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Santas Präsente

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Seit gut zwei Stunden saßen die beiden Kinder mit ihren Großeltern im Wintergarten und spielten Monopoly. Obwohl es Kakao und bunte Weihnachtskekse gegeben hatte, waren die beiden unruhig. Ständig quengelten sie und fragten, wann es nun endlich so weit sei. Doch die Großeltern vertrösteten wieder und wieder.

Doch endlich hörten sie das lang ersehnte Klingeln des Glöckchens. Emily und Tim sprangen von der Couch und stürmten ins Wohnzimmer ohne auf das Spielbrett zu achten, das in hohem Bogen vom Tisch auf den Boden fiel. Das Spielgeld war vergessen, die roten Plastikhotels und die Gefängnisecke; jetzt zählten nur noch der festlich geschmückte Weihnachtsbaum und die bunten Geschenke.

„Das Christkind ist da!“, rief Emily erfreut aus und bremste kurz vor der geschlossenen Wohnzimmertür ihren Sprint ab. Tim war vor Freude so außer sich, dass er gar nicht bemerkte, dass seine Schwester vor der Tür stand und krachte geradewegs in sie hinein. „Au! Spinnst du?“, schimpfte sie und funkelte ihn böse an. Doch schon in der nächsten Sekunde waren ihr Schmerz sowie der Ärger vergessen und sie drückte feierlich die Türklinke hinunter. Als sie die hellen Lichter, die bunten Kugeln und die verführerischen Süßigkeiten am Baum sah, blieb sie vor dem Wohnzimmer stehen und hielt mit großen Augen die Luft an. Auch Tim hatte es die Sprache verschlagen und er stand ebenso still wie seine Schwester. Doch schon nach wenigen Sekunden löste sich ihre Starre und sie stürmten laut jubelnd auf den Baum und die darunter liegenden Geschenke zu. Ihre Eltern standen aneinander gekuschelt in der Ecke beim Fenster und beobachteten mit feuchten Augen ihre beiden Sprösslinge. Auch die Großeltern hatten nun das Wohnzimmer erreicht und waren ebenso glücklich. Sie alle hatten den Kleinen ganz offensichtlich so richtig viel Freude bereitet.

„Eine Autorennbahn!“, rief Tim begeistert, als er das rote Papier mit der weißen Schleife vom größten Päckchen riss. „Und noch dazu die mit den Sportwagen!“ Er sprang auf und hüpfte vor Freude im Kreis. Dann ließ er sich wieder auf die Knie fallen um das nächste Paket zu finden, auf dessen Kärtchen sein Name stand.

„Hier Oma, das ist für dich“, sagte er strahlend und überreichte ihr seinen Fund. Dann kramte er weiter und fand ein hellblaues Päckchen mit einer roten Schleife darauf, auf dem sein Name stand. Eilig riss er das Papier auf und jubelte erneut. Er hatte das Handy bekommen, das er sich seit vielen Monaten gewünscht hatte.

Auch Emily stieß immer wieder Freudenschreie aus, weil sie genau jene Geschenke bekommen hatte, die sie sich gewünscht hatte. Als die beiden Kinder die letzten beiden Pakete öffneten, sahen sich die Eltern verdutzt an. Sie hatten diese Geschenke weder gekauft noch eingepackt, doch sie gingen davon aus, dass die Großeltern noch in letzter Minute die Pakete unter den Baum geschmuggelt hatten. Nun waren sie ebenfalls gespannt, welche Geschenke sich darin verbargen.

Ungeduldig warteten sie, bis ihre Kinder die Päckchen aufgerissen und den Inhalt präsentiert hatten. Und sie nickten zustimmend, denn darin befanden sich jeweils ein weihnachtlicher Pullover mit Rudi, dem Weihnachtsrentier auf der Vorderseite. Und seine rote Nase leuchtete hell auf, wenn man sie drückte. Emily und Tim schlüpften aus ihren Pullovern und streiften die neuen über. Sie passten wie angegossen und waren herrlich weich und warm.

„Greif mal, Oma, wie weich mein Pullover ist“, prahlte Timmy und hielt ihr seinen rechten Unterarm hin. Seine Großmutter fühlte die Wolle und lächelte. „Wirklich! So weich wie eine Perserkatze… hoffentlich beginnt der Pullover nicht zu schnurren“, scherzte sie und nahm auf dem breiten Sofa Platz. Ihre beiden Enkel waren ihr ganzes Glück auf dieser Erde.

Großvater setzte sich neben sie und nahm ihre Hand. „Schöne Weihnachten, meine Liebe!“, hauchte er und küsste ihre mit Altersflecken übersäte Hand.

„Iiiiihhhhh!“, rief Timmy angewidert und drehte sich demonstrativ von den beiden weg. „Nehmt Euch doch ein Zimmer!“

Oma und Opa lachten ebenso wie Emily und deren Eltern. Der Weihnachtsfrieden hatte sich über die kleine Familie gelegt und ließ nun alle Herzen im gleichen Rhythmus schlagen.

Nachdem sie zu Tisch gegangen waren stand Emily noch einmal auf und wollte ihren neuen Rudi-Pulli ablegen. „Der ist ganz schön warm, ich schwitze schon darunter. Außerdem möchte ich ihn nicht gleich schmutzig machen“, verkündete sie und packte ihn am Halsausschnitt, um ihn über den Kopf zu ziehen. Doch der Pullover bewegte sich nicht. Sie versuchte es erneut am Halsausschnitt, doch sie zog erfolglos daran herum. Dann nahm sie einen Ärmel, doch auch dieser bewegte sich nicht. Nun wurde sie panisch und riss direkt daran, aber er saß wie mit der Haut verwachsen an ihrem Arm fest. „Mama“, brüllte sie und zog damit die Aufmerksamkeit der ganzen Familie auf sich. „Der geht nicht ab! Der ist an mir festgewachsen!“

Sie strampelte mit den Beinen, sprang im Wohnzimmer herum, riss und zog und wand sich, doch der Pullover bewegte sich keinen Millimeter. Ihr kleines Gesicht hob sich hoch rot von ihrem blonden Haar ab und ihr verzweifelter Ausdruck veranlasste ihre Mutter, ihr Glas fallen zu lassen und zu ihr zu stürmen.

Timmy sah seine Schwester mit großen Augen an, löste sich aber alsbald aus der Starre und wollte seinen Pullover ebenfalls so schnell als möglich los sein. Auch er zog am Halsausschnitt, doch auch sein Pullover ließ sich ebenfalls keinen Millimeter von seinem Körper wegziehen. Er kreischte laut auf, zog wie von Sinnen an verschiedenen Stellen des Pullovers, doch er saß fest, als wäre er an dem kleinen Körper angeschweißt.

Die Großeltern stürzten sich auf ihren Enkel, um ihm bei seinen verzweifelten Versuchen zu helfen, doch auch sie waren machtlos. Die Eltern rissen panisch an Emilys Weihnachtsgeschenk herum, doch auch sie konnten es nicht vom Leib ihrer Tochter ziehen.

Der Großvater rannte daraufhin in die Küche und kam mit einer großen Schere zurück. Vorsichtig versuchte er, sie am Halsausschnitt am Rücken zwischen Timmys Haut und Pullover zu schieben, doch es war unmöglich, auch nur die Spitze einen halben Zentimeter hineinzubringen. Dann versuchte er es an beiden Ärmelöffnungen, doch es war ebenso vergebens.

Die Kinder heulten nun schon lautstark und die Tränen kullerten über ihre bereits dunkelrot verfärbten Gesichter. „Es wird immer heißer!“, rief Timmy verzweifelt. „Und der Pullover wird immer enger. Es tut hier schon richtig weh!“ Er zeigte auf seine Oberarme, die beinahe schon so dünn wie die Unterarme waren. Sein Vater nahm das unschuldige Gesicht in seine Hände, küsste ihn wortlos auf die heiße Stirn und rannte davon. Seine Mutter drückte ihn an sich und begann laut zu weinen.

Der Großvater war mittlerweile wieder in die Küche gestürmt um nach dem schlanksten und schärfsten Messer zu suchen. Damit versuchte er erneut, den Pullover von Timmy zu schneiden. Als dies nicht gelang, schrie er Emily an: „Jetzt hör doch endlich auf zu heulen! Wir tun, was wir können. Komm her, vielleicht kann ich ja deinen Pullover runterschneiden.“

Daraufhin wurde das kleine Mädchen noch nervöser und sie zappelte nur noch herum. Großvater hatte Angst, sie mit dem Messer zu verletzten und klemmte sie deshalb zwischen seinen Beinen ein. Doch auch bei diesem Pullover war der alte Mann der Verlierer.

„Lass mich los!“, kreischte Emily hysterisch. „Ich bekomm’ keine Luft mehr! Und meine Hände tun ganz schrecklich weh! Helft mir doch!“

Die Mutter hob die kleinen Hände ein wenig in die Höhe um sie besser begutachten zu können und tatsächlich waren die Hände beider Kinder fast blutleer, beinahe weiß. Nun wich auch ihr das Blut aus dem Gesicht und sie holte mit ernster Miene ihr Handy vom Esstisch. „Ich rufe den Notarzt an“, flüsterte sie mehr zu sich selbst als zu jemand anderem und wählte 144. Nachdem sie ihren Namen und die Adresse durchgegeben hatte, schrie sie nur ins Telefon, dass die Hände ihrer Kinder gleich absterben würden, legte auf und wählte die Notrufnummer der Feuerwehr. Auch unter der Nummer 122 gab sie nur mit der Bitte, so rasch als möglich zu kommen, Name und Adresse an. „Es geht um Leben oder Tod“, schrie sie noch als Abschluss und warf dann das Handy zur Seite. Dann riss sie zwei Fenster auf und drängte ihre Kinder davor. „Tief einatmen, Hilfe ist unterwegs.“

Wie zum Hohn tanzten zarte Schneeflocken leise vom Himmel und erfreuten die Kinder in der Umgebung an diesem Weihnachtsabend. Doch Tim und Emily nahmen sie nicht wahr. Sie kämpften um ihr Leben während andere Kinder vor die Haustür liefen um die weißen Winterboten mit der Zunge aufzufangen.

In der Zwischenzeit war der Vater aus der Garage zurückgekehrt und hielt eine Blechschere in der Hand. „Damit müsste es gehen“, keuchte er zuversichtlich und setzte sie an der Ärmelöffnung von Timmys Pullover an. Doch auch sie ließ sich keinen Millimeter unter die Wolle schieben. Er fluchte und versuchte an mehreren Stellen mit aller Kraft, die Schere unter das Gewebe zu bringen, doch er war chancenlos. Die Großmutter, die die ganze Zeit über wie eine Salzsäule beim Tisch gestanden hatte, kam nun auf Emily zu und hielt ein brennendes Streichholz an den Pullover. Doch noch ehe sie damit die Fasern berühren konnte, schlug es ihr die Enkeltochter aus der Hand und kreischte: „Nicht anzünden, das … tut … weh!“ Die letzten drei Worte kamen jedoch nicht mehr zusammenhängend, sondern abgehackt, weil sie dazwischen immer wieder nach Luft schnappen musste.

Timmy, der mittlerweile etwas ruhiger geworden war, starrte seine Mutter an. „Ich… bekomme…keine…Luft…mehr“, keuchte er schwerfällig. „Der…Pullover…wird…immer…enger.“ Die letzten beiden Worte waren kaum noch zu vernehmen, so leise hatte das Kind gesprochen. Die Erwachsenen liefen nun heulend im Zimmer herum und wussten nicht, wie sie den Kleinen helfen konnten. Erst als sie die Sirene eines Einsatzwagens hörten, schöpften sie neuen Mut.

Der Großvater lief sofort auf die Straße hinaus, stellte sich mitten auf die Fahrbahn und schwenkte ein weißes Handtuch aus der Küche. „Hierher!“, rief er aufgeregt, „hierher! Wir brauchen Hilfe! Die Kinder ersticken!“

Der Notarzt sprang aus dem Wagen, noch ehe dieser am Straßenrand gehalten hatte und lief ins Haus. Dort fand er die beiden Kinder auf dem Boden liegend nach Luft ringend. Ohne zu zögern öffnete er seine Tasche und holte zwei Beatmungsschläuche heraus, die er ihnen mit geübten Handgriffen in die Kehlen steckte und versuchte, mit einem schwarzen Ballon Luft in die nach Sauerstoff schreienden Lungen zu blasen. Doch so fest er und der Notarztsanitäter die Ballone auch drückten, sie konnten die beiden nicht beatmen. Die Pullover hatten die kleinen Brustkörbe regelrecht eingeschnürt, ja direkt einbetoniert.

Entgeistert sah er die Eltern an, dann zückte er ein Skalpell und versuchte, die Maschen des Pullovers zu durchtrennen. Doch es fühlte sich an, als ob er auf Stein schneiden würde. Die Kinder röchelten indes nur noch und ihre fahlen Gesichter färbten sich langsam blassviolett.

„Herrgott!“, fluchte der Notarzt leise. „Das gibt‘s doch nicht!“ Erneut versuchte er, Luft, dieses Mal mit Sauerstoffzusatz, in die kleinen Lungen zu pressen, doch es war vergebens.

Mittlerweile war auch die Feuerwehr eingetroffen, die ihr Glück mit einer Blechschere, allerdings mit einer großen, hydraulischen, versuchten. Sie legten die Schenkel der Schere an Timmys Oberarm an und hofften, damit die Wolle zerschneiden zu können. Der Motor surrte leise und stetig, jedoch entstand nicht die kleinste Lücke.

Der Notarzt fühlte währenddessen den Puls der Kinder und bekam rote Backen. „Sie werden schwächer, was sollen wir tun?“

Hilflos blickte er in die Runde, sah aber nur in ratlose, verzweifelte Gesichter. Der weitere Versuch, sie zu beatmen schlug ebenso fehl wie jeder weitere seitens der Feuerwehr. Die Eltern sowie die Großeltern schrien, weinten, liefen im Wohnzimmer herum und flehten Gott an, den Kleinen zu helfen.

Doch ihr Flehen war umsonst. Die Pullover wurden enger und enger und die Eltern sowie die Großeltern mussten mitansehen, wie sie die Knochen der Kinder zermalmten. Als eine Rippe nach der anderen brach, knackte es dumpf in den kleinen Brustkörben. Die Wirbel wurden einzeln gequetscht und letztendlich zerbröselten sie wie eine ausgetrocknete Sandburg. Die Augen traten aus den kleinen Höhlen heraus und blickten leblos in die Unendlichkeit des Todes. Die Eltern drückten verzweifelt schreiend die kleinen Körper ihrer Kinder an sich, doch es fühlte sich an, als hätten sie eine mit Beton gefüllte Puppe in den Armen. Die Großeltern saßen dicht an sie gedrängt und hielten die Beinchen ihrer Lieblinge, die nun nie mehr wieder über die Wiese laufen würden. Ihr Schmerz war ebenso groß wie der von Emily und Timmy, ehe sie von den flauschigen Maschen zermalmt wurden.

Bad Santa hatte die ganze Szene vom Anfang an von seinem Schlitten vor dem Fenster aus beobachtet und grinste nun hämisch. „Nun ist es vollbracht“, flüsterte er. „Vielen Dank, meine Lieben. Ihr habt mir ein Schauspiel der Sonderklasse geliefert. Das war ein wirklich besonderes Weihnachtsgeschenk von Euch an mich. Eine größere Freude hättet Ihr mir nicht machen können!“

Schon die ganze Zeit über lag auf seinem rotbäckigen Gesicht ein fieses Lachen. Die Angst, der Schmerz und die Trauer der sechs Tölpel im Wohnzimmer erfüllte sein schwarzes Herz mit Freude. Und er konnte gar nicht verstehen, weshalb seine beiden Rudi-Pullover nur ihm und nicht auch den anderen sehr viel Freude gebracht hatten.

HO HO HO!

Liebe Weihnachtsgrüße von Rudi!

Bad Santa

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