Читать книгу Heimkehr des Dr. Karl Gottfried Semper von seinen ethnologischen Studien auf den Palau-Inseln im Stillen Ozean - Jürgen Ruszkowski - Страница 4

Begegnung mit Kapitän Alfred Tetens

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„Buenos dlias, caballero“ - Wie geht es, Dr. Semper“, - so begrüßten mich zwei Europäer, die plötzlich in das Haus traten, als ich eben die letzte Zeile der Konstitution von Palau geschrieben hatte. Erstaunt sah ich sie an; sie waren mir unbekannt. Der Spanier musste wohl der Kapitän des „PELAYO“ sein, welcher ja noch im Hafen von Malakka lag; aber der Deutsche? „Mit wem habe ich die Ehre?“ - Mein Name ist Tetens, ich bin seit zwei Monaten erster Steuermann bei Kapitän Cheyne, und da ich wusste, dass Sie ein Landsmann von mir sind, so benutzte ich einen kurzen Urlaub, um Ihnen meinen Besuch zu machen.“ - „Ich danke Ihnen, Herr Tetens, leider werde ich nicht im Stande sein, Ihnen denselben an Bord des „BLACK RIVER PACKET“ zu erwidern. Sie waren also kürzlich in Manila und haben dort wohl auch meinen Schwager Herrmann kennen gelernt?“ - „Ja wohl, doch habe ich ihn nur selten gesehen; wir hatten sehr viel zu tun, und unsere Abreise sollte auch geheim gehalten werden. Das ist der Grund, warum ich Ihnen weder Grüße noch Briefe bringe. Aber ich habe nichtsdestoweniger viel von Ihnen gehört. Sie wissen schon was ich meine. Der Brief, zu dessen unbewusstem (Die oben mitgeteilte Erzählung vom Angriff der Engländer auf Aibukit hatte ich durch einen Matrosen des Cheyne, ohne des letzteren Wissen, nach Manila zu senden gewusst. Mein Schwager Herrmann, Kaufmann dort und späterer deutscher Konsul, erfüllte meinen Wunsch und publizierte dieselbe im „Dario de Manila“. Mit welchem Erfolg, ist im Text erzählt) Träger Sie Cheyne machten. hat dort viel Staub aufgewirbelt, das heißt in den Salons und in den Zeitungen.“ - „Nun, und die spanische Regierung? Ich hatte geglaubt, dass diese sich der Gelegenheit bemächtigen würde, endlich einmal wirklich festen Fuß auf diesen Inseln zu fassen, die sie vor 150 Jahren besucht haben wollen und deswegen auch auf ihren Karten als ,Posesiones de ultramar' immer mit aufführen. Die Regierung schwieg also still?“ - „Welche Illusionen, Dr. Semper! Man sieht, dass Sie schon lange unter halbwilden Leuten gelebt haben. Wie konnten Sie nur glauben, dass sich die spanische Negierung um ein paar hundert brauner Menschen willen in Schwierigkeiten stürzen würde? Da hat sie wahrlich noch genug in ihrem eigenen Lande zu tun; die Piraten im Süden regen sich wieder, und im Norden von Luzon gibt es wohl nächstens eine Expedition gegen die Wilden; dann der Krieg in Cochinchina - gewiss genug der Arbeit und Mühe für einen Gouverneur von Manila. Die Spanier freuten sich über Ihren Brief nur, weil es doch einmal eine Abwechselung in die Unterhaltung brachte. Übrigens meinte man, dass Sie wohl stark mit Kapitän Woodin engagiert seien.“ - „Nun wahrlich, Herr Tetens, das sieht den Menschen von dort recht ähnlich. Wessen man sich selbst für fähig hält, dessen klagt man auch gern andere an. Übrigens danke ich Ihnen für die Mitteilung; ich werde sie nicht vergessen. Haben Sie Lust zu einem kleinen Spaziergang, meine Herren?“ - Unsere Gesellschaft hatte sich noch um einen vermehrt; ein Franzose, der mit dem „PELAYO“ gekommen war - ich glaube er war Supercargo desselben - hatte seinen Kapitän gesucht. Diese beiden Herren gingen fort, ihren Geschäften nach. So schlenderten Herr Tetens und ich allein durch das Dorf.

„Die Dörfer hier um Malakka herum“, begann ich die Unterhaltung, „sind hübscher als im Norden; man sieht, dass die größere Nähe der Handel treibenden Europäer größeren Wohlstand erzeugt hat. Aber die Leute gefallen mir nicht so gut wie die von Aibukit; sie sind ränkevoller und ehrgeiziger. Das Dorf meiner Freunde hat viel unter ihren Listen zu leiden gehabt.“ - „Ich verstehe, worauf Sie anspielen, Sie meinen die Affaire mit dem englischen Kriegsschiff?“ - „Ja wohl, und noch manches andere. Dahinter aber scheint mir doch immer schließlich Kapitän Cheyne zu stecken. Soeben erst habe ich ein interessantes Dokument entdeckt, das mir manches Unerklärliche in jenem englischen Angriff auf Aibukit aufzuklären scheint. Da oben in Aidil liegt in einem alten Buche ein Handelstraktat zwischen Cheyne und Ebadul, ferner eine Konstitution von Palau, Ihr Kapitän zeigt sich darin als starker Monopolist; doch ließe sich darüber wenig sagen, wenn er sonst das Zeug zu einem Rajah Brooke hätte, den er sich offenbar als Vorbild genommen hat. Wenn wirklich die Bestimmungen jener Konstitution und des Traktats ausgeführt werden, so ist Cheyne de facto König von ganz Palau. Hätten Sie Lust zu seinem Premierminister Herr Tetens?“ - „Ich kann nicht sagen dass mir der Platz sonderlich gefällt; und was Kapitän Cheyne für Plane hat, ist mir ziemlich gleichgültig. Ich bin Seemann und kein Politiker.“ - „Nun, Sie werden sich auch schon akklimatisieren. Jene beiden Dokumente waren ein Jahr vor dem englischen Angriff verfasst, und ich glaube nun zu verstehen, warum der Kapitän des Schiffs sich dazu hergab, jenen abenteuerlichen Zug nach Aibukit zu unternehmen. In ihnen figuriert nämlich Ebadul als König sämtlicher Inseln hier, die Fürsten der andern Distrikte sind seine Vasallen, und Mad von Aibukit wird geradezu ein Rupack von Coröre genannt. Ferner haben sich Cheyne und Ebadul feierlich verpflichtet, sich gegenseitig in der Durchführung sämtlicher Paragraphen zu helfen, und unter diesen sind einige, welche jedem andern Europäer als Cheyne untersagen, hier sich ohne seine Erlaubnis irgendwo aufzuhalten oder in andern Distrikten Handel zu treiben. Gegen diese letzte Bestimmung hatten Woodin und die Bewohner von Aibukit gesündigt. Ist es nun ein Wunder, dass jener Kriegsheld - dem doch offenbar durch Cheyne eine Einsicht in die Dokumente verschafft wurde - auf dieser Seite das Recht wähnte? Galt es doch, jemand zu unterstützen, der jünger war und tatkräftiger als der alte Woodin, einen Mann, der Lust zu haben schien, festen Fuß auf diesen Inseln zu fassen - solche Gelegenheit, hier sich das Recht zur Gründung einer neuen Kolonie zu verschaffen, durfte nicht versäumt werden. Vielleicht wollte Kapitän Browne nur die Fürsten von Aibukit veranlassen, die scheinbar nach jenem Dokument Ebadul zukommende Souveränität über die Inseln tatsächlich anzuerkennen, ihr eigenes Land als ein Lehen oder eine Provinz von Coröre ansehen zu wollen. Das schlug natürlich fehl; aber auch der Kampf, der nun folgte, führte nicht zum Ziele. Jetzt sind die Leute von Coröre in einer gewaltigen Angst, aus der ihnen auch Cheyne nicht herauszuhelfen scheint. Ehe ich noch hergekommen war, hörte ich schon von einem man-of-war, den jemand in Aibukit zu Hilfe gerufen haben sollte; hier sagt man mir es geradezu ins Gesicht, ich hätte das getan. Leichtgläubige Kinder sind unsere Freunde hier. Weil zufällig jenes englische Kriegsschiff nach Malakka kam, sein Kapitän Cheyne's Sache zu der seinigen machte, so heißt es nun überall in Palau, Cheyne habe ihn hergerufen. Ehe noch Kapitän Browne mit seinen Booten vor Aibukit angelangt war. hatten die Bewohner dort längst die Nachricht von der Ankunft des man-of-war des Cabel Schils - wie sie hier Cheyne nennen – erhalten. Sie lassen sich das nicht ausreden; und ich habe mich stundenlang abgemüht, die Leute in Aibukit zu überzeugen, dass es nicht in meiner Macht stünde, ein Kriegsschiff herzurufen. Gott weiß, in welchem Rupacksgehirn der Gedanke entstanden ist, dass ich wirklich nach Manila um ein solches geschrieben hätte - oder sollte auch hier etwa Ihr Kapitän die Hand im Spiele haben? Er meinte vielleicht, mir dadurch einen schwierigen Stand auf diesen Inseln zu bereiten.“ - „Ich weiß nichts von allem, Dr. Semper, es ist mir auch ziemlich gleichgültig; ich bin Cheyne's Steuermann und weiter nichts.“ - „Nun, es ist auch mir ziemlich gleichgültig; seinen Zweck erreicht er doch nicht. Gestern Nachmittag freilich war Cheyne hier im Aruau - das Haus wo die Fürsten ihre Sitzung halten, Herr Tetens - in eifriger Beratung mit den Rupacks. Seitdem sind die Leute von hier viel kühler gegen mich, und mein Freund Arakalulk beklagt sich sehr über die schlechte Behandlung, die er erfährt. Aber von bösen Reden zu schlimmen Taten ist bei den Coröreleuten ein langer Weg; ich habe, obgleich ohne Waffen, nichts von einem Angriff zu befürchten. Hier sind wir am Bai, Herr Tetens. Haben Sie Lust, sich einmal die bunten Annalen der Bewohner darin anzusehen? Einen Trunk vom süßen Kokossaft wird Ihnen jene braune Schöne gewiss auch gern reichen.“ - „Nein, ich danke, auch ist meine Zeit um, und auf meinem Schiffe gefällt es mir doch besser als hierzulande.“ - „Nun, dann leben Sie wohl, Herr Tetens; ich reise morgen ab von hier. Akklimatisieren Sie sich nur nicht zu rasch hier in Coröre. Adieu!“

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