Читать книгу Mrs. Commingdale 1 - Rache macht süchtig - Jutta Wölk - Страница 4
Mrs. Commingdale
ОглавлениеMargret Commingdale saß wie jeden Morgen neben der Terrassentür und frönte ihrem bizarren Hobby. Seit ihr Gatte vor zwei Jahren auf ach so tragische Weise das Zeitliche gesegnet hatte, verbrachte sie fast den gesamten Tag auf ihrem Aussichtsposten.
»Ach Mortimer«, seufzte die alte Dame und nippte, kurz in Erinnerung versunken, an ihrem Tee. Dann richtete sie die Aufmerksamkeit entschlossen zurück auf ihre Aufgabe. Die Zeit verging wie im Flug, seitdem sie wieder einen Sinn in ihrem Leben sah.
Von ihrem Platz aus hatte die Witwe eine hervorragende Aussicht auf vorbeifahrende Züge. Aber auch etwas anderes zog ihren Blick auf sich. Etwas, das wie ein Stachel im Fleisch ihrer Gedanken saß. Ihre immer noch scharf sehenden Augen bohrten sich durch die Nebelschwaden, die die Landschaft des Londoner Vororts überzogen.
Ich kriege euch alle, ihr kleinen Sünderlein!
Mrs. Commingdale lebte in einem kleinen, schmucken Häuschen, dessen Regale vollgestopft waren mit kostbaren Erbstücken, Porzellanfiguren und anderem Sammelsurium, das von vergangenen Zeiten erzählte. Eines davon besaß einen besonderen Stellenwert, vormals für Mortimer - als er noch unter den Lebenden weilte -, heute für Margret. Immer wenn sie sich das gute Stück ansah, konnte sie eine gewisse Enttäuschung nicht unterdrücken. Zu gerne hätte sie die alte Pistole benutzt, um ihren Gatten mit seinem wertvollsten Schatz ins Jenseits zu befördern. Aber einen so schnellen und relativ schmerzlosen Tod hatte er in ihren Augen nicht verdient.
Hinter ihrem Grundstück, das von einem niedrigen Zaun mit einem Türchen in der Mitte umgrenzt wurde, zogen sich Gleise durch die grüne Landschaft. Ein verträumter See inmitten des Wäldchens jenseits der Schienenstränge lockte in den warmen Monaten Familien und Sonnenhungrige an.
Auch verliebten Paaren und Ehebrechern diente dieses Plätzchen mit den vielen nicht einsehbaren Ecken als heimlicher Treffpunkt. Wenn der Tag sich dem Ende neigte und die Dunkelheit zum stillen Komplizen wurde, fanden sie sich zwischen dicht gewachsenen Büschen ein, um ihre Wollust auszuleben.
Margret und Mortimer hatten sich zu Beginn ihrer Ehe ebenfalls einmal dazu hinreißen lassen, sich in der romantischen Umgebung zu einem Stelldichein zu verabreden. Allein der Gedanke, sich heimlich wie eine Geliebte mit ihrem Angebeteten zu treffen, hatte ihr damals ein wohliges Prickeln in ihrem Innern beschert. Und wie er ihr später verriet, war es ihm ähnlich ergangen.
Mortimer musste sogar geradezu begeistert davon gewesen sein, denn es hatte ihn immer wieder an diese Stelle gezogen, um seinen körperlichen Gelüsten Befriedigung zu verschaffen. Allerdings nicht mehr mit ihr. Er traf sich dort mit anderen Frauen und glaubte wohl, seine naive Margret mit fadenscheinigen Ausreden täuschen zu können. Wie sehr er sie damit verletzen würde, war ihm scheinbar egal - Hauptsache er hatte seinen Spaß. Sicher hatte er nicht einmal geahnt, dass sie von seinen Affären wusste.
Das Prickeln der Leidenschaft, das sie einst bei diesem Stelldichein empfunden hatte, war nur wenige Monate nach ihrer Heirat in ein Gefühl brodelnder Wut übergegangen. Und es brodelte eine halbe Ewigkeit in ihr, bis es die scheinbar ruhige Oberfläche ihres Gemüts schließlich durchbrach.