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Lykien im November 2014 Erster Tag: Montag, 7. November, 3.30 Uhr,
Flughafen Hannover

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Eines Tages liegt er auf dem Tisch, der Prospekt mit den vielen blauen Bildern, mit Traumstränden, alten Gemäuern, Schiffchen auf türkisem Wasser und bezaubernden Landschaften.

"5-Sterne-Rundreise Türkei – zwei Meere – kulturelle Höhepunkte zwischen Mittelmeer und Ägäis" verspricht er und das Ganze nicht für 849, sondern ab 99 Euro.

Keine Flughafenzuschläge und Herr Kronzucker gibt auch noch eine Empfehlung ab.

Nach Lykien soll es gehen, dem anscheinend schönsten Teil der Türkei.

Das liegt, wenn man sich die Türkei als Rechteck vorstellt, unten links.

Die Fotos sind vielversprechend, die günstigste Reise liegt im Dezember und da könnte es dort unten ja noch einigermaßen auszuhalten sein.

Im Prospekt bereits angekündigt ist ein Zusatzpaket von 129 Euro, welches optional erworben werden kann und alle Abendessen sowie Eintrittsgelder beinhaltet.

Die kommen auf den sehr günstigen Reisepreis noch obenauf, wenn man denn will, und kein Reiseleiter muss später durch den dunklen Bus schleichen, um mit gedämpfter Stimme den übermüdeten Reisenden über den Tisch zu ziehen.

Dafür werden geboten so berühmte Orte wie die Nikolausstadt Myra, Fetiye und Ephesus, Aphrodisias und Pamukkale, eine Bootsfahrt mit Schildkrötenstrand ist auch noch drin und ein Blick auf die Türkeikarte zeigt, dass diese Ziele nicht gerade nebeneinander liegen und man doch ganz schön fahren muss, um von einem Ort zum nächsten zu gelangen.

Wollte man das auf eigene Faust machen, könnte man reichlich oft an die Tankstelle fahren und Sprit, so sagt man, ist in der Türkei immens teuer.

Also noch einmal:

Flug, Übernachtung, komplettes Essen, Besichtigungen, Busfahrt, Reiseleiter, Eintrittgsgelder: Das alles für knappe 230 Euro?

Kann eigentlich nicht sein, oder?

Wir sind neugierig geworden und würden jetzt aber doch gern einmal testen, wo genau der Haken ist und auf welche Weise man den blöden deutschen Touristen zu neppen gedenkt.

Ein bisschen Urlaub ist noch übrig geblieben und selbst wenn die Reise eine Katastrophe wird, war sie zumindest mal nicht teuer.

Die schönen blauen Bilder auf dem Prospekt machen Appetit auf Sonne, Wasser und Landschaften, besonders jetzt, wo bei uns die Tage um sechzehn Uhr enden, alles grau und trüb ist und man im Dunkeln zur Arbeit fährt, um abends im gleichen Dunkel wieder nach Hause zu kommen.

Ein paar Tage gehen noch in das Land, ein wenig zögerlich sind wir, die Zweifel der Kollegin tun ihr Übriges, wir überlegen noch ein bisschen, drehen die vier bunten Seiten hin und her, suchen den Haken, können ihn nicht finden und plötzlich, an einem besonders trüben Tag, ist der Hörer in der Hand und die Telefonnummer auf der letzten Seite angewählt.

Eine wunderbar fröhliche und freundliche Stimme weiß sofort, worum es geht, hat auch sogleich die Namen und Geburtsdaten eingetippt, hätte gern noch etwas über Einzel- oder Doppelzimmer gewusst und dann bitte den Reisetermin.

Reisetermin? Ach so, ja, natürlich.

Der Reisetermin.

"Ich muss Ihnen leider sagen, dass die ganz günstigen Termine, also die im Dezember, wo Sie gar keinen Saisonaufschlag haben und die Reise wirklich nur neunundneunzig Euro kostet, alle schon weg sind."

Schon weg sind? Wie geht das denn!

Der Flyer liegt jetzt vielleicht eine Woche auf dem Tisch! Da können doch nicht schon so viele Leute die günstigen Termine weggebucht haben!

Das ist doch Nepp! Das glaubt doch kein Mensch!

"Und die günstigen Novembertermine sind leider auch schon ausgebucht.

Wissen Sie, die Leute, die so etwas öfter machen, die lauern schon richtig auf unsere Prospekte und rufen an, sobald die auf dem Tisch liegen. Es hat sich inzwischen herumgesprochen, dass unsere Angebote wirklich gut sind und man sich nicht geneppt fühlt.

Ich hätte dann noch etwas Anfang November, allerdings haben Sie da einen Saisonzuschlag von achtzig Euro.

Und ohne Sie unter Druck setzen zu wollen, aber auch da habe ich wirklich nur noch begrenzte Kapazitäten."

So spricht die nette Dame und ein kurzer Blick auf die Rückseite des Prospektes zeigt, dass der Oktober noch teurer wird, nämlich 110 Euro Zuzahlung.

Eine schnelle Entscheidung ist gefragt und, das werden wir noch lernen auf dieser Reise, diese schnellen Entscheidungen sind ihr Geld wert.

Langes Nachdenken ist jetzt nicht mehr und die Reise wird gebucht, beginnt am zehnten und endet am siebzehnten November, kostet jetzt pro Person einhundertachtzig (180) Euro plus Ausflugspaket und die Unterlagen werden in zwei Wochen eintreffen, wo dann bitte auch eine Anzahlung von zwanzig Prozent geleistet werden möchte.

"Vielen Dank, dass Sie sich für unsere Reise entschieden haben. Ich wünsche Ihnen eine schöne Zeit!"

Es ist passiert: Wir haben eine Billigreise gebucht!

Nun gut. Ganz so billig ist sie jetzt doch nicht mehr, aber einhundertachtzig Euro für eine Woche Rundreise mit Flug und Hotel durch die süd-westliche Türkei sollte man verknusen können.

Und vielleicht sollten wir jetzt den Prospekt doch noch mal etwas genauer studieren, um mal zu wissen, was noch auf uns zukommt und was auf der anderen Seite dafür geboten wird.

Zweite Seite des Prospektes:

"Wir laden Sie herzlich ein zu einer der beliebtesten Rundreisen der Deutschen!

8 Tage für Sie und Ihre Begleitperson in der wunderschönen Türkei.

Und das wird Ihnen geboten:

- Flug nach Antalya und zurück mit renommierter Fluggesellschaft

- 7 Übernachtungen in ausgewählten 4- und 5-Sterne-Hotels (Landeskategorie)

- 7 x reichhaltiges Frühstücksbuffet

- Rundreise in unseren modernen und klimatisierten Reisebussen

Der Transfer ist geregelt, ein fachausgebildeter, deutschsprechender Reiseführer mit abgeschlosssenem Hochschulstudium steht uns zur Seite und ein kleines Türkeibüchlein ist auch noch drin.

Die Zusatzleistung wurde bereits erwähnt und besteht laut Prospekt aus einem "Kultur- und Genusspaket", alle Eintrittsgelder und Führungen für die Sehenswürdigkeiten lt. Programm und tägliches Abendessen inclusive.

Nun denn. Was fehlt jetzt noch?

Eigentlich nichts mehr, oder?

Wir sind jetzt, Genusspaket eingeschlossen, bei dreihundertzehn Euro angekommen.

Immerhin: 310 Euro für eine Woche mit allem drin – hört sich doch immer noch gut an, auch wenn es von 99 Euro schon ein kleines Stück entfernt ist.

Warten noch an irgendeiner Stelle versteckte Kosten, die wir nicht erkannt haben?

Zumindest der Prospekt hält keine weiteren optionalen Angebote bereit und darum schauen wir einmal auf Seite 3, was uns eigentlich erwartet:

Anreise – Weiterfahrt nach Demre (Nikolausstadt) – Fethiye, Übernachtung in der Gegend, Karien mit Flussfahrt zu den Caretta-Schildkröten, Strand, Übernachtung bei Kusadasi, Ephesus, Aphrodisias, Pamukkale, Denizli, Teppichknüpferei, Taurusgebirge und am Ende wieder Antalya mit einem Rundgang durch die Altstadt.

Das Programm lässt sich sehen, die Reiseunterlagen treffen pünktlich ein, der Abflug verschiebt sich ein wenig und am Ende bekommen wir die Nachricht, dass wir uns bitte rechtzeitig im Flughafen Hannover einfinden möchten, denn der Flug mit SunExpress startet um 03.30 Uhr.

Uiiihhh, das ist hart!

Wenn der Flug um halb vier am Morgen geht, muss man gegen zwei Uhr am Flughafen sein.

Zu der Zeit fährt gar nichts mehr. Kein Zug, keine S-Bahn und außerdem streiken wieder einmal die Lokführer.

Verschiedene Möglichkeiten, nach Hannover zu gelangen, werden im Internet ausgelotet, aber am Ende bleibt die eine Lösung:

Eigenes Auto und Parken im flughafeneigenen Parkhaus.

Für eine Woche kostet das in den günstigeren Regionen fünfzig Euro, aber leider sind wir einen Tag drüber und darum bei sechzig Euro.

Geteilt durch zwei und auf die Reisekosten draufgerechnet sind wir inzwischen bei 340 Euro pro Person.

Ist das jetzt noch eine Billigreise? Oder eigentlich ein ganz normaler Reisepreis?

Im Bekanntenkreis werden bereits wieder Bedenken angemeldet.

"Für den Preis waren wir im letzten Sommer eine Woche auf Kreta, da scheint wenigstens die Sonne und man kann baden.

Im November in die Türkei fliegen! So ein Schwachsinn! Da ist dort doch auch schon Winter.

Also ganz ehrlich mal, billig sieht aber anders aus."

Mag sein, aber jetzt sind wir dabei und lassen die Woche auf uns zukommen.

Wir versuchen, für den Nachtflug ein wenig vorzuschlafen, allein der Körper ist auf Schlaf am frühen Abend nicht eingestellt und will nicht so recht abschalten.

"Ist an Alles gedacht?", geht es andauernd durch den Kopf.

"Warme Sachen, falls es dort kalt wird? Und wenn doch die Sonne scheint? Vielleicht noch eine zweite Ausstattung mit leichter Bekleidung? Wie viele Kilo darf man überhaupt mitnehmen? Bekommt man etwas zu essen unterwegs oder sollten wir einen kleinen Vorrat einpacken? Wie ist das mit dem Handgepäck? Ist die Kamera aufgeladen? Sind die Chips im Gepäck?"

Gegen Mitternacht geben wir auf, verpacken die Koffer im Auto, fahren dick eingemummelt wegen der Novemberkälte zum Flughafen, stellen das Auto in Parkhaus Nummer sechs ab, schnappen unsere Sachen und laufen ungefähr zehn Minuten bis zum Flughafeneingang.

Das ist alles in allem noch recht kommod, in Hannover gibt es ein McDonalds im Flughafen, durchgängig geöffnet, Toiletten wie stets perfekt gereinigt, super Kaffee für wenig Geld und die erste Gelegenheit, schon mal nach Mitreisenden Ausschau zu halten.

Die Vierertruppe dort drüben mit den weißen Haaren, ganz eindeutig nicht mehr in Arbeit stehend, sind die vielleicht dabei?

Die Gruppe mag kein MäcDoof, sondern lässt sich mit selbst geschmierten Broten und gekochten Eiern an einem Tisch mitten im Flughafengelände nieder.

"Noch ein Würstchen, Vati?"

"Nee, lass man."

"Los Wilfried komm, die müssen weg. Ich hab hier auch noch ein Snickers. Ob ich meine Tablette wohl schon mal nehme? Oder erst nachher im Flieger? Ach, ich hab die griffbereit im Portmonee. Kann ich nachher noch nehmen. Ich hab' übrigens noch gekochte Eier hier..."

"Meinfte?"

Vati hat den Mund schon gestopft voll mit Würstchen, aber das Eichen muss hinterher, sonst ist die Tasche zu schwer.

Und so ganz nebenbei erfährt man auch noch, dass am Abend dicke Rippe mit ordentlich Soße auf den Tisch kam...

Nicht etwa, dass gelauscht würde. Das ist nicht erforderlich, denn man kann sich kaum entziehen, so laut müssen unsere Tischnachbarn aus ihrem Leben erzählen.

"Hier ist nochn Brot. Mach noch einer 'n Käsebrot?? Vati, komm..."

Vati streikt. Mutti soll man schön selber essen.

"Ess mal selber", kommandiert er im schönsten schrägen Imperativ.

Mittlerweile hat der Schalter geöffnet und wir stellen uns in die nicht besonders lange Schlange.

Das junge Päärchen dort vorn, ob die wohl mitreisen?

Nein, unwahrscheinlich.

Der Mann sieht mit seinem schwarzen Bart und der glänzenden Glatze nun doch sehr türkisch aus und ist wahrscheinlich auf Heimaturlaub unterwegs.

Oder die zwei Frauen hinter uns, ständig in ihren Handtaschen kramend und irgendetwas suchend? Die vielleicht?

Man weiß es nicht, die Schlange ist auch schnell abgearbeitet, zwei Koffer wandern das Rollband hinunter, das Gewicht hat gepasst und jetzt bleibt noch ausreichend Zeit, sich im Flughafenmarche´ ein dickes belegtes Brötchen mit Kaffee und eine letzte Zigarette vor der Tür zu gönnen.

Alles ganz locker, Hannover ist nicht groß, man gelangt schnell von hier nach dort und bis zum boarding ist noch ein wenig Zeit.

"Die Passagiere von Flug X......... nach Antalya an Flugsteig elf werden aufgefordert, sich an den Abflugschalter zu begeben..."

Ist das schon unser Flug? Kann eigentlich nicht sein, es ist noch recht früh, aber lieber schauen wir mal nach.

Und tatsächlich:

Die Schlange an der Kontrolle ist bereits durchmarschiert, als letzte Passagiere gehen wir an das Band, legen Taschen und Jacken in die Behälter, werden abgepiepst und durchgewunken.

Das Prozedere ist überstanden, ziemlich zeitig nach unseren Erfahrungen mit Flügen und jetzt kann man noch mal schön gemütlich zollfreie Zigaretten und ein Getränk kaufen, Toilette muss auch noch sein...

"Wenn die Herrschaften dann bitte auch mal langsam zur Maschine kämen? Wir würden jetzt gerne starten!"

Wie? Es ist gerade erst 03.15 Uhr. Der Abflug ist doch erst in einer viertel Stunde.

"In einer viertel Stunde sind wir schon in der Luft", erklärt uns eine etwas forsche Dame und meint wahrscheinlich, dass die beiden Penner mal langsam in die Gänge kommen könnten.

So etwas ist uns auch noch nicht passiert, dass auf einem Flughafen gehetzt wird, eher ist man auf stundenlange Verspätungen eingestellt, aber in der Tat sitzen wir kaum in den wieder einmal extrem engen Sitzen von SunExpress, kaum ist angeschnallt, da rollt der Flieger schon rückwärts.

Meine Güte auch, so eine Eile.

Es ist eng, große Menschen haben zu leiden, aber liebenswerterweise rückt die Dame neben uns in die nächste Sitzreihe um, die zum Glück noch frei ist, und ermöglicht uns damit ein einigermaßen komfortables Sitzen, wobei der Komfort wirklich am untersten Ende angesiedelt ist.

Den Kapitän kann man nicht verstehen, Getränke und Essen bezahlt man selber, aber das geht in Ordnung, denn wozu muss man während einer Flugreise, mitten in der Nacht noch dazu, essen und trinken.

Zum Glück ist der Magen mit dem Marche´- Brötchen noch gut gefüllt und nörgelt nicht unnötig herum.

So, es ist vier Uhr in der Nacht und vielleicht ist ja noch ein kleines Schläfchen drin.

Erwarten uns wirklich uralte Klapperbusse und Hotels, wo vielleicht der Wasserhahn nicht funktioniert?

In knapp vier Stunden wissen wir mehr, denn es ist beabsichtigt, pünktlich gegen acht in Antalya zu landen und in der Türkei gehen die Uhren eine Stunde vor.

Bis dahin gelingt das fast Unmögliche:

Wir versinken trotz unverständlichem Geplärre aus dem Lautsprecher und trotz herumfahrender Zigarettenverkäuferinnen in einen kurzen, aber intensiven Schlummer, erwachen einigermaßen ausgeruht durch eine gewisse Unruhe an Bord und werden belohnt mit einem sensationellen Blick aus dem kleinen Kabinenfenster:

Hoch über den Wolken schweben wir und ganz hinten am Horizont macht sich gerade die Sonne daran, in einen neuen Tag zu starten.

Ein phänomenaler Sonnenaufgang bietet sich uns und langsam beginnt der Feuerball, die Wolken von oben zu bescheinen, wodurch der Eindruck erweckt wird, als würden wir geradewegs über einem riesigen Meer von Wattebällen dahinschweben, langsam senkt sich der Flieger immer tiefer hinein in die Watte, sie wird dichter, es ruckelt kurz, wir versinken in dem weißen Gewölk und plötzlich:

Unter uns erscheint das schöne blaue Meer, einzelne Schiffchen mittendrin, man erkennt schon die weißen Schaumkronen und dann liegt plötzlich Antalya unter uns.

Ganz deutlich können wir jetzt die Stadt erkennen mit den langen Landebahnen des Flughafens, die direkt in das Meer zu verschwinden scheinen.

Eine kleine Runde noch mit schräg gelegten Flügeln, von allen Seiten Raunen und Staunen über diesen herrlichen Ausblick und endlich senkt sich der Flieger auf eine der Bahnen, setzt auf, ruckelt kaum, Landung perfekt geglückt, andere, schon wieder startbereite Flieger ziehen vorbei, wir rollen langsam an die Flughafenhalle und schon geht es los.

Gurte klicken, die ersten Menschen stehen auf, schnappen ihr Gepäck, stehen etwas ungeduldig hinter langsameren Mitreisenden, endlich sind auch die so weit und wir werden von einem freundlichen Stewart vorne vor dem Cockpit verabschiedet.

"Auf Wiedersehen, eine schöne Reise noch, Sie werden schönes Wetter haben, viel Spaß..."

"Hosgeldiniz" grüßt uns ein großes Schild um acht Uhr Ortszeit auf dem Flughafen Antalya, gesprochen klingt das "hoschgeldinis" und meint herzlich willkommen.

Willkommen kann sich hier fühlen.

Antalya ist ein Flughafen für Touristen, großzügig, hell, modern und mit einem riesigen Wasserbecken, in dem es sprudelt und rauscht und Urlaubslaune verbreitet.

Die Passkontrolle funktioniert reibungslos, die Kofferabholung ebenfalls, Geld kann man hier bereits am Automaten ziehen, die Toiletten sind sauber und gepflegt und der Ausgang, cikis, deutlich gekennzeichnet.

In kurzer Zeit sind wir durch, stehen plötzlich draußen in der warmen Luft, freuen uns über Palmen und darüber, dass bereits ein Bus bereitsteht und unsere Namen einzeln aufgerufen werden.

"Familie Sowieso bitte hierher, Ehepaar ....... bitte hier in den Bus, ja, das ist Ihr Bus, ja, wir fahren in ungefähr fünfzehn Minuten, selbstverständlich, Sie können noch eine Zigarette rauchen, suchen Sie sich einfach schon mal einen Platz, das Gepäck besorgt der Busfahrer, darum müssen Sie sich nicht kümmern..."

Wir fühlen uns irgendwie komfortabel und gut versorgt, haben keinerlei Stress, müssen uns um nichts kümmern und können einfach mal dastehen, den wedelnden Palmen zuschauen und die laue Morgenluft genießen.

Es riecht ein wenig nach Meer und Sommer und vor allem nach Urlaub.

Wie war das noch mit der Billigreise? Schlechte Busse? Viehtransport? Luftmatratze mitbringen?

In dem Moment auf dem Flughafen von Antalya, im Angesicht der schaukelnden Palmen, dem wirklich sehr komfortablen Reisebus, in den gerade unser Gepäck verladen wird, der angenehm weichen Luft und der Sonne, die langsam anfängt, sich richtig breit zu machen, vergessen wir alle unsere Bedenken und haben schon jetzt das Gefühl, alles richtig gemacht zu haben.

Die Mitreisenden werden noch kurz ins Visier genommen.

Ein paar Jüngere sind dabei, viele Mittelalte und vielleicht ein paar Ältere. Aber irgendwie wirken sie alle belastbar und scheinen sich auf die Reise zu freuen.

Keine sauertöpfischen Mienen zu entdecken und keine Leute, die offensichtlich darauf warten, hier könnte irgend etwas schiefgehen.

Im Gegenteil.

Die Laune ist allgemein gut, ein dynamischer Herr tritt auf uns zu und bittet uns, jetzt doch langsam einzusteigen.

Der Busfahrer sitzt schon auf seinem Platz, wir haben uns ebenfalls eingerichtet und vorne nimmt der dynamische mittelgroße mitteljunge Mann das Mikrofon in die Hand, um uns im Namen der Firma RSD in gut verständlichem Deutsch zu begrüßen.

"Mein Name ist Merdan. M e r d a n! Denken Sie einfach an Mörder, dann merkt es sich vielleicht besser.

Unser Busfahrer heißt Kemal, das ist wirklich typisch türkisch und Sie werden sich das bestimmt gut merken können.

Kemal und ich, wie gesagt, Merdan, wir werden Sie jetzt eine ganze Woche lang begleiten und ich darf Ihnen gleich zu Beginn der Reise die Dinge erklären, die meistens für etwas Missstimmung sorgen.

Sie haben eine Reise gebucht, die den Flug, die Hotels, das Frühstück, den Bus, den Fahrer und mich beinhaltet.

Ich darf Ihnen jetzt erklären, dass wir eine lange Reise durch das Land vor uns haben und wahrscheinlich haben Sie schon gelesen, dass die Ausflüge optional sind.

Sie können jetzt sagen, ich mache alles auf eigene Faust, bitteschön, das können Sie machen, aber ich biete Ihnen im Namen der Reisegesellschaft an, das Paket für 129 Euro zu erwerben, was für Sie alle Eintrittsgelder wie auch ein tägliches Abendessen beinhaltet.

Dazu biete ich Ihnen noch ein Paket für 99 Euro an, das auf der gesamten Strecke für jeden Tag ein Mittagessen für Sie bereithält und ich kann Ihnen sagen, Sie können gern darauf verzichten und versuchen, woanders zu essen.

Wollen Sie wissen, was passiert mit den Menschen, die das Paket nicht buchen? Kein Problem! Sie werden nicht mitkommen und werden vor dem Bus warten, während wir beim Essen sind oder unsere Besichtigungen machen.

Sie können gerne draußen warten, der Bus wird allerdings verschlossen bleiben und erwarten Sie bitte nicht, dass überall dort, wo wir halten werden, auch Restaurants sind, in die Sie gehen können.

Manchmal haben Sie Glück und es gibt eines, aber häufig werden Sie auch keines finden.

Ich weiß, liebe Gäste, Sie werden jetzt sagen, ich muss nicht den ganzen Tag essen und mir reicht das Frühstück. Aber bitte sehen Sie davon ab, morgens im Hotel ein Paket zusammenzupacken und Essen mitzunehmen.

Dann würde ich als Reiseleiter nämlich angesprochen werden, dass das Ehepaar sowieso oder die Familie Sowieso sich Essen eingepackt hat und dann müsste ich Sie ansprechen und so einen Stress wollen wir doch nicht haben.

Ich kann Ihnen aus meiner Erfahrung von sieben Jahren Reisebegleitung für die Firma RSD sagen, dass alle unsere Gäste immer unsere Reisepakete hinzubuchen und damit sehr gut fahren.

Sie können direkt bei mir in Euro bezahlen oder später, falls Sie jetzt diesen Betrag nicht bei sich haben, bei unserem Buchhalter, der zu uns stoßen wird, mit EC-Karte von ihrem Konto abbuchen. Das kostet dann bitteschön fünf Euro extra.

Und, meine lieben Gäste, damit wir uns richtig verstehen, das hier ist eine echte Bildungsreise und wir werden nicht am Meer herumsitzen, sondern früh am Morgen starten und ich werde Sie zu den bedeutenden Stätten unserer lykischen Heimat bringen.

Darum starten wir auch morgen früh um sieben Uhr, was heißt, dass um fünfuhrdreißig geweckt wird, die Koffer bitte um sechs vor die Tür stellen und um sieben fährt der Bus.

Es wird früh dunkel um diese Zeit und wir haben eine lange Strecke vor uns, weshalb wir uns ein wenig an die Gegebenheiten anpassen müssen."

Im Bus wird Geraune laut, das neunundneunzig-Euro-Zusatzpaket hatte man so nicht auf dem Plan, ein wenig bedrohlich wirkt die Ankündigung, man könne ja schließlich neben dem Bus darauf warten, dass alle anderen Mitreisenden mit vollem Magen erscheinen, während man selber Kohldampf schiebt und die Tatsache, dass EC-Karte fünf Euro extra kosten soll, kommt auch nicht gerade gut an.

Jetzt sind wir offensichtlich dort, wo der Fernsehbericht uns haben wollte:

Der deutsche Touri ist hereingefallen auf eine Reise, die auf den ersten Blick erstaunlich billig erscheint, im Endeffekt aber doch ganz schön happig daherkommt.

Es wird gemurrt und geschimpft, allein das interessiert unseren mörderischen Merdan nicht im Geringsten, er scheint die Reaktionen gewöhnt zu sein nach sieben Jahren Erfahrung und so lässt er sich entspannt vorne neben dem Busfahrer nieder, um mit dem ein wenig auf Türkisch zu schwätzen, wahrscheinlich darüber, wie blöd doch immer wieder die Deutschen sind, dass sie aber auch jedes Mal hereinfallen auf Angebote in bunten Prospekten, die so niemals haltbar sind.

Das Gegrummel im Bus wird leiser, offensichtlich findet man sich ab damit, dass die billige Reise sich ein wenig verteuert, ansonsten zieht Antalya vorbei und die Stadt am frühen Morgen ist allemal interessanter als Diskussionen über Geld.

Eine viertel Stunde lässt der freundliche Reiseführer uns Zeit, mit der neuen Situation klarzukommen, dann nimmt er erneut das Mikrofon in die Hand.

"Meine sehr verehrten lieben Gäste, Sie sind schon eine besondere Reisegruppe, denn eigentlich sollten Sie erst heute im Laufe des Tages ankommen.

Jetzt sind Sie schon sehr früh am Morgen in Antalya gelandet und ich kann Ihnen bestätigen, dass das Hotel bereits für Sie bereit ist.

Wir werden jetzt ungefähr eine Stunde fahren und wenn wir ganz großes Glück haben, bekommen Sie sogar noch ein schönes Frühstück im Hotel. Ich werde gleich einmal telefonieren."

Sein Smartphone kommt zum Einsatz, viele türkische Worte fallen und endlich die Ansage:

"So, meine lieben Gäste, ich habe das Hotel erreicht.

Sie können dort frühstücken und sich anschließend selber beschäftigen und morgen früh bitte seien Sie pünktlich zur Abfahrt bereit."

Wir sind bereits eingefangen von der Stadt Antalya am frühen Morgen mit Menschen, die anstehen und auf ihren Bus warten, mit Arbeitern, die die Bäume auf den Mittelstreifen zu pflegen haben, mit Unmengen von Hunden, die ihre Sassen auf dem Mittelstreifen langsam und gähnend verlassen, um sich auf ihren Morgenspaziergang zu begeben und schließlich von dem blauen blauen Meer, das links von uns erscheint.

Gleich dahinter schroffe Gebirgsformationen, die direkt in das Wasser übergehen, die Sonne kommt heraus, links begleiten uns Pinienwälder und immer wieder phantastische Ausblicke.

Antalya bleibt hinter uns, die Küstenstraße liegt vor uns und wir wissen nicht, wo wir an diesem ersten Tag unserer Billigreise landen werden.

Eine halbe Stunde sind wir bestimmt schon unterwegs, immer das Meer zur Linken und Berge zur Rechten und endlich ein Hinweisschild, damit man überhaupt mal weiß, wo man hier ist.

"Kemer – 10 km", lesen wir und plötzlich schwenkt der Bus ein, umrundet einen kleinen Kreisel, an der Straßenecke nehmen wir gerade noch einen kleinen Market wahr mit EFES-Bier und ein paar Meter weiter kommt ein Gebäude in ochsenblutrot in Sicht mit der Aufschrift "Simena Hotel".

Der Bus fährt vor, die Bremsen stöhnen behaglich, wir kommen zum Stillstand, Kemal springt hinaus, Koffer werden entladen, der Hotelboy ist sofort zur Stelle und schnappt sich die Gepäckstücke, die einzelnen Namen werden aufgerufen und Zimmernummern verkündet, weg ist das Gepäck und schon auf dem Weg in das zugewiesene Zimmer, während Merdan gerade noch erklärt, es ist doch nicht ganz so einfach, wir können zwar noch frühstücken, aber nur noch bis zehn Uhr, soll heißen noch ganze zwanzig Minuten lang und das Frühstück kostet dann bitteschön mal eben zwölf Euro pro Person.

Schwupp, das war's und wir sind uns selber überlassen.

Zwölf Euro pro Person für ein Frühstück? Um vielleicht noch einen Kaffee zu schnappen und vom abgegessenen Bufett eine Scheibe Brot zu ergattern?

Nee, so haben wir nicht gewettet.

Bevor Merdan vollends bis zum nächsten Morgen verschwindet, versuchen wir, aus ihm herauszulocken, ob es hier in der Nähe einen Ort oder eine Stadt gibt, wo man vielleicht hinfahren könnte.

"Nein, hier ist nichts in der Nähe. Alles schon zu um diese Zeit. Wir sehen uns morgen früh um sieben."

"Na, da hast du's! Billigreise eben", würde meine Kollegin jetzt sagen, wenn sie mich hier sehen könnte und ein ganz klein bisschen flau wird uns jetzt allerdings auch im Magen.

Nicht nur der zusätzlichen Reisepakete wegen, sondern weil wir eine anstrengende Nacht hinter uns haben und ein Kaffee jetzt genau das Richtige gewesen wäre.

Aber für zwölf Euro pro Person?

Nee, ganz so einfach lassen wir uns aber doch nicht abspeisen. Wir sind nicht zum ersten Mal im Orient und gewöhnlich ist da immer noch etwas drin.

Erst einmal begutachten wir unser Zimmer und sind wirklich positiv überrascht.

Schön groß ist es mit einem riesigen Balkon und ausreichend Sitzmöglichkeiten, Blick auf die umliegenden Berge, das Bad sehr komfortabel, das Gepäck ist auch schon da und jetzt wollen wir doch mal sehen, ob man außer einem zwölf-Euro-Frühstück nicht noch etwas Anderes geboten bekommt.

Das Simena-Hotel ist ein typisches Touristenhotel, es laufen Leute in Badeanzug und Handtuch um den Bauch gewickelt herum, draußen vor dem Hotel stehen Palmen, in einem Karbäuschen sitzen Sicherheitsleute und gleich daneben steht eine Cash-Mashine der Akbank.

Die Akbank, das wissen wir bereits von früheren Türkeibesuchen, ist eine seriöse Bank, man kann hier sowohl Euro als auch türkische Lire ziehen, wir geben einen Betrag von 400 Lire ein, wissen jetzt nicht so ganz genau den Wechselkurs, sind aber ziemlich sicher, dass man mit dem Geld irgendetwas wird anfangen können.

Draußen vor dem Hotel ist ein älteres Ehepaar unterwegs, der Mann schnauft ein wenig, muss sich ausruhen und hat Zeit, unsere Fragen zu beantworten.

"Sie sehen so aus, als würden Sie öfter mal hier Urlaub machen."

"Ja genau! Meine Frau und ich kommen jedes Jahr um diese Zeit hierher. Wissen Sie, jetzt sind die Temperaturen noch angenehm, man kann sogar noch baden und es ist nicht so unverschämt heiß wie im Sommer.

Ich hatte gerade eine Knieoperation und muss mich ein wenig schonen, aber meine Frau da vorne, die kann einfach nicht stillsitzen und wird schon wieder ungeduldig..."

"Dann wissen Sie doch bestimmt, ob es hier in der Umgebung irgendeinen Ort gibt, an dem man mal vernünftig frühstücken kann?"

"Na klar doch! Also hier in der direkten Umgebung ist jetzt alles schon geschlossen.

Da finden Sie nichts mehr. Aber sehen Sie das Plastikhäuschen dort vorne? Das ist die Haltestelle für den Dolmus. Der bringt Sie für einen Euro fünfzig nach Kemer. Zehn Kilometer sind es nach dort und die Stadt ist wirklich ganz reizend. Dort finden Sie alles, was Sie brauchen.

Also meine Frau und ich, wir fahren ja auch gerne mal......"

Weiter kommt er nicht, denn von vorne erscheint ein kleiner Bus, Platz vielleicht für zwanzig Leute, hat reichlich Geschwindigkeit drauf, aber kaum halten wir die Hand nach oben, bremst er, die Tür steht bereits offen, wir steigen ein und versuchen, einen unserer gerade frisch gezogenen 100-Lire-Scheine beim Fahrer loszuwerden.

Kein Interesse, der Fahrer winkt uns durch, Beeilung bitte, kaum dass wir an zwei freien Plätzen angekommen sind, rast er wieder los, wir fallen auf die Sitze, es ist warm und voll im Bus, aber durch zwei offen stehende Türen wird Luft zugeführt.

Weitere Passagiere steigen erst einmal nicht mehr zu, der Bus fährt an nicht enden wollenden Hotelburgen vorbei, alles schon geschlossen zu dieser Zeit, ebenso wie die Geschäfte, die hier im Sommer offensichtlich reichlich vorhanden sind.

Endlich sind alle Hotels passiert und wir biegen ein auf eine große Straße, über der ein Schild verkündet, dass in zehn Kilometern die Stadt Kemer zu erwarten ist.

Na, geht doch. Ein wenig müde sind wir zwar und hungrig auch, aber immerhin bringt uns der Dolmus hoffentlich in eine nicht ganz kleine Stadt, in der wir hoffen dürfen, einen Kaffee und vielleicht noch ein wenig Essen zu finden.

Türkei im November - Wir wagen eine Billigreise

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