Читать книгу Perry Rhodan 3094: Herz des Lichts - Kai Hirdt - Страница 8
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Оглавление»Hui.« Cascard Holonder, der ertrusische Kommandant der RAS TSCHUBAI, verzog keine Miene. »Ich wusste nicht, dass wir hier so viele Fans haben.«
Perry Rhodan runzelte die Stirn. Schon Sekunden, nachdem die RAS zwischen Bleisphäre und Sternenrad erschienen war, prasselten Funkanfragen auf sie ein, erst Dutzende, inzwischen Hunderte. ANANSI, die Semitronik und gleichermaßen Gehirn und guter Geist des Schiffs, hatte zwei als besonders wichtig markiert: Der arkonidische Flottenoberbefehlshaber agh Fermi und die cairanische Konsulin Satim Tainatin verlangten Rhodan persönlich zu sprechen.
»Kein Kontaktversuch durch die THORA?«, wunderte sich Rhodan. »Ich wollte gerne mit Gucky sprechen, bevor ich einigen wichtigen Leuten den Tag vermiese. Aber wenn der Prophet nicht zum Berg kommt ...« Er nickte Lit Olwar zu, dem Leiter der Funk- und Ortungsstation. »Bau bitte eine Verbindung auf!«
Der Oberstleutnant zeigte ein wortloses Grinsen.
Rhodan seufzte. »Er steht schon hinter mir, oder?«
Guckys helle Stimme erklang in seinem Rücken. »Bis du Berg dich in Bewegung setzt, ist dieser Prophet schon zweimal durch die halbe Galaxis teleportiert.«
Rhodan drehte sich um und blickte lächelnd zu seinem pelzigen Freund hinunter.
Der Ilt sah erwartungsvoll zurück. Im Mausgesicht blitzte treuherzig der Nagezahn, der Biberschwanz patschte einen ungeduldigen Rhythmus auf den Boden. »Was ist? Werd ich jetzt endlich gekrault oder was?«
»Sehr wohl«, meldete Rhodan im besten Kadettenton und streckte die Hand aus, um Gucky durchs Kopffell zu wuscheln.
Als er ihn berührte, veränderte sich übergangslos die Umgebung. Rhodan fand sich in einer Medostation wieder – und starrte in die Läufe mehrerer Strahlwaffen, die zwei TARA-Kampfroboter auf ihn richteten.
Gucky war sofort weitergesprungen und betrachtete Rhodan nun durch eine Glassitscheibe in der Wand. Seine Stimme drang nur noch aus einem Akustikfeld.
»Reine Vorsichtsmaßnahme«, sagte der Ilt. »Ich bitte um Entschuldigung, aber ich muss sichergehen, dass du du bist und nicht eine von diesen cairanischen Kopien. Auf die bin ich nämlich nicht besonders gut zu sprechen.«
Rhodan hob die Hände und setzte sich auf eine Untersuchungsliege. »Volles Verständnis. Ich freue mich auch, dich zu sehen. Was passiert jetzt?«
»Wir checken deinen Kopf. Wenn du kein shenpadrisches Organoid im Hirn hast, werde ich meinen ganzen Charme spielen lassen, um dich diesen peinlichen Vorfall vergessen zu machen.«
Rhodan war sich sehr sicher, diesen Test zu bestehen. Um ein »andernfalls« hätte er sich also keine Sorgen machen müssen. In der Praxis fiel das schwer, solange er in die glimmenden Abstrahlöffnungen von Waffenarmen starrte.
»Dann mal los!«, forderte er.
Ein Medoroboter schwebte heran und beleuchtete Rhodans linke Schläfe mit einem Scanner. Sekunden später ließen die TARAS ihre Waffen sinken, die Tür öffnete sich, und Gucky watschelte herein. »Tut mir leid, Großer. Aber nach allem, was wir wissen, bist du in einer anderen Galaxis unterwegs. Und da die Cairaner mit ihren elenden Bioplikaten Verwirrung stiften, lag die Vermutung nahe ...«
»Ich war sogar in einem beinahe identischen Universumszweig«, erklärte Rhodan. »Auf dem Rückweg gab es ein bisschen Konfusion. Kleine Zeitreise; du kennst so was ja. Ich jedenfalls freue mich, dich quicklebendig wiederzusehen. Das ist offenbar keineswegs selbstverständlich, wie man hört.«
»Der Bericht über meinen Tod war übertrieben.« Gucky rümpfte die Nase.
Rhodan nickte anerkennend. »Schön zu hören, dass Mark Twain nach dreieinhalbtausend Jahren immer noch zitiert wird. Ich habe ihn immer gerne gelesen.«
»Das ist nicht von ihm«, behauptete Gucky. »Er hat den Spruch von mir. Kleine Zeitreise; du kennst so was ja.«
Rhodan grinste. Guckys ganzer Charme verfing. »Hätte ich mir denken können. Darf ich dich noch mal richtig begrüßen?«
Gucky hob huldvoll eine Hand. »Weil du es bist.«
Rhodan hob den Ilt in Höhe, drückte ihn an seine Brust und setzte ihn auf die Medoliege. Dann wuschelte er ein zweites Mal über seinen Kopf – diesmal ohne unerwünschten Ortswechsel.
Danach wurde er ernst. »Ich bin hier, um den Cairanern auf die Füße zu treten. Sie scheinen nicht ganz glücklich, dass Terra wieder da ist und sie keinen Zugriff auf das Solsystem haben. Ich möchte nicht wissen, was passiert, wenn sie durch den Schirm brechen und freien Zugang zur Erde haben. Bevor es so weit kommt, hätte ich diese Bedrohung gerne aus der Welt geschafft.«
»Ich hätte mir den Test sparen können«, behauptete Gucky. »Reinrauschen und mal eben als Ziel verkünden, woran sich die gesamte Milchstraße seit fünfhundert Jahren die Zähne ausbeißt – das ist eindeutig Perry Rhodan.«
»Wie er leibt und lebt«, bestätigte Rhodan. »Die Macht der Cairaner stützt sich auf ihre Flotte und das Sternenrad. Gegen die Flotte kommen die Milchstraßenmächte wohl an, wenn sie zusammenhalten. Aber das Problem Sternenrad müssen wir auf nichtmilitärischer Ebene lösen. Irgendwie müssen wir das Ding entweder abschalten oder vergraulen.«
»Du bist nicht der Erste, der das will«, erwiderte Gucky. »Aber vielleicht bist du der Erste mit einem brauchbaren Plan. Hast du einen?«
»Ist noch ziemlich vage«, gestand Rhodan ein. »Ich muss mir zunächst einen Überblick verschaffen, deshalb wollte ich dich sprechen. Du bist seit einer Woche hier. Wie beurteilst du die Lage?«
»Puh«, machte der Ilt. »Persönlich bin ich stinkig – eine Kopie von mir zu schaffen und publikumswirksam zu massakrieren, ist ein unfreundlicher Akt. Inklusive einer aufsteigenden Spiralgalaxis-Projektion, von der immer noch niemand weiß, wie genau sie das hinbekommen haben.«
Rhodan zuckte mit den Schultern. »Die Cairaner haben wahrscheinlich mehr Superintelligenzen-Technik in die Finger bekommen als jedes andere Volk des Universums. Da sollte das ein Klacks für sie gewesen sein. «
Gucky streckte die Arme zur Seite – ein Zeichen der Ahnungslosigkeit. »Wenn ich mal von dieser persönlichen Grummeligkeit absehe und das Ganze aus der Warte der abgeklärten, alterfahrenen, kosmisch bedeutsamen Person sehe, die ich nun mal bin, wird das Ganze schon viel weniger eindeutig. Die Cairaner sind schwer durchschaubar. Im Grunde sind sie nicht feindselig. Sie hätten mit ihrem Sternenrad jede aufmüpfige Welt der ganzen Milchstraße zerstören können, wenn sie das gewollt hätten. Haben sie aber nicht. Irgendwas muss uns das sagen.«
»Hoffentlich, dass eine Verständigung möglich ist«, meinte Rhodan. »Aber glaubst du daran? Nach dem, was sie mit Tschirmayn getan haben?«
Gucky rutschte vom Rand der Behandlungsliege und marschierte in dem kleinen Zimmer auf und ab. Wenn er an einer Wand umdrehte, musste er in der Enge über den eigenen Schwanz steigen. »Wir wissen, dass sie die Milchstraße eigentlich verlassen wollen. Und wir wollen sie loswerden. Im Grunde decken sich unsere Ziele also. Wir haben bislang auch keinen unprovozierten Angriff von ihnen gesehen.«
»Na ja«, sagte Rhodan. »Unprovoziert war die Deportation von Tschirmayn vielleicht nicht, aber doch eine gewaltige Überreaktion auf Atlans Gesprächsangebot an die Ladhonen. Ich werfe doch keine Arkonbombe, um eine Mücke zu töten. Noch dazu, wenn es eigentlich meine Mücke ist ...«
»Eindeutig eine deiner positiven Eigenschaften«, erklärte der Ilt. »Aber Arkonbomben sind gar kein schlechtes Beispiel für das, was hier vorgeht. Man soll Völkern keine Technik geben, für die sie noch nicht reif sind. Deswegen wurden solche Waffen ja auch galaxisweit geächtet, nachdem alle begriffen hatten, dass ein unlöschbarer Atombrand keine besonders zukunftsweisende Idee ist.«
Er blieb stehen und wandte sich Rhodan zu. »Unterstellen wir mal, dass Cairaner und Menschen grundsätzlich ähnlich ticken. Die Cairaner haben Machtmittel in die Hand bekommen, gegen die Arkonbomben nicht viel mehr sind als Feuerstein und Zunder. Kein Wunder, dass sie darüber jeden Maßstab für angemessenes Handeln verlieren. Was fällt der VECU auch ein, den Mist anderer Superintelligenzen nicht selbst zu entsorgen, sondern dafür unreife Handlanger zu entsenden? Wie sollen die denn dieser Versuchung auf Dauer widerstehen?«
»Hübsche Rede«, sagte Rhodan. »Aber niemand hat die Cairaner gezwungen, sich dieses Zeug anzueignen. Wenn sie einfach ihre Aufgabe erfüllt hätten, wäre das alles nicht ...«
Gucky hustete laut.
Rhodan hielt irritiert inne. »Was ist?«
»Ich wollte nur nicht, dass du dich um Kopf und Kragen redest«, erklärte der Ilt. »Terraner sind immerhin die größten Technikdiebe der Milchstraße. Arkonidische Raumschiffe, Zellaktivatoren von Superintelligenzen, Posbi-Waffen, Energieschirme von den Meistern der Insel und den Bestien, und das war erst der Anfang ...«
»Ich habe damit aber nicht ...«
»Du nicht«, unterbrach Gucky. »Aber Iratio Hondro oder dein alter Kumpel Dabrifa haben und was weiß ich wer noch. Nimm einfach zur Kenntnis, dass Terraner nicht gegen die Versuchungen der Macht gefeit sind, auch wenn es Ausnahmen gibt. Worauf ich hinauswill: Man soll Kinder keine Massenvernichtungswaffen wegräumen lassen, und genau das ist leider geschehen. Du hast mich nach meiner Einschätzung der Lage gefragt, also bekommst du sie auch: Wir sollten beruhigen, beruhigen, beruhigen und hoffen, dass unsere vierhändigen Freunde nicht versehentlich auf den roten Knopf drücken. Vielleicht wirst du das Sternenrad mit gutem Zureden los. Wenn du es ihnen wegnehmen willst, gibt es Zank, und Zank willst du nicht, wenn ganze Planetensysteme auf dem Spiel stehen.«
Rhodan fuhr sich mit beiden Händen durch die Haare. »Dir darf auch keiner zuhören, wenn du über galaktische Politik redest. Aber danke für die Einschätzung. Nur werde ich wohl trotzdem versuchen müssen, den Cairanern ihren roten Knopf wegzunehmen. Gute Worte haben in den vergangenen fünfhundert Jahren jedenfalls nicht viel gebracht.«
»Viel Erfolg«, meinte Gucky. »Willst du dir gewaltsam Zugang zum Sternenrad verschaffen?«
»Falls ich keine andere Möglichkeit sehe, ja.«
»Lass dir vorher von diesem Arkoniden erklären, was bei seinem letzten Versuch passiert ist.«
»Das habe ich vor.« Rhodan streckte dem Ilt die Hand entgegen. »Ich rechne fest mit der arkonidischen Unterstützung für meinen Vorstoß. Bringst du mich auf mein Schiff zurück?«
Gucky griff noch nicht zu. »Hörst du mir überhaupt zu? Die Arkoniden haben sich eine blutige Nase geholt, als sie das Sternenrad angegriffen haben!«
»Und normalerweise stachelt das nur ihren Zorn und ihren Ehrgeiz an«, gab Rhodan zurück. »Also werden sie mir helfen wollen. Den arkonidischen Befehlshaber möchte ich sehen, der es den Cairanern nicht um jeden Preis heimzahlen will.«
Da erst nahm Gucky Rhodans Hand. »Das könnte schneller geschehen, als du glaubst.«
Sie sprangen zur RAS TSCHUBAI.
*
Markul agh Fermi war für die Terraner ein weitgehend unbeschriebenes Blatt. Selbstverständlich verfügte der Nachrichtendienst Ephelegon über umfangreiche Dossiers zu allen Mitgliedern des arkonidischen Oberkommandos. Natürlich nur für den Fall, dass jemand Wichtiges in der Liga Freier Galaktiker mal kurz etwas nachschlagen wollte.
Aber agh Fermi hatte bis vor wenigen Monaten überhaupt nicht zum Flottenkommando gehört. Er war nicht einmal Angehöriger des Hochadels gewesen. Stattdessen hatte er einen unbedeutenden Grenzsicherungsverband befehligt, bis er durch Vorgänge, welche die Liga bislang nicht durchschaut hatte, in den obersten Adelsstand gehievt und zum zweiten Mann der Flotte befördert worden war. Weil sich der erste Mann der Flotte – Atlan – an unbekanntem Ort befand, hatte Rhodan es nun mit einer völlig unbekannten Größe zu tun.
Sein erster Eindruck von agh Fermi war positiv. Er war kräftig, aber nicht übertrieben trainiert, hielt sich gerade, ohne steif zu wirken, und sein Blick war wach und offen. Allerdings wirkte er leider auch misstrauisch.
»Nur zu!«, ermunterte ihn Rhodan. »Du bist nicht der Erste, der sich heute fragt, ob ich wirklich ich bin.«
»Ich gehe davon aus, dass das bereits hinreichend überprüft worden ist«, sagte agh Fermi. »Mich interessiert mehr, was du hier willst.«
»Meine Ziele decken sich mit denen der Arkoniden«, erklärte Rhodan. »Ich möchte, dass das Sternenrad verschwindet.«
»Wie willst du das erreichen?«
Agh Fermi verschwendete keine Zeit, das musste Rhodan ihm lassen. Aber ein wenig mehr Enthusiasmus hatte er sich erhofft. Vielleicht musste er zunächst einmal – wie hatte Gucky das formuliert? – seinen ganzen Charme spielen lassen, um sich die erhoffte Unterstützung zu sichern.
»Ich habe das eine oder andere Mal Dinge geschafft, die nicht ganz einfach waren«, sagte er bescheiden. »Möglicherweise hast du schon mal davon gehört ...«
Agh Fermi brummte ein misslauniges »Hmm«, das so ziemlich alles bedeuten konnte. Der undurchsichtige Arkonide schaffte es tatsächlich, Rhodan zu verunsichern. »Ich ...«
Agh Fermi unterbrach ihn. »Ich habe Geschichten über dich gehört«, sagte er. »Aber das waren eben Geschichten, deren Wahrheitsgehalt bestenfalls zweifelhaft war. Ich glaube beispielsweise nicht, dass du die Staubkerker der Vishna ausgemistet und die doppelköpfige Goedda erwürgt hast. Mach dir daher bitte klar, dass du in meiner Welt eine Sagengestalt bist. Du warst mehrere Jahrhunderte verschollen, und nun tauchst du vor knapp zehn Monaten aus dem Nichts auf. Wer ist dieser Mann wirklich, über den man so viel erzählt? Kann man ihm vertrauen? Welche Geschichten sind wahr?«
»Da kann ich möglicherweise zur Aufklärung beitragen ...«
»Bist du der Mann, der das Schiff seines Konkurrenten Dabrifa heimtückisch sprengen ließ?«
»Nein!« Rhodan war konsterniert. »Wer erzählt das denn?«
»Hast du unter dem Namen Monos die ganze Milchstraße versklavt?«
»Das ist vollkommener Unsinn! Ich ...«
»Hast du einst mit der Technik meines Volkes deine ganze Heimatwelt unterjocht? Hast du ein Loch in die Wüste gebrannt, um den Völkern der Erde einen Frieden zu deinen Bedingungen aufzuzwingen – so wie es heute die Cairaner mit der ganzen Milchstraße tun?«
Rhodan öffnete den Mund und schloss ihn wieder. »Das ist eine böswillige Auslegung«, gestand er schließlich mürrisch, »aber ich fürchte, man kann diese Geschichte so erzählen. Wenn es das ist, was man heute über mich in Erinnerung hat, kann ich dein Misstrauen nachvollziehen.«
»Gut.« Agh Fermi lächelte spontan. »Dann ist wohl geklärt, dass ich nicht einfach bei deinem Plan mitspielen werde. Du wärst übrigens nicht der Erste, der mir heute absonderliche Vorschläge unterbreitet. Ich bin dir zu nichts verpflichtet und, ehrlich gesagt, grundsätzlich skeptisch. Aber Reginald Bull vertraut dir, und die Arkoniden sind Bull nach der Hilfe für Tschirmayn zu Dank verpflichtet. Also bin ich bereit, dich anzuhören. Und jetzt könntest du auf meine Frage antworten: Wie willst du das Sternenrad beseitigen?«
Rhodan verzichtete auf seinen ganzen Charme und beantwortete die Frage nüchtern, nachdem er sich ein weiteres Mal versichert hatte, dass die Cairaner das Gespräch nicht abhören konnten. »Wir haben einen Plan entworfen, der laut unser Schiffssemitronik eine realistische Erfolgschance hat. Den Erfahrungen der arkonidischen Flotte nach lässt sich dem Schirm des Sternenrads von außen nicht beikommen. Es muss also ein Einsatzschiff ins Innere.«
»Wo eine 250.000 Einheiten starke Cairanerflotte steht«, hielt agh Fermi ihm entgegen.
»Das weiß ich«, sagte Rhodan. »Es müsste also eine gut getarnte Einheit sein, was dieses Schiff hier zufällig ist. Aber machen wir nicht den zweiten Schritt vor dem ersten. Erst müssen wir durch eine der cairanischen Lichtschleusen ins Innere.«
Agh Fermi sah ihn abwartend an.
Rhodan seufzte. Dieser Mann machte es ihm nicht leicht.
»Der Plan ist, den Schirm anzugreifen. Ich weiß«, sagte er schnell, als er agh Fermi Luft holen sah, »dass ihr mit dieser Strategie vor Kurzem katastrophale Erfahrungen gemacht habt. Aber mittlerweile ist die Auswertung des Angriffs abgeschlossen. Als das Sternenrad damals eure neununddreißig Einheiten zerstört hat, wurden alle von Projektilen vernichtet, die fünfhundert Kilometer vor ihrem Ziel aus dem Nichts erschienen sind. Wir sind ziemlich sicher, dass es sich dabei um eine technisch bedingte Mindestdistanz handelt. Und das bedeutet: Wenn wir näher als fünfhundert Kilometer an den Weißen Schirm heranfliegen, kann diese Waffe nicht gegen uns eingesetzt werden.«
»Ich ahne, worauf du hinauswillst ...« Agh Fermi klang nicht mehr so feindselig wie zu Anfang ihres Gesprächs. Der Ton war eher nachdenklich.
Rhodan witterte Morgenluft. »Wir attackieren den Weißen Schirm von einer Position aus, an der das Sternenrad selbst uns nicht angreifen kann. Wenn die arkonidische Flotte sich an unsere Seite stellt, haben wir eine gewaltige Feuerkraft. Vielleicht bringen wir den Schirm zum Zusammenbruch. Aber selbst wenn nicht, werden die Cairaner gegen uns vorgehen. Das haben sie zumindest bei früheren Konfrontationen so gehandhabt.«
»Da wir sogar den vereinigten Flotten der Cairaner und Ladhonen, die außerhalb des Sternenrads stehen, überlegen sind«, führte agh Fermi den Gedanken zu Ende, »werden sie Verstärkung aus dem Rad herausschicken müssen.«
»Für ein gut getarntes Schiff«, übernahm Rhodan, »wäre das die günstige Gelegenheit einzudringen.«
Agh Fermi wiegte den Kopf. »Das ist zumindest nicht das Abwegigste, was ich heute gehört habe.«
»Du bist also einverstanden?«
»Das habe ich nicht gesagt. Deine Fünfhundert-Kilometer-Sicherheitszone ist reine Spekulation. Wenn du dich irrst, können wir in Sekunden die komplette Flotte verlieren. Oder das Sternenrad verschwindet einfach und versetzt zur Strafe Zalit und die Hauptwelten aller anderen Baronien in den Leerraum. Du als Mensch hast leicht reden, du riskierst hier nichts. Ich hingegen bin für den Schutz der Vereinigten Baronien zuständig.«
»Darf ich offen sprechen?«, fragte Rhodan.
»Ich bitte darum.«
»Du bist Atlans Stellvertreter. Atlan hätte ...«
»Spekulation. Fakt ist: Die Version von Atlan, mit der ich es zuletzt zu tun hatte, hat den Abschuss von neununddreißig meiner Schiffe und die Versetzung Tschirmayns verursacht. Nimm bitte zur Kenntnis, dass du hier nicht mit einem Lakaien Atlans sprichst, sondern dass ich meine eigenen strategischen Überlegungen anstelle.«
Agh Fermis Ton war ruhiger, als seine harten Worte vermuten ließen. »Dein Plan kann funktionieren. Aber das Risiko für die Baronien ist mir zu hoch. Ich höre dich gerne wieder an, sobald du einen neuen Vorschlag hast.«
Damit beendete er die Verbindung.
»Das hätte besser laufen können«, kommentierte Gucky.
*
Auch das nächste Gespräch gestaltete sich nicht nach Rhodans Wünschen – es fand gar nicht erst statt. Die Funk- und Ortungsstation hatte der cairanischen Konsulin Tainatin zwar signalisiert, dass Rhodan gerne mit ihr sprechen wollte, allerdings noch Vorbereitungszeit benötigte. Nun war Rhodan so weit. Aber die Cairanerin hatte augenscheinlich keine Lust mehr.
Rhodan zuckte mit den Schultern. »Meinetwegen. Den vermeintlich Rangniederen warten zu lassen, ist schließlich keine ganz neue Form der Machtdemonstration. Das gibt uns Zeit, unsere Strategie anzupassen.«
»Anpassen?« Gucky feixte. »Wenn ich dich richtig verstanden habe, hängt dein Plan von der Unterstützung der Arkoniden ab. Ohne sie sind uns die Cairaner und Ladhonen fünf zu eins überlegen, ohne dass sie die Lichtschleuse auch nur einen Millimeter öffnen müssen.«
»Warten wir ab«, sagte Rhodan missmutig, »was die Cairanerin uns zu sagen hat. Sofern sie mit uns spricht. Vielleicht ergibt sich daraus ein Ansatzpunkt. Und bis dahin scannen wir gründlich das System. Vielleicht finden die Ortungsgeräte der RAS etwas Interessantes, das den anderen Flottenschiffen entgangen ist.«
Gut zehn Minuten später war es tatsächlich so weit. Allerdings nicht, weil die RAS TSCHUBAI bislang verborgene Geheimnisse ans Licht gezerrt hätte, sondern weil ein weiteres Raumschiff in den belagerten Sektor einflog. Es materialisierte in 20 Lichtminuten Entfernung und hielt direkt auf die RAS zu.
»Zemina!«, rief Rhodan überrascht, als er die Bauform erkannte. »Kontakt herstellen!«
Anders als die cairanische Konsulin antwortete Zemina Paath sofort. Vor Rhodan baute sich ihr helles Gesicht mit dem kurzen, dunklen Haar und den leuchtend blauen Augen im Holo auf.
»Perry«, sagte sie freundlich. »Ich bin sofort gekommen. Ich möchte dich ins Sternenrad begleiten.«
»Bisher scheint niemand so recht zu glauben, dass ich hineinkomme«, sagte Rhodan trocken. »Danke, dass wenigstens du an mich glaubst.«
Paath lächelte hintergründig. »Ich glaube nicht nur an dich. Ich weiß, dass du es schaffst.«
Es klang wie ein Kompliment, aber Rhodans über Jahrtausende trainierter, innerer Alarmsensor schlug an. »Woher weißt du überhaupt, dass ich hier bin?«
»Der Paau hat mich informiert«, sagte Paath.
»Der Paau«, wiederholte Rhodan. Der eigenartige und vor allem eigenwillige Hightech-Schrankkoffer aus Zemina Paaths Besitz, der die RAS TSCHUBAI auf ihrer Reise ins Galaxien-Geviert begleitet hatte. »Er hat dich die ganze Zeit über alles informiert, was bei uns geschehen ist?«
»Ich weiß Bescheid«, sagte Paath einfach.
»Schön.« Rhodan war nicht glücklich darüber, dass er selbst quasi eine Spionsonde an Bord geholt hatte – auch wenn Paath ihm als Verbündete galt. »Und warum tauchst du nach deiner Solotour genau jetzt wieder auf? Was willst du im Sternenrad?«
»Die Fragmente meines Gehirns finden, die mir geraubt worden sind«, antwortete sie. »Sie sind dort. Zumindest teilweise. Ich spüre es.«
Lit Olwar signalisierte, dass Konsulin Tainatin sich meldete.
»Zemina«, sagte Rhodan, »wir müssen später sprechen. Komm an Bord und ...«
Olwar schüttelte hektisch den Kopf und legte die cairanische Sendung ungefragt ins Akustikfeld. Es war tatsächlich die Konsulin, aber sie wandte sich nicht an die RAS TSCHUBAI, sondern an die cairanischen Augenraumer, die außerhalb des Weißen Schirms kreuzten.
»... eine Thesan!«, hörte Rhodan die zürnende Stimme. »Holt die Verräterin vom Himmel!«
»Unverschlüsselte Übertragung auf allen Kanälen, sofort!«, befahl Rhodan, ohne eine Sekunde zu verlieren. Er sendete schon, bevor die cairanischen Kampfschiffe sich auch nur in Bewegung setzen konnten.
»Zemina Paath ist Gast der Liga Freier Galaktiker«, verkündete er. »Ein Angriff auf sie gilt als Angriff auf die Liga. Ich fordere die Cairaner hiermit auf, die Kampfhandlungen einzustellen und ...«
Er verstummte, als der erste Augenraumer auf das Nashadaan schoss.