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Drittes Kapitel: In der Festung

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Wir ritten weiter. Der Weg ging bergab in das Tal von Amadijah hinunter. Dieses Tal wird von einer Sandsteinablagerung gebildet und von sehr vielen Schluchten durchschnitten, in denen rauschende Waldbäche strömen. Sie führen alle ihr Wasser dem Zab entgegen. Die Schluchten und Gelände sind mit kräftigen Eichenwaldungen bestanden, die bedeutende Galläpfelernten liefern, mit denen die Bewohner einen einträglichen Handel treiben. In der Ebene liegen zahlreiche chaldäische Dörfer, die aber entweder öde und verlassen sind, oder nur wenige Bewohner zählen, da die Chaldäer sich vor den Bedrückungen der Türken und den Einfällen räuberischer Kurdenstämme gern in die Berge zurückziehen.

Durch diese Landschaft, deren Eichen mich heimatlich anmuteten, ritten wir unserm Ziele entgegen.

»Darf ich reden?« fragte Lindsay leise.

»Ja. Wir sind ja unbelauscht.«

»Aber der Kurde hinter uns?«

»Kommt nicht in Betracht.«

»Well! Dorf hieß Spandareh?«

»Ja.«

»Wie Euch gefallen?«

»Sehr. Und Euch, Sir?«

»Prächtig! Guter Wirt, gute Wirtin, feines Essen, schöner Tanz, prachtvoller Hund!«

Bei dem letzten Worte blickte er auf das Windspiel, welches neben meinem Pferde hertrabte; ich war so vorsichtig gewesen, es mittels einer Leine an meinen Steigbügel zu binden. Uebrigens hatte der Hund bereits Freundschaft mit meinem Pferde geschlossen und schien es genau zu wissen, daß ich sein Herr geworden sei. Er blickte mit seinen großen, klugen Augen sehr aufmerksam zu mir empor.

»Ja,« antwortete ich. »Alles war schön, besonders das Essen.«

»Exzellent! Sogar Taube und Beefsteaks!«

»Hm! Glaubt Ihr wirklich an die Taube?«

»Well! Warum nicht?«

»Weil es keine war.«

»Nicht? Keine Taube. War welche!«

»War keine!«

»Was sonst?«

»Es war das Tier, das von den Zoologen den lateinischen Namen Vespertilio murinus oder myotis erhalten hat.«

»Bin kein Zoologe. Auch nicht Latein!«

»Diese Taube heißt gewöhnlich Fledermaus.«

»Fleder – — —«

Er hielt inne. Seine Geschmacks- und Verdauungsnerven wurden beim Klange dieses Wortes in eine Anstrengung versetzt, durch welche sein Mund in eine trapezoide und perennierende Höhlenöffnung verwandelt wurde, in welcher man die schönste Entdeckungsreise vornehmen konnte. Sogar die lange Nase schien in Mitleidenschaft gezogen zu sein, denn ihre Spitze bekam jene weiße Färbung, von welcher der Dichter gesungen haben soll: »Ich weiß nicht, was soll es bedeuten, daß mir so traurig ist!«

»Ja, Fledermaus war es, Sir. Fledermaus habt Ihr gegessen.«

Er hielt sein Pferd an und starrte in das Blaue.

Endlich hörte ich einen lauten Klapp; der Mund war wieder zugefallen, und ich ahnte, daß ihm nun auch das Vermögen, seine Gefühle in Worte zu fassen, zurückgekommen sei.

»– — – maus!!!«

Mit dieser kleinen Silbe setzte er das vorhin begonnene »Fleder – — —« fort; dann langte er von seinem Pferde herüber und faßte mich am Arme.

»Sir!«

»Was?«

»Vergeßt die Achtung nicht, die man einem jeden Gentleman schuldig ist!«

»Habe ich sie Euch gegenüber vergessen?«

»Sehr, sage ich!«

»Inwiefern?«

»Wie könnt Ihr behaupten, daß Sir David Lindsay Fledermäuse ißt!«

»Fledermäuse? Ich habe nur von einer einzigen gesprochen.«

»Gleich! Eine oder mehrere, die Injurie bleibt sich gleich. Ihr werdet mir Genugtuung geben! Satisfaktion! Well!«

»Die habt Ihr ja bereits!«

»Ich habe? Ich hätte? Ah! Wie?«

»Ihr habt eine Satisfaktion erhalten, die Euch vollständig genügen wird.«

»Welche? Weiß von keiner!«

»Ich habe selbst auch Fledermaus gegessen; auch Mohammed Emin.«

»Auch? Ihr und er? Ah!«

»Ja. Auch ich hielt es für Taube. Als ich mich aber erkundigte, hörte ich, daß es Fledermaus sei.«

»Fledermaus hat Häute!«

»Waren weg geschnitten.«

»Also wirklich wahr?«

»Wirklich.«

»Kein Scherz, kein Spaß?«

»Ernst!«

»Fürchterlich! Oh! Bekomme Kolik, Cholera, Typhus, oh!«

Er machte ein wirkliches Choleragesicht; ich mußte Erbarmen zeigen:

»Fühlt Ihr Euch unwohl, Sir?«

»Sehr! Yes!«

»Soll ich helfen?«

»Schnell! Womit?«

»Mit einem homöopathischen Mittel.«

»Habt Ihr eins? Mir ist wirklich übel! Armselig! Welches Mittel?«

»Similia Similibus.«

»Wieder Zoologe? Latein?«

»Ja. Latein ist es: gleiches mit gleichem. Und zoologisch ist es auch, nämlich Heuschrecken.«

»Was! Heuschrecken?«

»Ja, Heuschrecken.«

»Gegen das Uebelsein? Soll ich essen?«

»Ihr sollt sie nicht essen, sondern Ihr habt sie bereits gegessen.«

»Habe bereits? Ich?«

»Ja.«

»Dulness, Dummheit! Unmöglich! Wann?«

»Gestern abend.«

»Ah! Erklärung!«

»Ihr sagtet vorhin, die Beefsteaks seien sehr gut gewesen.«

»Sehr! Ungeheuer gut! Well!«

»Es waren keine Beefsteaks.«

»Keine? Keine Beefsteaks! Bin Englishman! Waren welche!«

»Waren keine! Ich habe ja gefragt.«

»Was sonst?«

»Es waren in Olivenöl gebratene Heuschrecken. Wir Deutsche nennen diese delikaten Springer sogar zuweilen Heupferde.«

»Heu – — —«

Wieder blieb ihm wie vorhin das Wort auf halbem Wege stecken, aber diesmal gestattete er seinem Munde nicht, allzu offenherzig zu werden, sondern er preßte die Lippen mit solcher Charakterstärke zusammen, daß sie ihre Ausdehnung, anstatt in die Weite, so sehr in die Breite nahmen, daß es ihm bei nur einigem guten Willen möglich gewesen wäre, mit jedem Mundwinkel ein Ohrläppchen abzukneipen. Und die Nase war über das Verschwinden der ihr so sympathischen Oeffnung so bestürzt, daß sie ihre Spitze weit herunter bog, um nachzusehen, wie dem Verluste abzuhelfen sei.

Da endlich näherten sich die Dimensionen wieder ihrem früheren Zustande; die Restitutio in integrum stellte sich ein, und die Lippen ließen von einander ab.

»– — – pferde!«

So ließ er denn die Fortsetzung seines unterbrochenen »Heu – — —« vernehmen, und die Nasenspitze schnellte sich befriedigt in die Höhe.

»Ja, Heupferde habt Ihr gegessen.«

»Ah! Schauderhaft! Habe sie ja aber gar nicht geschmeckt!« »Wißt Ihr so genau, wie sie schmecken?«

Er machte mit Armen und Beinen eine Bewegung, als wolle er sich auf dem Pferde um seine eigene Achse drehen.

»No, at no time, niemals!«

»Ich versichere Euch, daß es Heuschrecken waren. Sie werden geröstet und zerrieben; dann legt man sie in die Erde, bis sie haut gout erhalten, und schmort sie in dem Oele der friedlichen Olive. Ich habe mir dieses Rezept von der Frau des Dorfältesten geben lassen und weiß also sehr genau, was ich sage.«

»Entsetzlich! Bekomme Magenkrampf!«

»Seid Ihr mit meiner Satisfaktion zufrieden?«

»Habt auch Heupferd gegessen?«

»Nein.«

»Nicht? Warum nicht?«

»Weil ich keines vorgesetzt bekam.«

»Nur ich?«

»Nur Ihr allein; jedenfalls als ehrenvolle Auszeichnung für Euch, Sir!«

»Habt Ihr gewußt?«

»Erst nicht. Aber während Ihr aßt, fragte ich.«

»Warum mir nicht gleich gesagt?«

»Weil Ihr jedenfalls etwas getan hättet, wodurch unser Wirt beleidigt worden wäre.«

»Master, will mir das verbitten! Yes! Hinterlist! Heimtücke! Schadenfreude! Werde mich mit Euch schlagen, boxen oder – — —«

Er hielt inne, denn es fiel ein Schuß, und die Kugel riß mir einen Fetzen aus dem Turban.

»Herab und hinter die Pferde gestellt!« rief ich.

Zugleich warf ich mich vom Pferde, keinen Augenblick zu früh, denn ein zweiter Knall ertönte, und die Kugel pfiff über mich hinweg. Mit einem schnellen Griffe zog ich die Schnur, an welche der Hund gebunden war, aus dem Halsbande desselben.

»Sert – halte fest!«

Nur einen kurzen Laut stieß der Hund aus, der fast so klang, als ob er mir sagen wollte, daß er mich verstanden habe; dann schoß er in das Gebüsch.

Wir befanden uns in einer Schlucht, deren Seiten von dicht stehenden jungen Eichen bewachsen waren. Selbst einzudringen, war zu gefährlich, da wir uns der Waffe des unsichtbaren Schützen ausgesetzt hätten. Wir schützten uns durch die Körper unserer Pferde und horchten.

»Maschallah! Wer mag es sein?« fragte Mohammed Emin.

»Der Arnaute,« antwortete ich.

Da hörten wir einen Schrei und gleich darauf ein lautes, rufendes Anschlagen des Hundes.

»Dojan hat den Täter,« meinte ich so ruhig wie möglich. »Buluk Emini, geh hin, und hole ihn!«

»Allah illa Allah! Emir, ich bleibe; es könnten zehn oder gar hundert sein, und dann wäre ich verloren!«

»Und dein Esel wäre ein Waisenkind geworden, du Hasenfuß! Paß auf die Pferde auf! Kommt!«

Wir drangen in das harte Gestrüpp ein und brauchten nicht weit zu gehen. Ich hatte mich nicht geirrt; es war der Arnaute. Der Hund stand nicht, sondern er lag auf ihm, und zwar in einer Stellung, welche mich über die außergewöhnliche Klugheit des Tieres erstaunen ließ. Der Arnaute hatte nämlich seinen Dolch gezogen, um sich gegen den Angreifer zu verteidigen; der Hund hatte also eine mehrfache Aufgabe. Darum hatte er ihn nieder gerissen und sich so auf den rechten Arm des Arnauten gelegt, daß dieser denselben nicht bewegen konnte. Dabei hielt er ihn mit den Zähnen am Halse, zwar leicht, aber doch so, daß der Ueberwundene bei der geringsten Bewegung verloren war.

Durchs wilde Kurdistan

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