Читать книгу Auf fremden Pfaden - Karl May - Страница 5

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2.

Nach einem halbstündigen Ritt hielten wir vor einem Thale, welches sich in einer Breite von wohl anderthalb englischen Meilen zwischen zwei Höhen hinzog, die zu den westlichen Ausläufern des Randgebirges gehörten. Ein breiter Bach schlängelte sich längs seiner Sohle von einer Seite zur andern und bildete die Ursache der üppigen Vegetation, durch welche sich dieser verborgene Winkel der Vorberge vor den Strecken auszeichnete, welche ich während der letzten Tage durchstreift hatte. Überall erblickte das Auge weidende Rinder, Schafe und Ziegen. Ein ausgedehntes Gehöft, umgeben von einem baumreichen Garten, an den sich unmittelbar reichbestandene Getreidefelder schlossen, lag inmitten des Thales.

»Da sind wir!« sprach Kees Uys. »Wie gefällt Euch dieser Platz?«

»Besser als mancher andere, den ich bisher gesehen habe. Wie heißt der Besitzer desselben?«

»Es ist Neef Jan, ein ganzer junge, sage ich Euch. Nach einem wackerern Afrikander, als er ist, könnt Ihr lange suchen, obgleich er erst zweiundzwanzig Jahre zählt. Schade, daß er sich auf der Leopardenjagd befindet, die ihn stets einige Tage vom Hause hält, sonst könntet Ihr ihn persönlich kennen lernen!«

Er nannte ihn bloß Neef Jan, ohne seinen Familiennamen zu sagen. Die holländische Sitte, daß, auch ohne in Blutsverwandtschaft miteinander zu stehen, ältere Bekannte jüngere mit Neef anreden und von diesen mit dem einfachen und vertraulichen Baas bezeichnet werden, ist auch mit nach Afrika herübergekommen. Afrikander im weiteren Sinne nennt man alle Ansiedler niederländischen Ursprunges, im engeren Sinne aber versteht man hierunter nur diejenigen Boers, welche gut mit der Büchse umzugehen verstehen, treu an ihren alten Traditionen bangen, infolgedessen unerbittliche Feinde der Engländer sind und vor keiner Gefahr zurückzubeben pflegen. Nennt ein Ansiedler den andern einen Afrikander, so ist dies die größte Ehrenerweisung, welche er ihm bieten kann, denn er hat ihn damit als einen Held bezeichnet. Dieser erst zweiundzwanzigjährige Neef Jan mußte also bereits genügende Proben seines Mutes gegeben haben, um von dem berühmten Uys als Afrikander bezeichnet zu werden.

»Er hat außer Jan noch einen andern Namen?« fragte ich daher.

»Allerdings,« antwortete der Boer mit einem schlauen Lächeln. »Euch ist schlecht standzuhalten, wie es scheint, Mynheer. Ich wollte diesen Namen erst bei der Vorstellung nennen, aber da Ihr mich so drängt und der Neef auch nicht daheim ist, so sollt Ihr wissen, daß er Jan van Helmers heißt.«

»Van Helmers?« rief ich. »Wollt Ihr damit sagen, daß er ein Glied jener Familie sei, welche ich suche?«

»Wenn ich mich nicht irre, so ist er der Enkel jenes Großoheims, von welchem Ihr mir erzähltet. Dieser fiel als wackerer Kämpe in der Schlacht bei Pieter-Maritzburg, in welcher auch dessen Sohn mitfocht, der, wie ich Euch versichere, ein Jäger und ein Krieger war, wie es kaum einen zweiten gab. Der Enkel gleicht ihm auf das Haar. Seine Büchse hat noch niemals ein Ziel verfehlt, weder bei Tag noch bei Nacht; darum wird er nur der Boer van het Roer genannt, und seine Fäuste sind stark wie die Tatzen des Löwen; wehe dem, der zwischen sie gerät!«

Mietje war uns vorausgeeilt; wir sahen sie jetzt hinter den Planken des Hofes verschwinden.

»Und dieses Kaffernmädchen?« fragte ich.

»Ist seine Adoptiv-Schwester und seine Braut.«

»Ah!«

»So ist es! Sein Vater war nordwärts vom Griqua auf einer Jagdstreiferei in die Kalahari gekommen und fand dort neben der Leiche einer jungen, schönen und wohl kaum vor einer Stunde verstorbenen Kaffernfrau das halb verschmachtete Kind. Er hatte ein mitleidiges Herz und nahm das Mädchen mit sich. Es wurde getauft und neben Jan erzogen, der es nicht anders als sein Schwesterchen nannte, bis er auf den Gedanken kam, aus der angenommenen Schwester sein Weib zu machen.«

»Waren die Eltern damit einverstanden?«

»Natürlich! Ihr dürft nicht glauben, daß wir dieselben Vorurteile hegen, wie ihr daheim. Mietje ist ein ganzes Mädchen und wird eine Frau werden, wie Jan unter den Ansiedlern keine bessere finden kann.«

»Sie muß eine Amatomba oder Lagoanerin sein.«

»Wahrscheinlich, doch geben die Gegenstände, welche van Helmers bei ihrer Mutter fand, keinen Anhalt. Sie ist, da Jan sehr viel außer Hause ist, die Seele der ganzen Besitzung, nimmt alle Sorgen mit Freuden auf sich und hat auch jetzt uns nur verlassen, damit wir bei unserer Ankunft sofort einen gedeckten Tisch vorfinden. Wäre ich jung, so könnte ich Jan um diese Braut beneiden!«

Wir ritten in raschem Schritte über die fetten Wiesen dahin, passierten das offenstehende Thor und gelangten in einen sehr großen Hofraum, in welchen die Eingangsthüre des Wohngebäudes mündete. Einige Fanghunde empfingen uns mit lautem Gebell, doch ließen sie sich durch Uys, der ihnen jedenfalls bekannt war, sofort beschwichtigen. In ihr Gebell hatte sich ein eigentümliches Pfauchen und Zischen gemischt. Ich folgte der Richtung des Schalles und gewahrte einen gezähmten Leoparden, welcher neben einer für ihn errichteten Hütte an einer starken Kette lag.

Das Gebell hatte noch eine weitere Folge. Ich vernahm nämlich hinter dem Hause die eigentümlichen Töne einer Stimme, welche mir vollständig unbekannt war, und sah gleich darauf um die Ecke einen Strauß hervorbiegen, der sich mit weit vorgestrecktem Halse und schlagenden Flügeln auf uns losstürzte. Das Haus schien außerordentlich gut bewacht zu sein.

Unglücklicherweise hatte sich der riesige Vogel meinen braven Quimbo zum Gegenstande seines Angriffes ausersehen. Dieser erkannte die Gefahr, welche ihm drohte, und brachte augenblicklich seine beiden nackten Beine auf den Rücken des Pferdes› in Sicherheit.

»Mynheer, Mynheer,« brüllte er, »Strauß will freß' Quimbo! Strauß hab' Hunger! Strauß mag verschling' Pferd, aber nicht Quimbo!«

Durch das Zetermordio des Attackierten noch mutiger gemacht, verschärfte der Vogel seinen Angriff und versuchte, die Beine des Kaffern mit dem Schnabel zu erreichen. Da diese aber immer auf die gegenüberliegende Seite des Pferdes gehalten wurden, so griff er schließlich den Brabanter an, der die energischen Schnabelhiebe des streitbaren Federhelden allerdings so wenig nach seinem Geschmacke fand, daß er trotz seiner Schwerfälligkeit mit allen vieren in die Luft ging und Quimbo in die höchste Gefahr brachte, seinem Feinde vor die Füße geworfen zu werden.

»Mynheer rett' Quimbo! Mynheer helf arm' Quimbo! Quimbo will nicht gut schmeck' Strauß, oh, oh! Mynheer schieß' tot Strauß, aber Mynheer nicht treff' Quimbo, denn Quimbo bin sonst tot!«

Kees Uys versuchte vergebens, den Vogel zu beruhigen. Der dicke Gaul stieg unaufhörlich bald vorn bald hinten in die Höhe und wieherte vor Schmerzen; der Kaffer brüllte; die Hunde begannen von neuem ihr Gebell, und der Leopard zerrte an der Kette und brüllte, daß es einem wirklich angst werden konnte. Da erscholl ein einziger Zuruf durch das geöffnete Fenster, und sofort gehorchten alle diese zahmen und halbwilden Tiere.

»Rob, zurück!« rief Mietje, und der Vogel wandte sich vom Pferde hinweg, um an das Fenster zu eilen und, den Kopf durch dasselbe steckend, sich von seiner Herrin liebkosen zu lassen.

Dadurch wurde nicht nur Quimbo befreit, sondern auch wir sahen uns aus einer fatalen Lage erlöst, da es uns andernfalls notwendig erschienen wäre, gewaltsam gegen den jedenfalls freundlich gehegten Vogel einzuschreiten.

Einige herbeieilende Hottentotten nahmen unsere Pferde in Empfang; dann trat ich mit Uys in die Wohnung, in welcher wir außer Mietje eine ältliche Frau fanden, welche, sorgfältig in Decken gehüllt, in einem Lehnstuhle saß. Mietje hatte uns bereits angekündigt, und ich wurde von der Kranken mit außerordentlicher Herzlichkeit empfangen.

»Jeffrouw Soofje, dieser Mynheer kommt aus Holland,« bemerkte Kees Uys.

»Und zwar aus Zeeland,« fügte ich hinzu.

»Aus Zeeland?« fragte sie. »Ich kenne es nicht; aber der Vater meines Mannes war dort geboren. Er hat viel dorthin geschrieben, endlich aber keine Antwort mehr erhalten. Kennt Ihr Storkenbeek in Zeeland?«

»Ich bin eine volle Woche dort gewesen als Gast einer Familie van Helmers.«

»Bei den Helmers?« fragte sie, trotz ihres Leidens und ihrer außerordentlichen Wohlbeleibtheit, außerordentlich lebhaft. »Das sind ja unsere Verwandten! Habt Ihr sie nicht von Lucas van Helmers sprechen hören?«

»Sehr oft, Jeffrouw. Sie baten mich, nach Euch zu forschen und Euch diese Briefe zu überreichen, falls es mir gelingen sollte, Euern Aufenthalt zu entdecken. Auch sie haben schon öfters geschrieben, ohne eine Antwort zu erhalten. Die Postzustände scheinen zur Zeit der Invasion der Engländer keine besonders lobenswerten gewesen zu sein.«

»Einen Brief aus Storkenbeek? Gebt ihn schnell her, Mynheer! Mietje mag ihn vorlesen, während Ihr dort zu dem Imbiß greift. Setzt Euch zur Tafel, und nehmt fürlieb. Wildbret ist leider nicht dabei, da Jan schon seit vorgestern abwesend ist, um auf einen Leoparden zu gehen.«

Sie legte auf das Wort Leopard einen Ton, welcher mich annehmen ließ, daß es mit demselben eine besondere Bewandtnis haben müsse, zumal sie dabei einen eigentümlichen, bezeichnenden Blick auf Uys warf. War unter dem Leoparden vielleicht etwas ganz anderes zu verstehen, als das bekannte katzenartige Raubtier, welches in der Kolonie allerdings häufig getroffen und eifrig verfolgt wird wegen des großen Schadens, den es unter den Herden stiftet?

Uys beantwortete diese unausgesprochene Frage durch eine Bemerkung, welche er der Frau auf ihre Worte machte:

»Ich wollte mit ihm, wurde aber abgehalten, zur rechten Zeit einzutreffen, und werde, sobald mein Pferd gefüttert ist, ihm folgen. Übrigens ist dieser Mynheer kein Freund der Engländer, und wir können also offen vor ihm sprechen, Jeffrouw. Ist Jan allein fort?«

»Ja.«

»Nach der Klaarfontain?«

»Er sagte so, Baas Uys.«

»Hat er nicht gesagt, wer alles kommen will?«

»Van Raal, Zingen, Veelmar und van Hoorst, außer den andern, die sie begleiten.«

»Da wären ja die Hauptleute vollständig beisammen. Wie steht es mit Freed up Zoom?«

»Es kam die Nachricht, daß er vielleicht eintreffen werde. Das soll ich Euch ganz besonders mitteilen.«

»Wirklich?« fragte er schnell. »Dann bringt er auch den Mann mit, welchen wir brauchen, um Sikukuni unschädlich zu machen, und ich darf diese Zusammenkunft unmöglich versäumen. Wie lange wollen sie auf mich warten?«

»Vier Tage, von heut an.«

»Das genügt. Ihr müßt nämlich wissen, Mynheer,« wandte er sich zu mir, »daß wir einen entscheidenden Schlag gegen die Kaffern beabsichtigen. Wir haben zwar Frieden mit ihnen geschlossen, Sikukuni aber ist zu unruhig und blutdürstig; er hält den Vertrag nicht, überfällt einen Ansiedler nach dem andern, verheert das Land mit seinen Horden und wird darin von den Engländern unterstützt, welche ihm Waffen und Munition liefern und gar nicht bedenken, daß sie damit ein Raubtier stärken, welches sich früher oder später auf sie selbst stürzen wird. Wollt Ihr mit zu der Zusammenkunft? Ihr werdet nur echte Afrikander treffen und vielleicht auch einen Kaffernhäuptling, welcher einst so berühmt sein wird, wie Sikukuni, der da unten hinter den Bergen seine Zulus zusammenzieht, um einen großen Kriegszug gegen die Boers zu unternehmen, wie ich berichtet worden bin.«

Das war mir allerdings eine sehr willkommene Einladung, doch mußte ich sie aus Rücksicht für Jeffrouw Soof je ablehnen.

»Wann reitet Ihr?« fragte ich also.

»Sobald ich hier gegessen habe.«

»Dann kann ich mich Euch leider nicht anschließen. Wir haben Jeffrouw einen Arzt versprochen und müssen Wort halten, Mynheer.«

Er mußte diese Ansicht billigen und machte sich dann höchst eingehend und mit jener Behaglichkeit, welche den wahren Esser kennzeichnet, über die aufgetragenen Speisen her, welche zwischen seinen glänzenden Zähnen in solcher Menge verschwanden, daß ich an seiner Stelle mir unbedingt den Tod geholt hätte.

Unterdessen wurde der Brief geöffnet und von Mietje vorgelesen. Das Mädchen hatte sicher keine andern Lehrer als ihre Pflegeeltern gehabt; ich erstaunte daher über ihre Fertigkeit, den sehr undeutlich geschriebenen Brief zu entziffern, und Jeffrouw Soofje bemerkte diesen günstigen Eindruck, welchen die Leserin auf mich machte.

»Ja,« meinte sie daher nach vollendeter Lektüre, »das Mietje liest besser als Jan, und der ist doch vier Jahre älter und noch dazu der Adjutant von Baas Uys! Das hat sie vom seligen Boer gelernt, der ein gar kluger Mann war in allem, was der Mensch können und wissen muß. Seit ihn die Kaffern getötet haben, giebt es nicht eher Ruhe für mich und Jan, als bis Sikukuni gestraft ist.«

Als Kees Uys seine Mahlzeit beendet hatte, erhob er sich und griff zum Roer.

»Jetzt wird es fortgehen, Jeffrouw. Dank will ich Euch erst später sagen, denn es versteht sich ganz von selbst, daß ich Jan begleite, wenn er zurückkehrt. Und wir, Mynheer, brauchen wohl auch nicht Abschied zu nehmen, denn ich denke, Euch hier noch vorzufinden!«

»Mynheer wird nicht so schnell fortgehen,« versicherte und bat die Frau, halb zu mir und halb zu ihm gewendet. »Lebt wohl, Baas Uys, und laßt uns bald hören, daß ihr mit Sikukuni fertig seid!«

Sie reichte ihm die Hand, und er that mit Mietje und mir, die wir ihn dann hinausbegleiteten, dasselbe. Das Mädchen blieb im Hofe; ich kehrte allein in die Stube zurück.

Hier mußte mir Jeffrouw Soofje von ihrem Leiden erzählen, und ich kam zu der Überzeugung, daß dasselbe nur in einem schlecht behandelten Katarrh bestehe, welcher allerdings bereits begonnen hatte, einen gefährlichen Verlauf zu nehmen. Glücklicherweise enthielt meine kleine Reiseapotheke das geeignete Mittel, welches ich der Patientin verabreichte, bevor ich ihr gebot, das Bett aufzusuchen. Um das letztere zu thun, bedurfte die schwere Frau der Hilfe, und ich ging daher, um Mietje zu holen. Sie war im Hofraume nicht zu treffen. Ich fragte einen aus dem Stalle kommenden Hottentotten nach ihr. Er zeigte mit dem Finger hinter das Haus.

»Mietje sein dort und geb' Schul' klein' Kind,« antwortete er.

»Schule?« fragte ich überrascht.

»Schul'!« antwortete er stolz. »Klein' Kind und groß' Khwekhwena (wie sich die östlichen Hottentotten nennen) lern' viel, groß viel in Schul – lern' zähl', lern les', lern' schreib' und lern' bet'. Mietje sein gut, groß gut in Schul'!«

Ich ging der bezeichneten Richtung nach und hörte bald ein lautes Sprechen. Inmitten eines kleinen, von Buschwerk eingerahmten freien Grasplatzes saß das Mädchen, umgeben von Kindern beiderlei Geschlechtes, welche in zwei Abteilungen getrennt waren. Die Abteilung hatte jedenfalls ihren sprachlichen Grund, denn ich erkannte sowohl an der Farbe als auch an den Gesichtszügen, daß die eine Hälfte aus Hottentottenkindern, die andere aber aus Abkömmlingen von Kaffern bestand. Mietje beschäftigte sich soeben mit den ersteren, und ich bemerkte, daß der gegenwärtige Unterricht ein religiöser sei.

»Nun wird gebetet. Faltet die Hände!« gebot sie, diesem Befehle durch ihr eigenes Beispiel folgend.

Die kleinen, gelbbraunen Händchen der Kinder legten sich zusammen.

»Jetzt!«

Sie erhob ihre gefalteten Hände zum Zeichen, und nun erklang es im Chore:

»Sida tib, hommi na-hab, sa ons anu-annuhe!«

Die Kleinen beteten das Vaterunser in rührender Andacht zu Ende. Dann wandte sie sich an die Kaffernkinder:

»Und nun auch ihr!«

Die Händchen wurden auch von dieser Abteilung gefaltet; dann gebot sie wie vorher:

»Jetzt!«

Der kindliche Chor begann:

»Bawo wetu o sezulwini, malipatwe ngobungcwele igama lako

»So!« lobte sie die Gelehrigkeit und Andacht der Kleinen. »Und nun wollen wir beten, wie wir des Abends und des Morgens drin bei Jeffrouw Soofje beten müssen. Alle zusammen – jetzt!«

Sowohl die Kaffern als auch die Hottentotten begannen jetzt niederländisch:

»Onze vader, die in de hemelen ziit, uw naam worde geheiligt

Ich sah und hörte, daß ich in ein frommes, gottesfürchtiges Haus gekommen sei, und es that mir leid, den Unterricht stören zu müssen. Mietje hatte mein Kommen nicht bemerkt und wurde einigermaßen verlegen, als ich zwischen den Sträuchern hervortrat, um sie zu bitten, zur Mutter zu gehen.

Ich begleitete sie, nachdem sie die Kinder entlassen hatte. An der Giebelseite des Hauptgebäudes bemerkte ich zwei Wildkatzenfelle, welche ausgespannt unter einem der Fenster hingen.

»Diese Tiere scheinen hier häufig vorzukommen.« bemerkte ich.

Sie nickte:

»Da droben im Walde begegnet man ihnen sehr oft, Mynheer, und es ist nicht ganz ohne Gefahr, sie anzuschießen. Die erste, welche ich traf, hat mich gar arg zugerichtet, weil ich sie bloß verwundete, und hätte ich mein Messer nicht mitgehabt, so lebte ich jetzt vielleicht nicht mehr.«

Ich blickte sie verwundert an.

»Ihr versteht auch, mit dem Gewehre umzugehen?« fragte ich sie.

»Jan hat es mich gelehrt, weil er meinte, hier zu Lande sei es vorteilhaft, wenn auch die Frauen und Mädchen die Waffen gebrauchen können.«

»Wo liegt der Wald?«

»Ist man hier das Thal hinauf und über die Höhe rechts hinübergegangen, sieht man ihn liegen.«

Wälder sind in diesen Gegenden eine Seltenheit, und da ich mich jetzt ohne weitere Beschäftigung sah, so rief ich meinen Diener, welcher in scheuer Entfernung vom Leoparden stand und das ihn verdrießlich anblinzelnde Tier neugierig betrachtete.

»Quimbo, hast du die Pferde versorgt?«

»Pferd hab' freß' und hab' sauf, Mynheer,« antwortete er. »Quimbo sein fleißig und hab' auch schon eß'!«

»So nimm deine Waffen. Wir gehen nach dem Walde!«

Ich trat in die Stube, um meine Büchse zu holen, und machte die beiden Frauen mit meinem Vorhaben bekannt. Sie warnten mich vor giftigen Schlangen, deren es im Walde eine Unzahl gebe, und boten mir einen Hottentotten als Führer an. Ich lehnte dies ab und verließ das Haus.

Quimbo hatte sich mit allen seinen Waffen behangen und machte ein höchst unternehmendes Gesicht.

»Mynheer hab' Flint'; Mynheer will schieß' tot. Was will Mynheer schieß tot?«

»Elefanten,« antwortete ich mit der ernsthaftesten Miene.

Der Kaffer that einen gewaltigen Sprung zur Seite und sah mich höchst erschrocken an.

»Elefant? – O, Mynheer werd' sein tot, und Quimbo werd' sein auch tot! Elefant bin dick; Elefant hab' Maul so groß – – –«

Er streckte die Hände so weit als möglich auseinander, um mir zu verdeutlichen, wie groß das Maul des Elefanten sei.

»Gut, so suchen wir uns einen Löwen!«

jetzt blieb er gar stillstehen vor Schreck.

»Mynheer will such' Löwe? Oh, oh, Löwe sein noch viel mehr groß bös als Elefant; Löwe freß' all' Tier und all' Mensch; Löwe freß' England, freß' Holland, freß' Koikoib, freß' Kaffer, freß' Mynheer und freß' auch Quimbo. Was soll thun Quimbo, wenn Löwe hab' freß' Quimbo? Quimbo will nehm' schön' Frau; Quimbo darf nicht werd' freß' von Löwe!«

Das war mir neu. Ich vermochte es nicht, mir den guten Kaffer als würdigen Ehemann vorzustellen, und fragte darum:

»Was? Heiraten willst du?«

»Quimbo wird nehm' Frau!«

Er sprach diese Versicherung mit einem außerordentlichen Selbstbewußtsein aus und zog dabei eine Miene, als erwarte er die größte Anerkennung von meiner Seite.

»So! Wen willst du nehmen?«

»Quimbo nehm' schön' Mietje!«

Beinahe hätte ich laut aufgelacht. Also Mietje sollte das Glück haben, Madame Quimbo zu werden!

»Warum Mietje?« fragte ich ihn.

»Mietje bin gut, als Quimbo fall' von Pferd; Mynheer Uys hab' woll' schneid' auf Quimbo, Mietje aber hab' Angst um Quimbo; drum werd' sein Mietje Frau von Quimbo.«

»Hast du es denn Mietje schon gesagt?«

»Nein. Quimbo hab' nicht sprech' mit Mietje.«

»Weißt du denn, daß Mietje deine Frau sein will?«

»Quimbo weiß! Mietje will sein sehr Frau von Quimbo, denn Quimbo bin schön, bin gut und bin groß' und tapfer' Krieger!«

Das waren freilich sehr bedeutende Eigenschaften, die ich leider dahingestellt sein lassen mußte. Ich konnte es nicht über das Herz bringen, den schönen, guten und tapfern Heiratskandidaten aus seiner beglückenden Illusion zu reißen, und ließ daher das Gespräch fallen, indem ich so wacker voranschritt, daß er Mühe hatte, mir zu folgen.

Das Thal verengte sich nach oben immer mehr und endete da, wo der Quell aus der Erde sprang. Bald erreichten wir die Höhe des Thalrandes, über welche sich der nachbarliche Berg noch weit erhob, schritten an dessen Lehne hin und erblickten nach einiger Zeit den Wald, welcher in der jenseitigen Bodensenkung begann und dann mit seinem Grün sich rechts und links ausbreitete, so weit es der von Höhen eingeengte Horizont erkennen ließ.

Während wir so dahinschritten, war es mir, als bemerke ich Spuren, daß vor ganz kurzer Zeit hier jemand gegangen sei. Zwar war kein einziger ausgeprägter Stapfen oder gar eine fortlaufende, deutliche Fährte zu erkennen, aber dem geübten Auge konnten doch einige untrügliche Merkmale nicht entgehen, welche sich hier und da in dem grobkörnigen Sande zeigten. Trotzdem der Betreffende ein Angehöriger der Farm sein konnte, fand ich doch diese Spuren, ohne einen besonders stichhaltigen Grund hiefür zu haben, höchst auffällig. Sie hörten schließlich infolge des felsigen Bodens, welchen wir betraten, ganz auf, und da keine nähere Veranlassung vorlag, unterließ ich es, sie wieder aufzusuchen.

Wir gelangten in den Wald.

Er bestand aus mächtigen Gelb-, Stink-, Eisen- und Assagaiholzbäumen, zwischen deren Stämmen baumartige Farne ihre palmenartigen Wedel emporstreckten. Der Saum wurde gebildet von Rhinocerossträuchern, zwischen denen das lebhafte Grün der Mesembryanthemum-, Oxalis- und Pelargoniumarten hervorleuchtete. Trotz der Dürre und Einförmigkeit des Bodens besitzt das Kapland eine eigentümliche und reiche Flora, welche man auf zwölftausend Arten schätzt. Hat in Gegenden, welche des Wassers nicht ganz und gar entbehren, die Vegetation einmal Wurzel geschlagen, so entwickelt sie infolge des höchst günstigen Klimas bald eine außerordentliche Üppigkeit, welche zu der Öde und Dürftigkeit wasserloser Striche im schärfsten Kontraste steht.

Gleich beim Eintritte in den Wald empfing uns eine Familie von Cercopithecus Erythropyga, eine kleine Paviansart, deren Angehörige die einzigen Quadrumanen des Kaplandes bilden, mit possierlichen Grimassen, welche Quimbo durch lebhaftes Gesichterschneiden erwiderte. Die Keule in der Rechten und den Wurfspeer in der Linken, folgte er mir in einer Weise, als ob er befürchte, daß jeden Augenblick ein Elefant oder Löwe zwischen den Bäumen hervorbrechen und sich auf uns stürzen könne. Leider hatten wir keines von beiden Tieren zu fürchten, da sie von Jahr zu Jahr seltener werden und sich vor den Verfolgungen der Ansiedler ebenso wie das Flußpferd und das Rhinoceros in die nördlicher liegenden Wälder zurückziehen.

Den größten zoologischen Reichtum dieses Waldes schienen die Vögel zu bilden, die in großer Zahl und vielen Arten die Wipfel belebten und sich durch uns nicht im mindesten stören ließen. Es war dies für mich ein Beweis, daß sich nur selten ein menschlicher Fuß hierher verirrte, und wenn dies geschehen war, ihn meist wohl friedliche Absichten herbeigeführt hatten.

Es war mir mehr darum zu thun, mich ordentlich auszugehen, als daß ich eine Absicht auf ein bestimmtes Wild gehabt hätte; dennoch aber hielt ich mich fortwährend schußbereit und ließ mir kein Geräusch entgehen.

So strichen wir bereits eine Stunde lang vorwärts, als ich plötzlich aus nicht zu großer Entfernung einen Schuß vernahm.

»Hör' Mynheer?« fragte Quimbo, mit einer höchst bedenklichen Miene den Zeigefinger erhebend.

Ich lauschte nach der Richtung hin, aus welcher der Schall zu uns gedrungen war. Ein zweiter Schuß ertönte.

»Oh, schieß' noch 'mal! Mann schieß' tot Mann; sein hier zwei Abantu, zwei Mensch', und schieß' tot ein' der ander'!«

Ich war nicht derselben Meinung, denn die beiden Schüsse waren jedenfalls von einer und derselben Büchse abgegeben worden, wie für ein geübtes Ohr deutlich aus dem Schalle zu erkennen war. Ich hegte die Absicht, mich leise vorwärts zu schleichen, um den unbekannten Schützen heimlich zu beobachten, wurde aber bald veranlaßt, meine Bewegungen zu beschleunigen.

»Help, help! Oh, woe to me!« hörte ich eine laute, ängstliche Stimme rufen.

Das war englisch. Jedenfalls befand sich ein Weißer in Gefahr, und darum drang ich so schnell wie möglich durch die dichten Farne. Schon nach einigen Augenblicken bot sich mir ein halb ernster, halb komischer Anblick dar. Auf dem moosüberzogenen Stamme eines umgestürzten und schräg gegen die umstehenden Bäume anliegenden Gelbholzbaumes hockte eine lange, dürre Menschengestalt und verteidigte sich mit dem Kolben der umgedrehten Büchse gegen einen mächtigen Eber, welcher am Hinterteile verwundet war und unter zornigem Grunzen und wütenden Stößen die improvisierte Festung zu erobern trachtete.

Ich erhob die Büchse, fühlte aber meinen Arm von Quimbo gefaßt.

»Oh, nicht schieß' Mynheer! Quimbo eß' gern schön' Sau; Quimbo mach' tot Sau!«

Mit drei raschen Sprüngen stand er hinter dem Eber, dessen Angriff in so blinder Wut geschah, daß er den neuen Feind gar nicht bemerkte. Den Wurfspieß erhebend, schleuderte er denselben mit solcher Kraft dem Tiere hart hinter dem Vorderbeine in die Seite, daß das feste, unzerbrechliche Holz tief in die Gegend des Herzens eindrang. Das Tier stand einen Augenblick bewegungslos und wandte sich dann, einen blutigen Schaum ausgeifernd, welcher die Trefflichkeit des Lanzenwurfes bekundete, gegen den Kaffer. Schon aber war dieser, um den Hauern auszuweichen, auf die Seite gesprungen und schwang die kurze, schwere Keule. Ein wuchtiger Schlag sauste gegen den Kopf des Ebers, der sofort zu Boden stürzte, und ein zweiter Hieb vollendete den Sieg, welcher das Werk von kaum einer Minute gewesen war. Der Held dieses Kampfes schwang die Keule hoch in der Luft und stieß einen lauten Triumphruf aus.

»Mynheer seh! Sau bin tot, bin viel tot, bin sehr tot. Sau nicht eß' Mann, sondern Quimbo eß' Sau!«

Er riß den Spieß aus dem Leibe des erlegten Tieres und griff zum Messer, um es sofort aufzubrechen. Der aus einer so fatalen Belagerung befreite Fremde schob seine langen, unendlichen Gliedmaßen von dem Baumstamme herunter und dehnte sich wie einer, der aus einem fürchterlichen Traume erwacht.

»Hail, Sir, das war Hilfe zur rechten Zeit! Das Viehzeug, damn it, war so direful und unhöflich, daß ein Gentleman sich gar nicht mehr mit ihm abgeben konnte!«

Der Mann war auf alle Fälle ein Engländer. Er trug auf dem rotblond behaarten Kopfe, dessen Gesichtsteil zwei riesige Bartkoteletten zierten, eine hohe, helmartige und aus Nashornhaut gefertigte Mütze; den hageren Körper bedeckte eine kurze, karierte Jacke und eine ebensolche Hose, über welche zwei Filzgamaschen geknöpft waren, unter denen ein schmaler, ewig langer Fuß hervorragte. Die dürren Finger krallten sich noch immer um die abgeschossenen Läufe seiner Doppelbüchse; an seiner Linken hing in einer ledernen Scheide ein riesiger Schleppsäbel mit Korbgriff, und aus dem um die dünne Taille geschlungenen Shawl sahen zwei hölzerne Messergriffe und die Kolben von drei riesigen Reiterpistolen hervor.

»Sir Hilbert Grey,« stellte er sich vor, indem er mit einer unbeschreiblichen Handbewegung mich aufforderte, ein Gleiches zu thun.

»Was führt Euch in diese Gegend, Sir?« fragte ich, nachdem ich auch meinen Namen genannt hatte.

»Geschäfte, Mynheer, wichtige Geschäfte, die ich Euch allerdings nicht verraten kann, da Ihr ein Holländer seid.«

»Ich bin kein Holländer, sondern ein Deutscher, Sir, und gehe im Kapland ein wenig spazieren. Doch erlaubt mir zu fragen, was dieses Tier hier mit Euern wichtigen Geschäften zu thun hat!«

»Dieses Tier, dieser Drache, dieser Cerberus? Stand off! Nicht das mindeste. Ich ging ein wenig zwischen die Bäume, um einen Schöps zu verdauen, welchen wir gegessen haben, und geriet dabei mit diesem Ungetüm zusammen – –«

»Welches die Absicht hatte, nun Euch zu verdauen,« fiel ich lachend ein. »Doch apropos, Sir, wo glaubt Ihr, daß man einen Eber treffen muß?«

»Pshaw! Dieser Lindwurm wollte ja nicht stillhalten, als ich zielte. Ich verstehe schon, ein Gewehr da hinzuhalten, wohin es gehört, und habe daher nur einmal in die Luft geschossen, was bei einem Deutschen wohl zweimal geschehen wäre!«

»Möglich, vorausgesetzt, daß kein anderes Ziel als nur die Luft vorhanden ist. Darf ich vielleicht fragen, Sir, wer die Leute sind, mit denen Ihr Euern Schöps verspeist habt?«

»No, no! Das ist nichts für Euch. Ruft diesen Menschen von dem Tiere zurück; es gehört mir. Und dann geht Eures Weges!«

»Meint Ihr, Sir Hilbert Grey?« fragte ich und fügte bei: »Dieser Eber gehört meinem Diener, denn er hat ihn erlegt, und das Recht, welches Euch Euer Schuß an dem Wilde geben könnte, ist recht gut abzutreten gegen den Umstand, daß er Euch das Leben gerettet hat.«

»Fudge! Ich behaupte, daß diese Sau mein Eigentum ist und werde – – –«

»Nichts werdet Ihr! Wenn sich Angehörige von zwei civilisierten Nationen in diesen Breiten begegnen, so pflegen sie sich freundlicher zu verhalten, als es bei Euch der Fall ist, Sir Hilbert Grey. Ihr verlangt, daß ich meines Weges gehen soll. Gut, ich folge Euch, aber dieser Weg geht grad dahin, wohin Euch der Eure führt: zu dem Orte, an welchem der edle Schöps verspeist wurde. Hier hat ein jeder das Recht und sogar die Pflicht, zu sehen, wer sich in seiner Nähe befindet, und will man ihn daran hindern, so gilt einfach das Recht des Stärkeren. Wollt Ihr mich zu Euren Genossen führen oder nicht?«

Der gute Mann blickte höchst verlegen zu mir hernieder.

»Ich darf nicht, Sir, denn es soll niemand wissen, daß wir uns hier befinden.«

Ich hatte einen allerdings noch unbestimmten Verdacht gefaßt, welcher durch das Verhalten des Engländers nichts weniger als gehoben werden konnte. Was that er hier in dieser Gegend, welche, wie ich wohl wußte, nur von einzelnen holländischen Boers bewohnt wurde, die den Engländern geradezu feindselig gesinnt waren? Ein geheimer Emissär der englischen Regierung konnte er unmöglich sein; dazu war er, wie es schien, geistig zu wenig befähigt, und was hätte er als solcher auch grad hier in diesem Walde zu thun gehabt? Zwar hatte Kees Uys gesagt, daß sich jenseits der Randberge die Zulus zusammenscharten – – ich mußte klar sehen und meinte daher:

»Wer soll es nicht wissen, Sir? Die Holländer oder auch ich als Fremder und Neutraler?«

»Niemand!«

»Und wenn ich es nun bereits wüßte?«

»Ihr? Impossible, unmöglich!«

»Und doch! Es sind Kaffern!«

Ich merkte es ihm sofort an, daß ich richtig geraten hatte, obgleich er mir auszuweichen suchte:

»Kaffern? Ihr irret Euch, Sir! Wo wollt Ihr sie gesehen haben?«

Quimbo war mit seiner Arbeit fertig geworden und erwartete neugierig das Resultat unserer ihm unverständlichen Unterredung. Ich wandte mich zu ihm:

»Laß das Tier einstweilen liegen. Wir müssen diesen Mann begleiten!«

»Quimbo laß' lieg' Sau? Oh, oh, Mynheer, Quimbo eß viel schön' Sau; Quimbo werd' trag' Sau, und Mietje werd' seh', daß Quimbo schön und tapfer!«

»Du sollst sie auch haben, nur später, denn – –«

Ein lautes Rascheln ließ mich umblicken – Sir Hilbert Grey hatte die Gelegenheit benutzt und war in das Gesträuch gesprungen. Er mußte wirklich die ernstesten Gründe haben, mit seinen Begleitern unentdeckt zu bleiben, hatte sich aber natürlich verrechnet. Ich verschmähte es, ihm nachzuspringen; er konnte sich mir nur für den Augenblick entziehen; seine Füße waren groß genug, um mir untrügliche Spuren zurückzulassen. Bei der geheimen Verfolgung derselben konnte mir Quimbo nichts nutzen; daher besann ich mich kurz und erteilte ihm die Erlaubnis, nach der Farm zurückzukehren. Die Art und Weise, seine Beute fortzubringen, mußte ich dabei ihm allein überlassen.

Mich nach der Richtung wendend, in welcher der Engländer entflohen war, fand ich eine Fährte, wie ich sie deutlicher mir nicht wünschen konnte. Sir Hilbert Grey war jedenfalls wenig erfahren in der Art und Weise, sich auf einem Territorium zu bewegen, auf welchem die Gefahr den Menschen in tausenderlei Gestalten umgiebt, und ebensowenig dachte er wohl auch daran, daß ich die Eindrücke seiner Gorillafüße benützen werde, ihm zu folgen.

Er schien sich vorerst selbst im unklaren über die Richtung befunden zu haben, welche er einzuschlagen gehabt hatte. Seine Spur führte im Zickzack bald rechts, bald links und nahm erst nach längerer Zeit eine grade Linie an. Nach einer guten halben Stunde gelangte ich nun an den Rand einer Bodenvertiefung, welche den oberen Teil eines sich von hier absenkenden Thales bildete und eine Quelle enthielt, die laut murmelnd zwischen zwei Sandsteinen hervorrieselte.

Da unten am Wasser saßen Sir Hilbert Grey und an seiner Seite vier Kaffern, welche ich an ihrer kriegerischen Ausrüstung als Zulus erkannte. Was hatten sie hier zu suchen, und welcher Umstand führte sie mit dem Engländer zusammen? Auf dem Boden lagen noch drei ledige Schilde, ein Beweis, daß sieben Kaffern zu zählen seien, von denen die Fehlenden aus irgend einem Grunde sich entfernt hatten. Die Straußenfedern an einem der Schilde und acht weiter abwärts weidende Pferde ließen vermuten, daß ich es hier nicht mit gewöhnlichen Kaffern zu thun hatte.

Der Engländer befand sich in einem lebhaften Gespräche mit den Wilden, doch selbst wenn ich die Sprache der letzteren verstanden hätte, wäre es mir nicht eingefallen, die Unterredung zu belauschen, da es Notwendigeres zu thun gab. Hier das Lager der Kaffern mit dem verdächtigen Engländer, dort die Farm, nur von einem jungen Mädchen behütet, und dabei drei der Wilden abwesend, darunter der Vornehmste von ihnen – das waren jedenfalls hinreichende Gründe, so schleunig wie möglich zurückzukehren.

Was konnte während meiner nun stundenlangen Abwesenheit nicht alles passiert sein und bis zu meinem Eintreffen noch geschehen! Ich warf jeden Skrupel beiseite und schlich mich längs des Randes hin bis zu den Pferden. Eine plötzlich in mir erwachte Angst sagte mir, daß ich eines derselben haben müsse, möge dies nun ein Diebstahl genannt werden oder nicht. Schwer war es allerdings nicht, aufzusitzen und davon zu reiten, aber dann wäre ich gesehen und verfolgt worden und hätte also die Gefahr für die Farm vergrößert, statt sie zu vermindern. Die Ausführung meines Vorhabens mußte so spät wie möglich bemerkt werden und darum benutzte ich eine Krümmung des Thales, um mich zu dem entferntesten der Tiere zu schleichen; zwar war dies nicht das beste, aber es stand so, daß es von den Kaffern nicht gesehen werden konnte.

Ich gewann ihm den Wind ab, schlich zwischen den Farnkräutern bis auf kaum fünf Fuß Entfernung heran und saß im nächsten Augenblick im Sattel. Das überraschte Tier stieß ein kurzes Schnaufen aus und ging in die Höhe, doch schnell hatte ich es scharf am Zügel, gab ihm einen vielleicht ungewohnten Schenkeldruck zu fühlen und lenkte es das Thal hinab, um dort, nach der Farm einbiegend, den Wald zu verlassen und die Höhe des Berges zu gewinnen.

Ich war noch nicht so weit gekommen, als ich Quimbo bemerkte. Er hatte aus starken Baumästen eine Art Schleife gebildet, den Eber darauf gelegt und sich selbst als Zugtier vorgespannt, um unter Schweiß und triefendem Öle die schwere Last bergan zu schleppen. Er war höchst erfreut, als er mich bemerkte, und ebenso erstaunt, mich als Reiter zu sehen. '

»Mynheer hab' Pferd?« fragte er. »Oh, oh, Pferd bin gut; Pferd werd' zieh' Sau für Quimbo!«

Und sofort spannte er sich aus, um seine wichtige Entdekkung durch die That nutzbar zu machen; ich aber wehrte ihm ab:

. »Wer wird die Sau essen? Das Pferd oder Quimbo? Wer sie ißt, der mag sie auch ziehen! Ich kann dir das Pferd nicht geben, denn ich brauche es selbst notwendig. Dort im Walde sind bewaffnete Zulus und dort auf der Farm werden noch einige sein. Ich muß hin, um Unglück zu verhüten. Nimm dich vor ihnen in acht, und spute dich, in Sicherheit zu kommen!«

»Zulu bei Mietje? Oh, oh, Quimbo werd' spring', und Sau werd' spring', daß schnell komm' bei gut' schön' Mietje. Quimbo schlag' tot all' ganz' Zulu!«

Er spannte sich wieder vor und stampfte davon, daß es dampfte; ich aber eilte ihm im Galopp voran.

Bald sah ich die Farm unten liegen. Trotz des schwierigen, abfallenden Terrains die gleiche Schnelligkeit beibehaltend, ritt ich abwärts, der hinteren Seite des Gartens zu. Wollte ich um denselben herumbiegen, um das vordere Thor zu erreichen, so verging mir zu viel Zeit; ich hielt also direkt auf den Zaun zu, nahm das Pferd empor und sprengte über denselben hinweg. Ich kam nicht so glatt hinüber, als ich gewünscht hatte. Ich hatte während des scharfen Rittes die Steigbügel nicht benützen können, da sie mir viel zu niedrig hingen, und mir auch nicht Zeit genommen, sie höher zu schnallen. Der Gaul war jedenfalls, wie mir auch die ganze Sattelung zeigte, von dem unendlichen Sir Hilbert Grey geritten worden. Im Sprunge über den Zaun blieb der eine Bügel an demselben hängen, der Riemen riß, und Pferd und Reiter überschlugen sich. Im nächsten Augenblick aber waren wir wieder auf den Beinen; der gefährliche Sturz hatte uns beiden keinen nennenswerten Schaden gebracht; ich überließ das Pferd sich selbst und eilte durch den Garten nach dem Wohngebäude.

Hierbei traf ich auf einen der Hottentotten.

»Ist jemand bei Jeffrouw Soofje?« fragte ich ihn.

»Oh, Mynheer,« antwortete er ängstlich, »Zulu sein im Haus – drei Zulu. Auch groß' Häuptling sein da!«

Ich fragte nicht weiter und trat in den Flur, wo mir laute Stimmen aus der Stube entgegen tönten. Die Thür ein wenig öffnend, gewahrte ich drei Kaffern, von denen zwei in der Nähe des Einganges standen, während der dritte in der Mitte des Raumes war und Mietje beim Arme gefaßt hatte. An der Thür zur Schlafstube lehnte schreckensbleich die Hausfrau; sie hatte vor Angst um die Pflegetochter das Lager verlassen und eilfertig nur die nötigsten Kleidungsstücke übergeworfen.

»Hier wohn' Jan van Helmers,« hörte ich den Häuptling in gebrochenem Holländisch sagen. »Er sein Boer van het Roer; er schieß' auf Zulu; er muß sterb' und Frau muß sterb'!«

»Er wird nicht sterben, sondern kommen, um uns zu rächen!« antwortete das Mädchen unverzagt.

»Er wird sterb' und Frau wird sterb', doch nicht du! Hier ist Zahn von Schlang', darum du nicht sterb', sondern geh' mit Sikukuni für Straf' an schlimm' bös' Somi!« fügte er hinzu, auf eine aus Schlangenzähnen gefertigte Kette deutend, welche das Mädchen am Halse trug. »Wo ist her Zahn von Schlang' an Schnur hier?«

»Von meiner Mutter.«

»Wo ist Mutter?«

»Sie ist tot; sie verschmachtete in der Kalahari.«

»Oh, Sikukuni weiß nun all'! Weib von Somi hatt' Zahn von Schlang' hier; Weib von Somi floh mit Kind in Kalahari; Weib starb, Kind nahm Boer und auch Zahn von Schlang'. Hier steh' Kind von Somi und muß geh' mit Sikukuni bei Zulu; Boer aber sterb' und auch Frau!«

Er gab seinen beiden Leuten einen Wink; sie traten zu Jeffrouw Soofje und zogen die Messer. Mietje schrie auf und wollte sich losringen; der gewaltige Häuptling aber hielt sie so fest umschlossen, daß ihr Arm mit Blut unterlief. Er gab einen kurzen, mir unverständlichen Befehl in der Zulusprache, dessen Bedeutung ich jedoch sogleich erkannte, denn die beiden andern erhoben ihre Messer. Ich hatte bereits die Büchse emporgenommen; meine beiden Schüsse krachten rasch hintereinander, und ein dreifacher Schrei erscholl in dem Zimmer. Durch den Rauch vordringend, erhob ich den Kolben gegen Sikukuni. Er stand, das Mädchen noch immer mit der Linken haltend, mit blitzenden Augen vor mir; eine Binde von Otternfell und Ohrdecken von Leopardenfell schmückten sein Haupt, von welchem fünf Straußenfedern und eine Kaffernfinkenfeder wehten. Seine herkulischen Glieder waren außer einem aus Straußflaum gefertigten Lendenschurze unbekleidet, und von den breiten Schultern hing ein Mäntelchen von zusammengenähten, weißen Kuhschwänzen. Ich wußte, daß der Schlag meines Kolbens stets tödlich gewesen war, hatte aber die geringe Höhe der Zimmerdecke nicht in Rechnung gezogen. Ich blieb im Ausholen an einem der Balken hängen und gab dadurch eine Blöße, welche der Kaffernkönig blitzschnell benützte. Seine kurze Keule schwingend, versetzte er mir auf den Kopf einen Hieb, unter welchem ich augenblicklich zusammenbrach.

Glücklicherweise blieb ich, wie sich gleich herausstellte, nur einige Sekunden besinnungslos. Von dem Gedanken an die Gefahr, welche den Frauen drohte, elektrisiert, raffte ich mich auf. Ein Blick auf die Umgebung zeigte mir, daß Sikukuni und Mietje fort seien; die beiden Kaffern lagen mit zerschossenen Schädeln am Boden neben Jeffrouw Soofje, welche dagegen unverletzt schien und wohl nur infolge des Schreckens das Bewußtsein verloren hatte.

Den dumpfen Schmerz nicht achtend, welcher mein Gehirn zusammenpreßte, ergriff ich die neben mir liegende Büchse und sprang hinaus in den Hof. Dort empfing mich ein gellendes Angst- und Wutgeheul der Hottentotten.

»Mietje fort, fort mit Kaffer!« schrie es mir entgegen. »Häuptling nehm'mit arm' Mietje, oh, oh!«

»Wo sind sie hin?« fragte ich erschrocken.

»Da – da reit' Häuptling!«

Sie zeigten nach der Ecke des Gebäudes. Ich eilte nach derselben hin und sah, was mit der Schnelligkeit des Gedankens vorgegangen war. Sikukuni hatte Mietje hinaus in den Hof gerissen und da das Pferd des langen Engländers bemerkt, welches unterdessen aus dem Garten nach vorne gekommen war. Sich mit dem Mädchen hinaufschwingend, war er durch das Thor entkommen und strebte nun, von außen um die Ecke des Hofes biegend, der Höhe zu, von welcher ich vorhin herabgekommen war.

Ich maß die Entfernung zwischen ihm und mir und griff nach zwei Patronen.

»Meine Pferde – schnell, schnell!«

»Pferd für Mynheer – schnell – rasch – mach' schnell!« rief, schrie, brüllte und heulte es, und so viele Menschen, als da waren, stürzten, drängten, eilten und warfen sich nach dem Stalle.

Nie im ganzen Leben habe ich so rasch geladen wie jetzt; jede Fiber in mir war angespannt, und doch durfte ich nicht das leiseste Zittern aufkommen lassen, denn von meinem Schuß hing ja alles ab. Ich war stets meines Schusses sicher gewesen, jetzt aber legte ich in Anbetracht meiner Aufregung und der Schmerzen meines Kopfes den Lauf auf die Querblanke des Zaunes. Das Pferd mußte doch durch den Fall etwas gelitten haben, denn seine Schnelligkeit war trotz der Anstrengung des Häuptlings eine sehr geringe. Allerdings durfte ich nicht zaudern, da sich der Flüchtling in wenigen Augenblicken außerhalb des Bereiches meiner Büchse befinden mußte. Mein Kopf war wie zusammengeschraubt; ich zielte, aber es flimmerte mir vor den Augen; ich sah, daß Mietje sich gegen die Umschlingung Sikukunis nach Kräften aber vergeblich wehrte; ich durfte sie nicht treffen; ich durfte nur auf das Pferd zielen, und dieses mußte so getroffen werden, daß es augenblicklich zusammenstürzte. Da – da wurde mein Auge für einen kurzen Moment hell, und zu gleicher Zeit drehte das Pferd des langen Engländers den Kopf ein wenig zur Seite, so daß ich das Ohr und den daran grenzenden Schädelteil desselben an der Gestalt Sikukunis vorüber bemerkte; es war ein schweres und ungemein gefährliches Ziel, diese vier oder fünf Quadratzoll Pferdekopf auf eine solche Entfernung, aber noch einige Sprünge, und ich konnte das Tier mit meiner Kugel nicht mehr erreichen. Ich drückte los und – da, da sah ich sie stürzen – ich hatte getroffen.

»Heraus, heraus mit den Pferden!« rief ich, da die aufgeregten Leute vor lauter Eifer nicht damit zustande kamen.

»Mynheer hab' schieß' tot Kaffer, oh, oh, schau!« brüllte einer, indem er zu dem Zaune rannte und nach der Höhe deutete.

Sofort waren die andern hinter ihm her, und so wurde Platz für die Pferde, welche jetzt ungesattelt aus dem Stalle getrabt kamen. Ich schob eine neue Patrone in den abgeschossenen Lauf, sprang auf und nahm den Brabanter Quimbos beim Zügel. Ich hatte den letzteren mit seiner Last oben über die Höhe kommen sehen und darauf meinen Plan gebaut.

»Geht zu Jeffrouw; sie liegt in der Stube!« gebot ich den Kaffern und Hottentotten und eilte dann im Galopp zum Thore hinaus und um die Farm herum.

Hatte ich mich schon vorhin im Walde über den Mut gewundert, mit welchem Quimbo es mit dem wütenden Eber aufgenommen hatte, so sollte ich jetzt ein gleiches Beispiel seiner Mannhaftigkeit bemerken. Es schien, als komme bei ihm der Mut erst bei der Gelegenheit, ihn zu beweisen.

Von oben herabkommend, hatte er meinen Schuß gehört, das stürzende Pferd und den Kaffer gesehen und auch Mietje erkannt; im ersten Augenblick hatte er über das alles gestutzt; jetzt aber sah er mich um die Ecke des Hofes biegen und verstand auch die Geste, mit welcher ich ihm befahl, Sikukuni aufzuhalten. Er ließ augenblicklich von seiner Last und sprang auf den Häuptling zu, der sich wieder aufgerafft hatte und nun, da das Pferd tot war, zu Fuße mit dem Mädchen zu entkommen suchte.

Es gelang ihm nicht. Er bemerkte den neuen Feind und sah auch mich, der ich in einer Minute bei ihm sein mußte. Er erkannte, daß er das Mädchen nicht mit fortbringen könne, und erhob die Keule, um es zu töten. Da hielt Quimbo im Laufe inne, schwang und warf den Wurfspieß mit solcher Sicherheit, daß dieser in den Arm Sikukunis fuhr. Dieser brüllte vor Wut laut auf, warf noch einen Blick auf mich, ließ Mietje los und schnellte mit den Sätzen eines Panthers davon.

Er hätte mir nicht entgehen können, aber da fiel es dem so unvorbereitet aus seiner Stallruhe aufgestörten Brabanter ein, plötzlich obstinat zu werden, und ehe ich ihn beruhigte, war der Kaffer bereits jenseits der Höhe verschwunden.

»Eilt zu Jeffrouw,« riet ich, bei Mietje angekommen. »Sie liegt besinnungslos in der Stube!«

»Aber Sikukuni!« gab das wackere Mädchen zur Antwort, während eine andere vor Angst sich in tiefster Ohnmacht befunden hätte.

»Laßt ihn und eilt nur zur Mutter! Komm aufs Pferd, Quimbo!«

»Quimbo auf Pferd? Was soll auf Pferd Quimbo? Quimbo muß zieh' Sau!« rief er.

»Schnell, schnell! Die Sau läuft dir nicht fort!«

»Sau lieg' da; aber Quimbo muß sein bei Mietje, wenn Zulu kommt!«

Auch diese Ausrede half ihm nichts.

»Wir müssen die Zulus töten, damit sie nicht wieder kommen. Rasch, vorwärts!«

»Quimbo töt' Zulu? Oh, oh, da steig' Quimbo auf Pferd; Quimbo bin tapfer und groß bös auf Zulu!«

Er kletterte mit seinen Waffen auf den Rücken des Brabanters, und da dieser seine gewöhnliche Gutmütigkeit wieder erlangt hatte, so ging der Ritt jetzt schnell vollends den Berg hinan. Oben angekommen, forschte ich nach Sikukuni und gewahrte ihn tief unten in einer Seitenschlucht. Der schlaue Häuptling hatte lieber einen Umweg zur Seite eingeschlagen, weil wir ihm zu Pferde nicht die steile Böschung hinab zu folgen vermochten und auch den Weg zu dem ihn deckenden Walde nicht abschneiden konnten, da dieser auf der uns zugekehrten Seite fast bis an die Schlucht heranreichte.

Den Lagerplatz der Seinen freilich mußten wir bedeutend eher erreichen als er, und so hielt ich im schnellsten Tempo, welches für Quimbo möglich war, auf denselben zu. Im Walde angekommen, stiegen wir ab, banden die Pferde in einem sie verbergenden Dickicht fest und drangen nun zu Fuße weiter vor.

Ich hatte mir die Schlucht genau gemerkt und hielt grad auf dieselbe zu.

»Ich gehe dort hinüber,« meinte ich, als wir unbemerkt dort angekommen waren und die fünf Männer bemerkten; damit deutete ich auf die gegenüber liegende Seite. »Wenn ich schieße, so tötest du einen Zulu und lässest den Engländer nicht entfliehen. Ich muß ihn haben!«

»Quimbo werd' mach' tot all' ganz' Zulu und halt' fest England so!«

Er packte den ihm nächststehenden Baum, als wolle er ihn erwürgen, und zog dabei ein Gesicht, mit welchem man ein Gespenst in die Flucht schlagen konnte.

Ich schlich mich fort. Drüben angekommen, bog ich eben das Buschwerk auseinander, um einen freien Schuß zu haben, als auf Quimbos Seite das Gebüsch krachte und ein lautes Gepolter ertönte. Der Kaffer hatte sich in seinem Eifer zu weit an den Rand hervorgemacht und brach nun mit einem Geräusche mitten unter die Zulus hinein, als ob ein Nilpferd herunterstürze.

»Au, oh, oh, Wald bin nicht fest! Oh, oh, Quimbo bin dumm' Quimbo!« rief er, sich schnell emporraffend.

Die Zulus waren nicht wenig überrascht, einen ihnen Unbekannten auf diese Weise bei sich ankommen zu sehen; als aber Sir Hilbert Grey, den Kaffer erkennend, ihnen einige Worte zurief, warfen sie sich auf ihn. Er hatte seinen Würfspeer verloren, doch seine Keule festgehalten, und mit dem Augenblick der Gefahr wurde sein Mut lebendig.

»Was – wie?« rief er. »Zulu will schlag' tot tapfer Quimbo? Oh, Oh, da bin Keule von Quimbo!«

Sein erster Hieb traf einen der Feinde so, daß dieser niederstürzte, die vier andern aber packten ihn. Ich gab beide Schüsse ab und sprang dann hinunter. Ich kam grad recht, um den Engländer hinter den Büschen verschwinden zu sehen; er zog es vor, zu fliehen, statt seine Büchse, seine zwei Messer und drei Pistolen zu gebrauchen. Den letzten Zulu nahm Quimbo auf sich, und ich eilte dem geheimnisvollen Sir nach. Er war zu den Pferden gesprungen, hatte eines derselben erreicht und sprengte davon. Die andern Tiere, lose herumlaufend und unter schlechten Händen aufgewachsen, erschraken, gingen durch und rannten hinter dem Fliehenden her. Es blieb mir nichts anderes übrig, als zu Quimbo zurückzukehren, den ich damit beschäftigt fand, den vier Getöteten ihre Habseligkeiten hinwegzunehmen. Er pflanzte sich mit siegesstolzer Miene vor mich hin.

»Seh' Mynheer, daß Quimbo bin schön, bin gut und tapfer? Mynheer hab' schieß' tot zwei Zulu, und Quimbo hab' schlag' tot auch zwei Zulu. Quimbo bin groß tapfer wie Mynheer!«

»Aber Quimbo bin dumm' Quimbo!« wiederholte ich seine eigenen Worte. »Quimbo stürzt da herunter, und darum ist mir der Engländer entkommen!«

»oh, oh, Mynheer, England werd' komm' wieder!« tröstete er mich, und ich konnte nicht anders, ich mußte mich damit zufrieden geben.

Sikukuni hatte jedenfalls die beiden Schüsse gehört; er kam ohne Zweifel das Thal herauf, welches der Engländer abwärts verfolgt hatte, und so war mit ziemlicher Sicherheit anzunehmen, daß sich beide treffen würden. Dann war es für den Häuptling ein leichtes, sich eines der entflohenen Pferde zu bemächtigen, aber wiederzusehen bekamen wir ihn auf keinen Fall. Daher beschloß ich, zumal der Abend nahe war, den Ort zu verlassen.

Die Toten konnten bis morgen liegen bleiben, wo ich die Hottentotten zu deren Beerdigung herschicken wollte. Wir hatten keine Lust, uns mit den erbeuteten Sachen zu beladen; daher verbargen wir sie in einiger Entfernung unter das dichte Gebüsch, und nur den Schild Sikukunis mußte mir Quimbo tragen; ich wollte diese Trophäe keiner Gefahr aussetzen, da ich beschlossen hatte, sie mit nach der Heimat zu nehmen.

Wir gelangten zu unsern Pferden, setzten uns auf und ritten heim. Auf der Höhe angekommen, wo der Eber lag, stieg Quimbo vom Brabanter herab.

»Oh, schön, gut! jetzt zieh' Pferd Sau. Quimbo mach' groß' schön' Fest auf Sieg und brat' Sau, eß' Sau mit Hottentott!«

Ich überließ ihm das interessante Arrangement, zu welchem sich der Brabanter jedenfalls geduldig hergab, und ritt voran nach der Farm. Unterwegs bemerkte ich, daß das von mir erschossene Pferd des Engländers bereits verschwunden war; unten im Hofe sah ich es liegen. Die Hottentotten hatten es herabgeschleift, um sich seines Felles und Fleisches zu bemächtigen.

Die Kranke saß im Stuhle; die Angst hatte sie abgehalten, das Lager wieder aufzusuchen; ich beruhigte sie und hörte dann, daß die Sachen, welche sich in der Satteltasche des Engländers befunden hatten, aufgehoben worden seien. Ich beschloß, dieselben zu untersuchen, um vielleicht Aufklärung über die Gegenwart der Zulus zu erhalten.

Nachdem ich versprochen hatte, während der Nacht Wachen auszustellen und auch sonst auf die Sicherheit der Pflanzung bedacht zu sein, ging Jeffrouw Soofje zur Ruhe, die ihr sehr nötig war. Mietje hatte gleich nach ihrer Rückkehr in das Haus die zwei Leichen entfernen und das Zimmer von allen Spuren reinigen lassen; jetzt war sie in der Küche beschäftigt, und ich suchte bis zum Abendbrot mein Zimmer auf.

Als der Abend hereingebrochen war, brannten auf dem Hofe zwei mächtige Feuer, an welchem das kaffrarische und hottentottische Gesinde an mächtigen Spießen die »Sau« briet, welche Quimbo zur Feier unsers Sieges dem allgemeinen Appetit geopfert hatte.

Auf fremden Pfaden

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