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Die Kaperkriege im 18. Jahrhundert

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Die Kaperkriege im 18. Jahrhundert

Wood-Rodgers' Reise. – Abenteuer Alexander Selkirk's. –

Die Galapagos-Inseln. – Puerto Seguro. – Rückkehr nach England. – Georges Anson's Expedition. – Staatenland. –

Die Insel Juan Fernandez. – Tinia. – Macao. –

Wegnahme der Gallion. – Der Canton-Fluss. –

Ergebnisse der Kreuzfahrt.

In Spanien tobte der Successionskrieg. Darauf beschlossen mehrere Reeder in Bristol, einige Fahrzeuge auszurüsten, um die spanischen Schiffe im Stillen Ozean anzugreifen und die Küsten Südamerikas zu verheeren und zu plündern. Die beiden hierzu bestimmten Schiffe, die „DUC“ und die „DUCHESSE“, unter Führung der Kapitäne Rodgers und Courtney wurden mit aller Sorgfalt ausgerüstet und mit der für eine so weite Reise erforderlichen Provision versehen. Der berühmte Dampier, der sich durch seine abenteuerlichen Fahrten und Seeräubereien einen so hervorragenden Namen erworben hatte, verschmähte es nicht, die Stelle eines Obersteuermannes anzunehmen. Obwohl diese Expedition sich mehr durch materielle Resultate als durch Bereicherung der Erdkunde auszeichnete, enthält die Geschichte derselben doch einige bemerkenswerte Züge, welche der Überlieferung wert sind.

Am 2. August 1708 verließen die „DUC“ und die „DUCHESSE“ die königliche Reede von Bristol. Gleich zu Anfang ist hier zu bemerken, dass für die Mannschaft während der ganzen Dauer der Reise eine Art Tagebuch zum Gebrauch ausgelegt wurde, um alles Vorkommende darin zu verzeichnen, damit die geringsten Irrtümer und die kleinsten Versehen gut gemacht werden könnten, bevor sich die Erinnerung der Tatsachen verwischen konnte. Über die Reise selbst ist bis zum 22. Dezember nichts zu sagen. Am genannten Tage kamen die Falklands-Inseln in Sicht, welche nur wenige Seefahrer berührt haben. Rodgers ging jedoch nicht ans Land; er begnügt sich mit der Bemerkung, die Gestade derselben seien denen von Portland ähnlich, nur weniger hoch als diese.

„Alle Hügel“, fügt er hinzu, „scheinen fruchtbaren Boden zu haben; sie senken sich, mit Bäumen bestanden, allmählich zur Küste, der es nicht an guten Häfen gebricht.“

Diese Inseln besitzen jedoch keinen einzigen Baum, und brauchbare Häfen gibt es, wie wir später sehen werden, sehr wenig. Man erkennt hieraus, wie wenig zuverlässig die Angaben Rodgers' sind, und dass die Seefahrer gut daran getan haben, denselben nicht allzu viel Vertrauen zu schenken.


Von genannter Inselgruppe aus steuerten die Schiffer direkt nach Süden und drangen bis 60° 58' der Breite vor. Hier ward es gar nicht mehr eigentlich Nacht; die Kälte war sehr streng und der Seegang so schwer, dass die „DUCHESSE“ verschiedene Havarien erlitt. Die zur Beratung versammelten Offiziere beider Fahrzeuge erklärten es für unzweckmäßig, noch weiter nach Süden zu segeln, und man schlug nun einen westlichen Kurs ein. Am 15. Januar 1709 überzeugte man sich, dass das Cap Horn umschifft und die kleine Flottille in den Stillen Ozean eingelaufen sei.

Jener Zeit enthielten fast sämtliche Seekarten abweichende Angaben über die Lage der Insel Juan Fernandez.


Auch Wood-Rodgers, der daselbst Wasser fassen und sich mit frischem Fleische versorgen wollte, traf auf jene ganz unerwarteter Weise.

Am 1. Februar setzte er ein Boot aus zur Aufsuchung eines geeigneten Ankerplatzes. Während man dessen Rückkehr erwartete, wurde vom Ufer ein großes Feuer sichtbar. Sollten hier spanische oder französische Schiffe ans Land gegangen sein? Werde man sich das Wasser und die so nötigen Nahrungsmittel erkämpfen müssen? Während der Nacht traf man alle, von der Vorsicht gebotenen Anordnungen, doch zeigte sich auch am folgenden Morgen kein feindliches Schiff. Schon glaubte man, die Gegner hätten sich zurückgezogen, als die Rückkehr der Schaluppe aller Ungewissheit ein Ende machte. Mit dem Boote folgte ein in Ziegenfelle gehüllter Mann, dessen Gesicht noch verwilderter aussah als seine Kleidung.

Es war das ein schottischer Matrose, mit Namen Alexander Selkirk (Robinson Crusoe), der in Folge eines Zerwürfnisses mit seinem Kapitän vor nun vierundeinhalb Jahren auf dieser wüsten Insel ausgesetzt worden war. Dieser hatte auch das wahrgenommene Feuer entzündet.

Während seines Aufenthaltes in Juan Fernandez sah Selkirk zwar viele Schiffe in der Nähe vorübersegeln, doch gingen nur zwei derselben hier vor Anker. Von deren Matrosen entdeckt, die auf ihn Feuer gaben, verdankte Selkirk seine Rettung nur seiner Gewandtheit, indem er schnell auf einen Baum kletterte und sich im Laube zu verbergen wusste.


„Man hatte ihn“, heißt es in dem betreffenden Berichte, „ans Land gesetzt mit seinen Kleidungsstücken, einem Bett, einer Flinte nebst einem Pfund Pulver und einigem Kugelvorrat, etwas Tabak, einer Hacke, einem Messer, einem kupfernen Kessel, dazu mit einer Bibel und anderen Erbauungsschriften, sowie mit seinen Instrumenten und Büchern. Der arme Selkirk befriedigte seine Bedürfnisse so gut als möglich, hatte während der ersten Monate große Mühe, seine Niedergeschlagenheit zu bekämpfen und das Entsetzen zu überwinden, das ihm die namenlose Verlassenheit einflößte.

Aus dem Holze der Piment-Myrte erbaute er sich nahe bei einander zwei Hütten, welche er mit den Fellen der Ziegen bedeckte, die er, so lange sein Pulver ausreichte, nach Bedarf erlegte. Als dasselbe zu Ende ging, half er sich, um Feuer anzuzünden, damit, dass er zwei Stücke Pimentholz aneinander rieb. Nach völligem Verbrauche des Pulvers fing er die Ziegen im Laufe und erlangte durch die fortwährende Übung eine solche Gewandtheit, dass er mit unglaublicher Schnelligkeit durch die Wälder lief und Hügel und Felsen erkletterte; er übertraf die besten Läufer, sowie einen Hund, den wir an Bord hatten, erhaschte die flüchtigen Ziegen und brachte sie auf dem Rücken herbei. Er erzählte uns auch, wie er eines Tages, in hitziger Verfolgung eines solchen Tieres begriffen, nach einem durch Strauchwerk verborgenen Abhang gelangt und denselben samt seiner Beute hinabgestürzt sei. Durch den Fall verlor er das Bewusstsein und fand, wieder zu sich gekommen, die Ziege tot neben sich liegen. Vierundzwanzig Stunden lang blieb er damals an der Stelle liegen und vermochte sich auch dann nur mit größter Mühe nach seiner eine Meile entfernten Hütte zu schleppen, die er fernere zehn Tage nicht verlassen konnte.

Seine Nahrung würzte der Verlassene mit Steckrüben, welche jedenfalls die Mannschaft irgendeines Schiffes hier zurückgelassen hatte, mit Palmenkohl, Piment und Jamaika-Pfeffer. Als sein Schuhwerk und seine Kleidung unbrauchbar wurden, was eben nicht lange dauerte, ersetzte er diese durch Ziegenfelle, wobei ihm ein Nagel als Nähnadel dienen musste. An Stelle des bis auf den Rücken abgenützten Messers verfertigte er sich einige neue aus eisernen Fassreifen, die er zufällig am Strande fand. Das Sprechen hatte er wegen Mangels an Übung so weit verlernt, dass er sich nur mit Mühe verständlich zu machen vermochte. Rodgers nahm den Armen mit an Bord und stellte ihn als Hochbootsmann an.

Selkirk ist nicht der einzige Seemann, der auf Juan-Fernandez allein zurückgelassen wurde. Wir erinnern daran, dass Dampier daselbst einen von 1681 bis 1684 verlassenen Mosquito aufnahm, und man weiß auch aus der Geschichte Sharp's und anderer Flibustier, dass der einzige Überlebende eines an der Inselküste gestrandeten Fahrzeuges hier fünf volle Jahre zubrachte, bis ihn ein anderes Schiff erlöste. Selkirk's Schicksal benützten manche Schriftsteller zum Vorwurfe hübscher Jugendschriften, deren bekannteste in Deutschland Campe's „Robinson Crusoe“, in Frankreich Saintine's Roman „Seul!“ („Allein!“) geworden sind.


Am 14. Februar verließen die beiden Schiffe Juan Fernandez und begannen ihren Zug gegen die Spanier. Rodgers überfiel Guyaquil, wo er eine große Beute machte, und bemächtigte sich einiger Schiffe, die ihm freilich mehr Gefangene als Geld in die Hände lieferten.

Dieser Teil seiner Fahrt bietet für uns kein Interesse, so dass wir hier nur einige Angaben über die Insel Gorzone anführen, wo er eine Art Affen traf, denen er wegen ihrer langsamen Bewegungen den Namen „Faultiere“ gab; ferner über Tercamez, dessen mit vergifteten Pfeilen und Flinten bewaffnete Einwohner ihn mit Verlust zurückwiesen, und endlich über die unter 2° nördlicher Breite gelegenen Galapagos-Inseln. Dieser Archipel ist nach Rodgers sehr vielgliedrig, unter seinen etwa fünfzig Inseln fand er aber auf keiner genießbares Süßwasser. Dagegen bemerkte er neben zahllosen Turteltauben sehr viele Land- und Seeschildkröten von außerordentlicher Größe – nach denen die Spanier früher die Inselgruppe tauften – und furchtbare Seehunde, von denen einer kühn genug war, ihn anzugreifen.

„Ich befand mich am Strande“, sagt er, „als jener mit geöffnetem Rachen und der Wut eines entsprungenen Kettenhundes aus dem Wasser auf mich zustürzte. Dreimal holte er zum Angriff aus. Jedes Mal stieß ich ihm meine Lanze in die Brust und brachte ihm eine tiefe Wunde bei, die ihn unter entsetzlichem Geschrei zum Rückzuge nötigte. Auch zuletzt drehte er sich noch einmal um und wies mir brüllend die gewaltigen Zähne. Vor kaum vierundzwanzig Stunden war übrigens auch einer meiner Leute in höchster Gefahr gewesen, von einem solchen Ungetüme getötet zu werden.“

Im Dezember zog sich Rodgers auf einer Gallion aus Manila, die er gelegentlich eroberte, nach Puerto-Seguro an der Küste Kaliforniens zurück. Von seiner Mannschaft drangen einige in das Innere des Landes ein. Sie fanden daselbst dichte Wälder von hochstämmigen Bäumen, zwar kein Anzeichen von Bodenkultur, wohl aber an vielen Stellen aufsteigende Rauchsäulen, als Beweis, dass die Gegend doch bewohnt war.

„Die Eingeborenen, sagt Abbé Prévost in seiner „Geschichte der Reisen“, sind von hoher starker Gestalt, aber weit schwärzer als irgend einer der Indianer, die er in der Südsee gesehen. Sie trugen lange schwarze, schlichte Haare, die ihnen bis auf die Schenkel herabfielen. Die Männer gingen meist ganz nackt, die Frauen dagegen bedeckten sich teilweise mit Blättern oder einem scheinbar aus solchen hergestellten Stück Stoff, oder endlich mit Tierfellen, Vogelbälgen u. dgl. ... Einzelne erschienen geschmückt mit Hals- und Armbändern aus Holzstäbchen und Muschelschalen; andere trugen um den Hals rohe Beeren und Perlen, deren Durchbohrung sie offenbar nicht verstanden, denn letztere erwiesen sich nur ringsum eingeschnitten und durch einen herumgeschlungenen Faden verbunden. Sie fanden diesen Schmuck so schön, dass sie die Glashalsbänder der Engländer verächtlich zurückwiesen. Nur für Messer und Arbeitsgeräte zeigten sie lebhafte Vorliebe.“

Die „DUC“ und die „DUCHESSE“ verließen Puerto-Seguro am 12. Januar 1710 und landeten zwei Monate später bei der Insel Guaham, einer der Mariannen. Hier nahmen sie Lebensmittel ein und erreichten dann, durch die Straßen von Butan und Saleyer segelnd, Batavia. Nach längerem, unfreiwilligem Aufenthalt in dieser Stadt und am Cap der Guten Hoffnung ankerte Rodgers am 1. Oktober bei Dunes.

Obwohl er sich nicht des Näheren über die heimgebrachten Schätze auslässt, kann man sich von denselben doch eine hinlängliche Vorstellung machen, wenn man Rodgers von den Barren und Speisegeschirren aus Gold und Silber reden hört, über die er seinen glücklichen Reedern Rechnung ablegt. –


Admiral Georges Anson

Auch die Fahrt des Admiral Anson, welche wir im Nachfolgenden schildern, gehört zu der Kategorie der Kaperzüge; sie beschließt aber die Reihe jener Seeräuber-Expeditionen, welche die Sieger entehren, ohne die Besiegten zu vernichten. Bereichert auch der Genannte die Erdkunde selbst nach keiner Seite, so enthält sein Bericht doch viele verständige Betrachtungen und interessante Beobachtungen aus sehr wenig bekannten Gebieten. Dieselben rühren übrigens nicht, wie der Titel meldet, von Richard Walter, dem Kaplan der Expedition, sondern nach Nichol's „Literary anecdotes“ von Benjamin Robins her.

Georges Anson ward im Jahre 1697 in Staffordshire geboren. Seemann von Kindheit auf, wusste er sich bald bemerkbar zu machen. Er genoss den Ruf eines geschickten und glücklichen Schiffsführers, als er 1739 den Befehl über ein, aus der „CENTURION“ mit 60 Kanonen, der „GLOCESTER“ mit 50, der „SEVERE“ mit gleichviel, der „PERLE“ mit 40, der „WAGER“ mit 28 Kanonen, der Schaluppe „TRIAL“ und zwei Transportschiffen für Lebensmittel und Schießbedarf bestehendes Geschwader übernahm. Außer einer Mannschaft von 1.460 Köpfen führte diese Flotte noch 470 Invaliden oder Marinesoldaten mit sich.

Am 18. September 1740 verließ die Expedition England und ging über Madeira, die Insel Santa Katarina nahe der Küste Brasiliens, ferner über den Hafen St. Julien durch die Lemaire-Straße.


„Wie abschreckend auch der Anblick von Feuerland wirken mag, sagt der Bericht, der von Staatenland übertrifft ihn doch noch bedeutend. Hier besteht die Küste nur aus einer Reihe unübersteiglicher Felsen, über welche noch scharfe Spitzen hinausragen und die bei ihrer außerordentlichen Höhe unter einer Decke ewigen Schnees verborgen liegen. Nur schauerliche Schlünde unterbrechen zuweilen die Steinmauer. Kaum vermag man sich etwas Traurigeres und Wilderes vorzustellen als diese Küste.“


Kaum traten die letzten Schiffe aus der Meerenge heraus, als das Geschwader von häufigen Böen, Windstößen und Stürmen überfallen wurde, so dass die erfahrensten Matrosen gestanden, noch niemals derartige Orkane erlebt zu haben. Dieses abscheuliche Wetter hielt sieben Wochen ohne Unterlass an. Es bedarf wohl kaum einer Erwähnung, dass die Flotte dabei namhafte Havarien erlitt und eine Menge Matrosen verlor, welche teils durch die Wellen über Bord gespült, teils von Krankheiten dahingerafft wurden, die sich in Folge fortwährender Feuchtigkeit, wie der ungesunden Nahrung entwickelten.

Zwei Schiffe, die „SEVERE“ und die „PERLE“, versanken, vier andere wurden außer Sicht verschlagen. Anson konnte in Valdivia, das im Fall einer Trennung als Sammelplatz bestimmt war, nicht einlaufen. Weit darüber hinaus verschlagen, gelang es ihm erst bei Juan Fernandez, wo er am 9. Juni eintraf, ans Land zu gehen. Die „CENTURION“ bedurfte eines Zufluchtsortes am nötigsten. Vierundzwanzig Mann von ihrer Besatzung waren umgekommen, sie entbehrte des Trinkwassers und der Skorbut wütete dermaßen unter ihrer Mannschaft, dass kaum zehn Mann zum Beziehen der Wachen fähig waren. Drei andere Fahrzeuge in nicht minder schlechtem Zustande trafen ebenfalls bald hier ein.

Jetzt galt es zuerst den erschöpften Leuten Erholung zu gönnen und die empfindlichsten Schäden der Schiffe auszubessern. Anson führte die Kranken ans Land und brachte sie an einer wohlgeschützten Stelle in freier Luft unter; dann durchstreifte er, gefolgt von den kräftigsten Matrosen, die Insel in allen Richtungen, um deren Reeden und Küsten aufzunehmen. Der beste Ankerplatz wäre – nach Anson – die Cumberland-Bay. Der südöstliche Teil von Juan Fernandez – eine kleine Insel von beiläufig fünf Meilen Länge auf zwei der Breite – ist trocken, steinig und baumlos, das Land tiefliegend und im Verhältnis zur Westküste sehr eben. Kresse, Portulak, Orseille, Steckrüben, sizilische Rüben u. dgl. wucherten hier in Überfluss, ebenso wie Hafer und Klee. Anson ließ Möhren und Lattich säen, auch Pflaumen-, Aprikosen- und Pfirsichkerne stecken. Er überzeugte sich, dass die vielen Böcke und Ziegen, welche frühere Büffeljäger hier zurückgelassen und die sich erst stark vermehrt hatten, jetzt nur weit minderzählig vorhanden waren. Die Spanier hatten nämlich, um ihren Feinden diese schätzbare Hilfsquelle versiegen zu machen, hier eine Menge halbverhungerter Hunde ausgesetzt, welche auf die Ziegen Jagd machten und deren eine solche Anzahl verzehrten, dass zu jener Zeit kaum noch zweihundert vorhanden waren.

Der Chef des Geschwaders – denn so wird Anson in dem Berichte stets bezeichnet – ließ auch die etwa fünfundzwanzig Meilen von Juan Fernandez entfernte Insel Mas-a-fuero untersuchen. Kleiner als jene ist sie doch waldreicher, besser bewässert und beherbergt weit mehr Ziegen.

Gegen Anfang Dezember hatten sich die Mannschaften so weit erholt, dass Anson daran dachte, nun seinem eigentlichen Ziele, dem Kaperkrieg gegen die Spanier, näher zu treten. Er erbeutete zuerst etliche Schiffe mit kostbaren Waren und Goldbarren und legte die Stadt Pacta in Asche. Die Spanier selbst schätzten ihren hierdurch erlittenen Verlust auf anderthalb Millionen Piaster.

Nun begab sich Anson nach der Bay von Quiba, in der Nähe von Panama, um der Gallion aufzulauern, welche die Schätze der Philippinen alljährlich nach Acapulco überbringt. Begegneten die Engländer hier auch keinem einzigen Bewohner, so fanden sie doch, neben einigen elenden Hütten, große Haufen von Muscheln und schöner Perlmutter, welche die Fischer von Panama den Sommer über hier liegen zu lassen pflegen. Unter den reichlichen, an diesem Orte vorhandenen Nahrungsmitteln verdienen besonders die Riesenschildkröten hervorgehoben zu werden, welche gewöhnlich zweihundert Pfund wiegen und die man auf höchst eigentümliche Weise einfängt. Zeigt sich nämlich eine solche schlafend auf der Wasseroberfläche, so taucht ein geübter Schwimmer unter derselben unter, erfasst beim Wiederauftauchen deren Schale nahe dem Schwanze und sucht sie herabzuziehen. Dadurch erwacht jene und beginnt sich zu wehren, hält aber ebendabei den Menschen so lange über Wasser, bis Boote herankommen, um beide aufzunehmen.

Nach ziemlich fruchtloser Kreuzfahrt sah sich Anson genötigt, drei spanische Schiffe, die er genommen und bemannt hatte, zu verbrennen. Nach Verteilung ihrer Besatzung und Ladung auf die „CENTURION“ und „GLOCESTER“, die beiden einzigen noch übrigen Schiffe des Geschwaders, beschloss Anson am 5. Mai 1742, nach China zu segeln, wo er Verstärkung und Proviant zu finden hoffte. Zu dieser vorher auf etwa sechzig Tage berechneten Überfahrt brauchte er aber volle vier Monate. In Folge eines heftigen Sturmes sprang die „GLOCESTER“ leck und musste, bei der Unmöglichkeit, das Schiff mit der stark verminderten und geschwächten Mannschaft länger zu halten, verbrannt werden. Nur Geld und Lebensmittel wurden von derselben noch übergeführt nach der „CENTURION“, dem letzten Überbleibsel der stolzen, vor kaum zwei Jahren von Englands Gestaden abgesegelten Flotte.

Anson kam, weit aus seiner Route verschlagen, hoch nach Norden, wo er am 26. August die Inseln Atanaron und Serigan auffand; am folgenden Tage entdeckte er Saypan, Tinian und Agnigan, welche zu dem Archipel der Mariannen gehören. Ein spanischer Sergeant, den er in dieser Gegend auf einer kleinen Schaluppe gefangen nahm, teilte ihm mit, dass die Insel Tinian unbewohnt sei, aber Überfluss besitze an Rinderherden, Geflügel und herrlichen Früchten, wie Orangen, Limonen, Zitronen, Kokospalmen, Brotfruchtbäumen u. s. w. Natürlich kam diese Nachricht der „CENTURION“ sehr gelegen, denn ihre Besatzung belief sich nur noch auf 71, durch Entbehrungen und Krankheiten tief erschöpfte Leute, dem Reste von 2.000 Matrosen, welche die Flotte bei der Abfahrt mit sich führte.

„Der Boden ist hier trocken und etwas sandig“, lautet der Bericht, „wobei auf Wiesen und in Wäldern ein zarterer und gleichmäßigerer Rasen gedeiht, als man ihn sonst im Tropenklima zu finden pflegt; das Land steigt von dem Ankerplatze der Engländer bis zur Mitte der Insel allmählich an; bevor es aber seine größte Höhe erreicht, unterbrechen dasselbe mehrere Niederungen mit trefflichem Klee und verschiedenen Blumen, und umrahmt von schönen Wäldern, deren Bäume köstliche Früchte erzeugen. Die Tiere, während des größten Teiles des Jahres die einzigen Herren dieser prächtigen Gefilde, erhöhen nur die romantischen Reize dieser Stellen und tragen nicht wenig dazu bei, ihnen ein wahrhaft entzückendes Aussehen zu verleihen. Nicht selten sieht man Tausende von Rindern friedlich auf einer solchen großen Prairie weiden, ein umso merkwürdigerer Anblick, weil dieselben bis auf die meist schwarzen Ohren alle von milchweißer Farbe sind. Trotz der Verlassenheit der Insel erweckt das fortwährende Brüllen und der Anblick so zahlreicher Haustiere, welche sich auch in den Wäldern tummeln, doch unwillkürlich die Gedanken an Farmen und Dörfer.“

Wirklich ein bezauberndes Bild! Sollte ihm der Verfasser aber nicht einige Reize nachsagen, welche nur in seiner Einbildung vorhanden waren? Nach so langer Seefahrt mit vielen Stürmen ist es wohl nicht zu verwundern, wenn die grünenden Urwälder, die Üppigkeit der Pflanzenwelt, der Reichtum an tierischem Leben auf den Geist der Begleiter des Lord Anson einen überwältigenden Eindruck hervorbrachten. Wir werden übrigens bald erfahren, ob seine Nachfolger von Tinian ebenso entzückt gewesen sind wie er.

Anson konnte sich trotz alledem einer gewissen Unruhe nicht entschlagen. Wohl fand er Gelegenheit, sein Schiff gut auszubessern, auf dem Lande lagen aber doch noch viele Kranke in Erwartung gänzlicher Wiedergenesung, und an Bord blieb nur eine kleine Anzahl Matrosen zurück. Der Ankergrund bestand aus Korallen und man hatte alle Vorsicht nötig, ein Zerschneiden der Kabel zu verhüten. Da erhob sich zur Zeit des Neumondes ein heftiger Wind und brachte das Schiff zum Treiben. Die Anker bewährten sich wohl, nicht aber die Taue, und so schwankte die „CENTURION“ auf das offene Meer hinaus. Ohne Unterlass grollte der Donner, und der Regen stürzte in solchen Strömen herab, dass man auf dem Lande nicht einmal die von dem Schiffe ausgehenden Notsignale hörte. Anson, die meisten Offiziere und ein großer Teil der Mannschaften, zusammen 113 Köpfe, waren auf dem Lande zurückgeblieben und sahen sich nun des einzigen Hilfsmittels beraubt, von Tinian fortzukommen.

Die Verzweiflung war entsetzlich, die Bestürzung unaussprechlich. Anson aber, ein energischer und um Auskunftsmittel nie verlegener Mann, wusste seine Leute bald umzustimmen. Noch blieb ihnen eine den Spaniern abgenommene Barke übrig, und diese wollten sie verlängern, um alle Menschen und die nötigen Nahrungsmittel zur Überfahrt bis China aufnehmen zu können. Neunzehn Tage später kehrte die „CENTURION“ zurück, die Engländer schifften sich am 21. Oktober ein und erreichten bald glücklich Macao. Seit zwei Jahren, d. h. seit ihrer Abreise aus England, ankerten sie zum ersten Male in einem befreundeten Hafen!

„Macao“, sagt Anson, „das früher sehr reich, stark bevölkert und im Stande war, sich gegen seine chinesischen Grenznachbarn zu verteidigen, hat von seinem ehemaligen Glanze viel verloren. Obwohl es noch immer von Portugiesen bewohnt und durch einen, vom Könige von Portugal ernannten Gouverneur verwaltet wird, zehrt es doch gewissermaßen von der Gnade der Chinesen, die es leicht aushungern und überwältigen könnten; der Gouverneur hütet sich auch sorgsam, jene zu reizen.“

Anson musste sogar an den nächsten chinesischen Gouverneur einen Drohbrief ablassen, um nur die Erlaubnis auszuwirken, noch dazu gegen sehr hohe Preise, Nahrungsmittel und die nötigste Ausrüstungs-Reserve aufkaufen zu dürfen. Dann machte er öffentlich bekannt, dass er nach Batavia abfahre, und ging am 19. April 1743 unter Segel. Anstatt aber nach den holländischen Besitzungen zu steuern, wendete er sich nach den Philippinen und lauerte daselbst auf die von Acapulco zurückkehrende Gallion, welche ihre Ladung dort gewöhnlich sehr teuer verkaufte. Gewöhnlich führten diese Schiffe 44 Kanonen und 500 Mann Besatzung. Anson zählte bloß 200 Matrosen, darunter etwa nur 30 Schiffsjungen; dennoch erschien ihm das Missverhältnis der Kräfte kein Hindernis, denn ihn reizte die Hoffnung auf reiche Beute, und die Habgier seiner Leute erschien ihm als hinlängliches Unterpfand für deren Kampfesmut.

„Warum“, so fragte Anson eines Tages den Küchenmeister, „warum bringen Sie nichts mehr von den Lämmern, die wir in China kauften, auf die Tafel? Wären diese alle aufgezehrt?“ – „Der Herr Geschwader-Chef möge gütigst entschuldigen“, erwiderte der Gefragte, „noch sind zwei vorhanden, aber ich dachte sie aufzubewahren, um damit den Kapitän der Gallione zu bewirten.“

Niemand, nicht einmal der Küchenmeister zweifelte also an dem erhofften Ausgang. Anson traf übrigens seine Anstalten sehr geschickt und wusste die kleine Zahl seiner Leute durch leichtere Beweglichkeit besser auszunützen. Es entspann sich wirklich ein lebhafter Kampf mit der Gallione; die Matten, mit denen die Schanzkleidung derselben geschützt war, fingen Feuer und die Flammen leckten bald am Fockmast empor. Zwei Feinde auf einmal zu bekämpfen, ward den Spaniern zu schwer. Sie ergaben sich nach zweistündigem Kampfe, der ihnen 77 Tote und 84 Verwundete gekostet hatte.

Die Beute war sehr beträchtlich: „1.313.843 Achter, eine spanische Goldmünze, so genannt, weil sie das Achtfache einer Dublone wertete; etwa M. 8*60 = fl. 4*30 unseres Geldes und 35.682 Unzen Silber in Barren, außer einer Quantität Cochenille und einigen anderen, im Vergleich zu dem Silberfange minder wertvollen Waren. Unter Hinzurechnung des früheren Raubes belief sich die gesamte Beute nun nahezu auf 600.000 Pfund Sterling, ohne die Schiffe, Waren u. s. w. zu rechnen, welche die Engländer den Spaniern verbrannt oder zerstört hatten, und die wohl einen ebenso hohen Wert erreichen mochten.“

Nach seinem Raubzuge lief Anson das Ufer von Kanton an, verkaufte dort die ganze übrige Beute weit unter ihrem Werte für 6.000 Piaster und kehrte nach einer Abwesenheit von drei Jahren und neun Monaten am 15. Juni 1744 nach Spitead zurück. Sein Einzug in London glich einem Triumphzuge. Unter Trommelwirbel und Trompetenton und unter lautem Jubelruf der Volksmenge brachten 32 Lastwagen die auf 10 Millionen geschätzte Beute, welche unter den Offizieren und Matrosen geteilt wurde, ohne dass selbst der König zu einem Anspruch dabei berechtigt war.

Bald nach seiner Rückkehr nach England erhielt Anson die Ernennung zum Kontre-Admiral und übernahm mehrere wichtige Kommandos. Im Jahre 1747 gelang es ihm, nach heldenhaftem Ringen den Marquis La Jonquière-Taffanel gefangen zu nehmen. Nach diesem Erfolge zum ersten Lord der Admiralität und zum Admiral befördert, unterstützte er 1758 den Versuch einer Landung der Engländer bei St. Malo und starb in London bald nach seiner Heimkehr.

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Jules Verne: Die großen Seefahrer des 18. Jahrhunderts - Teil 1

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