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Segelschiffe im 19. Jahrhundert

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Hängekompass und Ewer

Kalenderblatt der Seeberufsgenossenschaft

Hier ein Auszug aus einer Anthologie

– Band 4-2 in der maritimen gelben Buchreihe –

Die Seefahrt unserer Urgroßväter

Direktdruck bei Amazon: ISBN 978-1514883402


Bald schlug nun auch die Zeit für mich. Ich kam an Bord. Meine erste Arbeit war, die Schiffszwiebacke, einen auf den andern, in den großen Schiffstank zu packen. Dies war eine angenehme Arbeit, während die anderen Leute das Schiff seeklar machten, Segel unterschlugen, Proviant übernahmen. Nach einigen Tagen war dann das Schiff fertig. Die Ladung war verstaut; den Rest sollten wir in Antwerpen einnehmen. Wir wurden angemustert, die Leute machten sich einen vergnügten Tag, und ich ging zum Elternhause, um endgültig Abschied zu nehmen. Der Abschied wurde nicht so leicht. Meine Mutter war ganz aufgelöst. Es war mit ihrer Gesundheit auch nicht aufs Beste bestellt. Sie gab mir die letzten Lehren mit fürs zukünftige Leben und dann noch eine letzte Umarmung und fort ging’s. Es ist ein Glück für die Menschen, dass sie nicht in die Zukunft sehen können. Denn hätte ich geahnt, dass ich meine guten Eltern nicht wiedersehen würde, wie entsetzlich schwer wäre dann doch der Abschied geworden! Von meinem Vater und den Nächsten zum Bahnhof begleitet, bestieg ich den Zug, und als der Bahnwärter Främcke nach damaliger Sitte dreimal mit der Schiffsglocke geläutet hatte, setzte er sich in Bewegung.

Noch sehe ich die Züge meines Vaters, als er mir traurig, aber doch lächelnd, zum Abschied zuwinkte. Es war das letzte Mal. Hatte ich mich bis dahin tapfer gehalten, so übermannte mich auf der Fahrt doch der Schmerz dermaßen, dass ich eine Zeitlang leise für mich hinweinte. Ich glaube, dafür brauche ich mich nicht zu schämen. Unwillkürlich dachte ich an Körners Vers:

Ins Auge wollt sich eine Träne stehlen,

Was grämt ich mich?

Der bitteren Tränen schäm dich nicht!

Unser Steuermann Jan Teegen saß in einem andern Abteil. Ich hörte ihn vom Fenster aus mit einem Bekannten auf dem Flottbeker Bahnhof sprechen. Als dieser nun fragte: „Wie lange bleibst du denn weg?“, da sagte er: „Ja, ick weet nich, dat ward wol söss Johr warn.“ Na, dachte ich so bei mir, das sind ja ganz heitere Aussichten. Aber er hatte doch recht gehabt. Er blieb wirklich die ganze Zeit fort, indessen ich nach drei Jahren wieder die Heimat betreten konnte.

Unsere HERMANN lag an den Vorsetzen vertaut, und bald betrat ich nun meine zweite Heimat. Da lag ich denn bald in meiner Koje. Gerade wollte ich einschlafen, da war da ein Gequiek und ein Geraschel. Mein erster Gedanke war: Ratten! Ich hatte mich nicht getäuscht. Für diese Sorte hatte ich, wie auch im späteren Leben, einen unbegrenzten Abscheu. Raus aus der Koje und an Deck, war das Werk eines Augenblicks. Doch wie staunte ich. Während ich eine Zeitlang im hellen Mondschein Schiff und Takelage beobachtet hatte, Ratten überall, sie spazierten an den Brassen und sonstigem Tauwerk. Die reine gymnastische Anstalt. Sie scheinen augenblicklich das Kommando über das Schiff zu haben. Na, dachte ich, die Sache kann ja noch ganz gut werden. Schließlich kam ein Mensch die Schiffstreppe hinauf. Es war der Bootsmann. Auf seine Frage, was ich hier denn noch machte, und ich ihm von all den Ratten erzählte, sagte er: „Och, dor musst di an gewöhnen, man rin in de Klapp, de dot di nichts.“ Ich schlief auch bald fest ein, bis eine nicht gerade sanfte Stimme mich morgens weckte.

Nicht lange mehr, und es herrschte ein reges Leben an Deck. Das Schiff wurde von den Vertäuungen losgemacht. Bald schwammen wir im Tau eines kleinen Schleppers die Elbe abwärts. Hamburg, ade! Wer weiß, wann wir dich mit deinen Türmen wiedersehen. Bei Blankenese winkten wir noch einen Abschiedsgruß. Ich dachte nochmals an meine lieben Eltern, Familie und Freunde. Aber viel Zeit zum Nachdenken gab es nicht, die Pflicht rief. Jeder musste auf seinem Posten sein, um das Schiff seeklar zu machen.

Bei Altenbruch wurde noch für die Nacht geankert. Den nächsten Morgen ging es früh weiter. Beim Feuerschiff verließ uns der Blankeneser Lotse Hans v. Appen. Er fragte mich, ob ich auch noch etwas zu bestellen hätte. Ich sagte: „Bitte einen schönen Gruß an Daheim.“ Jetzt hatten wir die Verbindung mit dem Lande abgebrochen. Der Wind war SO, also günstig. Die Segel schwellten sich, und mit einer guten Fahrt stachen wir in See.

Der erste Sturm

Bis zum englischen Kanal ging es ganz gut. Dover mit seiner weißen Steilküste kam in Sicht. Da drehte der Wind aber nach West; wir mussten kreuzen. Nun hieß es alle paar Stunden klar zum Wenden. Das Schiff ging über Stag. Fleißig wurde an den Brassen gerissen. Es kamen auch schon Spritzer über, und nur langsam kamen wir vorwärts. Dann artete der Wind zum Sturm aus. Die Segel wurden bis auf einige Sturmsegel weggenommen, und schließlich mussten wir umkehren und hinter Albions Küste in den Downs bei Deal Anker werfen.

Da lernte ich kennen, was eine Ankerkette zu halten hat. Donnerwetter, war die aber stramm. Wir lagen vor 60 Faden. In späteren Jahren habe ich in verantwortlicher Stellung, falls wir vor Anker lagen, die Haltbarkeit der Ketten nach diesem ersten Druck bemessen. Dabei bin ich immer gut gefahren.

Wir lagen hier einige Tage in Gesellschaft von mehreren Schiffen. Englische Bootsleute kamen mehrere Male längsseit. So war es uns möglich im Tausch von Tabak, welcher ein sehr begehrter Artikel bei dem englischen Küstenvolk ist, Briefe nach Hause zu senden. Endlich wurde das Wetter besser. Wir setzten wieder Segel. Doch mussten wir kreuzen, da der Wind West blieb. Der ganze Kanal musste durchkreuzt werden. Bald waren wir an der französischen, bald an der englischen Küste. Mit der Zeit wurde der Kanal breiter, so dass wir nicht so oft über Stag brauchten. Die Reise aber wurde durch das ewige Hin und Her sehr verlängert.

* * *

Später hat Hans Meyer vor der amerikanischen Küste einen Schiffbruch gerade eben überlebt.


Er war Elblotse zwischen Brunsbüttel und Hamburg und bei seinen Kollegen sehr beliebt. Als er in Ruhestand ging, trug man ihn auf Händen aus dem Haus.


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