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4.

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Trurull stützte die Vorderläufe auf die Balustrade seines Residenzbalkons und blickte über die Stadt. Seine Stadt, auf seiner Welt.

Noch wirkte sie nicht besonders truvaud. Die Eltail, die früheren Herren des Diulusystems, hatten schlanke Türme und feine, schmale Brücken bevorzugt. Aber das Bild würde sich ändern. Truvaud bauten kompakter und wuchtiger. Trurulls Untertanen hatten gerade erst begonnen, sich diese Welt zu eigen zu machen.

»Herr!«

Trurull drehte sich nicht sofort um, als Korsabs Stimme hinter ihm erklang. Macht und Herrschaft zeigten sich in kleinen Gesten. Nicht Trurulls Stellvertreter hatte zu bestimmen, wann er die Aufmerksamkeit seines Torrov erhielt. Diese Entscheidung traf Trurull selbst.

Er wartete einige Augenblicke. Korsab wagte es nicht noch einmal, ihn anzusprechen. Gut.

Huldvoll wandte sich Trurull ihm zu. »Willkommen. Was führt dich zu mir, zu dieser ungewöhnlichen Zeit?«

»Eine Dringlichkeitsnachricht, Herr.« Korsab fühlte sich sichtlich unwohl in seinem Pelz. Die schwarzen Locken glänzten matt, er schwitzte also.

Trurull wusste, wieso: Korsab musste seinen Torrov auf ein vermeintliches Versäumnis hinweisen. Eine heikle Situation, und Trurull hatte nicht vor, ihn aus dem Dilemma zu befreien.

»Aus dem Skiwsystem«, fuhr Korsab fort.

Noch immer reagierte Trurull nicht.

»Sie ist seit heute Morgen ungeöffnet.« Korsabs Stimme näherte sich einem Winseln an.

»Ich weiß«, sagte Trurull leutselig. »Sag mir, Korsab, glaubst du, mir würde so etwas entgehen?«

Sein Stellvertreter wand sich. »Sicherlich nicht, Torrov!«

»Dann ist dir klar, dass ich von der Nachricht weiß.«

»Ich war mir dessen völlig sicher, Herr!«

Trurull zeigte seine Zähne. »Und warum störst du mich dann?«

»Die Pflicht, Herr«, sagte Korsab schnell. »Es gehört zu meinen definierten Pflichten, dich damit zu behelligen. Ich möchte es nicht, doch es gilt, den Unteren ein Beispiel zu sein.«

Trurull schnaubte. Die Pflicht, natürlich. Die Pflicht stand über allem. So zumindest sah es der große Torruval im Heimatsystem, der selbst keine Pflichten kannte, sondern nur Rechte.

So wie Trurull auf Diulu.

»Sehen wir uns an, was Errirare will«, sagte er gönnerhaft.

Korsab entspannte sich. Der Moment der Gefahr war vorüber, Trurull musste seinen Unteren auch Zeiten der Erholung gönnen. Sie durften bloß nie vergessen, wer an der Spitze stand. Sonst würde es ihnen ergehen wie Korsabs Vorgänger, der sich einmal und damit einmal zu oft vergessen hatte.

Sie verließen den Balkon und kehrten in Trurulls Residenzzimmer zurück. Er hatte alles hinausräumen lassen, was an die Eltail hätte erinnern können. Nur die zu hohe Decke wies noch darauf hin, dass der herrschaftliche Raum nicht immer für einen Torrov der Truvaud bestimmt gewesen war.

Trurull platzierte sich an der Arbeitsstation und aktivierte das Kommunikatum. Errirares Nachricht war nicht nur einmal, sondern dreimal gesendet worden. Das überraschte Trurull nun doch. Was mochte geschehen sein, dass der widerliche, eitle Emporkömmling ihn so dringend sprechen wollte? Normalerweise hätte sich Errirare eher einen Lauf durchgenagt, als mit Trurull zu sprechen – was durchaus auf Gegenseitigkeit beruhte.

Das braunfellige Gesicht mit den ungewöhnlich großen Hauern erschien. Die roten Augen zuckten gehetzt nach links und rechts, während Errirare sprach. Wahrscheinlich behielt er irgendwelche Hologramme im Auge.

»Trurull, wir werden angegriffen!«, sagte er schnell. »Vom Heimatsystem kommt keine Hilfe, aber wir brauchen Unterstützung. Ich bitte dich ...« Errirare schloss kurz die Augen. »Ich flehe dich an, steh uns bei!«

Trurull strich sich verblüfft über die Schnauze und spürte die vernarbte Haut seiner rechten Gesichtshälfte, wo kein Fell mehr wuchs. Dieser Satz musste Errirare schwergefallen sein.

»Die Pflicht verlangt es!«, fuhr der Torrov des Skiwsystems fort.

Trurull ließ die Lefzen flattern. Natürlich musste Errirare den Zauber seiner Hilflosigkeit zerstören. Die Pflicht, die Pflicht, immer die verdammte Pflicht.

Er beendete die Übertragung und wandte sich Korsab zu. »Da. Ich habe es mir angesehen. Und nun?«

Sein Stellvertreter wusste, was von ihm erwartet wurde. »Diese lächerliche Figur!«, rief er empört. »Nennt sich einen Torrov und kann nicht einmal gegen diese Skiw bestehen?«

Trurull wartete.

Korsab ereiferte sich weiter. »Das geschieht ihm recht! Ein lächerlicher Feldherr. Das ist nur die richtige Strafe dafür, dass er dein Heldentum infrage gestellt hat!«

Ganz genauso sah Trurull das auch. Nun, nachdem das geklärt war, konnte man sich dem Inhalt von Errirares Hilferuf widmen. Denn leider hatte Trurulls ewiger Konkurrent in einem recht: Es war tatsächlich seine verdammte Pflicht, zu helfen.

»Frag ihn, welche Unterstützung er benötigt«, wies er Korsab an. Er gab seinen Platz frei und winkte seinen Stellvertreter mit einer lustlosen Geste ans Kommunikatum.

Korsab nahm Platz und bearbeitete das Gerät.

Wachsend irritiert, wie es Trurull schien. »Was ist los?«

»Er antwortet nicht.« Erneut versuchte Korsab einige Schaltungen. »Niemand aus dem Skiwsystem antwortet.«

Trurull rempelte Korsab rüde beiseite und probierte es selbst. Aber sein Stellvertreter hatte recht. Von Errirares Kolonie gab es kein Lebenszeichen.

Auf einmal hörte er das Blut durch seine Adern rauschen. Hatte er einen Fehler begangen? Hätte er früher auf Errirares Nachricht reagieren müssen?

Zweifellos hätte er das. Höchste Dringlichkeitsstufe, und er hatte den Hyperfunkruf einen halben Tag lang ignoriert. Wie würde man in der Heimat auf diesen Pflichtverstoß reagieren? Normalerweise gar nicht. Aber wenn auf Skiw wirklich etwas geschehen war?

»Wir kontaktieren Truv!«, entschied er. »Wir ...«

Wieder fühlte er über seine vernarbte Haut. Er brauchte zunächst eine Geschichte. Er musste etwas erfinden. Das war ihm schon vor seiner Verletzung schwergefallen, und inzwischen war es ihm völlig unmöglich. Das dafür nötige Hirnareal hatte zu schweren Schaden davongetragen.

»Ja, Herr«, sagte Korsab ohne Zögern. »Wir hatten eine technische Störung und melden, dass die Kolonie jetzt wieder erreichbar ist. Die Anlagen der Eltail sind tückisch, und sie verursachen immer wieder Fehler, die wir nur dank deines Genies so schnell in den Griff bekommen.«

Trurull betrachtete Korsab misstrauisch. Machte sich sein Stellvertreter über ihn lustig?

Egal, zumindest für den Augenblick. Es gab gerade Wichtigeres.

Er versuchte, die Heimat zu erreichen. Doch auch dorthin bekam er keinen Kontakt. Trurulls Rückenfell stellte sich auf. Was geschah da?

»Ist das Kommunikatum tatsächlich defekt?«, fragte er.

Korsab ließ verblüfft die Lefzen hängen. »Nein!« Auf diese überzeugte Meinung folgte die vorsichtige Einschränkung: »Nicht, dass ich wüsste, jedenfalls.«

Trurull probierte es bei den anderen Kolonien. Kussu antwortete nicht, Kefinga antwortete nicht, Marrab antwortete nicht. Truv und Skiw blieben ebenfalls stumm, auch beim nächsten Versuch.

»Die Anlage ist defekt!«, bellte Trurull seinen Stellvertreter an. »Kümmere dich darum!«

Korsab duckte sich. Ehrerbietig wartete er ab, bis Trurull den Platz für ihn freigab. Dann probierte er einige Schaltungen, ohne den Kopf wieder hervorzustrecken.

Schließlich wandte er sich wieder Trurull zu. Furcht lag in Korsabs Blick, nicht weit entfernt von nackter Angst. »Die Anlage funktioniert.« Korsab musste schwer erschüttert sein, wenn er Trurull offen widersprach. »Ich bekomme Funksendungen aus verschiedenen Systemen, die wir für eine Kolonisierung ins Auge gefasst haben. Wir können die Nachrichten der Urbevölkerung dort problemlos empfangen.«

»Aber nichts von Truv?« Trurull wurde nun ebenfalls nervös, oder besser: Der Grund für seine Nervosität änderte sich. Zuvor hatte er wegen seines Versäumnisses Angst um seine Stellung gehabt. Inzwischen bekam er das Gefühl, dass etwas weitaus Ernsteres und Gefährlicheres passierte.

Noch einmal spielte er Errirares Nachricht ab. Vom Heimatsystem kommt keine Hilfe, hatte der lästige Konkurrent gesagt.

Was bedeutete das? Hatte Errirare mit Truv gesprochen, und sein Hilfsgesuch war abgelehnt worden? Oder hatte er, genau wie nun Trurull, gar nicht erst Kontakt bekommen?

»Können auch unsere anderen Welten angegriffen worden sein?«, fragte Korsab.

»Alle gleichzeitig?« Trurull lachte angesichts dieser Absurdität. »Und sie sollen so überrannt worden sein, dass sie nicht mal um Hilfe rufen konnten? Alle?«

»Nicht alle«, korrigierte Korsab mit unbehaglicher Ruhe. »Errirare hat um Hilfe gerufen, obwohl es das Letzte ist, was er unter normalen Umständen tun würde. Und wir sind nicht überrannt worden.«

Trurull hatte eine unwillkommene Erkenntnis. »Wir sind die einzige Kolonie, deren Besetzung der große Torruval noch nicht bekannt gemacht hat.«

»Weil wir tatsächlich noch Probleme mit der Technik der Eltail haben und bislang keinen vollen Erfolg melden können«, vollendete Korsab den Satz. »Vielleicht haben diese Schwierigkeiten uns gerettet.«

»Das kann nicht sein!«, begehrte Trurull auf. »Das Reich der Truvaud kann nicht an einem Tag fallen! Das ist völlig unmöglich!«

Einen Moment lang waren sie gleichauf gewesen, nun besann sich Korsab wieder auf seine Rolle. Er schwieg und widersprach seinem Torrov nicht. Aber Trurull sah ihm seine Zweifel an.

»Es kann nicht sein!«, bestärkte Trurull die Aussage. »Wir sind die stärksten Kämpfer des Universums. Noch niemand konnte uns etwas entgegensetzen!«

Korsab widersprach nicht, aber er stimmte auch nicht zu.

»Scanne das System!«, befahl Trurull. »Wenn sich auch nur ein Stäubchen im Umfeld von Diulu bewegt, das nicht hierhergehört, will ich es wissen!«

Ergeben schaltete Korsab das Kommunikatum ab und vernetzte die Holokonsole stattdessen mit der planetaren Ortung. Konzentriert arbeitete er sich durch die Statusmeldungen.

»Nichts«, sagte er nach einer Weile. »Wir sind völlig allein.«

Trurull ließ sich erleichtert auf alle viere nieder. »Geh!«, befahl er. »Ich hole dich, wenn wir etwas aus der Heimat hören.«

Die Idee einer Attacke auf alle bekannten Truvaudplaneten war einfach abwegig. Trurull glaubte nur, was er sah – und bisher hatte er noch nie gesehen, wie ein Truvaud eine Schlacht verlor.

Mission SOL 2020 / 1: Ritter des Chaos

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