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Оглавление2Grundlagen systemischer Beratung
Jede systemische Beratung umfasst die Punkte Auftrag, Problem, Ziel, Transparenz und Verstrickung. Konkret heißt das:
•»Handle nie ohne Auftrag!«
•»Steig bei der Problemschilderung nicht zu tief in das Gefühl ein!«
•»Lass den Klienten ein positives Ziel formulieren, das er aus eigener Kraft erreichen kann!«
•»Bleib als Berater transparent bei dem, was du tust!«, und
•»Übernimm nicht die Erklärungen des Klienten!«
Die folgenden Fälle behandeln thematische Schwerpunkte, wobei die Lehrer-Schüler-Kommunikation in unterschiedlichen Systemen wortwörtlich zur Sprache kommt: in Schulklassen sowie mit einzelnen Schülern, Lehrern und Eltern. Das Vorgehen wird jeweils auch theoretisch erläutert.
2.1 Wie löse ich Probleme in der kleinen Pause?
Nach der Stunde spricht mich Jenni an: »Ich muss mal mit Ihnen reden. Ich bin total demotiviert. Von meiner alten Schule habe ich ein ganz gutes Zeugnis. Dann hat mir Herr Grass empfohlen, ich solle hier noch das eine Jahr machen, um meinen qualifizierten Realschulabschluss zu bekommen. Jetzt habe ich schlechte Deutsch- und Englischnoten wiederbekommen, weil ich nicht gelernt habe. Nun stehe ich schlechter da als vorher und verschwende hier meine Zeit. Deswegen bin ich total sauer auf Herrn Grass. Und dann drückt der mir auch noch in Mathe im Mündlichen eine Fünf rein. Anscheinend war das Niveau auf meiner alten Schule doch nicht so hoch, wie ich dachte. Ich hab echt keine Lust mehr …«
Methodische Überlegungen: Im ersten Moment identifiziert man sich wahrscheinlich reflexartig mit dem Problem und überlegt angestrengt, was man selbst tun oder sagen könnte, um Jenni wieder zu motivieren. Im Systemischen gehe ich gänzlich anders vor: Zuerst versuche ich eine möglichst genaue Vorstellung von dem Problem zu bekommen und gehe dafür in eine »neugierige Fragehaltung«. Dafür brauche ich keine eigene Vorstellung von der Lösung zu haben, sondern ich vertraue darauf, dass Jenni die Lösung kennt. Ich spreche die Fragen aus, die ich mit ihren Erzählungen assoziiere, lasse Humor einfließen, indem ich auch »blöde Fragen« stelle, und versuche herauszufinden, was sie tut, um das Problem zu bekommen.
Ich: »Und was wollen Sie jetzt machen?«
Jenni: »Was ich machen will? Mmh … Nichts mehr. Ich sitze jetzt hier noch das Schuljahr ab, und dann bewerbe ich mich wieder mit dem alten Zeugnis.«
Ich: »Und wie machen Sie das: nichts?« (Blöde Frage)
Jenni: »Ich sitze einfach hier rum und mach nix.«
Sie schaut mich griesgrämig an.
Ich: »Gucken Sie dann auch so wie jetzt?«, lächle ich sie freundlich an. Gequält lächelt sie zurück.
Jenni: »Ach wissen Sie, hier ist alles Mist … Im nächsten Schuljahr bin ich auf einer anderen Schule und fange ganz von vorne an.«
Ich: »Ach so, und kurz vor Weihnachten sitzen Sie dann vor Ihrem neuen Klassenlehrer und erzählen ihm, dass Sie vor zwei Jahren ein besseres Zeugnis hatten und dass Sie im letzten Jahr ein schlechtes Zeugnis hatten und jetzt schon wieder und dass Sie demotiviert sind?«
Methodisch gesehen ist es wichtig, bis in den hintersten Winkel meines Bewusstseins frei davon zu sein, sie auf eine Lösung lenken zu wollen. Die Frage ist bewusst etwas verwirrend gestellt, um die Gedanken der Schülerin in Unordnung zu bringen.
Jenni: »Sie wollen nur, dass ich was mache.«
Ich: »Nö. Wissen Sie, wenn Sie keinen Bock mehr haben, dann sehe ich Sie ja eh’ bald nicht mehr. Und ich habe ja auch keinen Einfluss darauf, was Sie tun.«
Jenni: »Eigentlich wollte ich immer Polizistin werden. Aber meine Mutter hat gesagt, dass man da zu wenig verdient. Und ich soll zur Schule gehen und lernen, um später unabhängig von meinem Mann zu sein …«
Systemische Überlegungen: Häufig bildet sich durch neugieriges Nachfragen ein ganz anderes Thema heraus, als anfänglich erzählt wird. An dieser Stelle endete das Gespräch, weil ich in den Unterricht musste und weil ich von ihr keinen Auftrag bekommen hatte. Und ohne Auftrag werde ich nicht tätig.
2.2 Übung: Unglaublich, was ich alles schaffen kann!
In den ersten Stunden des neuen Schuljahres bin ich als Klassenlehrer stundenlang mit Listen, Regeln, Pflichten und Geldeinsammeln beschäftigt. Anstatt die Schüler kennenzulernen, muss ich sie ständig ermahnen, bei der Sache zu bleiben, und sie kontrollieren. Dabei verlange ich mir selbst eine sehr hohe Konzentration ab, um nichts zu übersehen, und bin meistens sehr angespannt.
Methodische Überlegungen: Mit dem Format der positiven Zukunftsvision lässt sich die Klassenatmosphäre auflockern und das eigene Empfinden im System Klasse positiv verändern.