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Daniel Storekjäft und die Liebe

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An der Westküste Norwegens, irgendwo im Strelenland, liegt Björnnäs, eine kleine, einsame Bucht. Ein schiefes, wackliges Holzhaus steht dort, ganz zuunterst am Strande, und dabei, nicht minder schief und baufällig, Scheune und Stall.

Im Häuschen wohnt Daniel Storekjäft, im Stall eine alte Kuh und die braune Mähre, deren Beine steif geworden von zwanzigjähriger Arbeit.

Die Menschen, welche das Strelenland bevölkern, nennt man Strele. Sie sind ein Gemisch von Bauern und Fischern, naiv-listige, treuherzig-verschlagene Menschen. Vertraulich treten sie allen entgegen und reden jeden mit „du“ an, ob er reich oder arm, vornehm oder niedrig sei.

Ihre Streiche und Einfälle haben hier zu Lande, soweit die Menschen zurückdenken können, stets beim andern Volke Anklang gefunden, und manche ihrer Aussagen sind sozusagen sprichwörtlich geworden.

Im allgemeinen nahmen es die Strele genau mit der Wahrheit. Obschon sie einander gern ihre Erlebnisse und Taten, wie früher die alten Achaier und Trojaner, in schöngefärbten Worten mitteilten. Dass sie dabei nicht jede Krümmung vermeiden konnten, ist begreiflich. Doch waren sie eifrig bemüht, sich dabei nicht erwischen und überführen zu lassen.

Die Storekjäfts aber waren seit jeher ein besonderer Schlag. Von Daniels Vater behaupteten die nächsten Nachbarn, mitsamt Pfarrer und Glockner, dass er am Lügen gestorben und an nichts anderem.

Der Emissär Ole Mathiessen schwor noch obendrein, dass der Satan eben dieser Sünde wegen des Alten Seele in Empfang genommen, noch ehe sie die leibliche Hülle recht verlassen. Woher er — der Emissär Ole Mathiessen — dies so genau wusste, das ist nicht leicht zu sagen. Denn des Vorstorbenen einziger Sohn, der Daniel, hatte eine vollkommen andere Meinung. Der schwor nämlich nicht minder hoch und heilig, als der Emissär Ole Mathiessen, dass sein Vater das Nervenfieber gehabt; dazu sei später noch eine ärztliche Behandlung gekommen, — und das habe ihm den Garaus gemacht; sonst nichts.

Daniel Storekjäft war ein hochaufgeschossener Bursch, mit langem Hals und schiefen Schultern. Sein Kopf war ungewöhnlich klein, und man konnte nicht recht verstehen, warum er ihm dennoch tief auf die Brust herabhing.

Er mochte gegen die zwanzig Jahre alt sein.

Vor ein paar Wochen, bei seines Vaters Tod, waren ihm die obenerwähnten Herrlichkeiten von Björnnäs als unbestritten Erbe zugefallen.

Und nun ging er auf Freiers Füssen.

Die Strele sind gottesfürchtige und fromme Leute, bei welchen die Keuschheit eine besonders hochgeschätzte Pflanze ist. Wohl nur darum, weil man sie hier, wie auch anderorts, nur selten finden kann.

Die ganze Gemeinde sah also des Daniels Freierei mit scheelen Augen an, da sie, kundig wie die meisten Frommen in dergleichen Sachen sind, sofort ein unreines Fleischesbegehren dahinter witterten. An etwas anderes dachten sie nicht.

Selbst der Pfarrer, ein sonst milder und freundlicher Mann, der einiges vom Leben kannte, schüttelte verdriesslich sein Haupt. Und der Emissär Ole Mathiessen, der wohl um zehn Jahre älter war als Daniel Storekjäft, dafür aber auch schon sechs Kinder im Haus und sein Eheweib mit dem siebenten beschwängert hatte, — der Emissär Ole Mathiessen also schüttelte nicht nur sein Haupt in sittlicher Entrüstung, sondern auch seine dicken Fäuste und hätte seinem moralischen Unwillen noch mehr Ausdruck verliehen, wenn er ausser Haupt und Fäusten noch andere Dinge zum Schütteln besessen hätte.

Der Emissär Ole Mathiessen war einer der vielen Laienpredikanten, mit welchen dieses Land so überreich gesegnet ist. Gewöhnlich sind diese Apostel des Heiligen Geistes und die legitimen Pfarrherren erbitterte Feinde. Die letzteren behaupten von den ersteren, dass sie mit dem „Wort“ nicht zu praktizieren verständen. Und die ersteren von den letzteren, dass sie brotneidisch seien.

Dem mag sein, wie ihm wolle; eins ist jedoch gewiss, dass nämlich diese Emissäre, oder Sendlinge Gottes, recht merkwürdige Käuze sind.

So Ole Mathiessen.

Der war in seiner Jugend ein gewöhnlicher Bauernbursch, weiter im Lande oben; bis er gegen die Zwanzig ging und flügge ward. Doch da fühlte er sich eines Tags erweckt und berufen, mit dem „Wort“ unter seinen Mitmenschen zu wirken. Wie das so gekommen, darüber vermochte auch er selbst keinen rechten Aufschluss zu geben. Er begnügte sich mit der blanken Tatsache.

Darum gab er also sein mühsames und schmutziges Bauerngewerbe auf, ernährte sich von da ab mit der Frömmigkeit und den Unterstützungen, welche ihm von den Gläubigen zuflossen, — und er stellte sich gut dabei.

Keiner in der ganzen Gemeinde war, wie gesagt, für des Daniel Storekjäfts Liebesbegehren; aber alle dagegen. Der Pfarrer bemühte sich sogar um diese Angelegenheit soweit, dass er den Daniel zu sich bescheiden liess und ihm wegen seiner Jugend riet, von dem unreinen Gedanken wenigstens vorläufig abzulassen. Er könne ihn ja auf spätere Jahre verschieben.

Im Warten liege der Hauptgenuss, so meinte der kundige Mann; je später, desto besser; gar nicht sei halt das beste; aber wenn schon, dann wenigstens zur Ehre Gottes und nicht nur zur verwerflichen Lustbarkeit.

So und ähnlich erläuterte der Pfarrer in väterlich wohlwollender Ermahnung.

Der Daniel hatte zwar recht andächtig zugehört, wie es sich gebührt. Als der geistliche Herr aber endlich schwieg, gab er seinen Gefühlen in diesen Worten Ausdruck:

„Kalt ist’s, wenn du gehst; kalt ist’s, wenn du kommst. Keiner schaut um dich. Du merkst gar nicht, dass du lebst. Der Gaard ist tot und leer. Es muss eine Bäuerin auf den Hof.“

Nur das Weib könne da helfen; das war seine Überzeugung. Bei dieser Überzeugung blieb er, trotzdem ihn der Pastor von neuem beriet und offenkundig anderer Meinung war. Je mehr er auf den Daniel einsprach, desto tiefer liess dieser den Kopf hängen, wie in innerer Zerknirschung. Als er sich zum Gehen wandte, sagt er kein Wort des Widerspruchs.

Kaum aber dass er den Pfarrhof verlassen, ging er in den Nachbarsgehöften auf die Suche.

Das war im Herbst.

Anfänglich wollte dabei freilich nichts herauskommen. Nicht dass gerade alle jungen Mädchen ebenfalls so grosse Abscheu gegen seine Absichten hegten wie die älteren. Aber Daniel war zu sehr verlegen und eckig. Wusste nicht, wie er die Weibsbilder anpacken sollte.

Girka war die erste, an die er sich heranmachte.

Eigentlich hiess sie Girka vom Hügel. Und der Hügel war’s, der Daniel Storekjäft ebenso wohlgefiel wie die Girka selbst. Stand doch gerade dort eines der schönsten Häuser weit und breit. Überdies ging unter den Leuten das Gemunkel, dass der Hügelbauer in seinem schweren Eichenschrank ein dickes Bankbuch verwahrt hatte. Girka aber war die einzige Tochter.

Und ein flinkes, fröhliches Mädchen war sie, obendrein hübsch und tüchtig im Haushalt. Es hiess zwar, dass sie ihr Stumpfnäschen hochtrug und um des Vaters Bankbuch gut Bescheid wusste. Dem Daniel war das einerlei.

Sie stand gerade unter der Haustür, als er über den Hof schritt, und schaute ihm neugierig in die Augen. Jawohl, gerade mitten ins Gesicht schaute sie ihm.

„’n Tag,“ sagte Daniel Storekjäft und kratzte sich dabei unterm Mützenrand.

„’n Tag,“ grüsste sie zurück und lachte, dass man ihre gelben Zähne in ihrer ganzen Grösse sehen konnte.

Voller Neugierde stand sie und wartete. Daniel Storekjäft aber sagte nichts, sondern betrachtete sie nur wohlgefällig.

Girka streifte nachlässig die Ärmel von ihren runden Armen nieder und meinte:

„Willst wohl mit dem Vater reden, du?“

„Ich — nein.“

„Was denn sonst?“

„Hm — dich mag ich wohl leiden, Girka. Weisst noch, als wir zur Schule gingen, in Strömnäs, hab’ ich dir einmal einen Stein an den Kopf geworfen! Denkst noch daran?“

„Darum also bist hergekommen?“ fragte Girka und kräuselte die Lippen.

„Nein. Nicht darum. Es fällt mir nur grad ein jetzt. Hab’ dich schon damals gern gehabt!“

„So — ist das alles? Wenn’s sonst nichts ist, dann hättest dir den weiten Weg wohl sparen können,“ sagte Girka und machte Miene zu gehen.

Da aber trat Daniel Storekjäft ganz nahe an sie heran und flüsterte ihr bedeutungsvoll ins Ohr:

„’s ist mehr, Girka — viel mehr! Ich will dich heiraten. Verstehst du?“

„Was? Du — mich?“ staunte sie und machte dazu ein Gesicht, als hätte sie in einen sauern Apfel gebissen.

„Ja. Ich — dich!“ nickte Daniel. „Warum denn nicht?“

Nun aber lachte die Girka hell auf, so dass es über den ganzen Hof hin hallte und schallte. Mit einem kurzen Rucke drehte sie ihrem Freier den Rücken und schlug ihm die Tür vor der Nase zu.

Jetzt kam das Staunen an Daniel.

„Brr — brr!“ machte er. Genau so, wie wenn er die alte Mähre zu Hause zum Stehen bringen wollte. Dann kratzte er sich wieder hinter den Ohren und meinte halblaut zu sich selbst:

„Sonderbar — sonderbar!“

„Was ist sonderbar?“ fragte ihn der alte Rasmus, der Knecht, der von der Scheune herüber kam.

„Um die Girka hab’ ich gefreit,“ berichtete Daniel.

„Das war nicht übel, du! Und jetzt?“

„Sie hat gelacht und ist davon gerannt.“

„Ja so! Das hat nichts auf sich, weisst du. Die Weiber sind halt so. Musst wiederkommen; vielleicht besinnt sie sich noch.“

Dieser Rat schien Daniel nicht der schlechteste. Er kam also schon nach ein paar Tagen wieder.

Doch diesmal stand nicht die Girka unter der Tür, sondern der Hügelbauer selbst. Und der Hügelbauer war ein stemmiger, grobschnauziger Mensch, mit dem nicht gut Kirschen essen war.

Er nahm den Freier seiner Tochter zu sich in die Grossstube. Hierauf holte er einen gewichtigen Knotenstock hinter dem Ofen hervor, hielt ihn dem Daniel unter die Nase und sagte, mit ruhiger Stimme zwar, aber sehr bedeutungsvoll:

„Hier, einfältiger Bursch du, das soll deine Braut sein! Mit ihr wirst Bekanntschaft machen, falls du mir noch einmal auf den Hof kommst.“

Der Alte hatte ein paar böse, krause Falten auf der Stirn, woraus Daniel Storekjäft schloss, dass es ihm ernst sei mit seinen Worten. Zudem hörte er aus dem Nebenzimmer das Gekicher der Mägde. Auch Girkas Stimme glaubte er zu vernehmen. Die war die lauteste.

„Warum ...?“ wollte er den Hügelbauern fragen.

Der aber liess ihn gar nicht zu Worte kommen, sondern nahm eine dräuende Haltung ein. Darauf ging Daniel.

Im Hofe traf er so von ungefähr auf den alten Rasmus.

„Hast Eile heut,“ meinte der. „Vielleicht hat dir die Girka schon Bescheid gegeben?“

„Man wird nicht so leicht klug aus den Weibern,“ meinte Daniel missmutig. „Aber der Hügelbauer sieht mich, scheint es, nicht gern auf dem Hof.“

Zuversichtlich fügte er dem aber gleich hinzu:

„Aber auf jeden Korb passt ein Deckel. Andere Mütter haben auch Töchter. Die Rechte wird sich schon noch finden, hoffe ich.“

Hierauf drehte er dem Rasmus den Rücken und liess sich nicht mehr auf dem Hügelhof sehen.

Doch am Wege lag ihm der rote Dalegaard; und der war auch nicht übel. Dort war die dunkeläugige Astrid, von der es hiess, sie sei das schönste Mädchen im Kirchspiel. Ohne zu zaudern ging Daniel Storekjäft hinein.

Auch da traf er’s gut. Die schöne Astrid sass am Fenster und stopfte Strümpfe und sie war alleine.

Da die Kunde von Daniels Heiratsgedanken schon seit Wochen von Mund zu Mund ging, ahnte sie den Grund seines Kommens, und ihr Gesicht wurde ein wenig rot, als er sich zu ihr hinsetzte.

„Es ist warm bei euch drin,“ begann Daniel das Gespräch.

Sie sagte: „Ja.“

Dann gab es eine Pause.

Astrid hatte ein sanftes Gemüt. Dass ihre Finger zitterten und dass sie in grosser Verwirrung war, das merkte Daniel bald. Er wurde dadurch um so zuversichtlicher.

„Ich möchte, es wären meine Strümpfe, die du da stopfst,“ hub er wieder an.

Doch da stand Astrid auf und sagte, sie habe in der Küche zu tun.

Daniel blieb lange sitzen und wartete; aber Astrid wollte nicht wiederkommen. Es blieb ihm also Musse genug, über den neuen Handel nachzudenken.

Astrids Eltern waren schon lange gestorben. Sie führte den Haushalt allein mit drei Brüdern. Dem Daniel konnte somit in einem grobschnauzigen Vater keine Gegnerschaft entstehen. Das erfüllte ihn mit Erleichterung. Mit dem Mädchen selbst glaubte er schon ins Reine zu kommen. Er nahm sich auch vor, diesmal nicht so mit der Tür ins Haus zu fallen wie bei der Girka, sondern die Sache fein sachte einzufädeln und auszuspinnen.

Daher beschloss er, als das Mädchen nicht mehr hereinkommen wollte, nach Hause zu gehen. Nur den Kopf steckte er zur Küche hinein und sagte mit dem freundlichsten Tone, den er aufbringen konnte:

„Leb wohl für diesmal! Am Sonnabend komm ich wieder. Musst dich halt ein wenig besser einrichten.“

Wohlgemut und zukunftssicher ging er darauf nach Björnnäs zurück.

Obschon er von Astrids totem Vater nichts zu fürchten brauchte, stimmte dennoch des Daniels Rechnung nicht ganz. Er hatte nämlich die drei Brüder vergessen. Die freuten sich nicht sonderlich, da sie von seinem Besuche im Dalegaard hörten, und nahmen sich vor, ihm seine Absichten gründlich zu verleiden.

Es dämmerte schon stark, als Daniel Storekjäft am Samstagabend zum angekündeten Besuche aufbrach. Als er auf dem Dalegaard eintraf, war es stockfinstere Nacht.

Da er am Heuboden vorbeistolperte, war’s ihm, als rühre sich dort etwas. Und als er stehen blieb, vernahm er’s recht deutlich:

„Bst — bst,“ machte es.

‚Hoho,‘ dachte Daniel bei sich selbst, ‚das ist eine, die’s heiss hat!‘

Ohne sich zu besinnen, ging er hinüber. Aber dort empfingen ihn nicht weiche, runde Mädchenarme; und auch keine Liebkosungen warteten seiner. Vielmehr fielen aus der pechschwarzen Nacht heraus von unsichtbaren, harten Fäusten die Schläge so hageldicht auf seinen Leib, dass er voller Entsetzen aufschrie:

„O du himmlisch Mirakel! Es muss hier wohl ein Irrtum sein. — Ich bin’s ja nur, der Daniel.“

Aber aus der Finsternis heraus antwortete ihm eine Stimme, die nicht Astrids war:

„Gerade du sollst es auch sein, Daniel, Prachtsöhnchen — gerade du!“

Eine zweite Stimme sagte:

„Wirst wohl am Sonnabend wiederkommen, wenn ein so liebes Bräutchen auf dich wartet.“

Und eine dritte Stimme, die tiefste von allen, rief:

„Das nächste Mal soll’s dir noch anders gehen als heut. Nun zeig doch, wie gross deine Liebe ist!“

Und während die drei Stimmen sprachen, regnete es ohne Unterlass Prügel. Daraus schloss Daniel Storekjäft, dass er auf dem Dalegaard ebenso wenig willkommen sei wie beim Hügelbauer. Und schneller noch, als er gekommen, trat er den Heimweg an.

„Weiss der Henker, das hat auch seine Haken und Widerhaken, das Freien. Hätt’ mir nicht gedacht, dass es so schwer hält.“

Am folgenden Sonnabend blieb er zu Hause, weil er seine Liebe zu Astrid nicht gross genug fühlte, um eine weitere Probe zu bestehen. In einem andern Hause aber konnte er sich nicht wohl blicken lassen, da sein Gesicht noch mancherorts blauunterlaufen war und er noch nicht recht aus den Augen sehen konnte.

Am zweiten Sonnabend aber ging er von neuem auf die Suche. Diesmal galt sein Gang der blonden Maria. Aber auch mit ihr wollte es nichts werden. Sie lachte ihn aus, kaum dass er zu sprechen anfing, und sagte ihm gerade ins Gesicht, dass sie nicht die geringste Lust habe, Herrin von Björnnäs zu werden.

Und so ging’s weiter. Bald mit Gelächter und Spott, bald mit bösen Worten und Prügeln wurde sein Werben zurückgewiesen. Obschon er im Laufe des Winters in allen Gehöften einkehrte, wo es heiratsfähige Mädchen gab, war doch keine zu finden, die ihm Gehör schenken wollte.

Erst gegen das Frühjahr zu geriet er an eine, die gerne begriff, wo er hinauswollte und mittat. Das war die Trine von Kraakösund, die Tochter seines einzigen Nachbarn auf drei Meilen. Die war so mager, flach und lang wie der Daniel selbst, ausserdem aber schielte sie noch und lahmte am rechten Beine. Sie hätte dem Alter nach gut seine Mutter sein können.

Auf Kraakösund diente eine pralle Magd. Brita hiess sie; hatte rote Pausbacken und volle Brüste, die bei jedem Schritte verführerisch hüpften.

Die Brita wurde dem Daniel zum Verhängnis.

Wenn er am Sonnabend zur Trine ging, kam er nie am Kuhstall vorbei, in dem er die Brita hantieren und singen hörte.

Es war warm und wohlig im Stall, und die blinde Laterne konnte kaum den Winkel erleuchten, in welchen sie hing. Auf kaum zwei Schritte erstarb ihr Licht zu einem heimlichen Dämmerschein.

Der Daniel strich um die Dienstmagd herum, sobald sie im Dunkeln war.

Zuerst hatte er sie nur so an ihrem Rock gezupft — im Vorbeigehen; fast zufällig, als wär nichts weiter dabei; später an den strohblonden Haaren. Und noch immer war er nicht zufrieden.

Die Brita lachte und tat so, als merke sie nichts. Aber sie merkte etwas.

Und die Trine drängte zur Heirat. In ihre Haare mischten sich schon die ersten lichten Fäden. Da haben die Weiber bekanntlich Eile. Dem Daniel war’s anfänglich ganz recht so.

Er gab der Trine den Ring, den er von seiner Mutter ererbt, und ging zum Pfarrer, dass sie am Sonntag in der Kirche „ausgekündet“ wurden.

Seit diesem Tage aber fühlte sich Daniel Storekjäft nicht mehr wohl.

Denn die strohblonde Brita lachte nicht mehr, als sie von seiner Verlobung Wind bekam. Da er ihr im Stall in die dunklen Winkel folgte, wollte sie’s nicht mehr leiden. Zu seinem masslosen Staunen ward sie zornig bei seinen Liebkosungen und schlug ihm schliesslich, als all ihr Abwehren nichts helfen wollte, den gefüllten Melkkübel über den Kopf, dass die warme Milch zu seinem Hemdkragen hereinfloss und alle Taschen füllte.

Da merkte er, dass die Brita nichts mehr von ihm wissen wollte.

An jenem Sonnabend ging er vom Stall geradewegs nach Hause, ohne seine Braut zu sehen. Und zum erstenmal in seinem Leben konnte er in der Nacht nicht schlafen. Kein Auge voll. Er wälzte sich hin und her, fluchte zuerst und stöhnte hernach.

Am Sonntag stand er gar nicht auf, obschon die Kuh im Stalle muhte und das Ross wieherte.

Und die folgende Nacht war’s noch schlimmer als die erste.

Auf den kleinen, buckligen Wiesen rund ums Höflein lagen hausgrosse Steinblöcke. Der Daniel glaubte nichts anderes, als dass einer derselben auf seiner Brust läge. Ganz flachgedrückt kam er sich vor. Überdies gab es ihm noch alle Augenblicke einen Stich — du heilig Kleinodium — nicht anders, als wenn ein ungespitzter Zaunpfahl durch und durch getrieben würde. Wie das hämmerte und sägte, wie das zog und zerrte! Nicht zum Aushalten war’s.

Das könne nichts anderes sein, als die Lungenentzündung oder die Auszehrung, kam er mit sich selbst ins Reine. Darum stand er am Montagmorgen auf, ging in den Stall, um die Kuh zu melken. Mit der Milch und einer Handvoll Hafermehl kochte er eine Grütze. Die legte er sich auf die Brust und kroch abermals auf seinen Strohsack.

Aber es half nichts — rein gar nichts. Im Gegenteil. Schlimmer und schlimmer werkte und rumorte es in seiner Brust. Er hätte laut aufschreien mögen vor Pein.

Ohne Unterlass plagte ihn der Gedanke, dass ihm die schiefe Trine von Kraakösund am nächsten Sonntag angetraut werden sollte.

In seiner höchsten Seelen- und Leibesnot heizte er den mächtigen Backofen und legte sich darauf. Und schwitzte und schwitzte.

Doch das Übel wollte nicht weichen.

So kämpfte er mit sich selbst die ganze geschlagene Woche lang. Er versuchte alle Mittel und Arzneien, holte sich im nahen Sumpf so viel Blutegel, als er finden konnte, setzte sie auf seine Brust und trank, als auch das nicht helfen wollte, eine halbe Flasche Haaröl, welche seine Mutter vor langen Jahren aus der Stadt mitgebracht hatte.

Es war alles umsonst.

Als aber der Sonnabend wieder gekommen war, zog er seine Festtagskleider an und machte sich auf den Weg nach Kraakösund.

Die Trine eilte ihm, als sie ihn den Berghang herunterkommen sah, entgegen. Nun durfte sie es ja, da sie seinen Ring am Finger trug und der Pfarrer sie von der Kanzel herab als des Daniels Braut ausgerufen.

Aber der Daniel drehte sein Haupt zur Seite, da sie bei ihm angekommen war. Als sie ihn darob zur Rede stellen wollte, schritt er stumm an ihr vorbei und spuckte verächtlich auf den Erdboden.

Ohne sich umzublicken, marschierte er geradewegs auf den Kuhstall los. Diesmal war die Brita doch überrascht, wie sie ihn in seinem sonntäglichen Staat vor sich auftauchen sah. Wusste im Augenblicke nicht, ob sie lachen sollte oder zornig tun.

Der Daniel aber liess ihr gar nicht die nötige Zeit, um einen Entschluss fassen zu können. Er stürzte sich auf sie wie ein wütiger Stier und presste sie mit seinen langen, sehnigen Armen an sich, obschon sie ihn mit den Nägeln blutig kratzte und sich gebärdete wie eine wilde Katze. Er schien davon gar nichts zu merken. Ein unbändig Verlangen war in ihm.

„Dich will ich haben, Brita!“

Wie ein unnatürlicher Schrei kam es keuchend aus seiner Brust. In diesem Schrei aber war etwas, das den Widerstand der Magd überwand. Schlaff liess sie die Arme niedersinken.

„Du bist ja verlobt,“ stammelte sie, „morgen soll eure Hochzeit sein.“

„Dich will ich haben, Brita!“ wiederholte er. „Die andre kann gehn und stehn, wo sie will. Keine andre will ich haben als dich!“

Das hörte die Trine, die ihrem Bräutigam gefolgt und unter die Stalltür getreten war; überdies sah sie die enge Umarmung der beiden. Wut und Scham färbten ihr Gesicht brandrot. Mit einem hastigen Ruck riss sie den goldenen Ring vom Finger und warf ihn dem Paar vor die Füsse.

„So magst den auch dazu haben!“ schrie sie, ging und schlug die Tür hinter sich ins Schloss.

Da wich die Krankheit vom Daniel Storekjäft, da liess er die Brita los und tat einen tiefen Seufzer. Dann suchte er das Ringlein. Dieweil stand die Brita, zupfte an ihrem Fürtuch herum und wusste nicht aus noch ein.

Der Daniel war über sie gekommen wie der Wirbelwind. Und nun wusste sie wieder nicht, ob sie lachen sollte oder zornig tun. Sie rührte sich also nicht, bis der Daniel den Ring gefunden und abermals vor sie hingetreten war.

„Nimm du ihn jetzt!“ sagte er. „Morgen geh ich zum Pfarrer. In zwei Wochen muss Hochzeit sein!“

Wie umgewandelt war da die Brita. Diesmal schlug sie ihre runden Arme um seinen Hals und drückte ihre vollen Lippen auf seinen Mund. Un jetzt stand er, steif wie ein Stock, und war in sichtlicher Verlegenheit.

Aber nachts trafen sie sich jenseits der Mauer, die den Gaard umschloss, in der öden Wildmark, und dann war der Daniel nicht mehr so blöde. Jedoch die Nacht ist heimlich und verschwiegen. Sie verrät die nimmer, die sich ihr anvertrauen.

Als der Daniel gegen den Morgen hin über die Berge und Klüfte Björnnäs zutrollte, pfiff und trällerte er, war leichten Herzens und fühlte von der kaum überstandenen Krankheit rein gar nichts mehr.

Hindernisse

Daniel Storekjäft tat, wie er versprochen. Er ging am Sonntagmorgen schon zum Pfarrer. Der sass in seiner Studierstube und bereitete sich zur Trauung des Paares vor. Er liess den Bräutigam eintreten und empfing ihn freundlich.

„So ist’s recht, mein Sohn! Recht ist’s, dass du noch zu mir kommst. Wahrlich, du stehst vor einem schweren Schritt; vor dem bedeutungsvollsten in deinem Leben. Denn, glaube mir, es ist kein Kinderspiel, sich seine Gefährtin für alle Zeiten auszusuchen.“

So hub der Pfarrer an und setzte sich in seinem Lehnstuhl zurecht, um den jungen Burschen in einer Fahrt mit Ermahnungen und guten Ratschlägen für den Ehestand vorzubereiten.

Andächtig gesenkten Hauptes hörte Daniel Storekjäft zu und war von den Worten der Gottesfurcht und Lebensweisheit offenbar sehr gerührt.

Als der Pfarrer mit dieser Weisheit zu Ende war, schaute er nach der Uhr und stand auf.

„Hättest deine Braut auch mitbringen können. Wär auch für sie gut gewesen,“ sagte er, während er sich den Hut aufsetzte.

Die Kirchenglocken begannen zu läuten, und die Menschen, die bisher unten am Strand in Gruppen beisammen gestanden, bewegten sich langsam zur Kirche herauf.

„Werd sie dann am nächsten Sonntag mitbringen,“ meinte Daniel, ohne von seinem Stuhl aufzustehen. Er räusperte sich umständlich, öffnete mehrmals den Mund. Aber er konnte das rechte Wort nicht finden.

Der Pfarrer legte seine Hand auf die Türklinke.

„Jetzt ist’s Zeit! Deine Braut wartet schon unten vor der Kirchtür, seh’ ich.“

„Was tut sie?“ rief Daniel aufs höchste verwundert und drehte den Kopf nach dem Fenster.

„Salze und brate mich!“ staunte er. „Ja, wahrlich, da steht sie!“

Der Pfarrer aber achtete nicht mehr auf ihn. Er war schon draussen im Hausflur, von dort aus winkte er gebieterisch mit der Hand und verliess das Haus. Erst am Gartentor holte ihn Daniel Storekjäft wieder ein.

„Ach Väterchen!“ säufzte er, „ich will sie ...“

Doch da war der Glockner Aarö zum Pfarrer getreten, hatte ihn auf die Seite gezogen, um ihm im Flüstertone irgendeine wichtige Mitteilung zu machen.

Mehr und mehr Leute kamen herzu; und der Pfarrer schritt mit ihnen davon.

Daniel Storekjäft aber drängte sich mit den Ellbogen aufs neue an ihn heran, zupfte ihn an seinem schwarzen Priestergewand und sagte aufgeregt:

„Väterchen, ich will sie nicht! Ich will sie nicht, hörst du!“

Aber der Pfarrer hörte es nicht. Wenigstens tat er so.

In dichten Haufen umdrängten die Männer den Daniel, blinzelten und schmunzelten ihm vergnüglich zu, schlossen ihn wie mit einer beweglichen Mauer ein und zogen und schoben den merkwürdigen Bräutigam gegen seinen Willen in die Kirche.

Der Glockner Aarö stiess ihn nach der vordersten Bank, die gerade unter der Kanzel stand. Von der andern Seite brachten ein paar Weiber die Trine herbei und drückten sie zur Rechten des verdutzten Daniel nieder. Zur Linken setzte sich der Glockner Aarö. Daniel Storekjäft wollte zwar gleich wieder aufstehen; aber der Glockner hielt ihn mit starker Faust zurück.

Und da begann auch die Gemeinde schon zu singen. Nun erst wagte der Daniel einen Blick nach den Händen seiner ehemaligen Braut zu tun. Er traute seinen Augen nicht; der Ring war wieder an ihrem Finger!

Als der Gesang zu Ende war, fing der Pfarrer zu reden an. Das dauerte eine ganze Stunde lang. Und als er schwieg, kam er von seiner Kanzel herunter und stellte sich hinter den Altar.

Der Glockner Aarö machte der Trine ein Zeichen und puffte den Daniel vor den Seelsorger hin.

Nach einer abermaligen längeren Rede, in welcher der Pfarrer vom Ehestand im allgemeinen sprach und das Brautpaar im besonderen auf seine Pflichten darin aufmerksam machte, begann er mit der eigentlichen Kopulierung, wie sie das Gesetz vorschreibt.

Eine grosse Feierlichkeit war über die ganze Gemeinde gekommen. Ein paar alte Weiber hatten ihre bunten Taschentücher gezückt und trockneten sich die nassen Augen; wie das bei dergleichen Anlässen zu geschehen pflegt.

Der Pfarrer verrichtete seine schwierige Funktion mit viel Würde und Verstand und alles ging glatt vonstatten. Bis zum Augenblicke, da er die Frage an den Bräutigam richtete:

„Daniel Storekjäft von Björnnäs, willst du heute die Trine von Kraakösund als dein rechtmässig Eheweib haben, sie alle Zeit lieben und achten?“

Ein Puff Aarös belehrte den Daniel, dass er antworten solle. Aber er antwortete nicht. Darum musste der Pfarrer seine Frage wiederholen. Auf Aarös erneutes Puffen schaute Daniel zum Pfarrer auf und fragte zurück:

„Willst du sie haben, Väterchen?“

Der Glockner Aarö flüsterte da dem Daniel ins Ohr:

„Musst ‚ja‘ sagen, du Dummerian!“

Nun aber wandte sich Daniel Storekjäft an den Glockner und fragte:

„Willst vielleicht du sie haben?“

„Nein,“ erklärte Aarö in erregtem Flüstertone, „ich will sie nicht und der Pfarrer will sie nicht. Er muss nur so fragen, verstehst du!“

„Ei der Henker auch!“ rief da Daniel Storekjäft so laut, dass es alle hören konnten. „Also keiner von euch will sie haben! Ja dann — bei meiner Seele — will ich sie auch nicht!“

Damit drehte er sich um und verliess die Kirche.

Jetzt, nachdem der Bräutigam auf diese Weise abhanden gekommen, war’s natürlich vorbei mit der Trauung. Die Gemeinde, samt Pfarrer und Glockner, verliessen die Kirche ebenfalls und nahmen die Trine mit.

Zur nicht geringen Verwunderung des Pastors aber fand er Daniel Storekjäft in seiner Studierstube sitzen, als er zu Hause ankam.

„Ich will die Trine nicht haben!“ rief der seinem Seelenhirt zu. „Aber die Brita will ich haben, Väterchen!“

Ein paar Minuten lang machte der Pfarrer ganz glasige Augen vor purer Verwunderung.

„Was?!“ rief er dann, als hätte er nicht recht verstanden.

„Die Brita, Väterchen — die Brita will ich!“ wiederholte Daniel Storekjäft und erzählte in ausführlicher Weise von seiner Krankheit und Genesung.

„Aus dem wird nichts!“ donnerte der Pfarrer, als Daniel Storekjäft schwieg. „Bist wohl verrückt geworden! Freist um die Trine, gibst ihr Ring und Versprechen — und jetzt willst ihre Magd, die Brita, heiraten. Das geht nicht, sag ich dir!“

„Doch, doch, es geht, Väterchen,“ meinte der junge Bursch zuversichtlich. „Gib mir nur die Brita, Väterchen, dann wird’s schon gut gehn.“

„Die Trine wär für dich Sausewind die rechte gewesen,“ ereiferte sich der Pfarrer. „Die hätt’ dir blutjungem Schnaufer den rechten Weg in der Ehe weisen können, die war in gesetztem Alter; hätt’ dir den Kopf zurecht setzen können.“

„O, die Brita kann’s auch! Meiner Seel, die kann’s auch!“ beteuerte Daniel und machte als Beweis den Pfarrer auf sein blutunterlaufenes Gesicht aufmerksam.

Sie stritten eine geraume Weile hin und her, bis der Pfarrer merkte, dass all sein Mühen erfolglos bleiben würde.

„Die Brita ist ja nicht von unserm Kirchspiel. Hast wenigstens ein paar Wochen Zeit, bis ihre Papiere in Ordnung sind. Kannst dir’s also noch gründlich überlegen.“

So sprach der schlaue Pfarrer und dachte im geheimen die Verkopulierung der beiden gründlich in die Länge zu ziehen, um ihnen die Sache zu verleiden.

Aber schon am nächsten Sonntag fragte der Daniel, der dem Pfarrer bei der Kirche auflauerte:

„Väterchen, wie steht’s mit den Papieren?“

Der Pfarrer schüttelte nur unwirsch den Kopf und liess den Burschen stehen.

Am folgenden Sonntag war der Daniel wieder da — nun hatte offenkundig er Eile — und fragte ungeduldig:

„Sind sie da, Väterchen, die Papiere? Ich hab’ zu Hause den Boden gefegt und neues Stroh ins Bett gefüllt. Alles ist in Ordnung.“

Aber der Pfarrer schüttelte nur wieder unwillig sein Haupt.

Und als der Pfarrer auch am dritten Sonntage dasselbe tat, da trat ihm der Daniel ganz nahe.

„Väterchen,“ hub er in vertrauensvollem Flüstertone an, „Väterchen, ich will dir nun sagen, dass ich nur noch bis zum Sonntag warte — länger wart ich nicht — magst’s mit den Papieren halten, wie du willst. Ich brauch sie nicht. Nehm die Brita so, wie sie ist.“

Und das half.

Denn der Pfarrer wollte nicht, dass der Daniel Storekjäft und die Brita ein unmoralisch Leben miteinander führen sollten. Deshalb brachte er die Papiere in Ordnung und erklärte sich bereit, sie einzusegnen.

Eine Woche später war der Daniel Ehemann. Und es entstand also kein öffentlich Ärgernis.

Aber am selben Sonntag verkündete der Pfarrer von der Kanzel herab die Verlobung der Trine von Kraakösund mit dem Knut Knutsen, dem Knecht, der schon bald zwei Generationen auf dem Gaard gedient hatte.

Somit war diese heikle und verwickelte Angelegenheit zu allseitiger Befriedigung geregelt.

„Sie hat gleich einen andern gefunden, die Trine!“ sagte der Glockner Aarö zum Daniel, als der mit der Brita am Arm die Kirche verliess, und zwinkerte mit den Augen.

Daniel Storekjäft aber zwinkerte ebenfalls mit den Augen und gab zurück:

„Nur in der Wut, Aarö, nur in der Wut!“

Was nun?

Nachdem Daniel Storekjäft einen Monat Ehemann gewesen, war ihm recht wunderlich zumute.

Das Weib hatte er bis dahin nur aus der Ferne gesehn. Seine Mutter hatte er nie recht gekannt, die war früh gestorben. Solang er zurück denken konnte, war auf Björnnäs kein Weibsbild gewesen.

Seine Ehefrau, die Brita, kam ihm deshalb vor wie ein fremdländisch Tier, das lange Haare hatte, einen seltsamen, weissen Leib und eine Zunge, die nimmer ruhen konnte.

Anfänglich gefiel sie ihm wohl, besonders die ersten paar Tage.

Aber dann kam ihn, ganz langsam und allmählich, ein grosses Wundern an; am besten mit dem Staunen des kleinen Kindes vergleichbar, das seine Puppe zerrissen und darin nur Sägespäne vorfindet.

Von der Ehe hatte er viel erwartet — was, wusste er nicht so genau. Aber jetzt war alles anders gekommen.

Bald wusste er nicht mehr, ob ihm die Brita ein Glück sei oder ein Übel.

Besonders ihre Zunge, die war ihm in dieser Zeit zum Ärgernis geworden. Vom ersten Tagesgrauen bis in die finstere Nacht hinein war das ein Gezetter und Geschmetter, dass ihm davon ganz wirr wurde im Kopf.

Stundenlang konnte er schweigend zuhören, wenn sie sich ob jedem Pappenstiel ereiferte, als ginge ihn die Sache nichts an. Darob ärgerte sich die Brita. Gab er aber Antwort auf das Gezänke, dann war das erst recht Wasser auf ihre Mühle.

Es sah so aus, als hätte sie ungefähr dieselbe Ansicht und Meinung von ihm gewonnen, wie er von ihr. Auch sie schien keine sonderliche Freude mehr an ihm zu haben.

Und was noch das schlimmste war von allem, die Brita hiess ihn dies tun und jenes, schalt ihn Dummrian, wenn er’s tat, und Taugenichts, wenn er’s nicht tat.

Er merkte zu seinem Ärger und Schreck, wie ihm die Herrschaft von Björnnäs Stück um Stück aus den Fingern entschlüpfte. Nirgends war er mehr zu Hause. Alles ging nach ihrem Kopfe; gerade so, als ob er nicht der rechtmässige Herr und Meister von Björnnäs gewesen.

Die Brita tummelte ihn herum, dass es eine Art hatte. Kaum eine Stunde den Tag rund konnte er schliesslich an ihr noch eine Freude haben — die andern dreiundzwanzig wurde sie ihm zur Plage.

Mit einem Gemisch von Neugierde und Unwillen erwartete er von Tag zu Tag, dass die Brita sich endlich geben würde, dass das Schnellfeuer ihrer Zunge zum Schweigen käme und sie die Umarmung von damals im Kuhstall auf Kraakösund, nach der er sich zuweilen sehnte, wiederhole.

Aber er wartete umsonst. Die Brita schaltete und waltete nach ihrem Willen und fragte ihn nicht nach seiner Meinung. Und alle Zärtlichkeit schien sie für immer vergessen zu haben.

Das Leben auf Björnnäs wurde ihm unerträglich.

Eines Mittags — er hatte den ganzen Morgen auf der Wiese ums Haus gearbeitet, Steine von dort fortgeschafft — kam er hungrig heim. Die Brita hantierte am Feuerherd. Aber weil das Essen noch nicht fertig war, entwickelte sich alsbald zwischen ihnen ein hitzig Wortgefecht.

Und dabei verlor der Daniel zum erstenmal seine Ruhe. Er hob das umfangreiche Wasserfass in die Höhe und überschüttete mit dessen Inhalt sein Weib, so dass ihr für ein paar Minuten tatsächlich der Atem ausging und die Sprache versagte.

Doch während er noch voller Verwunderung stand, und wartete, kam die Brita wieder zu sich. Sie bewaffnete sich mit einem Holzscheit und rückte dem Daniel damit auf den Leib. Der fühlte sich aber nicht stark genug, dieser Attacke die Spitze zu bieten, daher trat er sofort einen geordneten Rückzug an.

Und dann wagte er sich nicht mehr ins Haus zurück.

Darum ging er zum Pfarrer.

„Väterchen,“ sagte er, „das Weib, das du mir angetraut hast, ist der leibhaftige Höllengeist! Mit ihr zu leben ist mir unmöglich. Nimm sie wieder von mir, Väterchen!“

Alles, was sich zwischen ihm und ihr zugetragen, erzählte er dem Pfarrer haarklein und erbat dessen Beistand in seiner Not.

Der meinte, eingedenk der eigenen Erfahrungen im Ehestand:

„Trag dein Joch mit Geduld, Daniel! Das Leben ist nicht immer licht und leicht. Sei sanftmütig und nachgiebig und sammle feurige Kohlen auf ihrem Haupt.“

„Nein, nein,“ wehrte Daniel voller Schreck, „ich hab’s heute mit Wasser probiert, Väterchen. Aber das hilft nichts. Nimm sie wieder von mir!“

Der Pfarrer sann eine Zeitlang nach. Zum Schlusse meinte er:

„Schick sie morgen zu mir.“

Erleichterten Herzens ging Daniel nach Hause. Aber spät in der Nacht erst, als das Licht in der Stube erloschen, traute er sich hinein. Die Brita schlief noch nicht und begann ihn gleich aus vollem Halse zu schmähen. Der Daniel jedoch überschrie sie.

„Jetzt lass mich einmal reden!“ rief er. „Erst musst wissen, dass ich mir höheren Beistand geholt. Beim Pfarrer war ich! Mit ihm hab’ ich über dich gesprochen. Meiner Seel, das hab’ ich.“

Da stutzte sie doch.

„Und was hat er gesagt, der Pfarrer?“ fragte sie etwas unsicher.

„Morgen sollst zu ihm kommen, dann magst es von ihm selbst hören.“

Die Brita ging des andern Tags zum Pfarrer und kam nicht mehr zurück.

Als er wieder allein war, wähnte sich der Daniel im Himmel. Jeder Winkel seines Höfleins schien ihm voller Herrlichkeiten — wenigstens am ersten Tag. Am zweiten achtete er auf die Ruhe um ihn her nicht sonderlich.

Noch war keine Woche verflossen, so kam er sich allein und vereinsamt vor. Die stummen Wände am Tag wurden ihm mehr als je unerträglich, und nachts suchte er auf dem Lager neben sich das Weib, das er verschmäht und von sich gestossen hatte.

Und immer unerträglicher wurden ihm die stummen Wände mit jedem Tag, der ging. Und immer sehnsüchtiger suchte er, in jeder Nacht, die kam, das Weib neben sich auf dem Lager.

Wieder begann da der böse Wurm an seinem Herzen zu fressen, und aufs neue befiel ihn die Krankheit, von der er glaubte, es sei die Lungenentzündung oder Auszehrung.

Er legte sich also wieder heisse Grütze auf die Brust, als das nicht half, Blutegel; und als das nicht half, schwitzte er auf dem Backofen.

Da ihm aber, nachdem er alle erdenklichen Heilkünste versucht, nicht besser ward, ging er endlich zum Pfarrer.

„Gib mir mein Weib wieder,“ bat er, „ich kann nicht leben ohne sie. Das Haus ist trüb und kalt und still, seit sie fort ist, und die Nächte sind lang und finster. Gib sie mir wieder, Väterchen!“

Der Pfarrer schmunzelte zufrieden. Am nächsten Tage schon zog die Brita abermals in Björnnäs ein.

Aber wieder war’s wie das erstemal. Einen Tag freute er sich an seinem Weib, oder auch zwei; dann begann die alte Plage von neuem. Bald hatte er von ihr wieder genug — buh — zum Überlaufen.

Dem Daniel wurde es klar, dass die Brita sich nimmer ändern würde. Und es wurde ihm klar, dass er sich ein Joch aufgebunden, von dem er sich nicht so leicht wieder befreien konnte.

Eines Tages machte er sich abermals auf, um mit dem Pfarrer zu reden. Er fühlte sich ausserstande, allein mit der Sache ins Reine zu kommen. Und wer sonst hätte ihm helfen können.

Den ganzen weiten Weg dachte er ernsthaft und gründlich über seine Kümmernisse nach. Und als er endlich vor dem alten Seelenhirten stand, verdichteten sich seine Gedanken, ähnlich wie bei dem Manne in der buddhistischen Fabel, zu diesem Seufzer:

„Ach Väterchen; ist das nicht seltsam und unbegreiflich mit dem Weib! Ohne sie zu leben ist mir ganz unmöglich — und mit ihr zu leben auch. Was nun?“

Der Held von Björnnäs. Nordische Erzählung

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