Читать книгу Irländische Märchen - Karl Knortz - Страница 3
1. Der Wechselbalg.
ОглавлениеDie Frau eines Matrosen gebar einst während der Abwesenheit
ihres Mannes einen Knaben und wollte ihn
nicht eher taufen lassen, als bis ihr Gemahl zurückgekehrt
sei. Die Frauen der Nachbarschaft baten sie
zwar tagtäglich, sie solle doch die Taufe nicht aufschieben,
denn wer wisse, was dem Kinde sonst passiren
könne; aber sie ließ sich einmal nicht bereden
und sprach: »Mein Mann muß jeden Tag kommen.«
Doch der Mann kam nicht und als der Knabe beinahe
zwei Jahre alt war, hörte die Mutter eines
Abends, da sie von der Feldarbeit nach Hause gekommen
war, ein merkwürdiges Jammern in seinem
Schlafzimmer. Eiligst lief sie an sein Bett und fragte,
was ihm fehle.
»O, Mamma, Mamma!« rief er, »ich bin krank und
friere, nimm ja die Bettdecke nicht von mir!«
Gleich gab ihm die Mutter Milch zu trinken und
fragte ihren ältesten Sohn, der sieben Jahre alt war,
seit wie lange sein Brüderchen krank sei.
»Mutter,« antwortete dieser, »er war so glücklich
wie ein König, als du fort warst, und sprang munter
und guter Dinge im Zimmer umher. Als ich nun auf
einige Augenblicke in unsere andere Stube gegangen
war, kam es mir vor, als flögen hunderte von großen
Vögeln durch den Schornstein, und darnach hörte ich
meinen Bruder schreien, und als ich wieder zurückkam,
erkannte ich ihn kaum mehr, so verändert hatte
er sich in der kurzen Zeit. Seine Kleider waren zerrissen
und sein Gesicht so schmutzig, als habe er sich
den ganzen Tag im Schlamm herumgewälzt.«
Wie sie ihn nun recht betrachtete, wußte sie nicht,
was sie vor Schreck thun sollte. Sein Gesicht war so
runzlig wie das eines achtzigjährigen Greises; seine
Arme und Beine waren so abgemagert wie ein Besenstiel
und über und über mit Haaren bedeckt. Trotz alledem
schien er aber doch noch ihrem jüngsten Sohne
zu gleichen und Niemand konnte sie überzeugen, daß
es ein Wechselbalg sei.
Nun hatten sich die Nachbarsfrauen wieder viel zu
erzählen und eine meinte, das komme davon, wenn
man sein Kind nicht zur rechten Zeit taufen ließe.
Um diesem Gerede Einhalt zu thun, sagte sie dann
eines Tages zu dem Kleinen: »Komm, Alanna, ich
will dich schön anziehen und in die Kirche tragen,
damit du die heilige Taufe empfängst!«
Aber da schrie der Kleine plötzlich so schrecklich,
daß die Dänen fortgelaufen wären, wenn sie es gehört
hätten; die Mutter ließ ihn daher ruhig zu Hause, da
sonst die ganze Dorfjugend hinter ihr her gezogen
wäre.
Als sie am nächsten Abend wieder aus dem Felde
kam und nach dem Knaben sah, bemerkte sie, daß er
rein angezogen und schön gewaschen und gekämmt
war. »Hast du dies gethan?« fragte sie ihren ältesten
Sohn.
»Nein«, erwiderte er, »die Nachbarn haben Recht
und du hast Unrecht, was ich dir gleich beweisen will.
Als ich ein wenig vor die Thüre gegangen war, hörte
ich auf einmal allerlei Kinderlieder im Zimmer singen
und wie ich mich vor das Schlüsselloch geschlichen
hatte, sah ich eine Menge kleiner, weißer Frauen, die
ihn wuschen und kämmten; sobald ich jedoch die
Thüre aufmachte, verschwanden sie plötzlich.«
»Du sprichst gerade wie die Nachbarn!« sagte die
Mutter unwillig.
Am nächsten Tage hatte Pat eine neue Geschichte
zu erzählen.
»Mutter,« sagte er, »als du heute früh fortgingst,
richtete sich der Kleine im Bette auf und befahl mir,
ihm deine Thonpfeife zu reichen, damit er ein wenig
rauchen könne.« »Hallunke!« entgegnete ich ihm,
»das werde ich der Mutter sagen!« »Sag es ihr nur immerhin,
« antwortete er, »sie glaubt dir doch kein
Wort!«
»Und das thue ich auch nicht!« erwiderte die Mutter.
Endlich kam ein Brief von ihrem Gemahle, in dem
er ihr mittheilte, daß er bald zurück sei. »Nun!« rief
sie freudig aus, »wird auch bald die Taufe gefeiert
werden!« Darnach zog sie sich an und ging in die
Stadt, um Zucker, Thee und Fleisch einzukaufen. Als
dies die Nachbarn sahen, liefen sie augenblicklich in
ihr Haus und eine starke Frau wickelte den Wechselbalg
in ein Tuch und trug ihn fort nach dem nahen
Teiche. Er zappelte und fluchte, daß die Bauern die
Hände über dem Kopfe zusammenschlugen; aber die
Frau fürchtete sich nicht und warf ihn beherzt in's
Wasser. Trotzdem er so schwer wie Blei zu sein
schien, sank er doch nicht unter, sondern schwamm,
die Zähne fletschend und gräßlich lachend, im Teiche
herum. »Sagt der Frau,« schrie er, »sie könne von
Glück sagen, daß ich sie nicht erwürgt habe!«
Als sie wieder zurückkehrten, begegnete ihnen unterwegs
die Frau mit ihrem rechten Kinde auf dem
Arme.
»Heute noch muß mein Sohn getauft werden,«
sagte sie, »und ihr alle seid hiermit zum Feste eingeladen!
«
2.
Eine probate Kur.
Richard hatte den Beinamen »der Taugenichts« nicht
ohne Grund erhalten; denn wenn sich sein Vater und
sein Bruder auf dem Felde abquälten, hielt er sich in
den Wirthshäusern auf und vertrank und verspielte
Alles bis auf den letzten Rock. Seine größte Freude
bestand jedoch im Tanzen, worin er solche bewunderungswerthe
Geschicklichkeit erlangt hatte, daß ihm
seine Verwandten Vieles hingehen ließen, wenn er
ihnen Abends eine Vorstellung gab, wozu er übrigens
auch stets bereit war.
Als er nun eines Abends die große Stallthüre ausgehoben
und in den unebenen Hof gelegt und eben angefangen
hatte, darauf einige kunstreiche Sprünge zu
machen, brach er plötzlich mit einem lauten Schrei
zusammen und war von diesem Augenblicke an so
kraftlos, daß er in's Bett getragen werden mußte. Alle
Quacksalber des ganzen Dorfes kamen herbei und
probirten ihre Künste an ihm, ohne ihm jedoch Linderung
zu verschaffen und zuletzt sagte einer: »Das ist
kein gewöhnlicher Mensch; das ist ein Wechselbalg!«
Und so schien es auch; denn aus dem lebenslustigen,
jungen Manne war im Laufe weniger Stunden ein
unausstehlicher, griesgrämiger und verhutzelter Kerl
geworden, der alles Eßbare, das vor ihn kam, mit
einem wahren Heißhunger verschlang. Seine Verwandten
waren rath- und trostlos; doch da kam eines
Tages ein Schwarzkünstler zu ihnen, hing einen Dudelsack
an das Bett des Unglücklichen und sagte
ihnen heimlich, daß, wenn sie ihn auf demselben spielen
hörten, es sicher wäre, daß sie einen Wechselbalg
vor sich hätten und nicht den Richard, der ja nicht
spielen könne.
Doch der Kranke war eben so schlau und ließ das
Instrument ruhig hängen. Aber endlich verrechnete er
sich doch. Da es nämlich wunderschönes Wetter war
und er glaubte, Alle seien auf dem Felde, holte er den
Dudelsack herbei und musizirte nach Herzenslust.
Seine Verwandten aber standen nebst einem Teufelsaustreiber
und dessen Frau in der Küche und hörten
dies Alles mit an.
»Was sollen wir mit diesem Hallunken anfangen?«
fragte die Frau.
»Wir nehmen ihn am Kragen und halten ihn mit
dem Kopfe so lange in's Wasser, bis er das Athmen
vergißt!« erwiderte der Zauberer.
»Das wäre eine zu leichte Strafe. Ich will eine
große eiserne Schaufel heiß machen und ihn darauf
setzen!«
»Ich will lieber die Zange in's Feuer legen und ihm,
wenn sie heiß ist, die Nase damit zwicken!«
»Halt! Ich weiß etwas Besseres! Ich gebe ihm
einen Schluck aus meiner Medizinflasche und er wird
bald den Winter und die Hölle abwechselnd in seinem
Magen spüren!«
»Gut; laß uns hineingehen!«
Doch als sie in die Stube traten, war der Wechselbalg
verschwunden und nirgends mehr zu sehen.
Dafür aber sah der Teufel zum Fenster herein und als
der Zauberer mit der glühenden Zange nach ihm
schlug, verschwand auch er unter gräßlichem Lachen.
Am nächsten Morgen fand man Richard gesund
und munter in seinem Bette. Aber ein Taugenichts
war er nicht mehr; denn Keiner arbeitete jetzt fleißiger
und las eifriger im Gebetbuche als er.
3.
Die Geschichte von zwei Buckligen.
Am Coolgarrow-Berge wohnte ein armer, ehrlicher
Mann, der sich, da ihm sein verwachsener Körper
keine schweren Arbeiten erlaubte, mit dem Flechten
von Stühlen und Bienenkörben ernährte. Als er eines
Abends vom Markte in Enniscorthy nach Hause ging
und, um den Weg abzukürzen, einen Fußpfad durch
den Wiesengrund einschlug, fühlte er sich auf einmal
so müde, daß er sich niedersetzen mußte. Nach kurzer
Zeit schlief er ein und sah im Traum eine große Abtheilung
Soldaten an sich vorbeimarschiren und hörte
einen Marsch dazu spielen. Plötzlich aber stieß der
Hornist so laut in's Horn, daß er aufwachte. Er saß
am Rande eines rauschenden Flusses, und neben sich
sah er den Eingang zu einem mit tausenden von Lampen
erhellten Gemache, in dem sich unzählige Herren
und Damen von winziger Gestalt in grasgrünen Kleidern
bewegten. Sie tanzten und sangen und thaten, als
bemerkten sie den armen Buckligen gar nicht. Dieser
faßte daher Muth, schlich sich in ihr Gemach und
setzte sich still in eine Ecke. Die elfenähnlichen Zwerge
schienen nur ein Lied zu kennen und das bestand
aus den Worten:
»Yae Luan, yae Morth –
Yae Luan, yae Morth,«
was dem armen Fremdling zuletzt so zuwider wurde,
daß er plötzlich noch die Worte
»Agus Dha Haedyeen«
dazufügte. Dies freute die kleinen Leute so sehr, daß
sie diese Zeile ihrem Liede einverleibten und nun
»Yae Luan, yae Morth,
Yae Luan, yae Morth,
Agus Dha Haedyeen«1
an einem fort sangen. Nach einer Weile sprachen sie
zu ihm: »Wir danken dir sehr für die Verbesserung
unseres Liedes und wenn wir Etwas für dich thun
können, so sage es!«
»Ich danke euch, meine Damen und Herren!« erwiederte
er; »wenn ihr mir meinen Buckel abnehmen
könnt, so macht ihr mich zum glücklichsten Manne in
Irland.«
»Das soll gleich geschehen!« antworteten sie und
ein Zwerg ergriff ihn bei den Beinen und warf ihn bis
an die Decke ihres Gemaches. Als er herunterkam,
fing ihn ein anderer auf und schleuderte ihn wieder in
die Höhe, so daß es ihm zuletzt vorkam, als habe er
Flügel. Endlich warf ihn einer etwas unsanft gegen
das Gewölbe und es kam ihm vor, als sei sein Buckel
daran hängen geblieben. Als er wieder unten ankam,
verlor er das Bewußtsein.
Am nächsten Morgen erwachte er auf der Wiese
und fühlte sich so leicht und so frisch und gesund wie
noch nie in seinem Leben. Gleich eilte er nach Hause
und erzählte seinen Nachbarn sein Abenteuer.
Bald sprach ganz Irland von dieser Wunderkur und
mancher Bucklige dachte, er könne seine überflüssige
Bürde jetzt ebenso bequem und angenehm los werden.
Darunter war auch ein alter zänkischer Geselle,
der in Ballynocrish wohnte. Dieser beschloß dann
eines Tages, mit seiner alten Tante und deren Freundin
nach der besagten Zauberwiese zu gehen und sich
dort schlafen zu legen. Die beiden Frauen begleiteten
ihn dorthin; er legte sich nieder und träumte von
einem großen Löwen, der ihn am Buckel gepackt
habe und fortschleppe. Endlich hörte auch er den Elfengesang,
»Yae Luan, yae Morth,
Yae Luan, yae Morth,
Agus Dha Haedyeen«
Dies gefiel ihm nun ganz und gar nicht und als die
Kleinen ihr Lied zum zweiten Male gesungen hatten,
schrie er mit rauher Stimme
»Agus Dha Jaerdyeen,
Agus Dha Haenya!«2
was jene so sehr ärgerte, daß sie sich augenblicklich
um ihn stellten und ihn fragten, was er hier suche. Als
er sein Anliegen vorgebracht hatte, rief der König:
»Bringt mir den andern Buckel her!« Als er gebracht
wurde, legte er ihm denselben noch auf den seinigen,
wo er auch gleich wie festgewachsen hängen blieb.
Am andern Morgen fanden ihn die Frauen mehr
todt als lebendig auf der Zauberwiese liegen und führten
ihn traurig nach Hause.
Moral: Gegen die Bitten zanksüchtiger Menschen
sind die Geister taub.
Fußnoten
1 Montag, Dienstag,
Montag, Dienstag,
Und Mittwoch auch.
2 Donnerstag – Freitag.
4.
Die Elfen-Amme.
In der Nähe von Coolgarrow wohnte ein armes Ehepaar,
das drei Kinder hatte. Die Frau war zwar eine
sehr tüchtige Hausfrau und scheute vor keiner Arbeit
zurück, aber vom Kirchengehen war sie keine besondere
Freundin und die langen Predigten ihres Priesters
hielt sie für unverzeihliche Zeitverschwendung. Während
nun eines Tages ihr Mann nebst den beiden ältesten
Söhnen der Messe beiwohnte, ließ sie ihr jüngstes
Kind zu Hause und ging zu einem alten Wahrsager
und Wunderdoktor, um ihn wegen einer kranken
Kuh um Rath zu fragen. Als nun ihr Mann wieder
nach Hause zurückgekehrt war und sie wegen der
Vernachlässigung ihrer religiösen Pflichten ernstlich
zur Rede stellte, versprach sie ihm, noch an demselben
Abend in die Kirche zu gehen. Und sie hielt auch
Wort.
In der Nacht wurde der Mann plötzlich durch den
Ruf »Mutter! Mutter!« geweckt und als er sich nach
seiner Frau um sah, war sie Verschwunden. Er fragte
seinen ältesten Sohn, wo seine Mutter hin sei.
»Vor einer Stunde,« antwortete er, »sah ich das
Zimmer voller grün-, gelb- und weiß-gekleideter
Zwerge, die um die Mutter einen Tanz aufführten und
sie dann mit fort nahmen.«
Augenblicklich stand er auf und suchte überall im
ganzen Hause und Hofe nach ihr, aber nirgends war
eine Spur von ihr zu finden. Er weinte bitterlich, aber
seine Thränen waren vergeblich.
Da kam nun eine Woche darnach eine Hebamme zu
ihm und erzählte ihm Folgendes:
»Als ich mich gestern Abend in's Bett legen wollte,
hörte ich auf einmal Pferdegetrampel im Hofe und
gleich darauf klopfte es an der Thüre. Ich ging augenblicklich
hinaus und sah einen schönen schwarzen
Mann auf einem Rappen vor mir, der mir sagte, ich
solle augenblicklich mit ihm zu seiner Frau gehen.«
Ehe ich ihm Antwort geben konnte, hatte er mich auf
sein Pferd gehoben und fort ging's in sausendem Galoppe.
»Wo reiten wir hin?« fragte ich. »Das wirst du
bald sehen,« erwiderte er und fuhr mit seiner Hand
über meine Augen, wonach ich völlig erblindete. In
welcher Richtung wir ritten, kann ich also nicht
sagen; doch war unsere Reise keine lange, denn bald
machte er Halt und fuhr mit seiner Hand in der entgegengesetzen
Richtung über meine Augen, worauf ich
ein großes Schloß vor mir stehen sah. Wir gingen hinein
und er führte mich durch ein mit den reichsten
Vorhängen und Teppichen verziertes Zimmer in das
Schlafgemach seiner Gattin, woselbst er mich allein
mit ihr ließ. Bald darnach erblickte ein feiner Knabe
das Licht der Welt. Die Frau klatschte in die Hände
und gleich kam Fir Dhorocha (schwarzer Mann) herein
und gab mir eine Flasche mit einer grünen Flüssigkeit,
um das Kind damit einzureiben.
Ich rieb es auch ein, doch unversehens kam mir
etwas von der Flüssigkeit in's Auge, was mir große
Schmerzen verursachte. Als ich wieder recht sehen
konnte, war alle Pracht und Herrlichkeit um mich verschwunden
und der Mann und die Frau vor mir sahen
so mager aus wie Skelette und die Kleider, die sie anhatten,
würde ich nicht vom Boden aufheben!
Ich that, als merke ich den plötzlichen Unterschied
nicht.
»Geh' vor das Schloßthor,« sagte der Schwarze,
»ich werde ebenfalls bald dort sein und dich nach
Hause bringen.«
Ich ging fort und wem begegnete ich? Deine Frau,
die arme Molly, stand traurig im Hofe und als sie
mich bemerkte, flüsterte sie mir zu:
»Ich bin hieher geholt worden, um das Kind des
Feenkönigs zu säugen und es gibt nur einen Weg,
mich zu retten. Am nächsten Freitag Abend wird die
hiesige Elfenschaar nach dem Hofe der Feen von Old
Roß ziehen und wenn mich dann mein Mann am Kleide
fassen kann, so bin ich gerettet.«
Gleich darauf kam Fir Dhorocha, hob mich auf sein
Pferd und fort ging's im Sturmessaus nach meiner
Wohnung. Er bedankte sich, gab mir fünf Guineen
und ritt wieder fort. Als ich jedoch heute morgen mein
Geld betrachtete, sah ich zu meinem größten Schreck,
daß er mir fünf dürre Eichblätter gegeben hatte. »Ich
hoffe, ich werde sein Gesicht nie wieder sehen!«
Der arme Mann freute sich, daß er Hoffnung hatte,
seine Frau wieder zu bekommen, und stellte sich am
nächsten Freitagabend an die Stelle, die ihm die Hebamme
noch näher angegeben hatte. Sie war ebenfalls
mitgegangen, da sich der Mann allein fürchtete.
Bald kam der Zug der Elfen vorbei, aber da er ihn
nur hörte, so gab ihm die Frau einen Stoß und er griff
blindlings zu und hatte sein geliebtes Weib in den
Armen. Sobald er sie berührte, war sie auch für ihn
sichtbar und ebenso eine Menge merkwürdiger Geschöpfe,
die sie ihm mit aller Gewalt wieder entreißen
wollten. Aber ihre Anstrengungen waren vergebens.
Die Drei gingen nun ruhig nach Hause und die Frau
erkannte seit dieser Zeit den Werth des Kirchengehens
und schimpfte nie mehr über lange Predigten.
5.
Jim Doyle im Elfenpalast.
Als Jim Doyle einst spät in der Nacht nach Hause
ging, sah er auf einmal ein hellerleuchtetes Schloß
dicht vor sich, in dem es sehr lustig herging. Muthig
trat er durch die offene Thür ein und sah sich in einem
großen Saale, wo sich die Elfen mit ihrem Könige und
der Königin versammelt hatten und ein Glas nach
dem andern leerten. Die Kleider, die sie anhatten,
waren längst aus der Mode, aber sie waren aus den
kostbarsten Stoffen gemacht und mit unzähligen Edelsteinen
verziert.
Als ihn die Königin bemerkte, sprach sie: »Macht
Platz für unsern Freund Doyle und schenkt ihm ein
Glas des besten Punsches ein!« Darauf mußte er sich
zu den Elfen setzen; doch als er das Glas an den
Mund setzen wollte, bemerkte er einen alten Bekannten
neben sich, der schon seit zwanzig Jahren todt
war. »Trinke um des Himmels Willen keinen Tropfen,
« flüsterte er ihm zu und Doyle, der sich inzwischen
auch die Andern etwas näher angesehen und
sich über ihr geisterhaftes Wesen erschreckt hatte,
ließ den Punsch statt in den Mund in die Weste fließen.
Dann bat die Königin einen ihrer Unterthanen, ein
kräftiges irländisches Lied zu singen, wonach dieser
auch sogleich zur allgemeinen Freude einen ganz gemeinen
Gassenhauer anstimmte. Diesen mußte er nun
so lange wiederholen, bis Doyle entschlief und Alles
um sich vergaß.
Am nächsten Morgen fanden ihn einige seiner
Nachbarn auf einer Wiese liegen und weckten ihn auf.
Auf die Frage, wie er dorthin gekommen sei, gab er
unverständliche und verwirrte Antworten und nach
seinem Athem zu urtheilen, schien er doch mehr als
einen Schluck starken Getränkes genossen zu haben.
6.
Nora.
Die Tochter der Hebamme Nora war ein unglückliches
Mädchen. Länger als ein Jahr hatte sie das Bett
wegen eines geschwollenen Beines gehütet und kein
Doktor des ganzen Landes hatte ihr Linderung verschaffen
können.
Nun kam eines Abends der König der Elfen zu
ihrer Mutter und bat sie, ihm nach seinem Palaste zu
folgen, wo seine Frau ihrer bedürfe. Ehe sie sich jedoch
zu ihm auf's Pferd setzte, fand ihr Mann noch
Zeit, sie zu warnen, ja Nichts von der Königin anzunehmen,
einen Rath ausgenommen in Bezug auf ihre
kranke Tochter.
Als Nora eine Zeitlang im Elfenschlosse gewesen
war, wurde die Familie der Königin durch ein schönes
Mädchen vergrößert.
»Du bist eine geschickte Frau,« sagte die Königin
zu ihr, »und sollst deshalb das Schloß nicht leer verlassen.
Geh' zuerst in das nächste Zimmer und hole
dir so viele Gold- und Silbersachen, wie du nur tragen
kannst.«
»Ich danke,« erwiderte sie; »wenn ich reich wäre,
so würde ich nicht mehr arbeiten und nichts thun als
essen und trinken, was mich nach einem Jahre auf den
Kirchhof brächte.«
»Du bist eine kuriose Frau! doch setz' dich dort an
den Tisch und iß und trink' nach Herzenslust!«
»Ich danke; denn wenn ich so gute Sachen äße,
würde mir nachher meine einfache Kost nicht mehr
schmecken!«
»Aber dann nimm dir doch wenigstens dies schöne
Umschlagtuch mit!«
»Wenn ich dies Tuch trüge, so würden mir alle
Buben des ganzen Dorfes nachlaufen!«
»Das thut mir leid, doch womit kann ich dir eigentlich
meine Dankbarkeit erzeigen?«
»Ich habe eine kranke Tochter zu Hause und weiß,
daß du ihr helfen kannst, wenn du nur willst.«
»Verlange alles Andere, aber nicht Dieses; du
weißt nicht, wie sehr mich deine Tochter beleidigt
hat.«
»Beleidigt? Das ist unmöglich!«
»Höre. Du weißt, daß sich die Elfen ihres Lebens
nur in der Nacht freuen und sich gerne in den Küchen
aufhalten, die rein und blank gescheuert sind. Es ist
nun schon über ein Jahr her, da kam ich mit meinem
Völkchen an deiner Hütte vorbei und da mir das Aeußere
derselben gefiel, so gingen wir Alle hinein und
setzten uns in die Küche, die so reinlich war, daß wir
gleich beschlossen, uns dort auf längere Zeit niederzu-
lassen und Thee zu trinken. Doch kaum hatten wir unsern
Thee fertig, da kam deine Tochter herein und zertrat
Mehrere von uns und warf meine Tasse um. Dies
ärgerte mich so, daß ich ihr mit der Theekanne auf's
Bein schlug und es verwundete. Die Kanne zerbrach
und ein Stück davon blieb ihr wahrscheinlich im
Beine stecken.«
»Da mußt du ihr verzeihen, denn sie wußte so
wenig, daß ihr da waret, als sie von der Stunde weiß,
in der sie geboren ward.«
»Das glaube ich auch, und da du mir diese Nacht
so große Dienste geleistet hast, so soll ihr vergeben
sein. Nimm diese Salbe und reibe die wunde Stelle
damit, sobald du nach Hause kommst.«
Darauf kam der Elfenkönig, um Nora abzuholen.
Sie setzte sich auf sein steinhartes Pferd und war im
Nu vor ihrer Hausthüre.
Das Erste, was sie that, war, daß sie ihrer Tochter
das kranke Bein einrieb und als diese am nächsten
Morgen erwachte, fühlte sie nicht mehr die geringsten
Schmerzen und war so gesund wie ein Fisch im Wasser.
Aber in die Küche ging sie Nachts nicht mehr seit
dieser Zeit.
7.
Moruach oder Die Nixen.
Die männlichen Nixen sind durchaus keine angenehmen
und anziehenden Gesellen und es ist daher kein
Wunder, daß ihre Töchter sehr häufig eine Verbindung
mit den Söhnen der Landbewohner vorziehen.
Sie haben Schweinsaugen, ihr Haar und ihre Zähne
sind grün wie der Rücken eines Laubfrosches und ihre
Nase ist so roth wie ein Hahnenkamm. Letztern Umstand
haben tiefgelehrte Naturforscher ihrer großen
Vorliebe für geistige Getränke zugeschrieben und sicherlich
nicht mit Unrecht, denn es ist eine durch aufmerksame
Beobachtungen festgestellte Thatsache,
daß sie sich stets in der Nähe gestrandeter Schiffe aufhalten
und allen Branntwein austrinken, den sie allenfalls
darin noch finden.
Ihre Töchter sind gewöhnlich sehr gute Hausfrauen
und treue und liebende Ehegattinnen; aber sobald
ihnen etwas Unangenehmes widerfährt, setzen sie ihre
magische Mütze auf und verschwinden wieder im
Wasser, weshalb der Herr Gemahl stets auf seiner Hut
sein und jenes Kleidungsstück sorgfältig vor ihnen
verbergen muß.
Ein Landmann in der Nähe von Bantry hatte einst
eine Nixe geheirathet und da dies die Seekühe erfuhren,
grasten sie häufig auf seinen Wiesen, um recht oft
in der Nähe ihrer Verwandten zu sein. Dies gefiel dem
Eigentümer aber durchaus nicht, denn er hatte das
Gras viel nothwendiger für sein Vieh und so oft er die
fremden Kühe sah, trieb er sie mit der Peitsche fort.
Seine Frau machte ihm deshalb öfters Vorstellungen;
als aber dieselben gar keine Wirkung hatten, verschwand
sie eines Tages in der Fluth auf Nimmerwiedersehen.
Seine Kinder zeichneten sich durch schuppige Haut
und Schwimmhäute zwischen Fingern und Zehen aus.
8.
Ochs, Kuh und Kalb.
Vor mehreren Jahrhunderten lebte auf der Insel Durzy
in der Nähe der Bantry-Bai eine Familie, auf deren
Wiesengrund beständig ein schwarzer Ochse nebst
einer Kuh graste, welch letztere die Milch für die
ganze Haushaltung lieferte. Diese Kuh bekam nun
einstens ein Kalb und da sie jetzt nicht mehr so viel
Milch liefern konnte, so schlug sie das Dienstmädchen
eines Tages ganz jämmerlich. Gleich liefen alle
Drei an das Ufer und, nachdem sie sich in's Wasser
gestürzt hatten, wurden sie zu Felsen, die noch heute
unter dem Namen »der Ochs, die Kuh und das Kalb«
bekannt sind.
9.
Ein Kobold in Eselsgestalt.
Der gute alte Patrik Henry pflegte einen großen Theil
des Jahres Geschäfte halber in Dublin zuzubringen
und da er seine Familie gewöhnlich mitnahm, so blieben
nur seine Knechte und Mägde zurück, um das
Haus zu bewachen. In diesem Hause schien es aber
nicht recht geheuer zu sein, denn jede Nacht klopfte
es an die Küchenthüre und dann wurden die Teller
und Schüsseln so durcheinander geworfen, daß man
meinte, es bliebe Nichts mehr ganz.
Nun hatten sich die Dienstboten eines Abends vor
dem Schlafengehen in der Küche allerlei Geistergeschichten
erzählt, wobei ein Knecht in einer Ecke so
tief eingeschlafen war, daß er die Andern nicht weggehen
hörte. Plötzlich wurde er nun durch einen lauten
Schlag an die Thüre geweckt und als er sich aufrichtete,
sah er einen großen Esel vor sich, der ganz
munter seine Stimme erschallen ließ. Der Knecht war
so erschrocken, daß er kein Wort sprechen konnte und
er glaubte, der Esel würde ihn jeden Augenblick verschlingen.
Doch der langohrige Fremde bekümmerte
sich nicht weiter um ihn, denn er hatte dem Anscheine
nach viel wichtigere Geschäfte zu besorgen.
Zuerst blies er das Feuer wieder an und dann stellte
er mit seinen Vorderfüßen einen Kessel voll Wasser
darauf und währenddem dasselbe warm ward, stellte
er alle Teller und Schüsseln auf den Küchentisch zusammen.
Auch sah er sich etwas aufmerksamer in der
Küche um und beschnüffelte den ängstlichen Knecht
von allen Seiten, ohne ihm jedoch das geringste Leid
zuzufügen. Als das Wasser anfing zu kochen, y-ate er
vor Freude so laut, daß die Fensterscheiben am ganzen
Hause klirrten, und dann wusch er alle Tisch- und
Küchengeräthe so sauber, wie es die beste Magd im
vornehmsten Gasthofe zu Dublin nicht schöner fertig
gebracht hätte. Dann stellte er Alles wieder an die geeigneten
Plätze, machte das Feuer aus und ging seiner
Wege.
Jetzt athmete der Knecht wieder frei auf und
schlich sich in sein altes Schlafgemach. Am nächsten
Morgen erzählte er sein Erlebniß und die Dienstboten
hatten nun für den ganzen Tag Stoff zur Unterhaltung.
»Köstlich,« sagte eine Magd, »wenn der Esel das
Geschirr aufwäscht, so brauchen wir es ja nicht mehr
zu thun und können also eine halbe Stunde eher schlafen
gehen!«
»Das ist das gescheidteste Wort, das du in deinem
Leben gesprochen hast,« erwiderte eine Andere, und
daß sie seit dieser Zeit dem Esel alle Küchenarbeiten
überließen, verstand sich von selber. Am Morgen war
die Küche jedesmal so rein gescheuert und alle Schüsseln
und Teller waren so blank, daß ein König daraus
hätte essen können. Den faulen Mägden gefiel dies
natürlich über alle Maßen und sie hätten gerne noch
mehrere solcher Esel im Hause gesehen, welche die
anderen Arbeiten verrichtet hätten.
Nun war unter den Knechten einer, der hatte Courage
und blieb eines Abends in der Küche sitzen und
wartete auf den Esel. Als derselbe gekommen war und
eben seine gewohnte Arbeit beginnen wollte, fragte
ihn der Knecht: »Dürfte ich vielleicht wissen, wer du
eigentlich bist und weshalb du deine Nachtruhe den
Mägden opferst?«
»Das will ich dir sagen,« erwiderte der Esel; »ich
war früher ein Knecht in diesem Hause und zwar der
allerfaulste, den die Sonne jemals beschien. Als ich
gestorben war, wurde mir die Strafe auferlegt, jede
Nacht dies Haus zu besuchen und Alles, was in der
Küche ist, zu reinigen.«
»Können wir vielleicht etwas für dich thun?«
»O ja, wenn ihr wollt; es ist manchmal sehr empfindlich
kalt und wenn ihr mir einen warmen Rock
machen ließet, so würdet ich euch sehr dankbar sein.«
»Den sollst du mit dem größten Vergnügen
haben.« Nach einigen Tagen wurde dem Esel ein
warmgefütterter Rock mit vier Aermeln für die Beine
geschenkt und als er ihn angezogen hatte, sprach er:
»Der paßt mir wie angemessen und ich bin euch sehr
verbunden. Ich empfehle mich!«
Darauf gieng er fort und eine Magd rief ihm nach:
»Du gehst heut Abend viel zu frühe fort; denn du hast
ja deine Arbeit noch nicht gethan!«
»Jetzt ist wieder an euch die Reihe,« erwiderte er,
»meine Strafe sollte nur so lange dauern, bis mich Jemand
für meine Dienste bezahlte. Ihr seht mich jetzt
nie mehr!«
Und so war es auch.
10.
Das Schloß der Ungewißheit.
Ein junger Königssohn, der für das Waffenhandwerk
weder die nöthige Stärke noch Vorliebe besaß, aber
ein tüchtiger Sänger war, durchzog mit seiner Harfe
das Land und kam in das Schloß eines berühmten
Gruagach oder Zauberers. Derselbe saß in einem langen,
seidenen Talare auf seinem reichgeschmückten
Thron und ihm zur Seite saß seine schöne Tochter, in
deren Haar die kostbarsten Edelsteine der Erde glänzten.
Um sich einen guten Empfang zu sichern, griff
der wandernde Königssohn in die Harfe und sang von
dem Ruhm irländischer Helden und der Schönheit und
Liebenswürdigkeit der Jungfrauen von Erin.
»Seit langer Zeit,« sagte der Zauberer, als das Lied
zu Ende war, »haben wir solchen Genuß entbehrt;
denn nur selten besucht uns Jemand, an dem wir Freude
erleben. Damit wir uns nun heute nicht zum letzten
Male sehen, trage ich dir hiermit die Hand meiner einzigen
Tochter an!«
»Ich nehme sie an,« erwiderte der Königssohn
hocherfreut; »nach einem solchen Glücke habe ich
mich schon lange gesehnt.«
»Ehe sie jedoch dein Weib wird,« sprach der Zau-
berer weiter, »muß ich eine kleine Gefälligkeit von dir
verlangen. Es ist schon lange her, seit mir der grausame
Häuptling des Nebels meine beiden Söhne gestohlen
hat; nun hätten sich meine Leute schon längst aufgemacht,
sie wieder zu holen, wenn sie einen tapferen,
kundigen Führer gehabt hätten; und ich müßte mich
sehr in dir täuschen, wenn du nicht der rechte Mann
wärest.«
Als der Königssohn diese Worte hörte, ward er
bleich und stellte seine Harfe an die Wand.
»Tochter,« sagte da der Alte, »bring' ihm den Becher
der Vergessenheit und laß ihn einen tüchtigen
Zug daraus thun!«
Sie gehorchte und er trank. Der Becher hatte die Eigenschaft,
daß er nie leer ward und daß Jeder, der daraus
trank, alle Sorgen vergaß.
»Tausend Dank, mächtiger Fürst,« sprach der
Jüngling; »aber sage mir auch, wie du heißest und wie
dein Schloß genannt wird.«
»Ich heiße Gruagach Tire gan Taithige (Riese des
unbesuchten Landes),« antwortete der Zauberer; »der
Name meines Schlosses ist Dun Tochluaiste (Schloß
der Ungewißheit).«
Darauf setzten sie sich an den Tisch und aßen und
tranken so lange, bis es Zeit Zum Schlafengehen war.
Dann wünschten sie dem Jüngling gute Nacht und
zeigten ihm ein königliches Bett. »Fürchte dich
nicht,« sprach die Jungfrau zu ihm, »denn kein Zauberer
der ganzen Erde hat über den Gewalt, der getauft
ist. Er kann ihm zwar Schaden zufügen, aber ihn
nicht tödten.«
Er legte sich nieder und überdachte sein Schicksal,
wie er nun das Leben und die schöne Jungfrau verlieren
könne. »Ich werde sie entführen,« sprach er zu
sich und stand auf und öffnete die Thüre ihres Schlafzimmers.
Doch da fand er sich plötzlich in einer unfreundlichen
Gegend, in der er nur die rauhe Stimme
wilder Raubthiere hörte.
Er verlor seine Besinnung und lief wie wahnsinnig
dem nächsten Walde zu. Das schreckliche Toben unsichtbarer
Geschöpfe folgte ihm beständig auf dem
Fuße. Er lief immer zu und stand auf einmal am Ufer
eines wildschäumenden See's. Da er ein kleines Boot
darauf sah, so sprang er muthig hinein und ließ sich
von den Wellen in's Ungewisse tragen. Die See ging
so hoch, daß er sich manchmal in den Wolken und
dann wieder im Innern der Erde zu befinden glaubte;
auf einmal aber schlug das Boot um und der Jüngling
sank mit einem gellenden Schrei der Verzweiflung in
die Tiefe.
»Stecke mir ein Licht an,« sprach der Gruagach zu
seiner Tochter, »damit ich sehe, wo der junge Mann
hingerathen ist.« Dann ging er hinaus und fand den
unglücklichen Jüngling unten im Keller, wo er ge-
wöhnlich sein Bier braute, neben einem großen Kessel
sitzen. »Wenn du meine Tochter suchen willst,«
sagte er lachend, »dann mußt du hübsch oben bleiben;
die wilden Katzen und Hunde, die sich hier des
Nachts gewöhnlich aufhalten, sind durchaus keine angenehme
Gesellschaft.«
Darauf führte er ihn wieder in sein Schlafzimmer
zurück.
Doch der Jüngling konnte nicht schlafen und nach
kurzer Zeit schlich er sich abermals nach dem Zimmer
des Mädchens. Ein gräuliches Ungetüm mit langem
Rüssel und schrecklichen Augen bewillkommte ihn,
hinter ihm war ein ruhiger Strom und da er keinen andern
Ausweg sah, so sprang er, ohne sich weiter zu
besinnen, hinein und wollte an das andere Ufer
schwimmen. Doch das Wasser war so dick, daß er
weder Hände noch Füße darin bewegen konnte. In
seiner Verzweiflung rief er um Hilfe und bald erschien
denn auch der Zauberer und sprach: »Wenn du
dich baden willst, so darfst du nicht in den Schweinetrog
springen!«
Darauf half er ihm heraus und gab ihm trockene
Kleider. »Lege dich wieder ruhig hin,« sprach er,
»und wenn ich die Pferde gesattelt habe, werde ich
dich rufen!«
Der Jüngling schlich sich in sein Zimmer zurück
und als er sich einigermaßen erholt hatte, raffte er sich
abermals auf, um die Jungfrau noch vor Tagesanbruch
zu entführen. Doch der Tag war bereits angebrochen
und der Jüngling sah sich auf einmal im Garten seines
Vaters. Darnach ging er in seinen Palast und schwur
beim Frühstück, er wolle die schöne Maid erringen
und wenn es ein ganzes Jahr dauere.
Gleich machte er sich wieder auf den Weg; aber in
der ersten Nacht, die er im Walde zubrachte, erschien
ihm die Tochter des Zauberers und bat ihn, seiner
Liebe zu ihr zu entsagen, da sie sich bereits auf den
Willen ihres Vaters mit einem Andern vermählt habe.
Da verließ ihn denn der Zauber, er ging wieder nach
Hause und sang unterwegs:
»Manch' schöne Jungfrau Erin hat,
Aus deren Auge Treue blickt,
Und die, wenn ich nach Hause komm',
Mich liebend an ihr Herze drückt!«