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Unter Dieben.

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[Frontispiz: Auf fremder Erde. (Zu S. 150.)] Im Süden von den

großen syrischen und mesopotamischen Wüsteneinöden liegt,

vom roten Meere und von dem persischen Golfe umgeben, die

Halbinsel Arabien, welche ihre äußerste Kante weit in das

stürmereiche arabisch-indische Meer hinein erstreckt.

An drei Seiten ist dieses Land von einem zwar schmalen, aber

außerordentlich fruchtbaren Küstensaume eingefaßt, welcher

nach innen zu einer weiten, wüsten Hochebene emporsteigt,

deren teils trübselige, teils groteske Landschaftsbilder besonders

im Osten durch hohe, unwegsame Gebirgsstöcke abgeschlossen

werden, zu denen ganz hauptsächlich die öden Berge von

Schammar zu zählen sind.

Dieses Land, dessen Quadratmeilenzahl man heute noch nicht

genau anzugeben vermag, wurde im Altertum eingeteilt in Arabia

peträa, in Arabia deserta und in Arabia felix, zu deutsch: in das

peträische, wüste und glückliche Arabien. Wenn noch öfters jetzt

gewisse Geographen der Ansicht sind, daß der Ausdruck peträa

abzuleiten sei von dem griechisch-lateinischen Worte, das "Stein,

Fels" bedeutet, und deshalb diesen Teil des Landes das

"steinigte" Arabien nennen, so beruht das auf einer irrtümlichen

Auffassung; dieser Name ist vielmehr zurückzuführen auf das alte

Petra, das die Hauptstadt dieser nördlichsten Provinz des

Petra, das die Hauptstadt dieser nördlichsten Provinz des

Landes war. Der Araber nennt seine Heimat Dschesirat el Arab

(* Inselland, arabisches.), während sie bei den Türken und

Persern Arabistan geheißen wird. Die jetzige Einteilung wird

verschieden angegeben; die nomadisierenden Einwohner lassen

jedoch nur den einzigen Unterschied der Stämme gelten.

Ueber diesem Lande wölbt sich ein ewig heiterer Himmel, von

welchem des Nachts die Sterne rein und klar herniederblicken;

durch die Bergschluchten und über die zum großen Teile noch

unerforschten Wüsten-Ebenen schweift der halbwilde Sohn der

Steppe auf prachtvollem Pferde oder auf unermüdlichem

Kamele. Sein Auge ist überall, denn er lebt mit aller Welt in

Streit und Unfrieden, nur mit den Angehörigen seines Stammes

nicht. Von einer Grenze bis zur anderen zieht bald der sanfte

Hauch einer reinen, milden, bald der rauschende Odem einer

trüben, wilden Poesie, welcher den Wanderer überall umweht,

wo er nur immer weilen mag. So kommt es, daß man bereits vor

langen Jahrhunderten Hunderte von arabischen Dichtern und

Dichterinnen kannte, deren Lieder im Munde des Volkes lebten

und die mit Hilfe des Griffels für spätere Zeiten festgehalten

wurden.

Als Stammvater der echten Araber oder Joktaniden gilt Joktan,

der Sohn Huts, welcher ein Abkömmling Sems im fünften Gliede

war, und dessen Nachkommen das glückliche Arabien und die

Küste Tehama bis hinab zum persischen Meerbusen bewohnten.

Jetzt suchen viele Stämme eine Ehre darin, von Ismaël, dem

Jetzt suchen viele Stämme eine Ehre darin, von Ismaël, dem

Sohne Hagars, abzustammen.

Dieser Ismaël soll, wie die Sage berichtet, mit seinem Vater

Abraham nach Mekka gekommen sein und dort die heilige

Kaaba errichtet haben. Das Wahre aber ist, daß die Kaaba von

dem Stamme der Koreïschiten gestiftet oder wenigstens

ausgebaut wurde. Unter den Heiligtümern, die sie besaß, waren

der Brunnen Zem-Zem und der angeblich vom Himmel gefallene

schwarze Stein die berühmtesten.

Hierher pilgerten die verschiedenen Stämme der Araber, um da

ihre Stamm- oder auch wohl Haus-Götzen aufzustellen und ihnen

ihre Opfer und Gebete darzubringen. Daher war Mekka den

Arabern das, was Delphi den Griechen und Jerusalem den Juden

gewesen ist; es bildete den Mittelpunkt für die weithin zerstreuten

Nomaden, die sich ohne denselben in allen Richtungen verloren

hätten.

Da sich dieser hochwichtige Punkt im Besitze der Koreïschiten

befand, so war dieser Stamm der mächtigste und angesehenste

Arabiens und infolgedessen auch der reichste, weil die von allen

Seiten herbeikommenden Pilger nie ohne Geschenke oder

wertvolle Handelswaren anzulangen pflegten.

Ein armer Angehöriger dieses Stammes, Namens Abd Allah (*

"Diener Gottes."), starb im Jahre 570 nach Christus, und einige

Monate später, am 20. April 571, der auf einen Montag fiel,

Monate später, am 20. April 571, der auf einen Montag fiel,

gebar seine Witwe Amina einen Knaben, welcher später

Mohammed (** "Der Vielgepriesene.") genannt wurde. Es ist

sehr wahrscheinlich, daß der Knabe vorher einen andern Namen

getragen hat und erst dann, als seine prophetische Wirksamkeit

ihn zu einem hervorragenden Manne machte, den Ehrennamen

Mohammed erhielt. Dieser Name wird auch Muhammed,

Mohammad und Muhammad geschrieben, und aus Ehrfurcht vor

dem Propheten wagt es nie ein Gläubiger, ihn in dieser Fassung

zu tragen; das Wort wird dann meist in Mehemmed verwandelt.

Dem Knaben waren von seinem Vater nur zwei Kamele, fünf

Schafe und eine abyssinische Sklavin hinterlassen worden,

weshalb er sich zunächst auf den Schutz seines Großvaters Abdal-

Muttalib und nach dessen Tode auf die Unterstützung seiner

beiden Oheime Zuheir und Abu Taleb angewiesen sah. Da diese

Männer aber nicht viel für ihn tun konnten, so mußte er sich sein

Brot als Schafhirtenjunge verdienen.

Später wurde er Kameltreiber und Bogen- und Köcherträger,

wobei sich wahrscheinlich sein kriegerischer Sinn entwickelt hat.

Als er fünfundzwanzig Jahre zählte, trat er in den Dienst der

reichen Kaufmannswitwe Chadidscha, der er mit solcher Treue

und Aufopferung diente, daß sie ihn lieb gewann und ihn zu ihrem

Gemahl machte. Das große Vermögen seiner Frau ging ihm aber

später verloren. Er lebte nun bis zu seinem vierzigsten Jahre als

Kaufmann und Händler. Er kam auf seinen weiten Reisen mit

Juden und Christen, mit Bramahnen und Feueranbetern

Juden und Christen, mit Bramahnen und Feueranbetern

zusammen und gab sich Mühe, ihre Religionen kennen zu lernen.

Er litt an Epilepsie und infolgedessen an einer Verstimmung des

Nervensystems, die ihn sehr zu Halluzinationen geneigt machte.

Seine religiösen Grübeleien waren der Heilung dieser Krankheit

nicht sehr förderlich. Er zog sich schließlich gar in eine Höhle

zurück, die in der Nähe von Mekka auf dem Berge Hara lag.

Hier hatte er seine ersten Visionen.

Der Kreis der Gläubigen, der sich um ihn versammelte, bestand

zunächst nur aus seiner Frau Chadidscha, aus seinem Sklaven

Zaïd, aus den beiden Mekkanern Othman und Abu Bekr und

aus seinem jungen Vetter Ali, der später den Ehrennamen Areth-

Allah (* Löwe Gottes; auch Assad Allah el Ahalib, Löwe des

siegreichen Gottes.) erhielt und zu den unglücklichsten Helden

des Islam gehört.

Dieser Ali, dessen Name auf deutsch "der Hohe, der Erhabene"

bedeutet, war im Jahre 602 geboren und stand bei Muhammed

in solchem Ansehen, daß er dessen Tochter Fatime zur Gemahlin

erhielt. Als der Prophet im Kreise seiner Familie zum ersten

Male seine neuen Glaubenssatzungen vortrug und dann fragte:

"Wer unter euch will mein Anhänger sein?" da schwiegen alle;

nur der junge Ali, begeistert von der gewaltigen Poesie des

soeben gehörten Vortrages, rief in lautem, entschlossenem Tone:

"Ich will es sein und nimmer von dir lassen!" Das hat ihm

"Ich will es sein und nimmer von dir lassen!" Das hat ihm

Mohammed niemals vergessen.

Er war ein tapferer, verwegener Kämpfer und hatte großen Teil

an der so ungemein schnellen Ausbreitung des Islam. Dennoch

wurde er, als Mohammed ohne letztwillige Verfügung starb,

übergangen, und man wählte Abu Bekr, den Schwiegervater

Mohammeds, zum Kalifen (** Kalif heißt Stellvertreter). Diesem

folgte im Jahre 634 ein zweiter Schwiegervater des Propheten,

namens Omar, welchem wieder Othman, ein Schwiegersohn

Mohammeds, nachfolgte. Dieser wurde im Jahre 656 von einem

Sohne Abu Bekrs erstochen. Man beschuldigte Ali der

Anstiftung dieses Mordes, und als er von seiner Partei erwählt

wurde, verweigerten ihm viele von den Statthaltern die

Huldigung. Er kämpfte vier Jahre lang um das Kalifat und wurde

im Jahre 660 von Abd-er-Rahmann erstochen. Er liegt in Kufa

begraben, wo ihm auch ein Denkmal errichtet worden ist.

Von hier an datiert sich die Spaltung, die die Mohammedaner in

zwei gegnerische Heerlager, in die Sunniten und die Schiiten,

teilt. Diese Spaltung bezieht sich weniger auf die islamitischen

Grundsätze als vielmehr auf die Personalfrage der

Nachfolgerschaft. Die Anhänger der Schia behaupten nämlich,

daß nicht Abu Bekr, Omar und Othman, sondern nur allein Ali

das Recht gehabt hätte, der erste Stellvertreter des Propheten zu

sein. Die zwischen den beiden Parteien dann ausgebrochenen

Streitigkeiten über die Attribute Gottes, das Fatum, die Ewigkeit

des Kuran und die einstige Vergeltung sind nicht als so

des Kuran und die einstige Vergeltung sind nicht als so

wesentlich zu betrachten.

Ali hinterließ zwei Söhne, Hassan und Hosseïn. Der erstere

wurde von den Schiiten zum Kalifen erwählt, während die

Anhänger der Sunna Muawijah I¨, den Gründer der

Ommajjaden-Dynastie, erkoren. Dieser letztere verlegte seine

Residenz nach Damaskus, machte das Kalifat erblich und

erzwang bereits zu seinen Lebzeiten die Anerkennung seines

Sohnes Dschezid, der sich später als ein solcher Wüterich zeigte,

daß sein Andenken selbst von den Sunniten mit Fluch belegt

wird. Hassan konnte sich gegen Muawijah nicht behaupten und

starb im Jahre 670 in Medinah an Gift.

Sein Bruder Hosseïn widersetzte sich der Anerkennung

Dschezids. Er ist der Held einer der tragischsten Episoden aus

der Geschichte des Islam.

Die Hand des Kalifen Muawijah ruhte schwer auf den Provinzen,

und seine Statthalter unterstützten ihn dabei aus allen Kräften. So

befahl zum Beispiel Zijad, der Statthalter zu Basra, daß nach

Sonnenuntergang sich bei Todesstrafe niemand auf der Straße

sehen lassen dürfe. Am Abend nach der Bekanntmachung dieses

Befehls wurden über zweihundert Personen außerhalb ihrer

Wohnungen angetroffen und unverzüglich geköpft; am nächsten

Tage war die Ziffer schon weit geringer, und am dritten Abend

war kein einziger Mensch zu sehen. Der grimmigste aller

Ommajjaden war Hadjasch, der Statthalter von Kufa, dessen

Tyrannei 120 000 Menschen das Leben kostete.

Tyrannei 120 000 Menschen das Leben kostete.

Noch schlimmer als Muawijah zeigte sich sein Sohn Dschezid.

Zur Zeit dieses Scheusales hielt sich Hosseïn in Mekka auf, wo

er aus Kufa Boten empfing, die ihn aufforderten, zu ihnen zu

kommen, da sie ihn als Kalifen anerkennen wollten. Er folgte

dem Rufe - zu seinem Verderben.

Mit kaum hundert Getreuen langte er vor Kufa an, fand aber die

Stadt bereits von seinen Feinden besetzt.

Er verlegte sich auf erfolgloses Unterhandeln. Die Lebensmittel

gingen ihm aus; das Wasser vertrocknete in dem Sonnenbrande;

seine Tiere stürzten, und seinen Begleitern schaute der blasse

Tod aus den eingesunkenen fieberfunkelnden Augen. Er rief

vergebens Allah und den Propheten um Hilfe und Rettung an;

sein Untergang stand "im Buch verzeichnet". Obeïd 'Allah, ein

Heerführer Dschezids, drang bei Kerbela auf ihn ein,

massakrierte seine ganze Begleitung und ließ auch ihn selbst

umbringen. Man fand ihn aus Mangel an Wasser bereits dem

Tode nahe; aber man hatte kein Mitleid mit ihm, und er wehrte

sich vergebens mit der letzten Kraft seines schwindenden Lebens

- man schnitt ihm den Kopf ab, der auf eine Lanze gesteckt und

im Triumphe herumgetragen wurde.

Dies geschah am 10¨ Muharrem, und bis auf heute ist dieser Tag

bei den Schiiten ein Tag der Trauer. In Hindostan trägt man ein

Bild von Hosseïns Kopf auf einer Lanze herum, wie es nach

Bild von Hosseïns Kopf auf einer Lanze herum, wie es nach

seinem Tode geschah, und ahmt mit einem aus edlen Metallen

gefertigten Hufeisen den Lauf seines Renners nach. Am 10¨

Muharrem ertönt ein Wehegeschrei von Borneo und Celebes

über Indien und Persien bis zum Mogreb (*

Westen.) Asiens, wo die Schia nur noch zerstreute Anhänger

hat, und dann gibt es in Kerbela eine dramatische Vorstellung,

welche an Szenen der wildesten Verzweiflung ihresgleichen

sucht. Wehe dem Sunniten, wehe dem Giaur, welcher an diesem

Tage sich in Kerbela unter der bis zur Tobsucht aufgeregten

Rotte der Schiiten sehen lassen wollte! Er würde in Stücke

zerrissen! - -

Diese historische Einleitung mag zum besseren Verständnis des

Nachfolgenden dienen.

Wir hatten am Zab den Entschluß gefaßt, den Fluß entlang bis zu

den Schirban- und dann den Zibar-Kurden zu reiten. Bis zu den

Schirbani hatten wir Empfehlungen vom Bey zu Gumri und von

dem Melek in Lizan erhalten, und von da aus hofften wir auf

weitere Unterstützung. Die Schirbani nahmen uns gastfreundlich

auf, von den Zibari aber wurden wir sehr feindselig empfangen;

doch gelang es mir später, mich ihrer Teilnahme zu versichern.

Wir kamen glücklich bis zum Akrafluß, stießen aber hier bei der

wilden Bergbevölkerung auf eine so große Böswilligkeit, daß wir

nach verschiedenen schlimmen Erfahrungen uns nach Südost

wenden mußten. Wir überschritten den Zab östlich des Ghara

wenden mußten. Wir überschritten den Zab östlich des Ghara

Surgh, ließen Pir Hasan links liegen und sahen uns genötigt, da

wir den dortigen Kurden keineswegs trauen durften, längs des

Dschebel Pir Mam nach Südost zu halten, um dann nach rechts

umzubiegen und irgendwo zwischen dem Diyaleh und kleinen

Zab den Tigris zu erreichen. Wir hofften, bei den Dscherboa-

Arabern gastlich aufgenommen zu werden und sichere

Wegweiser zu finden, erfuhren aber zu unserem Leidwesen, daß

dieselben sich mit den Obeïde und Beni-Lam verbündet hatten,

um alle Stämme zwischen dem Tigris und Thathar die Spitzen

ihrer Speere fühlen zu lassen. Nun waren die Schammar zwar mit

dem einen Ferkah der Obeïde, dessen Scheik Eslah el Mahem

war, befreundet, aber dieser Mann konnte seine Gesinnung

geändert haben, und von den andern Ferkah wußte Mohammed

Emin genau, daß sie den Haddedihn feindlich gesinnt seien. Unter

diesen Umständen war es am geratensten, unsere Richtung zuerst

nach Sulimania zu nehmen und uns dann weiter zu entscheiden.

Hatten wir Amad el Ghandur befreit und glücklich bis hierher

gebracht, so wollten wir nun lieber einen Umweg einschlagen, als

uns wieder in neue Gefahren begeben.

So gelangten wir nach längerer Zeit und mancherlei

Anstrengungen und Entbehrungen glücklich an das nördliche

Zagrosgebirge.

Es war Abend, und wir lagerten am Rande eines

Tschimarwaldes (Orientalische Platane.). Ueber uns wölbte sich

ein Firmament, dessen Glanz nur in diesen Gegenden in solcher

ein Firmament, dessen Glanz nur in diesen Gegenden in solcher

Reinheit und Kraft zu beobachten ist. Wir befanden uns in der

Nähe der persischen Grenze, und die Luft Persiens ist ja wegen

ihrer Klarheit berühmt. Das Licht der Sterne war so stark, daß

ich, trotzdem der Mond weder im Kalender noch am Himmel

stand, die Zeiger meiner Taschenuhr auf drei Schritte Entfernung

ganz deutlich erkennen konnte. Lesen hätte ich, selbst bei kleiner

Schrift, ganz gut vermocht. Die Strahlen des Jupiter waren so

hell, daß seine Trabanten selbst dann mit einem Fernrohre mit

ausgeschraubten Gläsern wohl schwerlich zu entdecken gewesen

wären, wenn man den Körper des Planeten mit dem Rande des

Rohres zu bedecken versucht hätte. Sogar teleskopische

Gestirne kamen zum Vorscheine. Der siebente Stern des

Siebengestirns war ohne bedeutende Anstrengung des Auges zu

erkennen. Die Klarheit eines solchen Firmamentes macht einen

tiefen Eindruck auf das Gemüt, und ich lernte einsehen, warum

Persien die Heimat der Astrologie ist, dieser unfrei geborenen

Mutter der edlen Tochter, welche uns die leuchtenden Welten

des Himmels kennen lehrt.

Unsere Lage ließ uns vorziehen, im Freien zu übernachten. Wir

hatten uns im Laufe des Tages von einem Hirten ein Lamm

gekauft und brannten uns jetzt ein Feuer an, um das Lamm gleich

in der Haut zu braten, nachdem wir es ausgenommen und mit

dem Messer geschoren hatten.

Unsere Pferde grasten in der Nähe. Sie waren in der letzten Zeit

ganz ungewöhnlich angestrengt worden, und es wäre ihnen eine

ganz ungewöhnlich angestrengt worden, und es wäre ihnen eine

mehrtägige Ruhe zu gönnen gewesen, was sich leider aber nicht

ermöglichen ließ.

Wir selbst befanden uns alle wohl, mit Ausnahme eines Einzigen.

Dies war Sir David, welcher unter einem großen Aerger zu

leiden hatte.

Er war nämlich vor einigen Tagen von einem Fieber befallen

worden, welches ungefähr vierundzwanzig Stunden lang anhielt.

Dann war es wieder verschwunden, aber mit diesem

Verschwinden hatte sich bei ihm jenes schaudervolle Geschenk

des Orientes entwickelt, welches der Lateiner Febris Aleppensis,

der Franzose aber Mal d'Aleppo oder Bouton d'Alep nennt.

Diese "Aleppobeule", welche nicht nur Menschen, sondern auch

gewisse Tiere z¨B¨ Hunde und Katzen heimsucht, wird stets von

einem kurzen Fieber eingeleitet, nach welchem sich entweder im

Gesicht oder auch auf der Brust, an den Armen und Beinen eine

große Beule bildet, welche unter Aus- sickern [Aussickern] einer

Feuchtigkeit fast ein ganzes Jahr steht und beim Verschwinden

eine tiefe, nie wieder verschwindende Narbe hinterläßt. Der

Name dieser Beule ist übrigens nicht zutreffend, da die Krankheit

nicht nur in Aleppo, sondern auch in der Gegend von Antiochia,

Mossul, Diarbekr, Bagdad und in einigen Gegenden Persiens

auftritt.

Ich hatte diese verunstaltende Beule schon öfters gesehen, noch

niemals aber in der ungewöhnlichen Größe wie bei unserm

niemals aber in der ungewöhnlichen Größe wie bei unserm

[Illustration Nr. 1] guten Master Lindsay. Nicht genug, daß bei

ihm die außerordentliche Anschwellung im dunkelsten Rot

erglänzte, war sie auch so impertinent gewesen, sich just die

Nase zu ihrem Sitze auszuwählen - diese arme Nase, welche so

schon an einer ganz abnormen Dimension zu leiden hatte. Unser

Englishman trug das Uebel nicht etwa mit Ergebenheit, wie es

seine Pflicht als Gentleman und Vertreter der very great and

excellent nation gewesen wäre, sondern er verriet einen Aerger

und eine Ungeduld, deren Ausbrüche oft das Zwerchfell der

Zuhörer in Mitleidenschaft zog.

Auch jetzt saß er am Feuer und befühlte fortwährend mit beiden

Händen die unverschämte Pustel.

"Master!" sagte er zu mir. "Hersehen!"

"Wohin?"

"Hm! Dumme Frage! Auf mein Gesicht natürlich! Yes! Ist wieder

gewachsen?"

"Was? Wer?"

"'s death! Diese Beule hier! Viel gewachsen?"

"Sehr! Sieht grad wie eine Gurke aus."

"All devils! Schauderhaft! Entsetzlich! Yes!"

"All devils! Schauderhaft! Entsetzlich! Yes!"

"Vielleicht wird's mit der Zeit ein Fowling-bull, Sir!"

"Wollt Ihr eine Ohrfeige haben, Master? Stehe sofort zu

Diensten! Wollte, Ihr selbst hättet dieses armselige Swelling (*

Englisch: Geschwulst.) auf Eurer Nase!"

"Habt Ihr Schmerzen?"

"Nein."

"So seid froh!"

"Froh? Zounds! Wie kann ich froh sein, wenn die Leute denken,

meine Nase hätte die Snuff-box gleich mit auf die Welt gebracht!

Wie lange werde ich dieses Ding haben?"

"Ziemlich ein Jahr, Sir!"

Er machte ein Paar Augen, daß ich vor Schreck beinahe

zurückgewichen wäre, zumal das Entsetzen ihm den Mund so

weit aufriß, daß die Nase mitsamt der Snuff-box

(Schnupftabaksdose) geradewegs hätte hineinspazieren können.

"Ein Jahr? Ein ganzes Jahr? Zwölf ganze Monate?"

"So ungefähr."

"Oh! Ah! Horrible! Fürchterlich, entsetzlich! Gibt es kein Mittel?

"Oh! Ah! Horrible! Fürchterlich, entsetzlich! Gibt es kein Mittel?

Pflaster? Salbe? Brei auflegen?

Wegschneiden?"

"Nichts, gar nichts."

"Aber jede Krankheit hat ihr Mittel!"

"Diese nicht, Sir. Diese Beule ist nicht im mindesten gefährlich;

aber wenn man sie zu zerteilen sucht oder gar ritzt und schneidet,

dann kann sie sehr schlimm werden."

"Hm! Was dann, wenn sie fort ist? Sieht man es noch?"

"Das ist verschieden. Je größer die Beule, desto größer auch das

Loch, welches zurückbleibt."

"My sky! Ein Loch?"

"Leider!"

"O weh! Schauderhaftes Land hier! Miserable Gegend! Werde

machen, daß ich nach Old England komme!

Well!"

"Nehmt Euch Zeit, Sir!"

"Warum?"

"Warum?"

"Was würde man in Altengland sagen, wenn Sir David Lindsay

seiner Nase erlaubt, sich eine Filiale anzulegen!"

"Hm! Habt recht, Master! Die Straßenjungen würden mir

nachtrollen. Werde also hier bleiben und mich - -

"

"Sihdi!" unterbrach ihn Halef. "Blicke nicht um!"

Ich saß mit dem Rücken gegen den Waldesrand und dachte mir

natürlich sofort, daß der kleine Hadschi hinter mir etwas

Verdächtiges bemerkt habe.

"Was siehst du?" fragte ich ihn darum.

"Ein Paar Augen. Grad hinter dir stehen zwei Tschimars, und

zwischen ihnen gibt es einen wilden Birnbusch. Dort steckt der

Mann, dessen Augen ich gesehen habe."

"Siehst du sie noch?"

"Warte!"

Er beobachtete so unauffällig wie möglich den Busch, und ich

instruierte unterdessen die anderen, sich ganz so unbefangen wie

vorher zu verhalten.

"Jetzt!" sagte Halef.

Ich erhob mich und gab mir den Anschein, als ob ich dürres Holz

für das Feuer suchen wolle. Dabei entfernte ich mich so weit von

dem Lager, daß ich nicht mehr gesehen werden konnte. Dann

drang ich in den Waldsaum ein und schlich mich zwischen den

Bäumen wieder zurück. Es waren nicht fünf Minuten vergangen,

so befand ich mich hinter den beiden Tschimarbäumen und fand

da allerdings Gelegenheit, das scharfe Auge Halefs zu

bewundern. Zwischen den Bäumen und dem Busche kauerte

eine menschliche Gestalt, welche unser Treiben am Lagerfeuer

beobachtete.

Weshalb geschah dies? Wir befanden uns hier in einer Gegend,

wo in meilenweitem Umkreise kein Dorf zu finden war.

Allerdings gab es rund umher verschiedene kleine kurdische

Stämme, welche sich bekämpften, und es mochte wohl auch

zuweilen geschehen, daß irgend ein persischer Nomadenstamm

über die Grenze kam, um einen Raub auszuführen. Dabei gab es

genug Umhertreiber, Ueberreste von vernichteten Stämmen, die

Gelegenheit suchten, sich einem andern Stamm anzuschließen.

Ich durfte nicht trauen; daher schob ich mich ganz leise an den

Mann heran und faßte ihn dann rasch bei der Kehle. Er erschrak

so sehr, daß er ganz steif wurde und sich auch gar nicht wehrte,

als ich ihn in die Höhe nahm und an das Feuer trug.

Dort legte ich ihn nieder und zog den Dolch.

Dort legte ich ihn nieder und zog den Dolch.

"Mann, rühre dich nicht, sonst ersteche ich dich!" drohte ich.

Es war mir gar nicht so grimmig um das Herz, aber der Fremde

nahm meine Drohung ernst auf und faltete bittend die Hände.

"Herr, Gnade!"

"Das soll auf dich ankommen. Belügst du mich, so bist du

verloren. Wer bist du?"

"Ich bin ein Turkomane vom Stamme der Bejat."

Ein Turkomane? Hier? Seiner Kleidung nach konnte er allerdings

die Wahrheit gesagt haben. Auch wußte ich, daß es früher

Turkomanen zwischen dem Tigris und der persischen Grenze

gegeben hatte, und es stimmte, daß es der Stamm Bejat gewesen

war. Die lurische Wüste und die Ebene Tapespi waren der

Schauplatz ihrer Umherschweifereien gewesen. Aber als Nadir-

Schah in das Ejalet Bagdad einfiel, schleppte er die Bejat nach

Khorassan. Er nannte diese Provinz wegen ihrer Lage und

Beschaffenheit "das Schwert Persiens" und bemühte sich, sie mit

tapferen, kriegerischen Bewohnern zu bevölkern.

"Ein Bejat?" fragte ich. "Du lügst!"

"Ich sage die Wahrheit, Herr."

"Die Bejat wohnen nicht hier, sondern im fernen Khorassan."

"Du hast recht; aber als sie einst diese Gegend verlassen mußten,

so blieben doch einige zurück, deren Nachkommen sich jetzt so

vermehrt haben, daß sie über tausend Krieger zählen. Wir haben

unsere Sommerplätze in der Gegend von den Ruinen von Kizzel-

Karaba und an den Ufern des Kuru-Tschai."

Es fiel mir ein, davon gehört zu haben.

"Jetzt befindet ihr euch hier in der Nähe?"

"Ja, Herr."

"Wie viele Zelte zählt ihr?"

"Wir haben keine Zelte."

Das mußte mir auffallen. Wenn ein Nomadenstamm sein Lager

verläßt, ohne seine Zelte mitzunehmen, so deutet dies gewöhnlich

auf einen Raub- oder Kriegszug. Ich fragte weiter:

"Wie viele Männer seid ihr heute?"

"Zweihundert!"

"Und Frauen?"

"Wir haben sie nicht bei uns."

"Wir haben sie nicht bei uns."

"Wo lagert ihr?"

"Nicht weit von hier. Wenn du dort um die Ecke des Waldes

gehest, so bist du bei uns."

"So habt ihr hier unser Feuer bemerkt?"

"Wir haben es gesehen, und der Khan schickte mich ab, um zu

erfahren, was für Männer sich hier befinden."

"Wohin gehet ihr?"

"Wir gehen nach dem Süden."

"Welcher Ort ist euer Ziel?"

"Wir wollen in die Gegend von Sinna."

"Das ist ja persisch!"

"Ja. Unsere Freunde dort geben ein großes Fest, zu welchem wir

geladen sind."

Das fiel mir auf. Diese Bejat hatten ihren Wohnsitz an den Ufern

des Kuru-Tschai und bei den Ruinen von Kizzel-Karaba, also in

der Nähe von Kifri; diese Stadt aber lag weit im Südwesten von

unserem heutigen Lagerplatz, während Sinna zwei Dritteile

derselben Entfernung im Südosten von uns lag. Warum waren

derselben Entfernung im Südosten von uns lag. Warum waren

die Bejat nicht direkt von Kifri nach Sinna gegangen? Warum

hatten sie einen so bedeutenden Umweg gemacht?

"Was tut ihr hier oben?" fragte ich daher. "Warum habt ihr euren

Weg um das Doppelte verlängert?"

"Weil wir durch das Gebiet des Pascha von Sulimania hätten

ziehen müssen, und er ist unser Feind."

"Aber ihr befindet euch hier doch ebenso auf seinem Gebiete!"

"Hier oben sucht er uns nicht. Er weiß, daß wir aus- gezogen

[ausgezogen] sind, und glaubt, uns im Süden von seiner Residenz

zu finden."

Dies klang wahrscheinlich, obgleich ich noch immer kein rechtes

Vertrauen zu dem Manne hatte. Ich sagte mir jedoch, daß die

Anwesenheit dieser Bejat uns nur von Vorteil sein könne. Unter

ihrem Schutze konnten wir unangefochten bis nach Sinna

kommen, und dann war für uns keine Gefahr mehr zu befürchten.

Der Turkomane kam meiner darauf bezüglichen Frage entgegen:

"Herr, du wirst mich wieder freilassen? Ich habe euch ja nichts

getan!"

"Du hast nur getan, was dir befohlen war; du bist frei."

Er atmete erleichtert auf.

Er atmete erleichtert auf.

"Ich danke dir, Herr! Wohin sind die Köpfe eurer Pferde

gerichtet?"

"Nach Süden."

"Ihr kommt von Mitternacht herunter?"

"Ja. Wir kommen aus dem Lande der Tijari, Berwari und

Chaldani."

"So seid ihr sehr mutige und tapfere Männer. Welchem Stamme

gehört ihr an?"

"Dieser Mann und ich, wir sind Emire aus Frankhistan, und die

andern sind unsere Freunde."

"Aus Frankhistan! - Herr, wollt ihr mit uns ziehen?"

"Wird dein Khan mir seine Hand öffnen?"

"Er wird es. Wir wissen, daß die Franken große Krieger sind.

Soll ich gehen und ihm von euch sagen?"

"Geh, und frag ihn, ob er uns empfangen will!"

Er stand auf und eilte davon. Die Andern zeigten sich mit dem,

was ich getan hatte, einverstanden, und besonders Mohammed

Emin freute sich darüber.

Emin freute sich darüber.

"Effendi," sagte er, "ich habe von den Bejat oft gehört. Sie leben

mit den Dscherboa, Obeïde und Beni-Lam in immerwährendem

Unfrieden, und darum werden sie uns nützlich sein. Dennoch

aber wollen wir nicht sagen, daß wir Haddedihn sind; es ist

besser, sie wissen es nicht."

"Auch jetzt müssen wir vorsichtig sein, denn noch wissen wir

nicht, ob der Khan uns freundlich aufnehmen wird. Holt die

Pferde herbei, und legt euch die Waffen bereit, um für alle Fälle

gerüstet zu sein!"

Die Bejat schienen unsertwegen eine ungewöhnlich lange

Beratung zu halten, denn ehe sie ein Lebenszeichen von sich

gaben, war unser Lamm gebraten und auch verzehrt. Endlich

hörten wir Schritte.

Der Turkomane, welcher bei uns gewesen war, erschien mit

noch drei Kameraden.

"Herr," sagte er, "der Khan sendet mich. Ihr sollt zu ihm kommen

und uns willkommen sein."

"So geht voran, und führt uns!"

Wir stiegen zu Pferde und folgten ihnen, die Gewehre in der

Hand. Als wir die Waldecke hinter uns hatten, war von keinem

Lagerplatze etwas zu bemerken; nachdem wir aber einen dichten

Lagerplatze etwas zu bemerken; nachdem wir aber einen dichten

Gebüschstreifen durchschnitten hatten, erreichten wir einen rings

von Sträuchern eingefaßten Platz, auf dem ein mächtiges Feuer

brannte. Dieser Lagerort war sehr gut gewählt, da er von außen

her nicht leicht bemerkt werden konnte.

Das Feuer diente nicht zum Erwärmen der Leute, sondern zur

Bereitung des Nachtmahles. Zweihundert dunkle Gestalten lagen

im Grase umher, und etwas abseits der flackernden Flamme saß

der Khan, welcher sich bei unserm Erscheinen langsam erhob.

Wir ritten hart an ihn heran und sprangen von den Pferden.

"Friede sei mit dir!" grüßte ich ihn.

"Mi newahet kjerdem - ich mache mein Kompliment!"

antwortete er, indem er sich verbeugte.

Das war persisch. Vielleicht wollte er mir damit beweisen, daß er

wirklich ein Bejat sei, dessen Hauptstamm man in Khorassan

suchen müsse. Der Perser ist der orientalische Franzose. Seine

Sprache ist biegsam und wohlklingend, weshalb sie auch die

Hofsprache der meisten asiatischen Fürsten geworden ist.

Aber das höfliche, schmeichelnde und oft kriechende Wesen des

Persers hat nie einen vorteilhaften Eindruck auf mich gemacht;

die gerade, rauhe Ehrlichkeit des Arabers tat mir viel wohler.

Auch die Andern waren aufgesprungen, und alle Hände

streckten sich dienstfertig aus, um sich unserer Pferde zu

streckten sich dienstfertig aus, um sich unserer Pferde zu

bemächtigen; doch hielten wir die Zügel fest, da wir noch

keineswegs wußten, ob dies gastfreundlich oder hinterlistig

gemeint sei.

"Gib ihnen immerhin die Pferde! Sie sollen für dieselben sorgen,"

sagte der Khan.

Ich wollte mir gleich Gewißheit verschaffen; darum fragte ich,

nun auch in persischer Sprache:

"Hesti irschad engiz - gewährst du uns Sicherheit (* Wörtlich:

Bist du Sicherheit gewährend?)?"

Er verneigte sich zustimmend und erhob die Hand.

"Mi saukend chordem - ich beschwöre es! Setzt euch zu mir,

und laßt uns reden!"

Die Bejat nahmen die Pferde; nur das meinige blieb in der Hand

Halefs, der recht gut wußte, was mir lieb und angenehm war.

Wir Andern nahmen bei dem Khan Platz. Die Flamme leuchtete

hell auf uns herüber, so daß wir einander ganz genau erkennen

konnten. Der Bejat war ein in den mittleren Jahren stehender

Mann von sehr kriegerischem Aussehen. Seine Züge waren offen

und Vertrauen erweckend, und die achtungsvolle Entfernung, in

welcher sich seine Untergebenen von ihm hielten, ließ auf einen

ehrliebenden und selbstbewußten Charakter schließen.

"Kennst du bereits meinen Namen?" erkundigte er sich.

"Nein," antwortete ich.

"Ich bin Heider Mirlam (** Löwe Mirlam.), der Neffe des

berühmten Hassan Kerkusch-Bey. Hast du von ihm gehört?"

"Ja. Er residierte in der Nähe des Dorfes Dschenijah, welches an

der Poststraße von Bagdad nach Tauk liegt. Er war ein sehr

tapferer Krieger, aber er liebte dennoch den Frieden, und jeder

Verlassene fand guten Schutz bei ihm."

Er hatte mir seinen Namen gesagt, und nun erforderte es

natürlich die Höflichkeit, ihm auch den meinigen zu nennen.

Darum fuhr ich fort:

"Dein Kundschafter wird dir bereits gesagt haben, daß ich ein

Franke bin. Man nennt mich Kara Ben Nemsi - - -"

Er konnte trotz der bekannten orientalischen Selbstbeherrschung

einen Ausruf des Erstaunens nicht unterdrücken:

"Ajah - oh! Kara Ben Nemsi! So ist dieser andere Mann, der

eine rote Nase hat, der Emir aus Inglistan, welcher Steine und

Schriften ausgraben will?"

"Hast du von ihm gehört?"

[Tafel Nr. 1: Allo (Zu S. 52.) "Ja, Herr; du hast mir nur deinen

[Tafel Nr. 1: Allo (Zu S. 52.) "Ja, Herr; du hast mir nur deinen

Namen genannt, aber ich kenne dich und ihn. Der kleine Mann,

welcher dein Pferd hält, ist Hadschi Halef Omar, vor dem sich so

viele Große fürchten?"

"Du hast es erraten."

"Und wer sind die beiden Andern?"

"Das sind Freunde von mir, welche ihre Namen in den Kuran

legten (* Ausdruck für: aus wichtigen Gründen unerkannt

bleiben.). Wer hat dir von uns erzählt?"

"Du kennst Ibn Zedar Ben Huli, den Scheik der Abu Hammed?"

"Ja. Er ist dein Freund?"

"Er ist nicht mein Freund und nicht mein Feind. Du brauchst dich

nicht zu sorgen; ich habe ihn nicht an dir zu rächen."

"Ich fürchte mich nicht!"

"Das glaube ich. Ich traf mit ihm bei Eski Kifri zusammen, und da

erzählte er mir, daß du schuld bist, daß er Tribut zu zahlen hat.

Sei vorsichtig, Herr! Er wird dich töten, wenn du in seine Hände

fällst."

"Ich befand mich in seiner Hand, ohne daß er mich getötet hat.

Ich war Gefangener; aber er konnte mich nicht festhalten."

Ich war Gefangener; aber er konnte mich nicht festhalten."

"Ich habe es gehört. Du hast den Löwen getötet, ganz allein und

in der Dunkelheit, und bist dann mit der Haut desselben

davongeritten. Glaubst du, daß auch ich dich nicht halten könnte,

wenn du mein Gefangener wärest?"

Dies klang verdächtig, doch ich antwortete ruhig:

"Du könntest mich nicht halten, und ich wüßte auch nicht, wie du

es anfangen solltest, um mich gefangen zu nehmen."

"Herr, wir sind zweihundert, ihr aber seid nur fünf!"

"Khan, vergiß nicht, daß zwei Emire aus Frankhistan unter diesen

fünf sind, und daß diese zwei so viel zählen wie zweihundert

Bejat!"

"Du sprichst sehr stolz!"

"Und du fragst sehr ungastlich! Soll ich an der Wahrheit deines

Wortes zweifeln, Heider Mirlam?"

"Ihr seid meine Gäste, obgleich ich die Namen dieser beiden

Männer nicht kenne, und sollt Brot und Fleisch mit mir essen."

Ein rücksichtsvolles Lächeln umspielte seine Lippen, und der

Blick, welchen er auf die beiden Haddedihn warf, sagte mir

genug. Mohammed Emin war infolge seines prachtvollen,

schneeweißen Bartes unter Tausenden zu erkennen.

schneeweißen Bartes unter Tausenden zu erkennen.

Auf einen Wink des Khan wurden einige viereckige Lederstücke

herbeigebracht. Auf diesen servierte man uns Brot, Fleisch und

Datteln, und als wir ein Weniges davon genossen hatten, wurde

uns für unsere Pfeifen Tabak gereicht, für den uns der Khan

eigenhändig Feuer gab.

Jetzt erst konnten wir uns als seine Gäste betrachten, und ich gab

Halef einen Wink, mein Pferd zu den übrigen Rossen zu bringen.

Er tat dies und nahm dann auch bei uns Platz.

"Welches ist das Ziel eurer Wanderungen?" erkundigte sich der

Khan.

"Wir reiten nach Bagdad zu," antwortete ich vorsichtig.

"Wir ziehen nach Sinna," hob er wieder an. "Wollt ihr mit uns

reiten?"

"Wirst du es erlauben?"

"Ich werde mich freuen, euch bei mir zu sehen. Komm, reiche

mir deine Hand, Kara Ben Nemsi! Meine Brüder sollen deine

Brüder sein und meine Feinde deine Feinde!"

Er reichte mir seine Hand entgegen, und ich schlug ein. Er tat

dasselbe auch mit den Andern, die sich mit mir herzlich freuten,

hier so ganz unerwartet einen Freund und Beschützer gefunden

hier so ganz unerwartet einen Freund und Beschützer gefunden

zu haben. Wir sollten es später zu bereuen haben. Der Bejat

meinte es nicht böse mit uns; aber er glaubte, an uns eine gute

Erwerbung gemacht zu haben, die ihm großen Nutzen bringen

werde.

"Welche Stämme trifft man von hier bis Sinna?" erkundigte ich

mich.

"Hier ist ein freies Land, wo bald dieser und bald jener Stamm

seine Herden weidet; wer der Stärkere ist, der bleibt."

"Zu welchem Stamme seid ihr geladen?"

"Zu dem der Dschiaf."

"So freue dich deiner Freunde; denn der Stamm der Dschiaf ist

der mächtigste des ganzen Landes! Die Scheik-Ismael,

Zengeneh, Kelogawani, Kelhore und sogar die Schenki und

Hollali fürchten ihn."

"Emir, warst du bereits einmal hier?"

"Noch niemals."

"Aber du kennst ja alle Stämme dieser Gegend!"

"Vergiß nicht, daß ich ein Franke bin!"

"Ja, die Franken wissen alles, selbst das, was sie nicht gesehen

"Ja, die Franken wissen alles, selbst das, was sie nicht gesehen

haben. Hast du auch vom Stamme der Bebbeh gehört?"

"Ja. Er ist der reichste Stamm weit und breit und hat seine Dörfer

und Zelte in der Umgebung von Sulimania."

"Du bist recht berichtet. Hast du Freunde oder Feinde unter

ihnen?"

"Nein. Ich bin noch nie mit einem Bebbeh zusammengetroffen. "

"Vielleicht werdet ihr sie kennen lernen."

"Werdet ihr ihnen begegnen?"

"Vielleicht, obgleich wir gern ein Zusammentreffen vermeiden."

"Kennst du den Weg nach Sinna ganz genau?"

"Ganz genau."

"Wie weit ist es von hier bis dahin?"

"Wer ein gutes Pferd hat, der reitet in drei Tagen hin."

"Und wie weit ist es bis Sulimania?"

"Du kannst es schon in zwei Tagen erreichen."

"Wann brecht ihr morgen auf?"

"Wann brecht ihr morgen auf?"

"Sobald die Sonne erscheint. Wünschest du, zur Ruhe zu

gehen?"

"Wie es dir angenehm ist."

"Der Wille des Gastes ist Gesetz im Lager, und ihr seid müde,

denn du hast die Pfeife bereits fortgelegt.

Auch der Amasdar (* Mann mit der Beule = Lindsay.) macht

schon seine Augen zu. Ich gönne euch die Ruhe."

"Bejatend schirinkar - die Bejat haben angenehme Sitten.

Erlaube, daß wir unsere Decken ausbreiten!"

"Tut es. Allah aramed schumara - Gott gebe euch Schlaf (**

Wörtlich: Allah singe oder lulle euch ein!)!"

Auf einen Wink von ihm wurden ihm Teppiche gebracht, aus

denen er sich ein Ruhelager bereitete. Meine Gefährten machten

es sich so bequem wie möglich; ich aber verlängerte die Zügel

meines Pferdes durch den Lasso, dessen Ende ich mir um das

Handgelenk band, und legte mich dann außerhalb des

Lagerkreises nieder. So konnte der Rappe weiden, und ich war

seiner sicher, zumal der Hund an meiner Seite wachte.

So verging eine Weile.

Ich hatte die Augen noch nicht geschlossen, so näherte sich mir

Ich hatte die Augen noch nicht geschlossen, so näherte sich mir

jemand. Es war der Engländer, der seine beiden Decken neben

mir niederlegte.

"Schöne Freundschaft das," brummte er. "Sitze da, verstehe kein

Wort! Denke, es soll mir erklärt werden!

Da aber machte sich der Kerl aus dem Staube. Hm! Danke

sehr!"

"Verzeiht, Sir! Euch hatte ich wahrhaftig vergessen!"

"Mich vergessen! Seid Ihr blind, oder bin ich nicht groß genug?"

"Na, in die Augen fallt Ihr schon, besonders seit Ihr den

Leuchtturm im Gesichte habt. Also was wollt Ihr wissen?"

"Alles! Uebrigens mit dem Leuchtturme, das laßt sein, Master!

Was habt Ihr denn mit diesem Scheik oder Khan besprochen?"

Ich erklärte es ihm.

"Well, das ist günstig. Nicht?"

"Ja. Drei Tage lang sicher sein oder nicht, das ist ein

Unterschied."

"Ihr habt also gesagt: nach Bagdad? Meint Ihr das wirklich,

Master?"

Master?"

"Es wäre mir allerdings das Liebste, aber es geht nicht."

"Warum nicht?"

"Wir müssen zu den Haddedihn zurück, denn Ihr habt Eure

Diener noch dort, und sodann fällt es mir auch sehr schwer, mich

von Halef zu trennen. Wenigstens verlasse ich ihn nicht eher, als

bis ich ihn gesund und sicher bei seinem jungen Weibe weiß."

"Richtig! Yes! Braver Kerl! Zehntausend Pfund wert. Well!

Möchte auch sonst gern wieder hin."

"Warum?"

"Wegen Fowling-bulls."

"Oh, Altertümer sind in der Nähe von Bagdad auch zu finden;

zum Beispiel in den Ruinen bei Hilla. Dort hat Babylon

gestanden, und es gibt da Trümmerfelder von einem Umkreise

von mehreren geographischen Meilen, obgleich Babylon nicht so

groß gewesen ist, wie Niniveh."

"Oh! Ah! Hinreiten! Nach Hillah! Nicht?"

"Darüber läßt sich noch nichts sagen. Die Hauptsache ist

zunächst, daß wir den Tigris glücklich erreichen.

Das Weitere wird sich dann finden."

Das Weitere wird sich dann finden."

"Schön! Wir gehen aber hin! Yes! Well! Good night!"

"Gute Nacht!"

Der gute Lindsay dachte heute nicht, daß wir eher und unter ganz

andern Umständen, als er jetzt meinte, nach jenen Gegenden

kommen würden. Er wickelte sich in seine Decke und ließ bald

ein lautes Schnarchen vernehmen. Auch ich schlief ein, gewahrte

aber vorher, daß vier Männer von den Bejat sich zu Pferde

setzten und fortritten.

Als ich erwachte, graute der Tag, und einzelne der Turkomanen

waren bereits mit ihren Pferden beschäftigt. Halef, der auch

schon munter war, hatte gleichfalls am Abend das Wegreiten der

vier Bejat bemerkt und meldete es mir nun. Dann fragte er:

"Sihdi, warum senden sie Boten fort, wenn sie es ehrlich mit uns

meinen?"

"Ich glaube nicht, daß diese vier just unsertwegen fortgeritten

sind. Wir wären ja auch so schon vollständig in der Gewalt des

Khan, wenn er Uebles gegen uns vorhätte. Sorge dich nicht,

Halef!"

Ich dachte mir, daß die Reiter wegen der Gefährlichkeit der

Gegend als Kundschafter vorausgeschickt worden seien, und

hatte damit auch wirklich das Richtige getroffen, wie ich auf

hatte damit auch wirklich das Richtige getroffen, wie ich auf

meine Erkundigung von Heider Mirlam selbst erfuhr.

Nach einem sehr schmalen Frühstück, welches nur aus einigen

Datteln bestand, brachen wir auf. Der Khan hatte seine Leute in

einzelne Trupps geteilt, welche sich in Abständen von einer

Viertelstunde folgten. Er war ein kluger, vorsichtiger Mann, der

für die Sicherheit der Seinen nach besten Kräften sorgte.

Wir ritten ohne Rast bis Mittag. Als die Sonne am höchsten

stand, machten wir Halt, um unsern Pferden die nötige Ruhe zu

gönnen. Wir waren während unseres Rittes auf keinen einzigen

Menschen gestoßen und hatten an gewissen Stellen, an Büschen,

Bäumen oder am Boden Zeichen der vier vorausgesandten

Reiter gefunden, welche uns dadurch die Richtung angaben, der

wir folgen mußten.

Diese Richtung war mir rätselhaft. Von unserm gestrigen

Ruheplatze aus hatte Sinna im Südosten gelegen, aber anstatt

infolgedessen diese Richtung einzuhalten, waren wir fast ganz

genau nach Süd geritten.

"Du wolltest zu den Dschiaf?" erinnerte ich den Khan.

"Ja."

"Dieser wandernde Stamm befindet sich jetzt in der Gegend von

Sinna?"

"Ja."

"Aber wenn wir so fortreiten, kommen wir nie nach Sinna,

sondern nach Banna oder gar Nweizgieh!"

"Willst du sicher reisen, Herr?"

"Das versteht sich!"

"Wir auch. Und aus diesem Grunde ist es geraten, daß wir die

feindlichen Stämme umgehen. Wir werden noch bis heut abend

sehr scharf zu reiten haben und dann können wir uns ausruhen;

denn wir müssen morgen erwarten, daß der Weg nach Ost frei

wird."

Diese Erklärung wollte mir nicht ganz einleuchten; aber es war

mir nicht möglich, seine Gründe zu widerlegen, und so schwieg

ich.

Nach einer zweistündigen Ruhe brachen wir wieder auf. Unser

Ritt war ein sehr scharfer, und ich bemerkte, daß er uns oft im

Zickzack führte; es hatte also viele Punkte gegeben, von denen

uns die vier Kundschafter fernhalten wollten.

Gegen Abend mußten wir eine hohlwegähnliche Vertiefung

durchreiten. Ich befand mich an der Seite des Khans, der bei der

vordersten Abteilung war. Wir hatten diese Stelle fast

zurückgelegt, als wir auf einen Reiter trafen, dessen bestürztes

zurückgelegt, als wir auf einen Reiter trafen, dessen bestürztes

Gesicht uns verriet, daß er nicht gedacht hatte, hier an diesem

Orte Fremden zu begegnen. Er drängte sein Pferd zur Seite,

senkte die Lanze und grüßte:

"Sallam!"

"Sallam!" antwortete der Khan. "Wohin geht dein Weg?"

"In den Wald. Ich will mir ein Bergschaf (* Reh.) erjagen."

"Zu welchem Stamme gehörst du?"

"Ich bin ein Bebbeh."

"Wohnest du, oder wanderst du?"

"Wir wohnen zur Zeit des Winters; im Sommer aber führen wir

unsere Herden zur Weide."

"Wo wohnest du im Winter?"

"In Nweizgieh. Im Südost von hier. In einer Stunde kannst du es

erreichen. Meine Gefährten werden euch gern willkommen

heißen."

"Wie viel Männer seid ihr?"

"Vierzig, und bei andern Herden sind noch mehr."

"Gib mir deine Lanze!"

"Warum?" fragte der Mann erstaunt.

"Und deine Flinte!"

"Warum?"

"Und dein Messer! Du bist mein Gefangener!"

"Maschallah!"

Dieses Wort war ein Ausruf des Schreckens. Sogleich aber

blitzte es in seinen scharfen Zügen auf; er riß sein Pferd empor,

warf es herum und sprengte zurück.

"Fange mich!" hörten wir noch den Ruf des schnell handelnden

Mannes.

Da nahm der Khan seine Flinte zur Hand und legte auf den

Fliehenden an. Ich hatte kaum Zeit, den Lauf zur Seite zu

schlagen, so krachte der Schuß. Natürlich ging die Kugel an

ihrem Ziel vorüber. Der Khan hob die Faust gegen mich, besann

sich aber sofort eines Besseren.

"Khyangar (** Verräter.)! Was tust du?" rief er zornig.

"Ich bin kein Verräter," antwortete ich ruhig. "Ich will nicht

haben, daß du eine Blutschuld auf dich ladest."

haben, daß du eine Blutschuld auf dich ladest."

"Aber er mußte sterben! Wenn er uns entkommt, so müssen wir

es büßen."

"Lässest du ihm das Leben, wenn ich ihn dir bringe?"

"Ja. Aber du wirst ihn nicht fangen!"

"Warte!"

Ich ritt dem Flüchtigen nach. Er war nicht mehr zu sehen; aber

als ich die Schlucht hinter mir hatte, bemerkte ich ihn. Vor mir lag

eine mit weißem Krokus und wilden Nelken bewachsene Ebene,

jenseits der die dunkle Linie eines Waldes sichtbar wurde. Wenn

ich ihn den Wald erreichen ließ, so war er wohl für mich

verloren.

"Rih!" rief ich, indem ich meinem Rappen die Hand zwischen die

Ohren legte. Das brave Tier war längst nicht mehr bei vollen

Kräften; auf dieses Zeichen hin aber flog es über den Boden, als

ob es wochenlang ausgeruht habe. In zwei Minuten war ich dem

Bebbeh um zwanzig Pferdelängen nahe gekommen.

"Halt!" rief ich ihm zu.

Dieser Mann war sehr mutig. Statt weiter zu fliehen oder zu

halten, warf er sein Pferd auf den Häcksen herum und kam mir

entgegen. Im nächsten Augenblick mußten wir zusammenprallen.

Ich sah ihn die Lanze heben und griff zu dem leichten Stutzen. Da

nahm er sein Pferd um einige Zoll nur auf die Seite. Wir sausten

aneinander vorüber; die Spitze seines Speeres war auf meine

Brust gerichtet; ich parierte glücklich, nahm aber sofort mein

Pferd herum. Er hatte eine andere Richtung eingeschlagen und

suchte zu entkommen. Warum bediente er sich nicht seiner

Flinte? Auch war sein Pferd zu wenig schlecht, als daß ich es

unter ihm hätte erschießen mögen. Ich nahm den Lasso von der

Hüfte, befestigte das eine Ende desselben am Sattelknopfe und

legte dann den langen, unzerreißbaren Riemen in die Schlingen.

Er blickte sich um und sah mich näher kommen. Er hatte wohl

noch nie von einem Lasso gehört und wußte also auch nicht, wie

man dieser so gefährlichen Waffe entgehen kann. Zur Lanze

schien er kein Vertrauen mehr zu haben, denn er nahm sein

langes Gewehr, dessen Kugel ja nicht zu parieren war. Ich maß

die Entfernung scharf mit dem Auge, und grad, als er den Lauf

erhob, schwirrte der Riemen durch die Luft. Kaum hatte ich mein

Pferd zur Seite genommen, so fühlte ich einen Ruck: ein Schrei

erscholl, und ich hielt an - der Bebbeh lag mit umschlungenen

Armen am Boden. Einen Augenblick später stand ich bei ihm.

"Hast du dir wehe getan?"

Diese meine Frage mußte unter den gegenwärtigen Umständen

allerdings wie Hohn klingen. Er suchte seine Arme zu befreien

und knirschte:

"Räuber!"

"Räuber!"

"Du irrst! Ich bin kein Räuber; aber ich wünsche, daß du mit mir

reitest."

"Wohin?"

"Zum Khan der Bejat, dem du entflohen bist."

"Der Bejat? Also gehören die Männer, welche ich traf, zu diesem

Stamme! Und wie heißt der Khan?"

"Heider Mirlam."

"Oh, nun weiß ich alles. Allah möge euch verderben, die ihr doch

nur Diebe und Schufte seid!"

"Schimpfe nicht! Ich verspreche dir bei Allah, daß dir nichts

geschehen soll!"

"Ich bin in deiner Gewalt und muß dir folgen."

Ich nahm ihm das Messer aus dem Gürtel und hob die Lanze und

die Flinte vom Boden; sie waren ihm beim Sturze entfallen. Dann

löste ich den Riemen und stieg schnell zu Pferde, um auf alles

gefaßt zu sein.

Er schien keinen Gedanken an Flucht zu hegen, sondern pfiff

seinem Pferde und schwang sich auf.

"Ich traue deinem Worte," sagte er. "Komm!"

Wir galoppierten nebeneinander zurück und fanden die Bejat am

Ausgange der Vertiefung auf uns warten.

Als Heider Mirlam den Gefangenen erblickte, klärte sich sein

finsteres Gesicht auf.

"Herr, du bringst ihn wirklich!" rief er.

"Ja, denn ich habe es dir versprochen. Aber ich habe ihm mein

Wort gegeben, daß ihm nichts geschehen soll. Hier sind seine

Waffen!"

"Er soll später alles wieder haben, jetzt aber bindet ihn, damit er

nicht entfliehen kann!"

Diesem Befehle wurde sogleich Gehorsam geleistet. Unterdessen

war die zweite unserer Abteilungen herangekommen, und ihr

wurde der Gefangene mit dem Bedeuten übergeben, ihn zwar gut

zu behandeln, ihn aber ebenso gut zu bewachen. Dann ward der

unterbrochene Ritt fortgesetzt.

"Wie ist er in deine Gewalt gekommen?" fragte der Khan.

"Ich habe ihn gefangen," antwortete ich kurz; denn ich war

verstimmt über sein Verhalten.

"Herr, du zürnst," meinte er; "du wirst aber noch erkennen, daß

ich so handeln mußte."

"Ich hoffe es!"

"Dieser Mann darf nicht ausplaudern, daß die Bejat in der Nähe

sind."

"Wann wirst du ihn entlassen?"

"Sobald es ohne Gefahr geschehen kann."

"Bedenke, daß er eigentlich mir gehört. Ich hoffe, daß mein ihm

gegebenes Wort nicht zu Schanden werde!"

"Was würdest du tun, wenn das Gegenteil geschähe?"

"Ich würde einfach dich -"

"Töten?" fiel er mir in die Rede.

"Nein. Ich bin ein Franke, das heißt, ich bin ein Christ; ich töte

nur dann einen Menschen, wenn ich mein Leben gegen ihn

verteidigen muß. Ich würde dich also nicht töten, aber ich würde

die Hand, mit welcher du dein Versprechen mir bekräftigt hast,

zu Schanden schießen. Der Emir der Bejat wäre dann wie ein

Knabe, der kein Messer zu führen versteht, oder wie ein altes

Weib, auf dessen Stimme nichts gegeben wird."

"Herr, wenn mir das ein Anderer sagte, so würde ich lachen;

euch aber traue ich es zu, daß ihr mich mitten unter meinen

Kriegern angreifen würdet."

"Allerdings täten wir das! Es ist keiner unter uns, der sich vor

deinen Bejat fürchten möchte."

"Auch Mohammed Emin nicht?" erwiderte er lächelnd.

Ich sah mein Geheimnis verraten, aber ich antwortete

gleichmütig:

"Auch er nicht."

"Und Amad el Ghandur, sein Sohn?"

"Hast du jemals vernommen, daß er ein Feigling sei?"

"Nie! Herr, wäret ihr nicht Männer, so hätte ich euch nicht bei

uns aufgenommen; denn wir reiten auf Wegen, welche gefährlich

sind. Ich wünsche, daß wir sie glücklich vollenden!"

Der Abend brach herein, und eben, als es so dunkel wurde, daß

es die höchste Zeit zum Lagern war, gelangten wir an einen

Bach, der aus einem Labyrinth von Felsen in das Freie sich

ergoß. Dort lagerten die vier Bejat, welche uns vorausgeritten

waren. Der Khan stieg ab und trat zu ihnen, um sich längere Zeit

leise mit ihnen zu unterhalten.

leise mit ihnen zu unterhalten.

Warum tat er so heimlich? Hatte er etwas vor, was nur sie allein

wissen durften? Endlich gebot er seinen Leuten, abzusteigen.

Einer der vier schritt uns voran, in das Felsengewirr hinein. Wir

führten die Pferde hinter uns und gelangten nach einiger Zeit in

eine große, ganz von Felsen eingeschlossene freie Rundung.

Dieser Ort war das sicherste Versteck, das jemals gefunden

werden konnte, freilich viel zu klein für zweihundert Mann und

deren Pferde.

"Bleiben wir hier?" fragte ich.

"Ja," antwortete Heider Mirlam.

"Aber nicht alle!"

"Nur vierzig; die andern werden in der Nähe lagern."

Diese Antwort mußte mich zufriedenstellen; nur wunderte es

mich, daß trotz der Sicherheit unserer Lage kein Feuer

angebrannt wurde. Dies fiel auch den Gefährten auf.

"Schöner Platz!" sagte Lindsay. "Kleine Arena. Nicht?"

"Allerdings."

"Aber feucht und kalt hier am Wasser. Warum nicht Feuer

anmachen?"

anmachen?"

"Weiß es nicht. Vielleicht sind feindliche Kurden in der Nähe."

"Was aus ihnen machen? Niemand kann uns sehen. Hm! Gefällt

mir nicht!"

Er warf einen zweifelhaften Blick auf den Khan, welcher mit dem

sichtlichen Bestreben, von uns nicht gehört zu werden, zu seinen

Leuten redete. Ich setzte mich zu Mohammed Emin, welcher auf

diese Gelegenheit gewartet zu haben schien, denn er fragte mich

sofort:

"Emir, wie lange bleiben wir bei diesen Bejat?"

"So lange es dir beliebt."

"Ist es dir recht, so trennen wir uns morgen von ihnen."

"Warum?"

"Ein Mann, der die Wahrheit verschweigt, ist kein guter Freund."

"Hältst du den Khan für einen Lügner?"

"Nein; aber ich halte ihn für einen Mann, der nicht alles sagt, was

er denkt."

"Er hat dich erkannt."

"Ich weiß es; ich habe es an seinen Augen gesehen."

"Nicht bloß dich, sondern auch Amad el Ghandur."

"Das ist leicht zu denken, da mein Sohn die Züge seines Vaters

trägt."

"Macht dir dies vielleicht Sorgen?"

"Nein. Wir sind Gäste der Bejat geworden, und sie werden uns

nicht verraten. Aber warum haben sie diesen Bebbeh gefangen

genommen?"

"Damit er unsere Anwesenheit nicht verraten kann."

"Warum soll sie nicht verraten werden, Emir? Was haben

zweihundert bewaffnete und gut berittene Reiter zu fürchten,

wenn sie keinen Troß bei sich haben, weder Weib noch Kind,

weder Kranke noch Greise, weder Zelte noch Herden? In

welcher Gegend befinden wir uns, Effendi?"

"Wir sind inmitten des Gebietes der Bebbeh."

"Und er wollte zu den Dschiaf? Ich habe wohl bemerkt, daß wir

immer gegen Mittag ritten. Warum teilt er heute die Leute in zwei

Lager? Emir, dieser Heider Mirlam hat zwei Zungen, obgleich er

es ehrlich mit uns meint. Wenn wir uns morgen von ihm trennen

wollen, welchen Weg schlagen wir dann ein?"

wollen, welchen Weg schlagen wir dann ein?"

"Wir haben die Berge des Zagros zu unserer Linken. Die

Distriktshauptstadt Banna liegt ganz in unserer Nähe, wie ich

vermute. Geht man an ihr vorüber, so kommt man nach

Amehdabad, Bija, Surene und Bayendereh. Hinter Amehdabad

öffnet sich ein Paß, welcher durch einsame Schluchten und Täler

nach Kizzelzieh führt. Dort hat man die Hügel von Girzeh und

Sersir zur Rechten, ebenso die kahlen Berge von Kurri-Kazhaf;

man gelangt an die beiden Wasserläufe Bistan und

Karadscholan, welche sich mit dem Kizzelzieh vereinigen und in

den Kiuprisee fallen. Haben wir diesen erreicht, so sind wir

geborgen. Dieser Weg ist freilich beschwerlich."

"Woher weißt du dies?"

"Ich habe in Bagdad mit einem Bulbassi-Kurden ge- sprochen

[gesprochen], welcher mir diese Gegend so gut beschrieb, daß

ich mir eine kleine Karte anfertigen konnte. Ich glaubte nicht, sie

brauchen zu können, habe sie aber doch hier in mein Tagebuch

gezeichnet."

"Und du meinst, daß es gut sei, diesen Weg einzuschlagen?"

"Ich habe mir auch andere Orte, Berge und Flüsse aufgezeichnet,

halte diesen Weg aber für den besten. Wir könnten entweder

nach Sulimania oder über Mik und Doweiza nach Sinna reiten,

wissen aber nicht, welche Aufnahme wir dort finden."

"So bleibt es dabei: - wir trennen uns morgen von den Bejat und

ziehen über die Berge nach dem See von Kiupri. Wird dich

deine Karte nicht täuschen?"

"Nein, wenn mich der Bulbassi nicht getäuscht hat."

"So laß uns ruhen und schlafen! Die Bejat mögen tun, was ihnen

beliebt."

Wir tränkten unsere Pferde am Bache und sorgten für das

notwendige Futter. Dann legten sich die Andern gleich zur Ruhe,

während ich den Khan aufsuchte.

"Heider Mirlam, wo sind die andern Bejat?"

"In der Nähe. Warum fragest du?"

"Bei ihnen ist der gefangene Bebbeh, den ich sehen möchte."

"Warum willst du ihn sehen?"

"Es ist meine Pflicht, weil er mein Gefangener ist."

"Er ist nicht dein, sondern mein Gefangener; denn du hast ihn mir

übergeben."

"Darüber wollen wir uns nicht streiten; aber ich möchte doch

nachsehen, wie er sich befindet."

"Er befindet sich gut. Wenn Heider Mirlam dies sagt, so ist es

wahr. Sorge dich nicht um ihn, Herr, sondern setze dich zu mir,

und laß uns eine Pfeife Tabak rauchen!"

Ich folgte seinem Worte, um ihn nicht zu erzürnen, verließ ihn

aber sehr bald wieder, um mich niederzulegen. Warum sollte ich

den Bebbeh nicht sehen? Schlecht behandelt wurde er nicht;

dafür bürgte mir das Wort des Khan. Dieser aber wurde

jedenfalls von einem Grunde geleitet, den mein mangelhafter

Scharfsinn nicht zu entdecken vermochte. Ich beschloß, morgen

in aller Frühe den Bebbeh auf meine eigene Gefahr hin

freizulassen und dann mich von den Bejat zu trennen. So schlief

ich ein.

Wenn man vom Morgengrauen bis zum späten Abend auf dem

Pferde hängt, so wird man selbst als Gewohnheitsreiter müde.

Das war auch bei mir der Fall. Ich schlief gut und fest, und ich

wäre sicher vor dem Morgen nicht aufgewacht, wenn nicht das

Murren meines Hundes mich geweckt hätte. Als ich die Augen

aufschlug, war es sehr dunkel; dennoch erkannte ich einen Mann,

welcher aufrecht in meiner Nähe stand.

Ich griff zum Messer.

"Wer bist du?"

Bei dieser Frage erwachten auch die Gefährten und nahmen die

Waffen zur Hand.

Waffen zur Hand.

"Kennst du mich nicht, Herr?" erklang die Antwort. "Ich bin einer

der Bejat."

"Was willst du?"

"Herr, hilf uns! Der Bebbeh ist entflohen!"

Ich sprang sofort auf und die Andern mit.

"Der Bebbeh? Wann?"

"Ich weiß es nicht. Wir haben geschlafen."

"Ah! Hundertsechzig Mann haben ihn bewacht, und er ist

entflohen?"

"Sie sind ja nicht da!"

"Diese Hundertundsechzig sind fort?"

"Sie kommen wieder, Herr."

"Wohin sind sie?"

"Ich weiß es nicht."

"Wo ist der Khan?"

"Auch mit fort."

Da faßte ich den Mann bei der Brust.

"Mensch, habt ihr vielleicht eine Schurkerei gegen uns vor? Das

sollte euch schlecht bekommen!"

"Laß mich, Herr! Wie können wir dir Schlimmes tun! Du bist ja

unser Gast!"

"Halef, untersuche, wie viele Bejat sich noch hier befinden!"

Es war so dunkel, daß man den Platz nicht zu überblicken

vermochte. Der kleine Hadschi erhob sich, um meinen Befehl

auszuführen.

"Es sind noch vier hier," erklärte sogleich der Bejat, "und einer

steht draußen am Eingang, um ihn zu bewachen. Drüben aber im

andern Lager waren wir unser zehn, um den Gefangenen zu

bewachen."

"Wie ist er euch entkommen? Zu Fuße?"

"Nein. Er hat sein Pferd mitgenommen, nebst einigen Waffen von

uns."

"Das ist ein Beweis, daß ihr sehr kluge und aufmerksame

Wächter seid. Aber warum kommt ihr da zu mir?"

"Herr, fange ihn wieder!"

Beinahe hätte ich laut aufgelacht. Eine naivere Zumutung konnte

mir ja gar nicht gestellt werden. Ich ließ diese Aufforderung ganz

unbeachtet und erkundigte mich nur weiter:

"Ihr wißt also nicht, wo der Khan mit den Andern ist?"

"Wir wissen es wirklich nicht."

"Aber er muß doch einen Grund haben, fortzugehen!"

"Den hat er."

"Welcher ist es?"

"Herr, wir sollen ihn dir nicht sagen."

"Gut. Wir wollen einmal sehen, wer jetzt zu befehlen hat, der

Khan oder ich - - -"

Halef unterbrach mich, indem er meldete, daß wirklich nur noch

vier Bejat zu bemerken seien.

"Sie stehen dort in der Ecke und hören uns zu, Sihdi!" sagte er.

"Laß sie stehen! Aber sag, sind deine Pistolen geladen, Hadschi

Halef Omar?"

"Hast du sie jemals ungeladen gesehen, Sihdi?"

"Nimm sie heraus, und wenn dieser Mann die Frage, welche ich

ihm jetzt zum letzten Male vorlegen werde, nicht beantwortet, so

jagst du ihm eine Kugel durch den Kopf. Verstanden?"

"Habe keine Sorge, Sihdi; er soll zwei Kugeln erhalten anstatt

einer!"

Er nahm die Waffen aus dem Gürtel und ließ die vier Hähne

spielen. Ich fragte den Bejat abermals:

"Weshalb hat sich der Khan entfernt?"

Die Antwort ließ nicht einen Augenblick auf sich warten.

"Um die Bebbeh zu überfallen."

"Die Bebbeh? So hat er mich also belogen! Er sagte, daß er die

Dschiaf besuchen wolle."

"Herr, Khan Heider Mirlam sagt nie eine Lüge! Er will wirklich

zu den Dschiaf, wenn ihm der Ueberfall gelungen ist."

Jetzt fiel mir ein, daß er mich gefragt hatte, ob ich mit den

Bebbeh Freund oder Feind sei. Er hatte mir seinen Schutz

angedeihen lassen und mir doch auch meine Unbefangenheit

bewahren wollen.

"Lebt ihr mit den Bebbeh in Unfrieden?" fragte ich weiter.

"Sie mit uns, Herr. Wir werden ihnen dafür heute ihre Herden,

ihre Teppiche und Waffen wegnehmen.

Hundertundfünfzig Männer werden diese Beute heimschaffen,

und fünfzig werden mit dem Khan zu den Dschiaf gehen."

"Wenn die Bebbeh es erlauben," fügte ich hinzu.

Trotz der Dunkelheit bemerkte ich, daß er den Kopf stolz

emporwarf.

"Diese? Die Bebbeh sind Feiglinge! Hast du nicht gesehen, daß

dieser Mann heute vor uns geflohen ist?"

"Einer vor zweihundert!"

"Und du allein hast ihn gefangen!"

"Bah! Ich fange unter Umständen ebenso gut zehn Bejat. Zum

Beispiele: Du und diese vier, die Wache draußen und die neun

drüben im andern Lager, ihr seid jetzt meine Gefangenen. Halef,

bewache den Ausgang. Wer diesen Platz ohne meine Erlaubnis

betreten oder verlassen will, den erschießest du!"

Der wackere Hadschi verschwand sofort nach dem Ausgange

hin; der Bejat sagte ängstlich:

hin; der Bejat sagte ängstlich:

"Herr, du scherzest!"

"Ich scherze nicht. Der Khan hat mir das Wichtigste

verschwiegen, und auch du hast nur darum gesprochen, weil ich

dich gezwungen habe. Darum sollt ihr mir dafür bürgen, daß ich

hier sicher bin.

Kommt herbei, ihr Viere!"

Sie folgten meinem Befehle.

"Legt eure Waffen hier zu meinen Füßen nieder!" - Und als sie

zögerten, fügte ich hinzu: "Ihr habt von uns gehört! Meint ihr es

ehrlich mit uns, so geschieht euch nichts und ihr erhaltet eure

Waffen wieder; weigert ihr euch aber, mir zu gehorchen, so kann

euch kein Dschinni und Scheïtan helfen!"

Jetzt taten sie, was ich von ihnen verlangt hatte. Ich übergab die

Gewehre den Gefährten und instruierte Mohammed Emin, wie er

sich nun weiter zu verhalten habe. Dann verließ ich den Platz, um

dem Laufe des Baches in das Freie hinaus zu folgen.

Draußen fand ich zwischen Steinen die Wache, welche mich

gleich erkannte.

"Wer hat dich hergestellt?" fragte ich.

"Der Khan."

"Der Khan."

"Wozu?"

"Damit er, wenn er kommt, gleich weiß, daß alles in Ordnung

ist."

"Sehr gut! Gehe einmal hinein, und sage meinen Gefährten, daß

ich gleich wieder kommen werde."

"Ich darf diese Stelle nicht verlassen."

"Der Khan weiß nichts davon."

"Er wird es erfahren."

"Das ist möglich; aber ich werde ihm sagen, daß ich es dir

befohlen habe."

Jetzt ging der Mann. Ich wußte, daß er von Mohammed

zurückbehalten und entwaffnet werden würde. Nun hatte ich

mich zwar nicht erkundigt, wo das zweite Lager sei; aber ich

hatte am Abend in der Nähe des unserigen Stimmen vernommen

und glaubte daher, die Stelle leicht finden zu können. So geschah

es auch; ich hörte ein Pferd stampfen, und als ich dem Laute

nachging, fand ich die neun am Boden sitzenden Bejat, die mich

in der Dunkelheit für ihren Kameraden hielten, denn der eine rief:

"Was sagte er?"

"Was sagte er?"

"Wer?"

"Der fremde Emir!"

"Hier steht er selbst," antwortete ich.

Jetzt erkannten sie mich und standen auf.

"Oh, Emir, hilf uns!" bat der eine. "Der Bebbeh ist uns entflohen,

und wenn der Khan zurückkehrt, so wird es uns sehr schlimm

ergehen."

"Wie ist er entkommen? Hattet ihr ihn denn nicht gebunden?"

"Er war gebunden, aber er muß seine Bande nach und nach

gelockert haben, und als wir schliefen, hat er sein Pferd nebst

unsern Gewehren genommen und ist entwischt."

"Nehmt eure Pferde, und folgt mir!"

Sie gehorchten sofort, und ich führte sie nach unserm Lagerplatz.

Als wir denselben erreichten, hatte der Haddedihn indes ein

kleines Feuer angebrannt, um die Umgebung zu erleuchten. Die

Wache saß bereits waffenlos bei den andern Bejat. Die neun

Männer, welche ich jetzt brachte, waren von dem ihnen

widerfahrenen Unfalle so niedergeschmettert, daß sie mir ohne

Widerrede ihre Messer und Lanzen übergaben. Ich erklärte den

fünfzehn Männern, daß sie nur dann von uns etwas zu fürchten

fünfzehn Männern, daß sie nur dann von uns etwas zu fürchten

hätten, wenn es ihrem Khan einfallen sollte, einen Verrat an uns

zu begehen; den entflohenen Bebbeh aber könne ich ihnen

unmöglich wieder bringen.

Master Lindsay hatte sich während meiner Abwesenheit, so gut

es bei seinem Mangel an Sprachkenntnis möglich war, von Halef

das ihm noch Unverständliche erklären lassen. Jetzt trat er zu

mir.

"Sir, was tun wir mit den Kerls?"

"Das soll sich erst finden, wenn der Khan zurückkehrt."

"Wenn sie aber ausreißen?"

"Das gelingt ihnen nicht. Wir überwachen sie ja, und übrigens

werde ich unsern Hadschi Halef Omar an den Ausgang stellen."

"Dorthin?" - Er deutete nach dem Gange, der in das Freie führte.

Als ich nickte, fügte er bei: "Ist nicht genug! - Gibt noch einen

zweiten Ausgang. Da hinten! Yes!"

Ich sah nach der Richtung, welche mir seine Hand andeutete,

und gewahrte beim Scheine der Flamme ein hohes Felsenstück,

vor welchem ein Busch stand.

"Ihr scherzt, Sir!" sagte ich. "Wer kann über diesen Stein

kommen! Er ist wenigstens fünf Meter hoch."

kommen! Er ist wenigstens fünf Meter hoch."

Er lachte mit dem ganzen Gesichte, so daß sein Mund das

berühmte Trapezoid bildete, innerhalb dessen Linien die großen

gelben Zähne sichtbar wurden.

"Hm! Seid ein gescheiter Kerl, Master! Aber David Lindsay ist

doch noch klüger. Well!"

"Erklärt Euch, Sir!"

"Geht einmal hin, und seht Euch den Stein und den Busch an!"

"Also wirklich? Aber hingehen kann ich nicht, denn ich würde die

Bejat auf diesen Ausgang aufmerksam machen, wenn er wirklich

vorhanden ist."

"Er ist da, wirklich da, Master! Yes!"

"Inwiefern?"

"Das ist nicht ein Stein, sondern es sind zwei Steine, und

zwischen der schmalen Lücke steht der Busch.

Verstanden?"

"Ah, das kann für uns von großem Vorteile sein. Wissen die

Bejat etwas davon?"

"Glaube nicht; denn als ich dort war, haben sie nicht auf mich

"Glaube nicht; denn als ich dort war, haben sie nicht auf mich

geachtet."

"Ist die Lücke sehr schmal?"

"Man kann mit einem Pferde hindurch."

"Und wie ist das Terrain dann hinter ihr?"

"Weiß nicht. Konnte es nicht sehen."

Das war so wichtig, daß ich es gleich untersuchen mußte. Ich

machte die Gefährten auf mein Vorhaben aufmerksam und

verließ den Lagerplatz. Draußen umging ich das Felsengewirr

und fand wegen der Dunkelheit nur mit vieler Mühe endlich den

Ort, wo der Busch zwischen den beiden Felsen stand. Die

Oeffnung, welche er maskierte, war etwas über zwei Meter

breit. Hinter ihr gab es zwar auch noch eine Menge bunt

durcheinander geworfenen Gesteins, aber es war wenigstens

beim Lichte des Tages nicht schwer, ein Pferd hindurch zu

lenken.

Da ich nicht wußte, was uns begegnen konnte, so zog ich mein

Messer, trat an den Busch heran und machte so tiefe Einschnitte

in einige der Stämmchen, daß sie nach außen fallen mußten, falls

man mit dem Pferde darüber hinwegstrich. Natürlich geschah

dies so vorsichtig, daß die dahinter lagernden Bejat nichts davon

merkten. Dann kehrte ich zu dem Lagerplatz zurück und stellte

Halef am Eingange desselben auf. Er erhielt die Weisung, uns

Halef am Eingange desselben auf. Er erhielt die Weisung, uns

jede Annäherung sofort zu melden.

"Was hast du gefunden, Effendi?" fragte Mohammed Emin.

"Einen prachtvollen Ausweg für den Fall, daß wir uns ohne

»Sallam« entfernen müßten."

"Durch den Busch hinaus?"

"Ja. Ich habe ihn durchschnitten. Sobald ein Reiter

hindurchbricht, wird der Strauch umgerissen und die Folgenden

haben dann freie Bahn."

"Gibt es dann noch Gestein?"

"Ja, große Steinbrocken mit Dorn und Pflanzenwerk dazwischen;

aber wenn es hell ist, kommt man recht gut hindurch."

"Meinst du denn, daß wir diesen Weg gebrauchen werden?"

"Ich weiß es nicht, aber ich ahne es. Lache nicht über mich,

Mohammed Emin; aber bereits seit meiner Kindheit habe ich ein

gewisses Ahnungsvermögen besessen, welches mich oft auf noch

entfernte Dinge aufmerksam machte."

"Ich glaube dir. Allah ist groß!"

"Freudige Dinge ahne ich nie vorher. Aber zuweilen erfaßt mich

eine Unruhe, eine Angst, als hätte ich etwas Böses begangen,

eine Unruhe, eine Angst, als hätte ich etwas Böses begangen,

dessen Folgen ich nun fürchten müsse. Dann ist sicher und

regelmäßig etwas geschehen, was mir Schaden bringt. Und wenn

ich später die Zeit vergleiche, so stimmt es ganz genau: die

Gefahr hat in demselben Augenblick begonnen, an welchem mich

die Angst überfiel."

"So wollen wir auf die Warnung achten, welche dir Allah

sendet."

Meine Besorgnis äußerte ihre Wirkung auch auf die Gefährten.

Das Gespräch stockte, und wir lagen wortlos beieinander, bis

der Tag anbrach. Kaum aber war es möglich, den Blick in die

Ferne zu richten, so kam Halef hereingeeilt und meldete, daß er

viele Reiter gesehen habe. Ihre genaue Zahl hatte er nicht

unterscheiden können.

Ich trat zum Pferde, nahm das Fernrohr aus der Satteltasche und

folgte Halef. Man erkannte mit dem bloßen Auge draußen auf

der Ebene eine Menge dunkler Gestalten; durch das Rohr

konnte ich sie deutlicher unterscheiden.

"Sihdi, wer ist es?" fragte Halef.

"Die Bejat sind es."

"Aber ihrer sind nicht so viele!"

"Sie kehren mit dem Raube zurück. Sie führen die Herden der

"Sie kehren mit dem Raube zurück. Sie führen die Herden der

Bebbeh bei sich. Wie es scheint, reitet der Khan mit einer Schar

schnell voran. Er wird also eher da sein, als die Andern."

"Was tun wir?"

"Hm! Warte! Ich werde dir Nachricht geben."

Ich kehrte zu den Gefährten zurück und unterrichtete sie von

dem, was ich gesehen hatte. Sie waren gleich mir überzeugt, wir

hätten von dem Khan nichts zu befürchten. Wir konnten ihm

keinen andern Vorwurf machen, als daß er uns von seinem

Vorhaben keine Mitteilung gemacht hatte. Wäre dies geschehen,

so hätten wir uns ihm nicht angeschlossen; denn es lag ja sicher

eine Gefahr für uns darin, in der Gesellschaft eines

Herdenräubers gesehen zu werden. Wir kamen überein, ihn zwar

vorsichtig, aber doch höflich zu empfangen.

Nun kehrte ich, vollständig bewaffnet, zu Halef zurück.

Der Khan kam mit seinem Trupp im Galopp herbei, und ehe fünf

Minuten vergangen waren, hielt er sein Pferd vor mir an.

"Sallam, Emir!" grüßte er. "Du hast dich wohl gewundert, mich

nicht bei euch zu sehen, als du erwachtest.

Aber ich hatte ein dringliches Geschäft zu besorgen. Es ist

gelungen. Blicke hinter dich!"

Ich sah nur ihm ins Gesicht.

"Du hast gestohlen, Khan Heider Mirlam!"

"Gestohlen?" fragte er mit ganz erstaunter Miene. "Wer seinen

Feinden nimmt, was er ihnen nehmen kann, ist der ein Dieb?"

"Die Christen sagen: ja, er ist ein Dieb, und du weißt, daß ich ein

Christ bin. Warum aber hast du gegen uns geschwiegen?"

"Weil wir dann Feinde geworden wären. Du hättest uns

verlassen?"

"Allerdings."

"Und die Bebbeh gewarnt?"

"Ich hätte sie nicht aufgesucht, und ich wußte ja auch nicht,

welches Lager oder welchen Ort du überfallen wolltest. Aber

wäre mir ein Bebbeh begegnet, so hätte ich ihn von der Gefahr

benachrichtigt, die ihm drohte."

"Siehest du, Emir, daß ich recht habe! Ich konnte nur zweierlei

tun: - entweder mußte ich dir mein Vorhaben verschweigen, oder

ich mußte dich gefangen nehmen und mit Gewalt bei mir

behalten, bis alles vorüber war. Da ich dein Freund war, so habe

ich das erstere getan."

"Ich aber bin in der Nacht in das Lager zu den zehn Männern

gegangen, die du dort zurückgelassen hattest," lautete meine

ruhige Antwort.

"Was wolltest du bei ihnen?" fragte der Khan.

"Sie gefangen nehmen."

"Allah! Warum?"

"Weil ich erfuhr, daß du uns verlassen hattest. Ich wußte nicht,

was mir geschehen könnte; darum nahm ich alle da gebliebenen

Bejat gefangen, um sie als Bürgschaft meiner Sicherheit zu

gebrauchen."

"Herr, du bist ein sehr vorsichtiger Mann; aber du konntest mir

trauen. Was hast du mit dem Bebbeh getan?"

"Nichts. Ich bekam ihn gar nicht zu sehen, denn er war

entflohen."

Der Khan entfärbte sich und rief:

"Derigh (* Persische Interjektion für "o wehe!")! Das ist ja ganz

unmöglich! Das kann mir alles verderben.

Laß mich hinein zu diesen Hunden, welche sicher geschlafen

haben, als sie wachen sollten!"

Jetzt erst sprang er vom Pferde, ließ es stehen und stürmte

zwischen den Felsen hindurch dem Lagerplatze zu. Wir folgten

ihm beide, Halef und ich. Zwischen dem Khane und seinen

Leuten gab es nun eine Szene, die kaum zu beschreiben ist. Er

tobte wie ein angeschossener Eber, teilte Fußtritte und

Faustschläge aus und war nicht eher zu beruhigen, als bis er seine

Kräfte erschöpft hatte. Ich hätte diesem Manne eine solche Wut

gar nicht zugetraut.

"Laß deinen Zorn schwinden, Khan," bat ich schließlich. "Du

hättest diesen Mann doch frei lassen müssen."

"Ich hätte es getan," zürnte er; "aber heut noch nicht, denn mein

Plan soll nicht verraten werden."

"Welches ist dein Plan?"

"Wir haben alles mitgenommen, was wir bei den Bebbeh

gefunden haben. Jetzt nun wird das Gute von dem Schlechten

getrennt. Alles Wertvolle schicke ich auf weiten, aber sicheren

Umwegen zu den Unserigen; alles Schlechte aber nehmen wir

Andern, die wir zu den Dschiaf gehen, mit uns. Unterwegs lassen

wir es stellenweise zurück. Auf diese Art lenken wir die

Verfolgung auf uns; die Bebbeh glauben, sie seien von einer

Abteilung der Dschiaf überfallen worden, und meine Leute

kommen mit der Beute sicher zu den Lagerplätzen und Dörfern

der Bejat."

"Dieser Plan ist gut ausgedacht."

"Aber nun wohl ohne Erfolg. Der gefangene Bebbeh gehörte zu

der Abteilung, die wir überfallen haben; er wußte, daß wir Bejat

sind, und wird alles verraten. Er hat sicher geahnt, was wir

beabsichtigten. Er hat ein sehr gutes Pferd. Wie nun, wenn er,

noch während wir mit dem Ueberfalle beschäftigt waren, die

Schnelligkeit seines Tieres benutzt hat, um die befreundeten

Lager in der Nähe in Alarm zu bringen?"

"Das wäre schlimm für euch und auch für uns, denn er hat uns bei

euch gesehen," antwortete ich.

"Er kennt auch unsern Lagerplatz, und es steht zu erwarten, daß

der Eingang zu diesen Felsen den Bebbeh bekannt ist."

Kaum hatte er das letzte Wort gesprochen, so erscholl vom

Eingang her ein lauter Ruf:

"Allah 'l Allah! Da sind sie! Nehmt sie lebendig gefangen!"

Wir drehten uns um und erkannten den entflohenen Bebbeh,

welcher mit funkelnden Augen auf mich zusprang; hinter ihm

quoll ein zahlreiches Gefolge durch die Enge auf den Platz, und

zugleich erhob sich ein fürchterliches Geheul, mit zahlreichen

Flintenschüssen untermischt. Wir hatten den Vorgang außerhalb

des Lagers gar nicht beachtet und sogar vergessen, den Eingang

bewachen zu lassen.

bewachen zu lassen.

Ich hatte übrigens nicht die mindeste Zeit zum Nachdenken, denn

der Bebbeh, in welchem ich jetzt einen Khan oder Scheik

vermutete, kam auf mich zu. Er trug weder Lanze noch Büchse

bei sich, ganz so wie seine Gefährten; aber in seiner Hand

funkelte der gewundene afghanische Dolch.

Ich empfing den kühnen Gegner mit freien Händen, ohne nach

einer Waffe zu greifen. Mit der Linken umfaßte ich mit raschem

Griff seine Rechte, welche den Dolch hielt, und meine Rechte

legte ich ihm um den Hals.

"Stirb, Räuber!" rief er, unter einem gewaltigen Ruck, seine

bewaffnete Faust freizumachen.

"Du irrst," antwortete ich. "Ich bin kein Bejat; ich wußte nicht,

daß ihr überfallen werden solltet!"

"Du bist ein Dieb, ein Hund! Du hast mich gefangen genommen;

jetzt aber sollst du mein Gefangener werden. Ich bin Scheik

Gasahl Gaboya, dem noch keiner entgangen ist!"

Wie ein Blitz zuckte mir die Erinnerung durch das Hirn, daß ich

diesen Namen schon als denjenigen eines der tapfersten Kurden

gehört hatte. Da galt es kein Bedenken mehr.

"So nimm du mich gefangen, wenn du kannst!" antwortete ich.

Bei diesen Worten ließ ich beide Hände von ihm ab und trat

zurück. Er mochte dies als eine Schwäche von mir erkennen,

stieß einen triumphierenden Schrei aus und erhob den Arm hoch

zum Stoße. Das wollte ich haben: ich rannte ihm meine Faust mit

solcher Gewalt in die entblößte Achselhöhle, daß seine Füße

augenblicklich den Halt verloren. Sein Körper beschrieb einen

weiten Bogen und stürzte sechs Schritte von mir entfernt zu

Boden, und ehe er sich wieder aufraffen konnte, schlug ich ihm

die geballte Faust auf die Schläfe, so daß er liegen blieb.

"Auf die Pferde, und mir nach!" rief ich.

Ein Blick zeigte mir die ganze Szene. Es waren ungefähr zwanzig

Bebbeh eingedrungen. Die Bejat standen mit ihnen im Kampfe.

Master Lindsay hatte zwei gegen sich und entledigte sich soeben

des einen mit einem Schlage seines Büchsenkolbens; die beiden

Haddedihn hatten sich nebeneinander an den Felsen gelehnt und

ließen keinen an sich kommen, und der kleine Halef kniete auf

einem niedergeworfenen Feinde, dessen Kopf er mit dem

Kolben seiner Pistole bearbeitete.

"Sihdi, nicht fliehen! Wir werden mit ihnen fertig!" beantwortete

der mutige Hadschi meinen Ruf.

"Draußen sind mehrere; die Bejat sind überfallen. Vorwärts!

Schnell!"

Ich entriß dem an der Erde liegenden Gasahl Gaboya seinen

Ich entriß dem an der Erde liegenden Gasahl Gaboya seinen

Dolch, um ein Andenken an diesen unglücklich beginnenden Tag

mitzunehmen, und sprang auf mein Pferd. Um den gehörigen

Anlauf zu bekommen und zugleich auch den Freunden Luft zu

verschaffen, zog ich den Rappen empor, gab ihm die Sporen und

trieb ihn mitten in die Bebbeh hinein. Hier ließ ich ihn nach allen

Seiten ausschlagen, bis ich die vier Gefährten beritten sah, und

trieb ihn dann mit einem weiten Satze in [Illustration Nr. 2] den

Busch hinein, den er mit seinen Hufen niederriß. Draußen mußte

ich sofort halten, da man nur im Schritte vorwärts kommen

konnte; doch erhielten die vier Kameraden immerhin Raum

genug, um mir augenblicklich folgen zu können.

Sobald ich die Felsen hinter mir hatte und mich mit einem Blick

überzeugte, daß alle vier entkommen waren, gab ich dem

Hengste die Schenkel und galoppierte in die offene Ebene

hinaus. Die Andern folgten.

Eine kurze Umschau erklärte mir den ganzen Sachverhalt. Dieser

Scheik Gasahl Gaboya war wirklich ein kluger Mann; denn

anstatt seine Abteilung zu warnen, die doch zum Wider- stande

[Widerstande] zu schwach gewesen wäre, war er bemüht

gewesen, die ganze Umgegend in Aufruhr zu versetzen, und

während die mit Beute beladenen Bejat ahnungslos ihrem Lager

zuzogen, war dasselbe bereits von drei Seiten, wenn auch in sehr

weiter Entfernung, so eingeschlossen, daß die Räuber froh sein

mußten, mit dem nackten Leben zu entkommen. Hinter uns tobte

der Kampf. Wie es den Bebbeh dort gelungen war, unbemerkt

der Kampf. Wie es den Bebbeh dort gelungen war, unbemerkt

und plötzlich an die Bejat zu kommen, das zu untersuchen, hatte

ich keine Zeit. Links von uns sah ich eine breite Linie von Reitern

im Galopp sich dem Kampfplatze nahen. Und rechts von uns

war die ganze Gegend bis hinaus zum äußersten Horizont mit

beweglichen Punkten bestreut; auch das waren Reiter.

"Vorwärts, Effendi!" rief Mohammed Emin. "Sonst schließen sie

uns ein! Bist du mit heiler Haut davongekommen?"

"Ja. Und du?"

"Eine kleine Schramme."

Wirklich blutete er an der Wange, aber der Riß konnte nicht

gefährlich sein.

"Kommt heran!" bat ich. "Wir bilden eine gerade Linie. Wer uns

von der Seite sieht, wird uns von weitem für einen einzigen Reiter

halten."

Diese List wurde befolgt, aber die Bebbeh, welche sich hinter

uns befanden, konnten nicht getäuscht werden, und wir

bemerkten gar bald, daß wir von einer ansehnlichen Schar

verfolgt wurden.

"Sihdi, werden sie uns einholen?" fragte Halef.

"Wer weiß es! Es kommt darauf an, welche Art von Pferden sie

"Wer weiß es! Es kommt darauf an, welche Art von Pferden sie

reiten. Aber, Hadschi Halef Omar, was ist's mit deinem Auge?

Ist es schlimm?"

Sein Auge war geschwollen, trotzdem nur wenige Minuten seit

dem Ueberfalle vergangen waren.

"Es ist nichts, Sihdi," antwortete er. "Dieser Bebbeh war fünfmal

länger als ich und hat mir einen kleinen Hieb gegeben.

Hamdulillah, er wird es nicht wieder tun!"

"Du hast ihn doch nicht getötet?"

"Nein. Ich weiß, daß du dies nicht willst, Effendi."

Es gewährte mir allerdings eine nicht geringe Freude, daß keiner

der Feinde von uns an seinem Leben geschädigt worden war.

Dies mußte uns, selbst vom Standpunkte der reinen Berechnung

aus betrachtet, lieb und beruhigend sein; denn wenn wir den

Bebbeh ja in die Hände fielen, so hatten sie doch wenigstens

keine Blutrache an uns zu nehmen.

Wir setzten unsern Galopp wohl über eine Viertelstunde lang

fort. Der Kampfplatz war uns dabei aus den Augen

geschwunden, aber die Verfolger waren hinter uns geblieben. Sie

hatten sich geteilt. Diejenigen, welche gute Pferde hatten, waren

uns näher gekommen, während die Anderen weit zurückblieben.

"Emir, sie werden uns einholen, wenn wir nicht schneller reiten,"

"Emir, sie werden uns einholen, wenn wir nicht schneller reiten,"

meinte Amad el Ghandur.

"Wir dürfen unsere Tiere nicht jetzt gleich zu sehr anstrengen.

Uebrigens haben sich die Verfolger getrennt, und es ist besser,

einmal mit ihnen zu reden, als sich von ihnen abhetzen zu lassen."

"Maschallah! Du willst mit ihnen sprechen?" rief Mohammed

Emin.

"Allerdings. Ich hoffe, sie so weit zu bringen, daß sie von der

Verfolgung abstehen. Reitet weiter! Ich werde hier halten

bleiben."

Sie ritten im gleichen Tempo weiter. Ich aber stieg vom Pferde,

nahm meine Waffen zu mir, setzte mich zur Erde und richtete das

Gesicht gegen die Verfolger.

Als sie noch ungefähr tausend Schritte entfernt waren, nahm ich

mein Turbantuch herab und wehte damit durch die Luft. Sie

fielen sofort aus dem Galopp in Schritt und hielten auf der Hälfte

der soeben angegebenen Entfernung an. Nach einer kurzen

Besprechung kam einer von ihnen näher herbeigeritten und

fragte:

"Warum sitzest du an der Erde? Ist es List oder Wahrheit?"

"Ich will mit euch reden."

"Mit uns allen oder nur mit einem?"

"Mit uns allen oder nur mit einem?"

"Mit einem, den ihr euch wählen und mir dann senden werdet."

"Du hast deine Waffen bei dir."

"Er kann die seinigen auch mitbringen."

"Lege sie weit von dir; dann wird einer von uns kommen."

"Dann muß auch er die Waffen zurücklassen!"

"Er wird sie ablegen."

Ich erhob mich, legte die beiden Dolche und die Revolver auf die

Erde und hing die Büchse und den Stutzen an den Sattel. Dann

setzte ich mich wieder nieder. Diese Leute konnten unmöglich

wissen, wie viele und was für Waffen ich bei mir trug; es wäre

mir also leicht gewesen, wenigstens die Revolver bei mir zu

behalten; aber ich wollte ehrlich gegen sie sein, um von ihnen

ebenso ehrlich behandelt zu werden.

Ich zählte elf Mann. Der mit mir gesprochen hatte, kehrte zu

ihnen zurück und sprach mit ihnen. Dann stieg er ab, legte seine

Büchse, seinen Wurfspieß und sein Messer nieder und kam

langsam auf mich zugeschritten. Er war ein schöner, schlank

gebauter Mann von vielleicht fünfzig Jahren. Seine schwarzen

Augen funkelten mich feindselig an, aber er setzte sich still und

wortlos grad vor mich hin.

wortlos grad vor mich hin.

Da ich schwieg und er ungeduldig war, begann er doch endlich

die Unterhaltung, indem er fragte:

"Was willst du von uns?"

"Ich will mit dir sprechen."

"So sprich!"

"Ich kann nicht."

"Allah! Warum?"

Ich zeigte hinter mich.

"Siehe, ich trug mehr Waffen bei mir, als ihr erwarten konntet,

und habe sie alle von mir getan. Auch du hast mir versprochen,

die deinigen abzulegen. Seit wann sind die Bebbeh Lügner

geworden?"

"Lüge ich etwa?"

"Was tut die Keule unter deinem Gewande?"

Ich sah an einer Erhöhung seines Brustkleides, daß er eine Keule

darunter verborgen hatte. Er errötete sichtlich, griff unter das

Gewand und warf die Waffe hinter sich.

"Ich hatte sie vergessen," entschuldigte er sich.

Der Umstand, daß er sie fortwarf, überzeugte mich, daß es nicht

auf eine Treulosigkeit gegen mich abgesehen gewesen war. Er

hatte mir nicht getraut und sich also heimlich vorsehen wollen. Ich

begann:

"So! Nun sei Frieden zwischen uns, bis unsere Unterredung zu

Ende ist. Versprichst du mir dies?"

"Ich verspreche es."

"Reiche mir deine Hand darauf!"

"Hier, nimm sie!"

"Warum verfolgt ihr uns?" fragte ich nun.

Er blickte mir ganz erstaunt in das Angesicht.

"Bist du toll?" rief er. "Ihr beraubt uns; ihr kommt als Feinde, als

Räuber über unsere Grenzen, und du fragst, warum wir euch

verfolgen!"

"Wir kamen weder als Räuber noch als eure Feinde."

Er machte ein noch viel überraschteres Gesicht.

"Nicht? Allah 'l Allah! Und nahmt uns doch unsere Herden und

"Nicht? Allah 'l Allah! Und nahmt uns doch unsere Herden und

unsere Zelte nebst allem, was darinnen war!"

"Du irrst! Nicht wir, sondern die Bejat haben dies getan!"

"Aber ihr seid doch Bejat!"

"Nein! Wir sind fünf friedliche Männer. Einer von ihnen und ich

sind Krieger aus dem fernen Frankistan; der dritte ist mein

Diener, ein Araber, der jenseits weit hinter Mekka geboren

wurde, und die beiden letzten sind Beni Arab aus dem Westen

von hier, die noch niemals eure Feinde gewesen sind."

"Das sagst du, um mich zu täuschen. Auf diese Weise werdet ihr

uns nicht entkommen. Ihr seid Bejat!"

Ich warf den Burnus zurück und schob den weiten Aermel

meiner Jacke empor; dann entfernte ich auch das Unterkleid.

"Hat ein Bejat, ein Kurde, oder ein Araber einen solchen Arm?"

fragte ich.

"Er ist weiß," antwortete er. "Ist dein ganzer Körper so?"

"Natürlich. Kannst du lesen?"

"Ja," antwortete er stolz.

Ich nahm mein Notizbuch heraus und hielt es ihm hin.

"Ist dies die Schrift eines Kurden oder Arabers?"

"Das ist eine fremde Schrift."

Ich steckte das Buch wieder ein und öffnete den Paß.

"Kennst du dieses Siegel?"

"Katera Allah - bei Gott! Das ist das Siegel des Großherrn!"

"Und dieses Siegel mußt du achten, denn du bist ein Krieger des

Pascha von Sulimania, der dem Sultan Rechenschaft geben muß.

Glaubst du nun, daß ich kein Bejat bin?"

"Ich glaube es."

"Ebenso wahr ist auch das, was ich dir von den Andern sagte."

"Aber ihr wart ja bei den Bejat!"

"Wir trafen sie eine Tagreise im Norden von hier. Sie nahmen

uns als ihre Gäste auf und sagten, daß sie zu einem Feste der

Dschiaf reiten wollten. Wir wußten nicht, daß sie Feinde der

Bebbeh sind; wir ahnten also auch nicht, daß sie euch überfallen

und berauben wollten. Gestern abend schliefen wir unter ihrem

Schutze ein; sie aber schlichen sich fort, und als sie

wiederkehrten, erkannten wir erst, daß wir das Brot von

Räubern und Dieben gegessen hatten. Ich zankte darüber mit

Räubern und Dieben gegessen hatten. Ich zankte darüber mit

Khan Heider Mirlam, und unterdessen wurden wir von euch

angegriffen."

"Oh! Allah gebe, daß Heider Mirlam uns nicht entkommt! Habt

ihr euch gegen die Unserigen gewehrt?"

"Ja. Wir mußten es, weil sie uns angriffen."

"Habt ihr einen getötet?"

"Keinen einzigen."

"Beschwöre es!"

"Ich schwöre nicht; ich bin ein Christ."

"Ein Christ!" meinte er überrascht und mit einer mitleidigen

Miene. "O, nun weiß ich, daß du wirklich kein Kurde und kein

Turkomane bist, denn ein Moslem wird niemals sagen, daß er ein

Christ sei. Nun glaube ich auch, daß ihr keinen von den

Unserigen getötet habt, sondern geflohen seid. Wie kann ein

Christ einen Moslem töten!"

Es lag so viel Verachtung in seinem Tone, daß ich ihm am

liebsten eine kräftige Ohrfeige gegeben hätte; aber um unseres

eigenen Vorteiles willen mußte ich seine Beleidigung ruhig

ertragen. Ich befand mich in einer keineswegs sehr angenehmen

Lage, denn die zurückgebliebenen Bebbeh waren mittlerweile

auch herbeigekommen und hatten sich mit den Andern vereinigt,

auch herbeigekommen und hatten sich mit den Andern vereinigt,

so daß nur fünfhundert Schritte von mir entfernt über dreißig

Feinde hielten. Die geringste Unvorsichtigkeit konnte mein

augenblickliches Verderben sein.

"Du siehst also, daß wir nicht eure Feinde sind, und wirst uns

ungehindert gehen lassen?"

"Wohin wollt ihr gehen?"

"Gegen Bagdad hin."

"Bleibe hier. Ich werde mit den Bebbeh reden!"

Er stand auf und ging zurück, ohne im Vorüberschreiten seine

weggeworfene Keule eines Blickes zu würdigen. Es war eine

lange, sehr lange Unterredung, die nun erfolgte; man sprach für

und wider, wie ich aus den Gebärden ersah, und es war über

eine Viertelstunde vergangen, ehe er zu mir zurückkehrte.

Er setzte sich nicht wieder; darum stand ich gleichfalls auf.

"Du könntest gehen," entschied er; "aber wir haben deine

Gefährten noch nicht gesehen. Rufe sie herbei!

Auf meinen Wink werden auch vier Bebbeh erscheinen; dann

sind wir gleich."

Dieser Vorschlag war ganz außerordentlich gefährlich. Ich hatte

Dieser Vorschlag war ganz außerordentlich gefährlich. Ich hatte

mich gar noch nicht wieder nach den Gefährten umgesehen, um

nichts an Respekt bei dem Abgesandten einzubüßen; aber als ich

mich jetzt umdrehte, sah ich sie in einer Entfernung von

wenigstens zweitausend Schritten von uns halten. Sollten sie

diesen günstigen Vorsprung aufgeben, um sich vielleicht fangen

zu lassen? Ich mußte vorsichtig handeln.

"Du irrst," antwortete ich; "dann sind wir nicht gleich."

"Warum nicht? Ihr seid fünf und wir auch."

"Sieh den Vorsprung, den meine Brüder jetzt haben, und denke

an den, welchen sie dann haben werden, wenn sie hier sind und

ihr ihnen nicht den Frieden bietet!"

Er machte eine Armbewegung der unendlichsten

Geringschätzung.

"Fürchte nichts, Giaur! Wir sind Bebbeh und keine Bejat. Wir

werden euch ganz denselben Vorsprung wieder lassen."

Unter andern Verhältnissen hätte ich diesem Manne für seinen

"Giaur" sicherlich ganz anders geantwortet; jetzt aber hielt ich es

für das Klügste, diese Beleidigung gar nicht gehört zu haben.

Darum erwiderte ich nur:

"Ich traue dir! Werden deine vier Männer bewaffnet kommen?"

"Wie du es willst."

"Sie mögen ihre Waffen behalten, und auch wir beide wollen die

unserigen wieder nehmen."

Er nickte stumm und kehrte zurück. Ich steckte Dolche und

Revolver wieder in den Gürtel und stieg zu Pferde. Dann winkte

ich den Gefährten. Die Atmosphäre war so rein und klar, daß sie

selbst auf eine solche Entfernung hin meine Armbewegung

erkennen konnten. Sie folgten dem Winke und kamen herbei.

Bald hielten wir in einer Reihe nebeneinander und fünf Bebbeh

uns gegenüber.

"Welcher ist der andere Franke?" fragte der Anführer.

Ich deutete auf Lindsay und antwortete:

"Dieser!"

Ueber die ernsten Züge der Kurden glitt eine Art von Lächeln,

und der Sprecher meinte:

"Ich glaube, daß er ein Franke und ein Christ ist, denn er hat die

Nase eines Khansir (* Schwein.), die man Rüssel nennt."

Das war denn doch mehr, als ich ihm erlauben durfte.

"Diese Art von Nasen habe ich in Alep und Diarbekr bei vielen

Gläubigen gesehen," antwortete ich.

Gläubigen gesehen," antwortete ich.

Er fuhr empor:

"Schweig, Giaur!"

Ich ließ mein Pferd einen Schritt vortreten.

"Höre, Mann, du sagtest vorhin, daß du lesen könnest. Hast du

vielleicht auch den Kuran gelesen?"

"Was geht es dich an!"

"Ich frage allerdings nicht viel nach dem Buche des Propheten,

denn ich bin ein Christ; du aber bist ein Moslem und solltest tun,

was Mohammed befiehlt! Hat er nicht gesagt: »Wer einen Feind

ehrt, den lieben die Tapferen; wer aber einen Feind schändet,

den lieben die Feiglinge!« Du hast deine Lehre von dem

Propheten erhalten und denkst, du hättest die richtige; wir haben

die unserige von Isa Ben Marryam erhalten und glauben, daß sie

die richtige sei; wir haben also beide das Recht, uns Giaurs zu

nennen. Du hast es getan, ich aber nicht; denn es ist nicht fein

und schön, einen Menschen ärgern zu wollen. Wer seinen

Mitmenschen in den Staub tritt, der beschmutzt sich selbst.

Merke dir das, Bebbeh!"

Er blieb vor Erstaunen über meine vermeintliche Kühnheit eine

ganze Weile wortlos; dann aber riß er zornig den Dolch aus dem

Gürtel.

Gürtel.

"Mensch, willst du, du, du mir Lehren geben? Du, ein Christ, den

Allah und der Prophet verdammen mögen! Soll ich dich

zerreißen, wie man einen Lappen zerreißt? Ich war bereit, euch

ziehen zu lassen; nun aber gebiete ich euch: Macht euch von

hinnen, ihr Unreinen! Euren Abstand sollt ihr wieder erhalten;

dann aber möge euch der Scheïtan in die Dschehenna führen!"

Ich sah, daß dies seinen vier Männern aus dem Herzen

gesprochen war; aber ich sah auch, daß die Blicke der beiden

Haddedihn und Halefs mit zorniger Erwartung auf mir hafteten.

Auch der Engländer beobachtete mich scharf, um sein Tun ganz

nach dem meinigen zu richten. Da er von der Unterhaltung nichts

verstand, so mußte ich ihn aufmerksam machen:

"Sir, wenn ich schieße, so schießt auch, aber nur auf die Pferde!"

"Yes! Schön! Prachtvoll!" antwortete er.

Nun erklärte ich dem Bebbeh in ruhigem Tone:

"Gut, wir werden reiten; vorher aber muß ich dir eins erst sagen:

Glaube nicht, daß wir um Frieden gebeten haben, weil wir uns

vor euch fürchten! Wir lieben nur deshalb den Frieden, weil wir

nicht das Blut von Menschen vergießen wollen. Du hast es

anders gewollt; so siehe nun, was die Folgen sind!"

"Ihr? Euch nicht fürchten?" höhnte er. "Hast du nicht hier dich vor

"Ihr? Euch nicht fürchten?" höhnte er. "Hast du nicht hier dich vor

uns in den Staub gesetzt und um Barmherzigkeit gebeten, Giaur?"

"Sage dieses Wort nicht noch einmal, Bebbeh, sonst kommt es

über dich wie der Blitz über den Baum! Ich wollte den Frieden

haben, um euretwillen, und ich will euch beweisen, daß wir euch

verachten. Wir wollen nicht einen Vorsprung von euch geschenkt

haben, sondern der Kampf mag sofort beginnen. Kommt heran!"

"So sei es!" rief er und griff nach seinem Dolch. In demselben

Augenblick aber schoß mein Pferd mit einem langen Satze an

dem seinigen vorüber; ich ergriff ihn beim Arm und riß ihn vom

Pferde. Vier Schüsse krachten - noch zwei, und als ich den

Rappen rasch wandte, sah ich die Pferde der Bebbeh sich mit

ihren Reitern am Boden wälzen.

"Fort! Schnell!"

Wir jagten vorwärts. Ich riß den Bebbeh zu mir empor und gab

ihm einige saftige Ohrfeigen mit den Worten: "Das ist für den

»Giaur«!" Dann ließ ich ihn fallen. Er kam hart neben den Hufen

des Pferdes, doch ohne von ihnen verletzt zu werden, zur Erde

nieder. Das alles war so schnell geschehen, daß erst jetzt die

Bebbeh unter einem lauten Wutgeheul ihre Pferde in Bewegung

setzten.

"Habe ich recht oder unrecht gehandelt?" fragte ich die

Haddedihn während des Reitens.

"Emir," antwortete Mohammed Emin, "du hast recht gehandelt;

der Mann hat nicht nur dich, sondern auch uns beleidigt. Er darf

kein Krieger mehr sein, denn er ist von einem Christen in das

Gesicht geschlagen worden. Das ist schlimmer als der Tod und

wird fürchterlich gerächt. Hüte dich, jemals in die Hände der

Bebbeh zu fallen; du müßtest unter entsetzlichen Martern

sterben!"

In zehn Minuten hatten die Bebbeh wieder zwei Abteilungen

gebildet; nur war die vordere jetzt weniger zahlreich, da fünf ihrer

Pferde erschossen waren. Ich wartete noch eine Weile, bis der

Abstand zwischen ihnen sich noch mehr vergrößert hatte, und

gebot dann Halt. Die sechs vordersten Reiter hätten uns den

ganzen Tag nicht aus den Augen verloren, denn ihre Pferde

waren ausgezeichnet. Darum mußten wir diese Tiere erschießen.

Dies erklärte ich den Haddedihn, stieg vom Pferde und ergriff die

Büchse.

"Schießen?" fragte Lindsay, der diese Anstalt beobachtete.

"Ja. Die Pferde weg."

"Yes! Interessant! Viel Geld wert!"

Ich bat noch, nicht eher loszudrücken, als bis jeder sicher sei,

nicht den Mann, sondern das Pferd zu treffen.

Die Verfolger kamen herbeigesaust und befanden sich bereits in

Die Verfolger kamen herbeigesaust und befanden sich bereits in

Schußweite, als sie unsere Absicht zu ahnen begannen. Anstatt

zerstreut abzuschwenken, hielten sie an.

"Fire!" kommandierte Master Lindsay.

Obgleich die Araber das englische Wort nicht verstanden,

wußten sie doch, was es zu bedeuten habe. Wir drückten ab, ich

und Lindsay noch einmal, und bemerkten sofort, daß kein

Fehlschuß gefallen war: - die sechs Pferde bildeten mit ihren

Reitern auf dem Boden einen Knäuel, dessen Entwirrung

abzuwarten, es uns leider an der nötigen Zeit gebrach.

Nun stiegen wir wieder zu Pferde. Bald blieben die Verfolger

weit zurück, und nach einer Weile befanden wir uns allein auf der

Ebene.

Diese erreichte jedoch sehr bald ihr Ende. Es erhoben sich

Berge vor uns, und auch von den Seiten traten Höhen zu uns

heran. Wir hielten unwillkürlich die Pferde an, ohne uns irgend

ein Zeichen dazu gegeben zu haben.

"Wohin?" fragte Mohammed.

"Hm!" brummte ich.

Ich war noch nie im Leben so unsicher über die einzuhaltende

Richtung gewesen, wie jetzt.

"Ueberlege, Emir!" sagte Amad. "Wir haben jetzt Zeit. Unsere

Pferde mögen sich verschnaufen."

"Ebenso leicht könnte ich sagen, ihr sollt überlegen," antwortete

ich. "Ich weiß nicht genau, in welcher Gegend wir uns befinden,

aber ich denke, daß im Süden von uns Nweizgieh, Merwa,

Beytosch und Deira liegen. Diese Richtung würde uns nach

Sulimania bringen - -"

"Dahin gehen wir nicht!" unterbrach mich Mohammed Emin.

"So haben wir uns für den Paß zu entschließen, von dem wir

gestern abend sprachen. Wir können unsere gegenwärtige

Richtung beibehalten, bis wir den Fluß Berozieh erreichen, den

wir eine Tagreise lang aufwärts verfolgen müssen, um hinter

Banna in die Berge zu kommen."

"Ich stimme bei," sagte Mohammed.

"Dieser Fluß hat für uns auch den Vorteil, daß er Persien von

dem Ejalet scheidet, und wir können also die Ufer wechseln, je

nachdem es unsere Sicherheit erfordert."

Wir ritten nun weiter gegen Süden. Die Gegend stieg aus der

Ebene immer mehr zur Höhe; Berge und Täler wechselten in

immer größerem Gegensatze. Am späten Nachmittag befanden

wir uns mitten im Gebirge und kamen, kurz vor

Sonnenuntergang, auf einer einsamen, dicht bewaldeten Höhe zu

Sonnenuntergang, auf einer einsamen, dicht bewaldeten Höhe zu

einer kleinen Hütte, aus deren Dachöffnung Rauch emporstieg.

"Hier wohnt jemand, Sihdi," meinte Halef.

"Jedenfalls ein Mensch, der uns nichts schaden kann. Ich werde

mir ihn ansehen; bleibt bis dahin hier halten!"

Ich stieg ab und schritt auf das Häuschen zu. Es war aus Steinen

erbaut, deren Ritzen man mit Moos verstopft hatte. Das Dach

wurde von einer mehrfachen Lage dichter Zweige gebildet, und

die Türöffnung war so niedrig, daß kaum ein Kind aufrecht

eintreten konnte.

Als meine Schritte im Innern des primitiven Bauwerkes zu hören

waren, erschien an der Tür der Kopf eines Tieres, das ich für

einen Bären hielt; bald aber überzeugte mich die Stimme dieses

zottigen Geschöpfes, daß ich es mit einem Hund zu tun habe.

Dann erklang von innen ein scharfer Pfiff, und an Stelle dieses

Kopfes erschien ein zweiter, den ich beim ersten Anblick

ebensowenig zu klassifizieren vermochte. Ich sah nämlich weiter

nichts als Haare, die verworrener gar nicht gedacht werden

konnten, und eine tiefschwarze, breite Nase und zwei funkelnde

Aeuglein, die denen eines zornigen Schakals glichen.

"Ivari 'l ker - guten Abend," grüßte ich.

Ein tiefes Brummen antwortete.

"Wohnst du allein hier?"

Das Brummen stieg noch um einige Töne tiefer.

"Gibt es noch andere Häuser hier in der Nähe?"

Jetzt wurde das Brummen wahrhaft fürchterlich; ich glaube, die

Stimme dieses Geschöpfes reichte wenigstens bis zum großen C

herab. Dann kam die Spitze eines Spießes zum Vorschein - sie

ward immer weiter hervorgeschoben, bis sie sich grad vor

meiner Brust befand.

"Komm heraus!" bat ich im höflichsten Tone.

Wahrhaftig, das Brummen stieg noch eine kleine Terz tiefer, also

Contra-A, und die Spitze der Waffe zielte grad auf meine Kehle.

Das war mir denn doch zu ordnungswidrig. Ich faßte also den

Spieß und zog. Der rätselhafte Bewohner der Hütte hielt seine

Waffe fest, und da er mir nicht gewachsen war, so zog ich ihn

aus der Türe: erst das Haargestrüpp mit der schwarz glänzenden

Nase, dann zwei Hände von ganz derselben Farbe und mit

breiten Krallen; hierauf folgte ein zerlöcherter Sack, ähnlich

denen, worin unsere Kohlenhändler ihre Ware aufzubewahren

pflegen, dann zwei schmierige Lederfutterale, parallel

miteinander, und endlich zwei Gegenstände, über die ein anderer

sicher im unklaren geblieben wäre, die ich als Scharfsinnigster

der Scharfsinnigen infolge ihrer Umrisse sofort als die Stiefel

erkannte, die der Koloß von Rhodus einmal getragen haben

erkannte, die der Koloß von Rhodus einmal getragen haben

mußte.

Sobald diese Stiefel die Tür passiert hatten, richtete sich das

Wesen vor mir empor, und nun hatte auch der Hund Platz genug,

sich in ganzer Figur zu zeigen. Auch bei ihm sah man nur einen

jedem Gleichnis spottenden Haarfilz, eine schwarze Nase und

zwei Augen, und beide Kreaturen schienen sich mehr vor mir zu

fürchten, als ich vor ihnen.

"Wer bist du?" fragte ich jetzt im barschesten Tone.

"Allo (* Kurdische Zusammenziehung des Namens Allahverdi.)!"

brummte es, aber es waren doch menschliche Laute.

"Was bist du?"

"Kümürdar (** Köhler.)."

Ah, das war also die einfache Erklärung der schwarzen Nase

und der dito Hände; aber diese Nägel brauchte er sich doch

nicht wachsen zu lassen. Ich merkte, daß ihm meine Barschheit

imponierte. Er war ganz zusammengeknickt, und auch sein Hund

zog den Schwanz ein.

"Gibt es hier noch Leute?" erkundigte ich mich weiter.

"Nein."

"Wie lange muß man gehen, um zu Menschen zu kommen?"

"Mehr als einen Tag."

"Für wen brennst du die Kohlen?"

"Für den Herrn, der Eisen macht."

"Wo wohnt er?"

"In Banna."

"Du bist ein Kurde?"

"Ja."

"Bist du ein Dschiaf?"

"Nein."

"Ein Bebbeh?"

"Nein."

Aber bei diesem Worte spuckte er mit einem sehr feindseligen

Räuspern aus. Diese ästhetische Anstrengung erregte, wie ich

leider gestehen muß, unter den gegenwärtigen Umständen meine

innerste Sympathie.

"Zu welchem Stamme gehörst du denn?"

"Zu welchem Stamme gehörst du denn?"

"Ich bin ein Bannah."

"Blick einmal da hinüber, Allo! Siehst du die vier Reiter?"

Er kratzte sich die langen Haarzotteln aus dem Gesicht, um

seinen Augen einen größeren Spielraum zu geben, und richtete

den Blick nach der von mir angedeuteten Richtung. Trotz des

Kohlenüberzuges, hinter dem sich seine eigentliche kurdische

Oberhaut verbarg, sah ich doch, daß ein tiefer Schreck über

seine Physiognomie zuckte.

"Sind es Kurden?" fragte er besorgt.

Ah, jetzt hatte ich ihn doch so weit, daß er freiwillig redete. Als

ich seine Frage verneinte, fuhr er fort:

"Was sind sie denn?"

"Wir sind drei Araber und zwei Christen."

Er blickte mich groß an.

"Christen! Was ist das?"

"Das werde ich dir später erklären, denn wir werden diese

Nacht bei dir bleiben."

Jetzt erschrak er noch viel mehr als vorher.

Jetzt erschrak er noch viel mehr als vorher.

"Herr, tut dies nicht!"

"Warum nicht?"

"Es wohnen böse Geister im Gebirge!"

"Das ist uns lieb, denn wir wollen gerne einmal Geister sehen."

"Es regnet auch zuweilen!"

"Das Wasser wird dir gar nichts schaden."

"Dabei donnert es manchmal!"

"Das gehört dazu."

"Es sind Bären hier."

"Wir essen gerne den Schinken derselben."

"Es kommen oft Räuber in die Berge!"

"Die schießen wir tot."

Endlich, als er bemerkte, daß keine Ausrede verfing, kam er mit

der Wahrheit zum Vorschein; er sagte in bittendem Tone:

"Herr, ich fürchte mich vor euch!"

"Herr, ich fürchte mich vor euch!"

"Das hast du nicht nötig. Wir sind keine Räuber und Mörder.

Wir wollen hier an deinem Hause schlafen und werden morgen

weiter ziehen. Dafür, daß du es erlaubst, sollst du einen silbernen

Piaster erhalten."

"Einen silbernen? Einen ganzen?" fragte er erstaunt.

"Ja, oder auch zwei, wenn du freundlich bist."

"Herr, ich bin sehr freundlich!"

Bei dieser Versicherung lachte alles an dem Kerl: die Augen, der

Mund, den ich erst jetzt bemerkte, die Nase und die Hände,

welche ganz vergnügt zusammenklappten. Es war wirklich

außerordentlich, was dieser edle Bannahkurde für einen

Bartwuchs besaß. Ich hatte so etwas fast noch gar nicht gesehen.

Er hätte getrost mit der Pastrana reisen können. Seine Freude

schien auch seinen Hund anzustecken, denn dieser zog den

Schwanz behutsam hervor und versuchte ein verschämtes

Wedeln, wobei er mit der Pfote spielend nach meinem Dojan

langte, der ihn aber so wenig zu bemerken schien, wie der

Großmogul einen Kaminkehrerjungen.

"Bist du in den Bergen gut bekannt?" setzte ich meine

Erkundigung fort.

"Ja, überall!"

"Ja, überall!"

"Kennst du den Berozieh-Fluß?"

"Ja, er ist die Grenze."

"Wie weit läufst du bis zu ihm?"

"Einen halben Tag."

"Kennst du Banna?"

"Ich bin des Jahres zweimal dort."

Er kannte auch Amehdabad und Bayendereh.

"Aber wo Bistan liegt, das weißt du nicht?" hob ich wieder an.

"Ich weiß es sehr genau, denn mein Bruder ist dort."

"Mußt du alle Tage arbeiten?"

"Ich arbeite, wie es mir gefällt!" antwortete er stolz.

"So kannst du nach Belieben von hier weg?"

"Herr, ich weiß nicht, warum du so fragst!"

Dieser Pfahlbautenmann war vorsichtig; das gefiel mir von ihm.

"Ich will dir sagen, warum ich frage," antwortete ich ihm. "Wir

"Ich will dir sagen, warum ich frage," antwortete ich ihm. "Wir

sind hier fremd und kennen die Wege durch die Berge nicht;

darum brauchen wir einen ehrlichen Mann, der uns führt. Wir

geben ihm dafür alle Tage zwei Piaster."

"O Herr, ist dies wahr? Ich bekomme alle Jahre zehn Piaster und

Mehl und Salz. Soll ich euch führen?"

"Wir wollen dich heute erst kennen lernen. Wenn wir mit dir

zufrieden sind, so wirst du dir mehr Geld verdienen, als du sonst

in einem Jahre hast."

"Rufe diese Männer herbei! Ich will ihnen Mehl geben und Salz

und einen Topf zum Backen; auch Wild habe ich, soviel ihr wollt,

und Gras sollen eure Pferde haben, soviel sie fressen können. Da

oben ist eine Quelle, und euer Lager werde ich so weich

machen, wie den Diwan einer Sultana Valide!"

Dieser brave Allo war auf einmal ganz und gar umgewandelt -

"und das hat mit seinem Klingen nur der Piaster getan!"

Ich winkte die Gefährten herbei, welche durch unsere lange

Unterredung hart auf die Probe gestellt worden waren. Sie

beeilten sich darum und waren über den Anblick des Köhlers

nicht weniger erstaunt, als ich vorher. Besonders der Engländer

schien vor Verwunderung sprachlos; doch auch der Bannah

bewunderte die Nase Master Lindsays mit einer Miene, die an

Wahrheit des Ausdruckes nichts zu wünschen übrig ließ.

Endlich kam dem Englishman die Sprache wieder:

"Pfui Teufel!" rief er. "Wer ist das? Ein Gorilla?"

"Nein, sondern ein Kurde vom Stamme der Bannah."

"O weh! Wasch dich!" brüllte er den armen Kerl an; da aber

dieser sein Englisch nicht verstand, so blieb es mit der Kohle

einstweilen noch beim alten. Mittlerweile waren die Pferde

angepflockt und die Decken auf dem Moose ausgebreitet. Wir

setzten uns nieder, und ich gab Mohammed die nötige Auskunft

über den Köhler, der unser Führer sein wolle. Wir beschlossen,

ihn scharf zu beobachten.

Dieser schleppte jetzt aus der Hütte einen Sack groben Mehles

und brachte dann ein Tongefäß voll Salz.

Hierauf folgte ein Topf, der Jahre hindurch mysteriösen Zwecken

gedient zu haben schien. Sodann öffnete er eine kleine Grube

hinter dem Hause. Sie war mit Steinen ausgekleidet und enthielt

seinen Fleischvorrat, der in zwei Hasen und einem bereits

"angespeisten" Rehe bestand. Nun konnten wir wählen. Wir

entschieden uns für das Reh. Es wurde an dem Wasser gehörig

ab- und ausgespült; dann machten wir ein Feuer nebst

Bratspießvorrichtung, und während Halef die Pferde tränkte und

der Kurde mit seinem langen Messer Futter für sie schnitt, gab

ich mich der so viel Aufmerksamkeit erheischenden, aber auch

lohnenden Beschäftigung des Bratspießdrehens hin.

"Schmutziger Kerl!" brummte der Engländer; "aber auch fleißig.

Schade!"

"Warum schade?"

"Miserabler Topf! Yes! Wäre so schön gewesen, wenn Topf

reinlicher wäre. Könnte so schön darin braten!"

"Aber was denn, zum Kuckuck?"

"Pudding."

"Pudding? Ah! Wie kommt Ihr auf einmal auf Pudding, Sir?"

"Hm! Bin ich nicht Englishman?"

"Allerdings. Aber sagt mir doch um aller Welt willen, was für

einen Pudding Ihr hier backen wolltet?"

"Irgend einen. Yes!"

"Ich kenne über zwanzig Puddingarten, aber keine einzige, die

wir hier bereiten könnten."

"Ah! Oh! Warum?"

"Weil alles fehlt."

"Alles? O, no! Haben Reh, Mehl, Salz - alles!"

"Reh, Mehl, Salz - alles! Schön, Sir, ich werde mir dieses

köstliche Rezept merken! Was man sonst zum Fleischpudding zu

brauchen pflegt: Speck, Eier, Zwiebel, Pfeffer, Zitrone,

Petersilie, Senf-Sauce, verdirbt nur das Gericht."

"So ist es! Well!"

Er erhielt statt seines Pudding ein tüchtiges Stück Rehkeule, von

dem er auch nichts übrig ließ. Als ich den Braten zu zerlegen

begann, stand der Kurde an der Ecke seines Häuschens und

leckte sehnsüchtig den Ruß von seinen Fingern.

"Komm her, Allo, und iß mit!" lud ich ihn ein.

Im Nu hatte ich ihn an meiner Seite, und ich sah es ihm an, daß

wir von diesem Augenblick an dicke Freunde seien.

"Was kostet dein Reh?" fragte ich ihn.

"Herr, ich schenke es euch. Ich fange mir ein anderes."

"Ich werde es dir dennoch bezahlen. Hier nimm!"

Ich langte in das verborgene Fach meines Gürtels und holte zwei

Piaster hervor, die ich ihm gab.

"O, Herr, deine Seele ist voller Barmherzigkeit! Willst du nicht

auch die Hasen braten?"

"Wir nehmen sie morgen mit."

In der Nähe des Häuschens lag ein großer Haufen Laub. Dieses

schleppte der Kurde nun herbei, um uns ein fünffaches Lager zu

bereiten. Mit Hilfe unserer Decken brachte er es wirklich ganz

prachtvoll zustande, so daß wir uns am andern Morgen

gestanden, lange nicht so gut geschlafen zu haben.

Vor dem Aufbruche aß ein jeder von uns ein Stück von dem

übrig gebliebenen Rehbraten.

"Habt es bezahlt, Master," sagte Lindsay; "werde es Euch

wiedergeben."

"Kleinigkeit!"

"Wird dieser Gorilla uns führen, und wieviel erhält er?"

"Zwei Piaster pro Tag."

"Werd ich ihm geben. Verstanden?"

"Gut, Sir!"

Da auch die Haddedihn einverstanden waren, den Kurden als

Führer mitzunehmen, so nahm ich diesen ins Examen.

Führer mitzunehmen, so nahm ich diesen ins Examen.

"Hast du einmal vom Kiupri-See gehört?"

"Ich war dort."

"Wie weit ist es bis dorthin?"

"Wollt ihr viele Dörfer sehen oder wenige?"

"Wir wollen wenig Menschen treffen."

"So werdet ihr sechs Tage brauchen."

"Welches ist der Weg?"

"Man geht von hier bis an den Berozieh und am Wasser empor

bis nach Amehdabad; dann geht ein Paß nach rechts ab, welcher

nach Kizzelzieh führt, und dort sieht man das Wasser, welches in

den Kiupri-See läuft."

Das war zu meiner Verwunderung und Genugtuung ganz genau

derselbe Weg, den ich vorgezeichnet hatte.

Der Bulbassi-Kurde, der mir diese Gegenden beschrieben hatte,

war also doch ein guter Berichterstatter gewesen.

"Willst du uns führen?" fragte ich neuerdings.

"Herr, ich kann euch führen, bis man nach Bagdad zu die Ebene

"Herr, ich kann euch führen, bis man nach Bagdad zu die Ebene

erreicht!" antwortete er.

"Wie hast du diese Pfade kennen gelernt?"

"Ich habe die Händler geführt, die beladen in die Berge kommen

und dann leer wieder gehen. Damals war ich noch nicht

Kümürdar."

Dieser Mann war trotz seines Schmutzes eine wahre Perle für

uns. Er schien ein wenig beschränkt zu sein, aber ein ehrliches,

anhängliches Gemüt zu haben. Darum beeilte ich mich, ihn zu

dingen.

"Du sollst uns bis zur Ebene führen und alle Tage deine zwei

Piaster erhalten. Wenn du uns treu dienst, so darfst du dir auch

ein Pferd kaufen, das wir dir dann schenken. Bist du zufrieden?"

Ein Pferd! Das war ein unendlicher Reichtum für ihn. Er ergriff

meine Hand und drückte sie mit großer Inbrunst an die Stelle

seines Bartes, unter der man aus anatomischen Gründen seinen

Mund vermuten mußte.

"O Herr! Deine Freundlichkeit ist größer als diese Berge! Darf

ich auch meinen Hund mitnehmen, und werdet ihr ihm Futter

geben?"

"Ja. Wir können Wild genug für ihn schießen."

"Ich danke dir; ich habe keine Flinte und muß das Wild in der

"Ich danke dir; ich habe keine Flinte und muß das Wild in der

Schlinge fangen. Wann wirst du mir das Pferd kaufen?"

"So bald als möglich."

Er hatte Salz, und ich trug ihm auf, einen Vorrat davon

mitzunehmen.

Welch ein kostbarer Artikel das Salz ist, lernt man erst dann

erkennen, wenn man es monatelang entbehren muß. Die meisten

Beduinen und auch viele Kurden sind nicht an seinen Genuß

gewöhnt.

Allo war schnell mit seinen Vorbereitungen zu Ende. Er

versteckte sein Mehl und Salz in das erwähnte Loch, ergriff sein

Messer nebst dem fürchterlichen Spieß und tat seinen Hund an

die Leine, die er sich um die Hüften schlang. Eine

Kopfbedeckung gab es bei ihm nicht.

Wir begannen diesen Tagmarsch mit erneutem Vertrauen auf

unser gutes Glück. Unser Führer leitete uns scharf nach Süd, bis

wir am Mittag den Berozieh erreichten. Hier machten wir Rast

und badeten in den Wellen des Flusses. Glücklicherweise ließ

Allo sich von mir bereden, ein Gleiches zu tun. Er gebrauchte

den reichlich vorhandenen Sand als Seife und verließ als ein

anderer Mensch die wohltätigen Wellen.

Wir schlugen jetzt eine östliche Richtung ein, mußten aber

manche Umwege machen, da am Flusse viele Ansiedlungen und

Nomadenlager waren, die wir zu umgehen für notwendig hielten.

Am Abend übernachteten wir am Ufer eines Baches, der rechts

vom Gebirge herab dem Berozieh entgegeneilte.

Wir hatten am nächsten Morgen kaum eine Stunde zurückgelegt,

als der Kurde stehen blieb und mich an mein Versprechen

erinnerte, ihm ein Pferd zu kaufen. In der Nähe habe er einen

Bekannten, dessen Pferd feil sei.

"Wohnt er in einem großen Dorfe?" fragte ich.

"Es sind nur vier Häuser da."

Das war mir lieb, denn ich wollte so viel wie möglich alles

Aufsehen vermeiden und ich konnte den Kurden doch auch nicht

allein fortlassen, da ich mich noch nicht überzeugt hatte, ob er

verschwiegen sei.

"Wie alt ist das Pferd?"

"Es ist noch jung, fünfzehn Jahre."

"Schön. Wir werden miteinander gehen, um es zu besehen,

während die anderen auf uns warten. Suche einen Ort, wo sie

unentdeckt bleiben können!"

Nach einer Viertelstunde sahen wir unten am Wasser einige

Häuser liegen.

Häuser liegen.

"Das ist es," sagte Allo. "Warte hier, ich werde deine Freunde

verstecken."

Er führte sie weiter, kehrte aber schon nach einigen Minuten

zurück.

"Wo sind sie?"

"In einem Dickicht, wohin niemand kommt."

"Du wirst den Leuten da unten nicht sagen, wer ich bin, auch

nicht, wohin wir gehen, und daß vier auf uns warten!"

"Herr, ich sage kein Wort. Du bist so gut mit mir, und ich liebe

dich. Habe keine Sorge!"

Ich ritt die nicht sehr steile Anhöhe hinab und befand mich bald

vor einem Haus, unter dessen vorspringendem Dache

verschiedene Pack- und Reitsättel hingen. Hinter dem Hause war

eine Art Corral, in dem einige Pferde herumsprangen. Ein alter,

hagerer Kurde trat uns entgegen.

"Allo, du?" fragte er erstaunt. "Der Prophet segne dein Kommen

und alle deine Wege!" Und leise setzte er hinzu: "Wer ist dieser

große Herr?"

Der Gefragte war so politisch, laut zu antworten:

Der Gefragte war so politisch, laut zu antworten:

"Dieser Herr ist ein Effendi aus Kerkuk, der nach Kelekowa will,

um dort mit dem Pascha von Sinna zusammenzutreffen. Da ich

die Wege kenne, so soll ich ihn führen. Hast du das Pferd noch,

das dir übrig ist?"

"Ja," antwortete der Mann, dessen Blick voll Bewunderung an

meinem Pferde hing. "Es befindet sich hinter dem Hause.

Komm!"

Ich wollte die beiden nicht allein lassen und stieg daher

schleunigst ab, um ihnen zu folgen, nachdem ich mein Pferd

angehängt hatte.

Das betreffende Tier gehörte nicht zu den schlechtesten; ich hielt

es nicht für so alt, wie mir Allo angegeben hatte, und da Pferde

da waren, die mir weniger wert zu sein schienen, so wunderte ich

mich, daß grad dieses dem Besitzer feil sei.

"Was soll es kosten?" erkundigte ich mich.

"Zweihundert Piaster," lautete die Antwort.

"Führe es vor!"

Er zog es aus der Umzäunung, ließ es gehen, traben und auch

galoppieren und machte dadurch meinen Verdacht rege; denn es

war wirklich mehr wert als den geforderten Preis.

"Lege den Packsattel an und eine Last darauf!"

Es geschah, und das Tier folgte gehorsam jedem Fingerzeig.

"Hat dieses Tier einen Fehler?"

"Keinen einzigen, Chodih!" beteuerte er.

"Es hat einen, und es ist besser, wenn du ihn mir sagst. Das Pferd

ist für deinen Freund Allo, den du nicht betrügen wirst."

"Ich betrüge ihn nicht."

"Nun wohl, so will ich versuchen, den Fehler zu entdecken.

Nimm das Gepäck herab und leg einen Reitsattel auf!"

"Warum, Herr?"

Diese Frage verriet mir, daß ich auf der richtigen Fährte sei.

"Weil ich es so haben will!" antwortete ich kurz.

Er gehorchte, und dann hieß ich ihn aufsteigen.

"Herr, ich kann nicht," entschuldigte er sich.

"Warum nicht?"

"Ich habe das Gewitter (* Das Reißen.) im Beine. Ich kann nicht

"Ich habe das Gewitter (* Das Reißen.) im Beine. Ich kann nicht

reiten."

"So werde ich es selbst tun!"

Ich sah es ihm an, daß ich der Entdeckung jetzt nahe sei. Das

Pferd ließ mich herantreten, doch sobald ich den Fuß erhob, um

in den Bügelschuh zu treten, wich es zur Seite. Es wollte mir nicht

gelingen, in den Sattel zu kommen, bis ich es hart an die Mauer

des Gebäudes stellte. Jetzt saß ich auf, sofort aber ging es hinten

in die Höhe, daß es sich fast nach vorn überschlug; dann stieg es

vorn empor, beinahe mehr als kerzengerade; es bockte zur Seite

und machte so gewaltige Luftsprünge, daß ich die erste

Gelegenheit ergriff, mich aus dem Sattel zu werfen. Ich tat dies

mit Vorbedacht so, daß ich zur Erde fiel und es den Anschein

hatte, als ob ich abgeworfen worden sei.

"Mann, dieses Pferd ist keinen Para, viel weniger zweihundert

Piaster wert! Kein Mensch kann es reiten. Es ist verdorben

worden."

"Herr, es ist gut. Vielleicht will es nur dich nicht dulden."

"Ich kenne das! Es hat lange Zeit unter einem schlechten Sattel

und unter einem noch schlimmeren Reiter gelitten; das merkt sich

so ein Tier. Wer soll es nun besteigen? Es ist höchstens noch als

Packpferd zu verwenden."

"Brauchst du kein Packpferd, Herr?"

"Brauchst du kein Packpferd, Herr?"

"Nein. Jetzt nicht, sondern erst später."

"So kaufe es, denn du wirst nicht gleich ein Pferd finden, wenn

du es brauchst."

"Soll ich mich mit einem Tiere schleppen, das mir jetzt zur Last

ist?"

"Du sollst es um hundertfünfzig Piaster haben!"

"Ich gebe dir hundert, und keinen Para mehr."

"Herr, du scherzest!"

"Behalte es! Ich finde in Banna ein anderes. Komm, Allo!"

Ich bestieg meinen Rappen, und der Köhler folgte mir mit

betrübter Miene. Wir hatten aber kaum fünfzig Schritte

zurückgelegt, so hörten wir rufen:

"Gib hundertdreißig, Herr!"

Ich antwortete nicht.

"Hundertzwanzig!"

Ich ritt weiter, ohne mich umzublicken.

"Komm zurück, Herr; du sollst es für hundert haben!"

Jetzt blieb ich halten und fragte, ob er auch einen Reitsattel und

eine Decke zu verkaufen habe. Als er bejahte, kehrte ich zurück

und kaufte einen ganz passablen Sattel nebst Decke für vierzig

Piaster. Und was das Vorteilhafteste war: der Händler nahm den

Preis ganz willig in altem Beschlik (* Geringes Metallgeld.) an,

der sich nach und nach in meiner Tasche angesammelt hatte. Ich

legte, nachdem ich bezahlt hatte, dem Pferd den Sattel und das

Zaumzeug an und nahm dann von dem Kurden Abschied.

"Lebe wohl! Du wolltest deinen Freund betrügen, aber du wirst

gleich sehen, daß er das Pferd für den dritten Teil seines Wertes

hat."

Der Mann antwortete mir nur mit einem schlauen, überlegenen

Lächeln. Auch Allo verabschiedete sich von ihm und wollte dann

sein Pferd besteigen. Sein behaartes Gesicht, oder vielmehr nur

die Teile desselben, die man sehen konnte, erglänzte vor Freude

und Entzücken darüber, daß er nun hoch zu Roß in die Welt

hineinreiten konnte. Aber der Kurde ergriff ihn beim Arme.

"Um des Propheten willen, steige nicht auf! Das Pferd wird dich

abwerfen, und du brichst den Hals."

"Dieser Mann hat recht," stimmte ich bei. "Steig du jetzt auf mein

Pferd. Es wird dich sicher tragen, und ich will mich hier auf

dieses setzen, um ihm zu zeigen, daß es zu gehorchen hat."

dieses setzen, um ihm zu zeigen, daß es zu gehorchen hat."

Allo kletterte wirklich mit größtem Vergnügen auf den Rücken

meines Hengstes, welcher sich dieses ehrenrührige Attentat ganz

ruhig gefallen ließ, weil er mich in der Nähe wußte. Ich aber

drängte den Klepper an die Mauer und kam glücklich in den

Sattel. Wieder stieg er empor; ich ließ ihm einige Augenblicke

lang den Willen, dann aber nahm ich ihn kurz und faßte ihn

zwischen die Schenkel. Er wollte steigen - es ging nicht mehr; er

brachte es bloß zu einem krampfhaften Spielen der Hufe, und

endlich ging ihm der Atem aus, der Schweiß stand ihm auf allen

Poren, und von seinem Maul tropfte der Schaum in großen

Flocken - er stand, trotzdem ich ihm die Schenkel wieder nahm.

"Er ist bezwungen, Mann," lachte ich vergnügt. "Paß auf, wie er

sich reiten läßt, und versuche nicht wieder, einen Freund zu

übervorteilen! Allah sei mit dir!"

Ich ritt voran, und mein Rih folgte mit edler Bescheidenheit dem

Klepper.

"Chodih," fragte der Köhler, "nun ist wohl dieser Schwarze

mein?"

Hm! Auch eine Frage!

"Nein," antwortete ich.

"Warum nicht?"

"Warum nicht?"

"Dieser Schwarze würde dich abwerfen, sobald ich nicht mehr in

seiner Nähe bin. Du sollst ihn nur heute reiten, denn morgen wird

dieses Pferd hier gehorsam geworden sein."

"Und wird es mir auch dann gehören, wenn ich von euch

scheide?"

"Ja, wenn wir nämlich mit dir zufrieden sind."

"O ich werde alles tun, was du von mir forderst!"

Wir gelangten an das Dickicht, wo sich die Gefährten verborgen

hielten. Sie schlossen sich uns wieder an und zeigten sich sehr

zufrieden über den guten Handel, den ich gemacht hatte. Nur

Halef war ungehalten.

"Sihdi," sagte er, "das wird dir Allah nie vergeben, daß du deinen

Rih eine solche Kröte tragen lässest. Er mag sich auf mein Pferd

setzen, während ich den Rappen nehme."

"Laß ihn, Halef! Es würde ihn beleidigen."

"Maschallah, wie kann ein Kurde beleidigt werden, der Kohlen

brennt und den Schmutz mit Fingern ißt!"

Es blieb trotzdem bei meiner Anordnung.

Am Nachmittag gelangten wir in die Höhe von Banna und nach

Am Nachmittag gelangten wir in die Höhe von Banna und nach

einem scharfen Ritte öffnete sich vor uns der Paß, der nach

Süden führt. Wir hatten unsere Pferde auf den unwegsamen

Höhen sehr in Anspruch nehmen müssen; darum wollten wir

ihnen heute eher Ruhe gönnen und zogen uns seitwärts des

Passes in ein kleines, aber tiefes Tälchen zurück, dessen Seiten

sehr dicht mit Zwergeichen bewachsen waren. Wir hatten Wild

genug geschossen, um nicht hungern zu müssen, und losten nach

dem Mahle um die Reihenfolge der Nachtwache. Hier in der

Nähe des Passes hielten wir die Vorsicht ganz besonders für

notwendig, denn die Kunde von dem Herdenraube war ganz

sicher bereits bis Banna gedrungen, und es ließ sich vermuten,

daß dabei die Rede auch von uns gewesen sei.

Die Nacht verging ohne die geringste Störung, und mit dem

Grauen des Tages ritten wir bereits in den Mund des Passes ein.

Wir hatten diese Zeit gewählt, um völlig unbeachtet zu sein.

Der Weg führte über nackte Höhen und kahle Steinflächen,

durch dunkle Schluchten und melancholische Täler, in denen

kaum ein Wässerlein zu finden war. Man sah und fühlte hier so

recht deutlich, daß man sich auf einem Boden befand, den

vielleicht noch kein Europäer betreten hatte.

Es war nahe am Mittag, als wir ein Quertal zu durchschneiden

hatten. Gerade als wir bei der gegenüberliegenden Ecke

anlangten, blieb Dojan stehen und sah mich bittend an. Ich

kannte seine Manieren; er hatte etwas Verdächtiges bemerkt und

kannte seine Manieren; er hatte etwas Verdächtiges bemerkt und

wollte nun die Erlaubnis haben, mich verlassen zu dürfen. Ich ließ

halten und sah mich um, fand aber nicht die geringste Spur eines

lebenden Wesens.

"Jürü (* Gehe!), Dojan!" sagte ich, und sofort sprang der Hund

in das Gebüsch hinein. Einige Augenblicke später hörten wir

einen Schrei, und dann erscholl jener kurze Laut, welcher mir

sagte, daß Dojan einen Menschen unter sich liegen habe.

"Halef, komm!"

Wir sprangen von den Pferden, warfen den Andern die Zügel zu

und folgten dem Hunde. Wahrhaftig, neben einem stacheligen,

heckenrosenartigen Busche lag ein Mann, und der Hund stand

über ihm und hatte seine Zähne an dessen Gurgel.

"Dojan, geri!"

Der Hund ließ ab, und der Mann erhob sich.

"Was tust du hier?"

Er blickte mich an, als ob er sich die Antwort erst überlegen

wolle, gab sie aber nicht, sondern tat einen plötzlichen

Seitensprung und verschwand.

Auf meinen Wink setzte der Hund dem Fremden nach. Keine

Minute später hörten wir wieder den Angstschrei des Mannes

Minute später hörten wir wieder den Angstschrei des Mannes

und den bezeichnenden Laut des Hundes. Neben der Stelle, wo

der Mann gelegen hatte, hing seine Flinte an einem

abgebrochenen Zweige. Ich winkte Halef, sie zu nehmen, und

dann drangen wir weiter vor. Wir fanden Mensch und Hund

genau wieder in der vorherigen Lage. Der erstere wagte gar

nicht, sich zu rühren und von dem Messer Gebrauch zu machen,

welches er im Gürtel hatte.

"Ich werde dir noch einmal erlauben, dich zu erheben, aber ich

sage dir: wenn du abermals zu entfliehen suchst, so wird der

Hund dich zerreißen," warnte ich ihn.

Dann rief ich Dojan abermals zurück. Der Fremde stand auf und

blieb in demütiger Haltung vor mir stehen.

"Wer bist du?"

"Ich bin ein Bewohner von Soota," antwortete er.

"Ein Bebbeh?"

"Nein, Herr. Wir sind Feinde der Bebbeh, denn ich bin ein

Dschiaf."

"Woher kommst du?"

"Aus Achmed Kulwan."

"Das ist weit. Was hast du dort getan?"

"Das ist weit. Was hast du dort getan?"

"Ich sorge für die Herden des dortigen Kiaja."

"Wohin willst du?"

"Nach Soota zu meinen Freunden. Die Dschiaf feiern ein großes

Fest, welches wir mitmachen wollen."

Das stimmte.

"Haben die Dschiaf auch Gäste bei diesem Feste?"

"Ich habe gehört," antwortete er, "daß Khan Heider Mirlam mit

seinen Bejat kommen will."

Auch das stimmte. Dieser Mann schien kein Lügner zu sein.

"Warum versteckst du dich vor uns?"

"Herr, muß ein einzelner Mann sich nicht verstecken, wenn er

sechs Reiter kommen sieht? Er weiß hier in den Bergen doch

niemals, ob es Freunde oder Feinde sind."

"Aber warum versuchtest du, mir zu entfliehen?"

"Weil ich dachte, du seist ein Feind, denn du hetztest deinen

Hund auf mich."

"Bist du wirklich ganz allein hier?"

"Bist du wirklich ganz allein hier?"

"Ganz allein; das kannst du mir beim Barte des Propheten

glauben!"

"Ich will es dir glauben. Gehe voran!"

Wir kehrten mit ihm zu den Gefährten zurück, wo er seine

Aussage wiederholen mußte. Sie stimmten mit mir darin überein,

daß der Mann ungefährlich sei. Er erhielt seine Flinte wieder und

durfte gehen. Nachdem er sich bedankt und den Segen Allahs

auf unsere Häupter herabgewünscht hatte, setzten wir den

unterbrochenen Ritt weiter fort.

Ich hatte bemerkt, daß Allo den Fremden recht nachdenklich

betrachtet hatte; auch jetzt saß er sinnend auf dem Rappen, und

eben wollte ich ihn nach dem Gegenstande seines Grübelns

fragen, als er, wie sich endlich besinnend, aufblickte und schnell

an meine Seite kam.

"Chodih, dieser Mann hat euch belogen! Ich kannte ihn, aber ich

wußte nicht mehr, wer er war. Jetzt nun habe ich mich besonnen.

Er ist kein Dschiaf, sondern ein Bebbeh. Er muß ein Bruder oder

Verwandter des Scheik Gasahl Gaboya sein. Ich habe sie beide

in Nweizgieh gesehen."

"Wenn dies wahr wäre! Irrst du dich nicht?"

"Es ist möglich, aber ich meine, recht gesehen zu haben."

"Es ist möglich, aber ich meine, recht gesehen zu haben."

Ich teilte den andern die Vermutung des Köhlers mit und fügte

hinzu:

"Fast möchte ich diesem Manne nachreiten!"

Mohammed Emin schüttelte den Kopf.

"Warum willst du die Zeit verschwenden und wieder umkehren?

Wenn dieser Mann wirklich ein Bebbeh wäre, wie wollte er

wissen, daß Heider Mirlam von den Dschiaf eingeladen ist?

Solche Dinge werden vor dem Feinde stets geheim gehalten."

"Und," fügte Amad el Ghandur hinzu, "wie könnte uns dieser

Mann Schaden bringen? Er geht nach Norden, und wir reiten

nach Süden. Man würde uns nicht einholen können, selbst wenn

er in Banna von uns erzählte."

Diese Gründe waren allerdings sehr triftig, und daher gab ich es

auf, wieder umzukehren. Nur der Engländer schien nicht

befriedigt zu sein.

"Warum den Kerl laufen lassen?" zürnte Sir David, als ich ihm

alles erklärt hatte. "Hätte den Kerl erschossen. Ist nicht schade

darum. Jeder Kurde ist ein Spitzbube! Yes!"

"War der Bey von Gumri auch einer?"

"Hm! Ja!"

"Hm! Ja!"

"Sir, Ihr seid sehr undankbar!"

"Geht Euch nichts an! Dieser gute Bey hätte uns nicht so gut

empfangen, wenn er nicht durch Marah Durimeh von uns gehört

hätte. Gutes Weib, einziges Weib, diese alte Grand-mother (*

Großmutter.)!"

Durch den Namen Marah Durimeh wurden Erinnerungen in mir

erweckt, welche mich für den Augenblick die Gegenwart

vergessen ließen. Ich gab mich denselben schweigend hin, bis

der Engländer daran mahnte, daß es Zeit sei, die Mittagsrast zu

halten.

Er hatte recht. Es war heute trotz des schlechten Weges eine

tüchtige Strecke zurückgelegt worden, und so konnten wir uns

und den Pferden die verdiente Ruhe gönnen. Wir fanden einen

Platz, welcher ganz dazu geeignet war; da stiegen wir ab und

legten uns, die Wache abgerechnet, zu einem kurzen Schlummer

hin.

[Illustration Nr. 3]

Von Bagdad nach Stambul - 400 Seiten

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