum merklichem Schmunzeln. Wieder einmal studierte sie ihren neuen Lover. Der bekam es mit, weil sie noch eine Zeit lang unverändert so dastand, als er sich wieder an ihre Seite begab. Sie dachte vielleicht irgendetwas wie ‚Die zwei brauchen noch etwas Zeit, um miteinander warm zu werden‘. Hoffentlich dachte sie etwas in der Richtung. Die Umstände sprachen nicht unbedingt dafür, dass Jean-Pierre und Oskar diese Zeit haben würden. Sie sprachen vor allem gegen das Miteinander-Warmwerden an sich. Jean-Pierres Vertraute stand in Oskars Auftragsbuch, was eben nicht den Beginn einer wunderbaren Freundschaft zwischen den beiden verhieß. Noch weniger verhieß es den Fortbestand der Liebesbeziehung mit der zauberhaftesten Frau, die Oskar jemals begegnet war. Der Zauberhaftesten trotz aller Haken.

Er musste eine Entscheidung treffen.

Dieser Job hatte wirklich das Potenzial, schlimm zu werden. Und etwas Schlimmes war bereits eingetreten. Das Schlimme war sogar noch schlimmer. Es war mehr als nur eine Verliebtheit. Wie er sich Minuten zuvor zum ersten Mal eingestanden hatte, liebte er die Frau, die er töten musste. Das bedingte sein Interesse an Kalis sehr wahrscheinlicher Nähe. Noch vor ein paar Tagen wäre der Grund für dieses Interesse gewesen, wie er es vermeiden konnte, der Tödlichsten von allen über den Weg zu laufen.

Christine und Jean-Pierre verabschiedeten sich per Umarmung und Wangenküsschen.

»Pass auf dich auf, Große«, sagte Jean-Pierre leise auf Französisch. Soviel Französisch verstand Oskar so gerade noch. Witzigerweise war das ‚Große‘ auf Deutsch. Nicht nur Jean-Pierre, auch er hatte gute Ohren. Christine sah ihren Beschützer an, als hätte er diesen Allerweltssager zum ersten Mal an sie addressiert. Vielleicht war es auch so.

»Lass die Sachen einfach im Auto, mein Lieber. Die Jungs vom Lager sollen sie am Montag reintragen«, gab Christine laut genug auf Deutsch von sich, sodass man es hören musste.

Eine etwas zu offensichtliche Ablenkung von Jean-Pierres besorgtem Ausspruch, S üß e! Da h ä tte ich mehr von dir erwartet.

Christine schlenderte lächelnd auf Oskar zu, ergriff seine Hand, schlang sich geschickt zu ihm (er wettete, dass sie – neben allem anderen – auch eine ausgezeichnete Tänzerin war) und küsste ihn.

»Komm. Wir fahren weiter. Ich hab Lust auf ein schönes heißes Bad… und dann auf was anderes Heißes!«, hauchte sie ihre weiteren Pläne für den Tag.

»Klingt verdammt gut, du heiße Maus.«

Sie fuhren über ähnliche Pisten, bis sie wieder festen Asphalt unter den Rädern erreichten. Dieser formte wundervolle Serpentinen, die sich durch die Cinque Terre schlängelten. Eine traumhafte Landschaft. Vorbei an Riomaggiore, Volastra, San Bernadino, links abbiegen nach… Vernazza. Christine bog in eine kleine Gasse direkt nach dem Ortseingang ein und ließ den Lamborghini in einen Carport vor einem schönen alten Haus gleiten.

»Wir sind da«, hauchte sie.

Sie stiegen aus, Oskar fischte das Gepäck aus dem Kofferraum und stellte es vorerst auf den Boden. Christine breitete die Arme aus und strahlte.

»Hach!… Herrlich!«, juchzte sie. »Auch das hier ist ‚Chez Christine‘!«

»Ist nicht überall, wo du zuhause bist ‚Chez Christine‘?«

»Quasi schon. Aber das hier heißt auch so wie mein Lokal in Zürich. Natürlich heißt es hier ‚Da Christine‘. Wir sind ja in Italien.«

In der Tat. Es hieß wirklich ‚Da Christine‘. Oskar erblickte den handgemalten Schriftzug auf der blassroten Hauswand. Er vermutete, dass sie den Schriftzug selbst gemalt hatte.

»Es ist eine alte Ferienpension. Ich hatte sie gekauft, als ich mein Unternehmen hier ansiedelte.«

»Wie lange ist das her?«, fragte er interessiert. Natürlich interessierte ihn jede nähere Information über Christine, nicht nur aus privater Neugier.

»Hm…« Es war kein ‚Hm‘, als ob sie überlegen musste, sondern: Warum fragte er danach? »… gute fünf Jahre.«

»Und jetzt ist es keine Ferienpension mehr«, schlussfolgerte er.

»Oh doch. Allerdings nur noch für handverlesene Gäste. Also eher Freunde.«

Er nickte verständig und lächelte sie an. Dann besah er sich das Haus. Es schien größer zu sein, als es zuerst den Anschein gemacht hatte – quasi innen größer als außen.

»Wir haben fünf Gästezimmer, aber zur Zeit keinen Gast. Die alte Besitzerin ist schon im Ruhestand. Sie ist noch topfit und kommt her, wenn ich Gäste habe. Dann kann sie wieder die Wirtin spielen. Das ist der Deal. Wenn ich sie nicht brauche, dann kommt sie halt nicht. Und zur Zeit brauche ich sie nicht.«

»Stimmt«, pflichtete Oskar bei. »Du hast ja keine Gäste.«

»Irrtum, mein Schatz.«

Er sah sie fragend und erwartungsvoll an.

»Du bist mein Gast.«

Diese Formulierung kam ihm sonderbar vor. Schließlich hatte er das Ganze so verstanden, dass sie mittlerweile in eine Beziehung reingeschlittert waren. So wie sich beide benahmen, die Vertrautheit, nicht nur körperliche Intimität.

Mein Fehler! Der alte George Clooney-Fehler. Nun hatte Oskar die Rechnung ohne die Wirtin gemacht. Im wahrsten Sinne des Wortes.

Ich glaube, ich muss meine frische Entscheidung nochmal überdenken!

Ich muss dich umbringen, mein Schatz. Und das nicht nur wegen der Kohle.

»Du bist nicht mein Gast, Liebling. Verzeih diesen blöden Ausdruck.« Sie schien es wieder gutzumachen. »Mein Schatz ist nicht mein Gast, sondern bei mir zuhause!«

Aber konnte man ihr glauben? Oskar wollte das Überdenken seiner Entscheidung aufgrund eines vermeintlich wieder gutmachenden Sagers nicht zu schnell in Erwägung ziehen.

»Warum sagtest du dann zuerst, ich sei dein Gast?« Er war sich sicher, diese Frage zwar mit einer gewissen Spitze aber vorwurfsfrei vorgetragen zu haben.

»Ganz einfach: weil du ein Gästezimmer belegen wirst.«

Sie hatte es wohl doch nicht wieder gutgemacht. Er sah sich bestätigt, eine beabsichtigte Entscheidung nochmal auf Eis zu legen. Unter ‚Liebesnest‘ verstand er etwas anderes als ein separates Gästezimmer. Zudem stand das gemeinsame Schlafen schon bei der Ankündigung dieses Ausflugs fest. So schien es zumindest.

»Aha«, quittierte er diese Entwicklung entsprechend knapp. Eigentlich eine Entwicklung, die ihm aus beruflichen Gründen sehr recht sein konnte, da ihm ein separates Zimmer eine Privatsphäre einräumte. Nicht ganz unwichtig, falls es einen Auftrag auszuführen galt. Mittlerweile war er mehr von seinen Gefühlen zu dieser gefährlichen Elfe als von Rationalität geleitet. Nicht gut.

Christine kam auf Oskar zu und legte ihre Arme um ihn.

»Duuuu…«, begann sie ihr Süßes-Mäuschen-Spiel.

»Jaaaaa?«

»Wir haben erst eine Nacht miteinander verbracht. Und das unter anderem sogar schlafend.«

»Stimmt.«

»Du bist normalerweise genauso ein Individualist und Alleinschläfer wie ich.«

»Ich hab das nie bestätigt, Süße.«

»Das brauchtest du auch nicht.«

Frauen sind wohl doch emotional klüger als Männer! Die auf jeden Fall.

Es half nichts, er musste schmunzeln.

»Daher finde ich es besser, wenn du in unserer taufrischen Anfangszeit ein Ausweichquartier hast.«

Er sah in ihre großen braunen Augen, die sie in perfektem Kindchenschema gegen ihn einsetzte. Sie war einfach zu gut, zu niedlich, zu unwiderstehlich!

»Falls wir uns mal streiten sollten«, plapperte sie fast traurig und zog ein Schnütchen. Bei jeder anderen Frau hätte er gedacht, dass es spätestens jetzt zu dick aufgetragen war. Zuviel Niedlichkeit, zuviel Mäuschen, zuviel Süße… klebrig geradezu. Nicht so bei Christine. »Du kannst dann auf dein eigenes Zimmer gehen, wenn du mich nicht sehen willst…«

Sie steigert sich immer noch! Unpackbar!

»Normalerweise wohnt Jean-Pierre auch hier. Du nimmst jetzt sein Zimmer«, kam es plötzlich pragmatisch kühl. Sie holte Oskar durch diesen Hinweis auf den Boden der Tatsachen zurück. Ob das gewollt war, konnte er nicht sagen. Sollte es gewollt gewesen sein, wäre es sogar eine Form von Ehrlichkeit gewesen. Sie erinnerte ihn daran, dass sie innerhalb eines Augenzwinkerns von emotional auf ergebnisorientiert umschalten konnte. Irgendwie fair. Auch und gerade, weil es noch etwas verdeutlichte:

So niedlich sie auch immer scheinen mag, sie ist ein eiskaltes, gef ä hrliches Luder!

»Warum?«, fragte er fast vorwurfsvoll. »Du hast doch fünf Zimmer hier.«

»Plus meinen eigenen, ganz privaten Bereich… unser Liebesnest.«

»Aber… da ist doch mehr als genug Platz. Ich hätte auch ein anderes Zimmer nehmen können. Du hast selbst gesagt, dass dieses Zimmer ein Not-Ausweichquartier ist. Falls wir uns mal aus dem Weg gehen wollen.«

Sie sah ihn schief an und schmunzelte, registrierte, was sie längst wusste: dass auch er jemand war, der alles ganz genau wissen will.

»Ich will meine Privatsphäre und Jean-Pierre diesmal nicht in unmittelbarer Nähe haben. Wegen dir, mein Prinz. Deswegen ist er nicht da. Und weil er nicht da ist, nimmst du das schönste Zimmer der Pension: seins. Jetzt ist es dein eigenes Reich für alle Fälle. Alles klar?«

»Alles klar, Prinzessin.«

»Ich will nur mit dir hier sein, liebster Oskar!«

»Ist mir mehr als recht.« Diesmal zog er die Schnute und nickte.

»Und jetzt will ich nicht mehr diskutieren«, stellte sie klar.

»Liebling…«, begann Oskar. Christine war schon auf dem Weg zur Eingangstreppe. Sie standen während des klärenden Gesprächs noch draußen.

»Ja, mein Schatz?«

»Ich weiß noch nicht allzu viel von dir…«, eröffnete er vieldeutig. Entsprechend neugierig wurde sie dann auch. »…aber das weiß ich inzwischen schon: Du diskutierst nie.«

Sie zog ihre Lippen verlegen ein und setzte den passenden Blick dazu auf.

Ertappt! Christine Vaarenkroog diskutiert nicht. Sie befiehlt.

Das galt laut ihrem Vater sogar in Bezug auf Kali. Killerqueen Kali, dessen Monstervehikel er heute bewundern konnte und die er daher vor Ort vermutete.

»Stimmt nicht. Ich höre sehr wohl auf Menschen, die mir etwas bedeuten. Daher frage ich dich: Möchtest du mit mir baden?«, kam es kleinlaut und dann umso lebhafter, »Ich hab eine Riesenbadewanne!«

»Du meinst, die ist so groß, da können wir uns zur Not aus dem Weg schwimmen«, spitzte er. Christine schien für einen Moment in einer Schockstarre zu sein. Mit einem Mal riss sie den Kopf nach hinten und lachte so laut und schallend, wie er es noch nicht erlebt hatte. Und er sah und hörte sie in den paar Tagen des Kennenlernens schon oft lachen. Als sie sich wieder einkriegte, kam sie auf ihn zu und schlang erneut ihre Arme um ihn.

»Weißt du, warum ich dich liebe?«

»Du liebst mich???«

So weit hatte Oskar sich noch nicht aus dem Fenster gelehnt. Er war sich sicher, mit seinen Gefühlen für sie schon weiter zu sein als umgekehrt. Ein Irrglaube, sollte Christines Bekenntnis wahr sein.

»Hatte ich das noch nicht gesagt?«

»Nein. Und das weißt du auch.«

»Hast du das noch nicht gemerkt?« Sie stemmte die Hände in die Hüften.

»Ich war mir nicht sicher«, bemerkte er leise, eher sachlich.

»Wenn du sagst, dass du dir nicht sicher warst, dann weiß ich, dass du mich auch liebst«, bewies sie, dass sie schnell zu reagieren vermochte – auf jeden Fall intellektuell und sprachlich. Und wohl auch anderweitig. Vielleicht kannte sie sogar ein paar Tricks von ihrer lieben Freundin Kali. Dass sie nicht nur geistig topfit war, blitzte das ein oder andere Mal auf, auch außerhalb ihrer Körperbeherrschung auf intimem Gebiet. Kali könnte keine würdigere Chefin haben.

Ich war ein Narr, diesen Job anzunehmen! Aus manchen Gr ü nden.

»Sehr fein kombiniert, Fräulein Vaarenkroog.«

»Dann kannst du es auch sagen, Herr Randow.«

»Ich trau mich nicht. Vielleicht hab ich mich ja verhört.«

»Hast du nicht, du Feigling. … Ich liebe dich. … Jetzt gehört?«

»Ja. … Und ich dich erstmal. … Und baden möchte ich auch mit dir.«

Sie küssten sich.

»Du wolltest mir noch sagen, warum du mich liebst.« Er streichelte den Kopf des faszinierenden Wesens, das trotz Liebesgeständnis ein brandgefährliches Wesen war. Erst recht, falls diese Offenbarung mehr Taktik als Tatsache war.

»Ich liebe dich, weil wir ein verdammt gutes Team sind.« Sie pausierte, wirkte auf einmal nachdenklich. »Und vielmehr noch, weil du mir etwas entgegenzusetzen hast.«

Er verstand, was sie meinte. Ein schönes Kompliment, erst recht wenn es von einem Traumgeschöpf kam, das einem damit Ebenbürtigkeit attestierte. Oskar bemerkte einen Treppenabgang an der Seitenwand.

»Und ich liebe dich, weil du das tollste, beeindruckendste Geschöpf bist, was mir jemals passierte.« Große leuchtende Augen musterten ihn. »Das schönste natürlich auch.«

»Jemals passierte finde ich gut.« Das musste ihr gefallen, da er von ihrer Wortwahl in Zürich Gebrauch machte. Sie lächelte, hatte seinen abschweifenden Blick bemerkt – natürlich.

»Wohin führt dieser Abgang da, Süße?«

»Na, wohin führt ein ebenerdiger Abgang wohl? In den Keller.«

»Aha. So ne Art Folterkeller für Bondagespielchen?«

»Da muss ich dich enttäuschen. Falls das ein Hobby von dir sein sollte, musst du es woanders ausleben. Unten ist ein Weinkeller und eine Sauna.«

»Tolle Kombination.«

»Ja, nicht wahr? Hab ich bauen lassen, nachdem ich die Pension gekauft habe. In all meinen geräumigeren Domizilen hab ich eine Sauna. Nenn es meine skandinavische Ader.«

»Du hast eine skandinavische Ader? Cool.«

Natürlich! Greg hatte seinerzeit erwähnt, sie hätte auch ein Anwesen in Skandinavien. Würde sie das nun bestätigen? Nein. Sie ging nicht näher darauf ein, korrigierte stattdessen

»Eher heiß als cool«, ganz übergenaue Christine. »Gehst du gern in die Sauna, Liebling?«

»Leidenschaftlich gern. Sogar im Sommer… zwar nicht so regelmäßig wie im Winter.«

»Wirklich?« Sie sah ihn an, als sei er hochgradig pervers.

»Ja. Findest du das krank, auch im Sommer in die Sauna zu gehen?«

»Nein. Nur nicht normal.«

»Sag ich doch: krank«, provozierte er sie, von ihrer herzerfrischenden Deutlichkeit Gebrauch zu machen.

»Nicht normal im positiven Sinne. Auch ich gehe ganzjährig in die Sauna.«

»Klar, die skandinavische Ader. Stell dir vor: Ich kenn sogar jemanden, der bei 30 Grad im Schatten ein heißes Bad nehmen will.«

»So jemanden kenne ich auch. Gutes Thema übrigens. Können wir endlich?« Sie nickte unmissverständlich Richtung Eingang. Er schnappte beider Gepäck.

Stimmt. Sie wollte ja nicht mehr diskutieren. Gutes Thema‘… anderes Thema durch.

Oskar trifft die Todesgöttin

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