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4 Lieber ein Druckmittel als tot

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Sian nutzte die neu gewonnene Freiheit. Viktor hatte Anweisung gegeben sie nicht mehr einzuschließen. Das erlaubte ihr, sich auf dem Berg frei zu bewegen. Also streckte sie vorsichtig ihre Fühler aus. Zuerst war sie über den Berghof geschlendert und arbeitete sich von Gebäude zu Gebäude. Überall begegnete man ihr freundlich. Auf ihre Fragen gab man ihr Antwort. Als sie jedoch durch das Tor den Berghof verlassen wollte, trat ihr einer der jüngeren Krieger in den Weg. Er schüttelte wortlos den Kopf und mit einem Schulterzucken zog sie sich zurück. Insgeheim fragte sie sich, wo Ben war, doch dann wurde ihre Aufmerksamkeit auf zwei Reiter gelenkt, die sich auf den Berg zubewegten.

Unschwer erkannte sie Dogan und Viktor. Sie beobachtete, wie die Männer durch das Tor ritten. Dogan wirkte mürrisch, Viktors Ausdruck wirkte besorgt. Bevor sie sich trennten, wechselten sie einen Blick. Dann schaute Dogan sich suchend um. Eine laute Stille lag plötzlich über dem Berghof.

Keeza, die Frau des Haushofmeisters, hatte Mira unter ihre Fittiche genommen und sie aus ihrem Zimmer gelockt. Als sie Dogans Blick bemerkte, hielt sie inne. Ihr alarmierter Gesichtsausdruck verschreckte Mira.

Als er auf die Frauen zuritt, tat er, wozu Viktor ihn aufgefordert hatte: Er sah sie an! »Verdammt!« dachte er angewidert »VERDAMMTE SCHEISSE!« Seine Silhouette ragte schließlich drohend über ihr auf. Sie wagte kaum, den Blick zu ihm zu heben.

»Wir sollen reden!« brummte er und ab diesem Moment war sie nicht mehr in der Lage ihm zu antworten. Alles, was sie fertig brachte, war ein stummes Nicken. Ohne ein weiteres Wort beugte sich zu ihr herab und griff mit beiden Händen nach ihr. Bevor sie auch nur reagieren konnte, hatte er sie vor sich auf das Pferd gezogen und so positioniert, dass die schnappenden Kiefer des Hengstes sie nicht erreichten.

Stille breitete sich auf dem Berg aus. Dogan wusste, dass sich jedes verdammte Augenpaar auf sie richtete. Er hasste den Gedanken daran! Sie sollten alle zum Teufel gehen! Er wendete seinen Hengst, und in der Mitte des Hofes drehte sich das Tier sich einmal um sich selbst. Mira schrak zusammen, als er brüllte »Habt ihr nichts zu tun?«

Sofort brach rege Geschäftigkeit aus. Jeder bemühte sich, den Blick abzuwenden, und niemand schaute ihnen noch offen hinterher. Dogan spukte aus, als er durch das Tor ritt. Es kostete ihn Mühe, seine Wut zu verstecken. Und diese Wut übertrug sich auf den Hengst. Es kam nicht oft vor, dass Dogan ihm einen zweiten Reiter zumutete. Das Tier hasste Berührungen von Fremden und konnte den Impuls zu bocken kaum verhehlen. Ruppig tänzelte er unter seinen Reitern. Die heftigen Bewegungen führten dazu, dass Dogan Mira fester halten musste, und das wiederum heizte seine Wut noch weiter an.

»So eine verdammte ...«, schimpfte er leise und bei seinen Worten zuckte sie erneut zusammen. Ihre Nervosität gab dem Hengst den Rest und er brach seitlich aus. Dogan musste fest zugreifen um zu verhindern, dass sie herunterrutschte. Er fluchte wieder, diesmal laut, und dann war da dieses Flattern unter seiner Hand. Ganz automatisch bewegte sich seine Hand auf ihrem Bauch. Es war, als ob seine verdammten Finger dem Flattern Antwort gaben.

Instinktiv ahnte Mira in dieser Berührung etwas, das ihr Mut machte. Das war nichts, was er geplant hatte. »Sie fühlt dich« flüsterte sie, den Vorteil nutzend den ihr die Situation verschaffte.

»Was?«

»Sie fühlt dich!«

»Sie?«

»Ja, ... ich glaube ganz fest, dass es ein Mädchen ist!« Und während sie bei dem Gedanken an ihre kleine Tochter lächelte, konnte er nur daran denken, dass er das Kind wenigstens nicht töten musste, wenn sie recht hatte und es ein Mädchen wurde. Und während seine Gedanken dunkler wurden, schwärmte Mira mit strahlenden Augen »Wie ein Schmetterling hat es sich am Anfang angefühlt.« Mit jedem Wort wurde sie sicherer. Für sie war die Schwangerschaft plötzlich die Chance auf eine Verbindung zu ihm »Ganz leicht ist das Gefühl, kaum wahrnehmbar ... und doch ... einfach da!«

Er blieb stumm.

»... dann wurde es schwerer, runder irgendwie ...« Ihr Lächeln wurde breiter »Sie wird mir vertrauter. Von Tag zu Tag ein wenig mehr. Ich ... ich rede mit ihr, wenn ich alleine bin und ich glaube, dass sie mich versteht!«

Sie drehte ihr Köpfchen zu ihm und das Lachen, das sie ihm schenkte, quittierte er mit einem stummen Blick. Schnell wandte sie den Blick wieder ab. Sein ernster Ausdruck stampfte ihre Hoffnung auf eine Verbindung in Grund und Boden. So schnell wie ihre Sicherheit entstanden war, so schnell verschwand sie auch wieder unter diesem dunklen Blick. Mira hatte keine Ahnung, wie sie mit ihm umgehen sollte. Sie schrie leise auf, als der Hengst erneut ausbrach.

»VERDAMMTES MISTVIEH!«, fluchte Dogan laut »Jetzt reicht es!« brummte er und brachte das Tier grob zum Stehen. Sein Arm umfing sie, und mit seinem linken Bein hob er ihr linkes Bein über den mächtigen Hals des Hengstes. Er hielt sie fest und rutschte mit ihr aus dem Sattel, bevor sie kapierte, was er da tat. Unten angekommen verpasste er dem Tier einen derben Schlag auf den Hals noch bevor Mira Boden unter den Füßen hatte.

»Bitte!« fuhr sie dazwischen »Er hat sich doch nur erschrocken!«

Ungnädig blickte Dogan auf sie herab »Das Mistvieh hat sich in seinem ganzen Leben noch nie vor irgendetwas erschrocken!« Wieder maß er diesen winzigen Körper und wieder wollte sie vor Unbehagen am liebsten in Ohnmacht fallen. Instinktiv legte sie die Hände auf ihren Bauch und daran blieb sein Blick hängen. Denn mit dieser Geste wurde ihm bewusst, dass es eine Frage gab, die er stellen sollte.

»Wenn du ...« erst als er anfing, wurde ihm klar, wie bitter die Frage sein würde und er hielt inne, überlegte kurz. Dann stellte er sie anders »Gibt es in deiner Welt jemanden? Familie? Eltern, Geschwister? Freunde?«

»Nein ...,« sie war einigermaßen verwirrt »ich ... ich habe nur Adara und Zac.«

»Niemanden sonst?«

»Nein, ich ... warum?«

Sie folgte seinem Blick auf ihren Bauch und dann dachte sie zu verstehen »Oh, du denkst, sie sollte ihre Großeltern kennenlernen?« Sie lachte verschämt ohne zu bemerken, wie falsch sie mit ihrer Annahme lag. »Nein, meine Mutter ist schon lange tot und meinen Vater kenne ich nicht«. Ein winziges Schulterzucken folgte »Nein, alles woran ich hänge, ist hier ...«

Als Dogan erkannte, wie offensichtlich sie seine Frage missverstand, warf er jedes Bedürfnis sie zu schonen über Bord. »Und wenn dir etwas zustößt?«, fragte er spröde »Was ist dann mit ...« sein Kinn deutete auf ihren Bauch und wieder war da diese beschützende Geste, mit der sie ihren Bauch streichelte. Ihr trotziger Ton strafte ihren ängstlichen Blick Lügen »... dann wird sie niemanden mehr haben außer dir!«

Nun war er der, der zusammenzuckte. Das, was sie da sagte, ging ihm durch Mark und Bein. Schon einmal war ihm eine solche Verantwortung aufgebürdet worden. Damals hatte er sie angenommen und noch heute fühlte er sich ihr verpflichtet, auch wenn es im Moment noch so schmerzhaft war. Raan hatte sogar dieselben Worte benutzt »... dann wird Farq niemanden außer dir mehr haben!«

Mira trat auf der Stelle. Sie hatte noch nie ein so seltsames Gespräch geführt. Es war zäh und die Worte waren ihr unangenehm, doch sie hatte keine Wahl. Also versuchte sie, den riesigen Stier bei den Hörnern zu packen »Du hast mich gewählt« flüsterte sie. Ihre Worte holten ihn aus der Vergangenheit zurück. Überrascht blickte er sie an »Du hast das gehört?«

»Ja,« nun war ihre Stimme nicht mehr als ein Piepsen. »... und ... damit hast du ... du hast ... Verantwortung ... übernommen, oder?« Beide schwiegen für einige Augenblicke. Mira war es schließlich, die das Schweigen unterbrach. Fast unhörbar flüsterte sie »Danke!«

Wütend schloss er die Augen. Sie dankte ihm? HIMMEL! Das wurde immer irrer! Auf sein stures Schweigen hin wagte sie kaum, den Blick zu heben. Sie musste dieses Gespräch am Laufen halten. Also gab sie sich einen Ruck »Du hast unser Leben gerettet, oder nicht? Er wollte uns ...« Hilflos sah er die erste Träne über ihre Wange fließen. So ging das nicht! Er musste klare Verhältnisse schaffen, ihr irgendwie die Wahrheit sagen! Sie war doch nicht um ihretwillen gewählt worden, und schon gar nicht, um sie zu schützen!

Einen Moment lang suchte er nach Worten. Einen weiteren Augenblick zögerte er, dann setzte er an »Hör zu, da gibt es nichts, wofür du mir danken solltest.« Mira schaute in das große Gesicht, das so kühl auf sie herabsah »Das Ganze hat nicht wirklich etwas mit dir zu tun.«, sagte er harsch »Für Farq bist du ein Mittel um von mir etwas zu erpressen, das ich ihm schon lange verweigere. Sian den Tod anzudrohen war ebenfalls nur ein Druckmittel, weil er genau wusste, dass ich fast alles tun würde, um Ben den Verlust dieser Frau zu ersparen. Du bist dabei ...«, es war ihm egal, wie sehr seine Worte Mira verletzen würden »... du bist dabei nur ein Spielstein auf seinem Schachbrett! Wenn es möglich wäre, dass ich Zac schwängere, dann würde er mich in sein Bett zwingen. Also bedanke dich nicht!«

Die Reaktion auf seine Worte sah er sofort in ihren schimmernden Augen. Strafend hielt er den Blick auf ihr Gesicht gerichtet und endlich registrierte er, das sie sich zusammenriss. Ihre Stimme schien etwas stärker zu werden, als sie vor Wut bebend sagte »Trotzdem Danke! Ich bin lieber ein Druckmittel als tot!«

Ah! Seine Worte hatten sie beleidigt! Das gefiel ihm besser als die Tränen. Seine Mundwinkel zuckten, als sie ihn anfuhr »Es kann nicht gut um dich bestellt sein, wenn so ein mickriger Spielstein wie ich dich dazu bringt einzuknicken!«

»Der Punkt geht an dich!« grinste er, dann deutete er auf ihren Bauch »Wie lange noch?«

»Bis zur Geburt?«

Er nickte.

»Wenn sie pünktlich kommt, noch drei Monate ...«

»Gut! Drei Monate sind gut!«

»Warum?«

»Weil uns das Zeit gibt.«

Er sah ihr an, dass sie ihn nicht verstand, und er wusste, dass sie ihn nicht verstehen wollte. Denn trotz ihrer Angst hatte sie einen Plan gefasst. Einen Plan mit Erwartungen, die sie von ihm erfüllt haben wollte. Er mahnte sich zur Ruhe. Sie verstand nicht, was um sie herum geschah. Sie sah nur sich, das Kind und ihn. In ihren Augen versprach er ihr die Sicherheit, die sie so für sich und ihr Kind ersehnte. Sie würde nur schwer verstehen können, wie falsch sie damit lag.

Wieder rollte eine Träne aus ihren großen Augen. Er konnte nur daran denken, um wie viel besser ihr die Wut zu Gesicht gestanden hatte. Doch er atmete tief durch »Mira,« begann er dann »dir ist klar, was Farq von uns erwartet, oder?« Die Augen in dem kleinen Gesicht wandten sich schamhaft ab aber tapfer nickte das Köpfchen. Ihre blonden Locken wippten.

»Du denkst doch nicht, dass das eine gute Idee ist, oder?« Er beobachtete sie genau. Wie mit einem Kind sprach er mit ihr und seine Sinne waren voll aufgedreht. Als sie den Kopf hob und ihn ansah, war ihre Stimme kaum hörbar »... aber wenn er es doch befohlen hat?« Entnervt schloss Dogan die Augen »Mira, sieh her!« forderte er und trat einen Schritt zurück. Sein Blick zwang sie ihn anzusehen. Langsam streckte er sich zu seiner vollen Größe. Er wuchs weiter, als er noch ein paar Mal tief einatmete. Die erste Schlange zeigte sich auf seiner Schulter. Mira schaffte es nicht, seinen dunklen Augen standzuhalten. Von oben blickte er auf sie herab und seine Stimme wurde drohender, während eine zweite Schlange aus seinen Haaren glitt »Sieh mich an!« forderte er erneut.

Sie zwang sich, ihm zu folgen, und langsam glitt ihr Blick an seiner sich verändernden Statur hinauf. Seine Augen waren hinter Schatten verborgen, als er befahl »Sag mir was du siehst!«

»... Schlangen!« wisperte sie.

»Hast du eine Ahnung davon, was es für dich bedeuten würde, wenn wir Farqs Befehl folgten?«

Ihr Köpfchen bewegte sich, es war nicht zu erkennen, ob es ein Zittern oder ein Nicken war. Dann schloss sie die Augen und barg ihr Gesicht in ihren Händen.

»Gut,« dachte er »sie kann mich nicht ansehen. Sie schlottert vor Angst! Das ist ein Anfang!« Er ging vor ihr in die Hocke. Seine Hand griff nach ihrem Kinn und er hob es so an, das sie ihm nicht ausweichen konnte »Er will das ich dir ein Kind verpasse! Das ist alles worum es bei dem ganzen Theater geht! Hör auf, dich in deiner rosa Blase zu verstecken. Mach dir bewusst, was das für dich bedeutet! Es geht ihm nur um ein Kind! Ob du nach der Geburt am Leben bist oder tot, spielt für ihn keine Rolle!«

Und während er die Worte noch aussprach, brach sie in lautes Schluchzen aus. Ihre Tränen fielen auf seine Hand und für einen Moment verschlug es ihm die Sprache. Fast hilflos fuhr er fort »Ich will das alles genauso wenig wie du ...« Seltsamerweise hatte er sie trösten wollen. Es war ein ihm fremdes Gefühl und seine Reaktion überraschte ihn mehr als sie. Und genau deshalb trafen Miras Worte ihn wie eine Ohrfeige »DOCH! ICH WILL DAS! ICH WILL TUN WAS ER SAGT! ICH WILL DAS ...«

Völlig überfahren ließ Dogan ihr Gesicht los und zuckte zurück. Sie sah ihn direkt und er musterte sie sprachlos. Er erkannte Angst ihn ihren Augen - und eine Sturheit, die er ihr nicht zugetraut hatte. Ohne zu verstehen wie das geschehen konnte, fand er sich plötzlich in einer Diskussion mit ihr wieder. »Du hast Adara doch gesehen? Willst du so enden wie sie? Ich ...«

»Bist du wie Farq?«

»Nein!«

»Dann wirst du mich auch nicht ... Du wirst ... auf mich aufpassen!«

»Mira! Ich kann nicht ... du hast ja keine Ahnung, wie ...«

»Er zwingt dich!« unterbrach diese verdammte dünne Stimme ihn immer wieder »Er droht, dir etwas Schlimmes anzutun, wenn du seinem Befehl nicht folgst! Nimm mich zur Frau und lass ihn ins Leere laufen!«

»Was? Ich soll ...? WARUM?«

»Weil ich ... weil ... ich weiß nicht!« Ihr winziges Köpfchen fuhr herum, ihre Schultern zuckten, während sie nach Worten suchte. »Weil ich mich sicher fühle, seit dem ich hier bin! Du wirst mein Baby schützen, wirst auf mich aufpassen! Und ich kann dich schützen! Ich kann tun was er verlangt, und dann bist du frei! Du ...« ihr Atem stockte!

»Ich werde dich umbringen wenn ich ...« er war erschüttert und brach ab, während sie ihm trotzte »Nein, das wirst du nicht!«

»Du hast Adara gesehen, sie hat ...«

»Sie hat sich gewehrt!« In ihre Stimme hatte sich ganz langsam eine abschätzige Kälte geschlichen.

»Er hat sie fast umgebracht!« nun schrie er und sie schrie zurück »Weil sie sich gewehrt hat! Aber ich werde mich nicht wehren! Ich werde tun was nötig ist! Ich werde ...« wieder zuckten die Schultern, weil sie nicht wusste, was sie tun musste. Frustriert schrie sie ihn an »Du wirst mir sagen, was ich tun soll, so dass du nicht böse werden musst! Dann wird alles ganz einfach werden und der ganze Dreck liegt hinter uns! Dann können wir hier leben! In aller Ruhe, du bist weiter sein ... sein ... sein Was-auch-immer! Und ich bin in Sicherheit! Ich bekomme mein Kind! Bekomme unsere Kinder! Ich werde hier glücklich sein dürfen! ICH WILL HIER GLÜCKLICH SEIN!«

Trotzig hatte sie aufgestampft und Dogan stand ohne Worte vor ihr. Er suchte nach Ausflüchten, nach einem Grund, der sie überzeugen musste. Er suchte nach einem Schwert, in das er sich stürzen konnte. Und dann hörte er die Stille in sich hallen: Kein Lachen, kein Fluchen! Nichts drang aus der Dunkelheit nach oben. Es war, als ob die Schwärze den Atem anhielt. Odile schwieg lauernd in der Dunkelheit! Nichts war mehr, wie es sein sollte - alles verschwamm um ihn. Was so einfach sein sollte verkehrte sich ins Gegenteil. Er atmete immer noch tief durch, als sie ihn ansprach ...

»Bitte hör mir zu!« flüsterte sie. Dogan blickte auf sie herab »Mira, du hast keine Ahnung ...«

»Das muss ich auch nicht!«, unterbrach sie ihn und der schneidende Unterton in ihrer Stimme kotzte ihn an. »Ich muss nicht verstehen, warum all das passiert! Das ist deine Sache, nicht meine! Ich ... ich muss nur da sein! Ich muss auf mein Kind aufpassen! Ich muss nur genug Frau sein, dass du ...« Doch dann brach sie ab und schien vor sich selbst erschrocken. Ihre blassen Finger fuhren über ihren Bauch und es war, als ob er zwischen ihren Gliedern einen winzigen Herzschlag wahrnahm.

»Ich hasse Farq!«, stieß sie dann leise aus »Ich hasse, was er dir antut! Ich ...«

Sie hob den kleinen Kopf, ihr Blick suchte ihn »Wie armselig muss er sein, dass er seinen besten Mann so in die Enge treibt!« Sie schwieg einen Moment und er konnte sehen, wie sie ihren ganzen Mut zusammennahm. »Auch wenn es noch so unfair dir gegenüber ist, da ist etwas in meinem Kopf und es sagt ständig: Es ist eine Chance! Dieses neue Leben ist eine Chance! Und dann bewegen sich meine Gedanken. Sie zeigen mir nie, was ich zurücklasse, sie zeigen mir nur, was mich hier erwartet!«

Mit jedem Wort wurde das Licht auf ihrem Gesicht heller. Ihre Augen glänzten, ihre Lippen waren feucht, ihre Zähne klein und wenn sie lächelten, dann schimmerten sie wie Perlen. Doch all das sah Dogan nicht. In seinem Kopf hallte dieser kaum wahrnehmbare kalte Trotz mit dem sie ihn immer weiter trieb. »Ich ... ich sehe dich!«, flüsterte sie jetzt »Ich weiß, dass du mich nicht willst, doch ich ... ich glaube wir könnten es miteinander aushalten, uns aneinander gewöhnen!«

»Du hast keine Ahnung, wovon du da sprichst!«

»Ja, ist schon möglich,« erwiderte sie mit fester Stimme »und das macht mir Angst. Aber so wie es aussieht, nutzt dir das nichts mehr!« Die Kälte in ihrer Stimme war nun mehr als deutlich und er fing an, darauf zu reagieren. So standen sie einander gegenüber. Seine Fäuste waren geballt und für einen winzigen Moment überlegte er, ihr einfach das Genick zu brechen. Doch dann riss er sich zusammen und unternahm einen letzten Versuch, sie abzuwehren. »Solange dein Kind nicht geboren ist, wird er nichts erzwingen! Ich verstehe, was du dir hier erwartest und es gibt genug Krieger, die dir genau das geben würden. Lass mich einen anderen für dich wählen ...«

»Nein!« spuckte sie hervor »Ich will dich! Farq will dich! Und du hast deine Wahl ebenfalls schon getroffen!« Ihre Worte trafen ihn wieder völlig unvorbereitet. Niemals hätte er ihr einen solchen Schachzug zugetraut. Doch sie war eben der perfekte Spielstein geworden in dem Spiel das Odile und Farq um ihn spielten. Und es schien ihr zu gefallen, ihn so ausgeliefert zu sehen.

Nur mit Mühe unterdrückte er den Impuls sie zu schlagen. Lange blickte er schweigend in dieses winzige sture Gesicht und als er sich abwandte, wusste er, dass ihr Tod ihn nicht beschweren würde.

Doch da war auch das, was in ihr war. Winzig, klein - und es begann Verbindung zu ihm aufzunehmen. Herzschlag um Herzschlag ...

Ohne ein weiteres Wort pfiff er den Hengst herbei. Es gab nichts mehr zu sagen. Als das Tier vor ihm stand, sah er sie abwartend an. Schweigend trat sie zu ihm. Mit einem Satz sprang er auf und wieder packte er sie an den Oberarmen und setzte sie vor sich. Einen Moment lang zögerte sie, dann ergriff sie seine Hand und versuchte, sie auf ihren Bauch zu legen. Sie blickte sich nicht zu ihm um. Es war eine besitzergreifende Geste und Dogan hasste sie dafür.

Doch Mira war Ablehnung gewohnt. Sie war gewohnt, dass man ihr nicht zu Füßen lag, und sie verstand instinktiv, dass er unabhängig von Farqs Befehl eine Schwachstelle hatte. Und genau auf dieser Schwachstelle ruhte nun seine Hand.

»Dogan?«

Er antwortete nicht.

»Egal was geschieht,« flüsterte sie »... du musst sie beschützen!«

In seinem Inneren formierte sich ein Sturm, der seine Sicherheit hinwegfegen wollte. Doch die Hand auf ihrem Leib war nicht bereit, sich zu bewegen. Es war, als ob sie sich mehr zu diesem kleinen Wesen zugehörig fühlte als zu ihm. Die Lippen fest zusammengepresst schwieg er, doch sie lächelte, denn seine Hand blieb wo sie war. Sie lag schwer und warm auf ihr. Mira vertraute darauf, dass sie darüber eine Verbindung würde schaffen können.

Es ängstigte sie nun nicht mehr ihn zu berühren. Sie fühlte sich, als ob sie einen Krieg gewonnen hatte. Sie hatte keine Ahnung, wie viel Kraft es den Mann kostete, der Stimme zu trotzen, die in ihm triumphierte. Odile feierte ein Freudenfest in ihrem Kerker und ihr Lachen hieb tiefe Wunden in seine innere Sicherheit. Für ihn fühlte es sich an wie die schlimmste Tracht Prügel, die er je erhalten hatte. Und es gab kein Loch mehr, in das er sich kauern konnte. So hielt er still und steckte Treffer um Treffer ein, während ihm immer klarer wurde, dass es keinen Ausweg gab.

....

In seiner eigenen Hölle gefangen, brachte er sie auf den Berg zurück. Blickte man Mira an, das konnte man sehen, wie sicher sie wirkte. Wie aufrecht sie ihren Kopf hielt. Doch blickte man ihn an, dann war da nichts in seinen Augen! Nichts außer Schwärze! Und die die ihn kannten, fürchteten um das Leben der Frau!

Draggheda - Resignation

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