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Der Aufbruch

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Kaar, ein „moderner Mensch“, war ein junger Mann, der in einem Frühjahr vor fünfunddreißigtausend Jahren mit einer Gruppe von Freunden aus ihrer alten Heimat im heutigen Palästina nach Norden aufbrach, um sich eine neue Heimat zu suchen. Die Zahl der Bewohner in ihrer Höhle war zu groß geworden, so dass eine Gruppe fortziehen musste.

In ihrer weiteren Umgebung lebten noch Menschen einer anderen Art, die sie die „Alten“ nannten, mit denen sie aber keinen Kontakt hatten.

Als sie aufbrachen, bestand ihre kleine Gruppe aus sieben jungen Männern und zwei Frauen. Sie alle waren zwischen vierzehn und neunzehn Jahre alt.

Ihr Anführer Kaar war mit siebzehn Jahren und mit mehr als 180 cm Größe zwar der Größte von ihnen, aber nicht der Älteste. Er hatte langes dunkelbraunes, fast schwarzes Haar, den ersten Ansatz eines Bartes am Kinn und braune Augen. Trotz seiner schlanken Gestalt war er sehr kräftig.

Seine Führung hatten die anderen schon immer anerkannt; schon seit sie als kleine Kinder zusammen gespielt und Streiche ausgeheckt hatten. Er hatte sich immer die interessantesten Unternehmungen für sie ausgedacht, manchmal nicht ganz ungefährliche, aber immer höchst spannende. Er war auch der Nachdenklichste der jungen Männer, beobachtete seine Umgebung genau, konnte Situationen gut einschätzen und aus ihnen die richtigen Schlüsse ziehen. Andererseits war er aber der Unternehmungslustigste und auch der Intelligenteste der Gruppe und somit einfach ein geborener Anführer.

Die meisten der anderen jungen Männer erkannten dies problemlos an.

Die beiden jungen Frauen in der Gruppe, Aja und Ina, waren die Gefährtinnen der beiden ältesten der jungen Männer Petr und Ian und wollten ihre Männer unbedingt begleiten.

En war Kaars um ein Jahr älterer Bruder und sah ihm sehr ähnlich, war aber nicht ganz so groß. Er war ein sympathischer und sehr gewinnender junger Mann, der ständig gut gelaunt und immer fröhlich war. Seine gute Laune sorgte dafür, dass es in der Gruppe so gut wie nie zu Spannungen kam.

Raf war genauso alt wie Kaar, kräftig und untersetzt. Er war ein ruhiger und ausgeglichener Typ und gemeinsam mit En und Kaar trug er viel zum Zusammenhalt der jungen Männer bei.

Sig und Bor waren mit 16 und 14 Jahren die jüngsten Mitglieder dieser Gruppe. Obwohl Bor der Jüngste von ihnen war, konnte er es, was seine Kraft anging, mit den anderen aufnehmen. Er war nur mittelgroß, aber sehr gedrungen und man ahnte bereits jetzt, welche ungeheuren Körperkräfte er einmal entwickeln würde.

Sig war ebenfalls nur mittelgroß und sehr schlank, aber der Lebhafteste unter ihnen. Er sprühte förmlich vor Energie.

Ian war mit neunzehn Jahren der Älteste. Er hatte an vielem etwas auszusetzen, nörgelte oft an Entscheidungen von Kaar herum, und er war es auch, der immer wieder versuchte, Kaars Rolle als Anführer infrage zu stellen.

Da alle aus der Sippe etwas zu ihrer Ausrüstung beigetragen hatten, schleppte jeder der neun jungen Menschen eine große aus Weidenzweigen geflochtene Kiepe mit Lederriemen auf dem Rücken. Diese enthielt nicht nur Werkzeuge und Nahrung für das erste Stück des Weges, sondern auch zusätzliche Kleidung und Felle, aus denen sie sich unterwegs provisorische Unterkünfte errichten konnten.

Solange die Temperaturen noch kalt waren, trugen sie ihre Winterkleidung; die Männer lange Hosen und Jacken aus Fellen, mit dem Pelz nach innen und die Frauen bodenlange Kleider aus dem gleichen Material.

Als es aber immer wärmer wurde, wechselten sie ihre Kleidung. Die Männer trugen nun einen Lendenschurz und eine kurze Weste aus Leder; später nur noch den Lendenschurz. Die Frauen trugen kurze, wie eine Tunika aussehende Kleider. Um ihre Beine vor dem dornigen Gestrüpp zu schützen, trugen alle eng anliegende gamaschenartige, bis über die Knie reichende Beinlinge, die mit einem Riemen an den Gürteln befestigt waren und dazu mokasinähnliche Schuhe aus Leder.

Einen knappen Mondzyklus nach ihrem Aufbruch waren sie auf eine andere große Gruppe von Menschen ihrer Art gestoßen, die neben der Jagd in den Bergen auch vom Meer lebte. Diese Menschen sammelten Muscheln am Strand und angelten von kleinen, runden, aus Reisig Geflecht und Tierhäuten hergestellten Booten nach Fischen in den Buchten dieser Küste.

Während des Aufenthalts bei diesen Menschen verliebte sich der immer fröhliche En in eine der jungen Frauen dieser Sippe und sie sich in ihn. Sie hieß Mona, war 16 Jahre alt und ihm in ihrer Art sehr ähnlich. Schon am Abend ihrer Ankunft hatten sich die beiden immer wieder scheue Blicke zugeworfen, sich aber zunächst nicht getraut, miteinander zu sprechen. Erst am zweiten Tag hatte sie Ens Nähe gesucht und er hatte ihr ausführlich von ihrer Absicht erzählt, eine neue Heimat weit im Norden zu finden.

Mona hatte weniger seinen Worten zugehört, als mehr auf seine Stimme gelauscht und seine Begeisterung gespürt. Sie verspürte selbst eine unbändige Lust, ebenfalls an diesem Abenteuer teilzunehmen. Das Wichtigste aber war für sie, mit En zusammenzubleiben.

Vorsichtig versuchte sie, das En klar zu machen, indem sie ihm tief in die Augen sah. Dabei lächelte sie ihn bedeutungsvoll an und ließ all ihren weiblichen Charme spielen. Sie wollte ihn ermuntern, sie endlich zu umarmen oder zu küssen oder sonst etwas zu tun, um auf ihre Annäherungsversuche einzugehen.

En war aber, bei all seiner Fröhlichkeit und Unbekümmertheit, genauso wie Kaar, Mädchen gegenüber etwas schüchtern.

Er wollte ja, aber er wusste nicht, wie er es anstellen und den Anfang machen sollte.

Als er auch am zweiten Tag noch nicht einmal für längere Zeit ihre Hand hielt, sondern sie, sobald sie sich berührten, sofort wieder losließ, fragte Mona am Abend ihren Vater um Rat.

Ihre Mutter war schon vor Jahren bei der Geburt ihres kleineren Bruders gestorben und ihr Vater hatte sich keine neue Gefährtin genommen, sondern zog seine beiden Kinder mit viel Liebe und Einfühlungsvermögen alleine groß.

Seine erste Frage war deshalb: „Liebst du ihn?“

Ohne auch nur den Bruchteil einer Sekunde zu zögern, antwortete Mona: „Ja.“

„Und liebt er dich auch?“

Mona zögerte einen Moment und antwortete dann: „Ich glaube ja.“

„Das glaube ich auch“, murmelte ihr Vater verständnisvoll lächelnd.

„Ich habe euch in den letzten beiden Tagen beobachtet. So wie En dich ansieht, wie er rot wird, wenn du ihn ansprichst und wie er dich mit den Augen verschlingt, sobald er glaubt, dass du es nicht merkst, denke ich auch, dass er dich liebt. Ich glaube, Mona, der junge Mann ist Mädchen gegenüber einfach nur schüchtern, vielleicht gerade, weil er dich liebt.“

„Was soll ich nur tun?“

„Du musst die Initiative ergreifen und ihn verführen.“

Mona riss überrascht die Augen auf, starrte ihn mit offenem Mund an und wurde dunkelrot.

„Das ist nicht dein Ernst. Ich soll ihn verführen?“

„Weißt du, deine Mutter war auch schüchtern, als ich sie kennenlernte. Ich habe sie erst verführen müssen, um sie als Gefährtin zu bekommen. Außer deinem schönen Aussehen hast du eigentlich wenig von ihr geerbt. Du bist mehr wie ich, abenteuerlustig und draufgängerisch.“

Mona hatte inzwischen ihren ersten Schock über seinen Vorschlag überwunden.

„Wie hast du das gemacht?“

„Nun, ich habe das gut vorbereitet. Ich habe ein Fest abgewartet und am Tage des Festes einige warme und weiche Felle in einem lauschigen Versteck deponiert. Dann habe ich ihr auf dem Fest tief in die Augen gesehen, ihre Hand genommen und sie von dem Fest fort in dieses Versteck geführt. Dort wurden wir dann ein Paar und sie hat es nie bereut. Ich bedauere sehr, dass sie so früh gestorben ist.“

Mona wusste, dass ihr Vater, auch nach so vielen Jahren, immer noch um ihre Mutter trauerte, und wollte ihn eigentlich nicht weiter bedrängen. Aber inzwischen faszinierte sie die Vorstellung, En zu verführen.

Mit einem verschmitzten Lächeln fragte sie ihn deshalb: „Ihr geht doch morgen mit den Besuchern auf die Jagd in die Berge, nicht wahr?“

„Ja“, antwortete Ihr Vater mit einem wissenden Grinsen im Gesicht.

„Und wenn wir von der Jagd zurückkommen, feiern wir ein Fest. Das wird deine Gelegenheit.“

Mona fiel ihrem Vater mit einem fröhlichen Jauchzen um den Hals. „Danke für diesen Rat.“

„Ich hoffe, du weißt, was du tust und wirst glücklich mit ihm.“

Am nächsten Morgen brachen die Jäger, auch Kaar, En und ihre Freunde, bereits beim ersten Morgengrauen zur Jagd auf und kehrten am späten Nachmittag zurück. Sie hatten einen Rothirsch und zwei Hirschkühe erlegt. Gut gelaunt kamen sie bei der Höhle an.

Mona erwartete ihre Rückkehr voller Ungeduld und mit laut klopfendem Herzen.

Sie hatte eine Lieblingsstelle am Strand, zu der sie sich immer zurückzog, wenn sie einmal alleine sein wollte. Es war eine kleine halbkreisförmige Bucht mit einem schönen Sandstrand. Dorthin hatte sie im Laufe des Tages mehrere Felle gebracht und hinter einigen großen Steinen versteckt.

Als das Fest an diesem Abend begann, setzte sie sich neben En und nahm seine Hand. En hielt für einen kurzen Augenblick die Luft an, dann dreht er seine Hand um, umschloss ihre kleine Hand mit seiner eigenen und hielt sie fest. Mona lächelte zufrieden.

Das Fest nahm seinen Fortgang, und als ihr Vater gerade die Aufmerksamkeit der anderen mit einer spannenden Geschichte ablenkte, stand sie leise auf, hielt Ens Hand fest und zog ihn aus dem Kreis der um das Feuer versammelten Menschen.

Leise führte sie ihn zum Strand. Es war eine helle Mondnacht und das Mondlicht glitzerte auf den kleinen Wellen des Meeres. Das Licht des Mondes fiel sanft in ihre Bucht. Mona holte die Felle aus dem Versteck und breitete sie auf dem Sandstrand aus. Dann trat sie vor En, stellte sich auf die Zehenspitzen, legte ihre Arme um seinen Hals, zog seinen Kopf etwas hinunter und küsste ihn.

En war zwar etwas schüchtern, aber auf den Kopf gefallen war er nicht.

Als Monas Hände unter sein Lederhemd glitten und sanft seinen Rücken streichelten, griff er an den Lederriemen, der ihr Kleid am Hals zusammenhielt, löste den und schob ihr das Kleid über die Schultern nach unten.

Nackt stand sie im Mondlicht vor ihm und En betrachteten sie fasziniert. Mona hatte dunkles, gelocktes Haar, eine dunkle braune Hautfarbe - etwas heller als seine eigene - große birnenförmige Brüste mit sehr dunklen Vorhöfen und großen, fast schwarz wirkenden Nippeln, die jetzt erigiert nach vorn standen.

Als er seinen Blick weiter nach unten wandern ließ, blieb ihm fast die Luft weg. Zwischen ihren langen, geraden und schön geformten Schenkeln kräuselte sich eine Fülle schwarzer Haare.

En konnte nicht anders. Er schob seine rechte Hand flach nach unten zwischen ihre Schenkel und begann diese Fülle schwarzer Haare zu kraulen. Mona seufzte wohlig.

Ihre Hände beschäftigten sich inzwischen mit dem Lederriemen, der seinen Lendenschurz hielt. En half ihr, und als sie beide nackt waren, riss er sie in seine Arme und küsste sie wild.

Fest umschlungen und sich küssend, als wären sie am Ertrinken, sanken sie auf die Felle.

Hier küssen sie sich weiter, streichelten sich und Ens Hand wanderte wieder nach unten, wo er diese Haarfülle weiterhin kraulte.

Mona stöhnte laut vor Wonne auf und wölbte ihm ihren Unterleib ihm entgegen.

„Kommt“, flüsterte sie ihm ins Ohr, „komm jetzt rein in mich.“

En drang vorsichtig ein, spürte nach einem kurzen Stück den Widerstand und hielt zunächst still. Doch Mona wollte jetzt alles.

„Stoß zu“, murmelte sie, „komm jetzt ganz tief in mich hinein.“

En stieß zu und Mona stöhnte leise einen überraschten Schmerzenslaut. Ihr Körper verkrampfte sich kurz, um sich dann schnell zu entspannen. Wieder drückte sie ihren Unterleib En entgegen.

Ganz automatisch begann er sich in ihr zu bewegen und Monas Körper folgte seinen Bewegungen. Ihr Rhythmus wurde immer schneller, Mona keuchte und auch Ens Atem wurde immer schneller.

Dann spannte sich ihr Bauch zu einer Kugel, drückte sich fest gegen Ens Unterleib und sie erreichte ihren Höhepunkt. En folgte ihr unmittelbar und ergoss sich mit einem lauten Stöhnen in sie.

Schwer atmend wälzten sie sich auf die Seite und streichelten sich zärtlich.

„Bist du glücklich?“, fragte En sie nach einer Weile, als sein Atem sich etwas beruhigt hatte.

„Ja sehr“, antwortete Mona.

„Was werden wir jetzt tun?“

„Ich möchte mit dir zusammenbleiben“, antwortete ihr En. „Willst du mit uns nach Norden kommen?“

„Das wollte ich schon die ganze Zeit“, murmelte Mona leise und etwas schläfrig in sein Ohr.

„Dann ist es abgemacht. Wir gehen zusammen nach Norden.“

Sie blieben eng umschlungen liegen. In den frühen Morgenstunden liebten sie sich ein zweites Mal, dieses Mal langsam und zärtlich und kehrten dann zu der Sippe zurück.

Als sie sich glücklich lächelnd wieder bei dem Rest der Gruppe einfanden, war allen klar, was diese Nacht bedeutete:

En und Mona hatten sich gefunden.

Mona würde in Zukunft mit ihm zusammenleben. Wo und wie, das war eine andere Frage.

Während Mona glücklich zu ihrem Vater trat, ihn umarmte und ihm leise ins Ohr flüsterte:

„Danke“,

war Kaar enttäuscht und etwas ärgerlich. Bereits so früh am Beginn ihrer Reise würde der Erste von ihnen ausscheren und sie verlassen.

Als er diese Überlegungen mit En besprach, winkte der lachend ab.

„Oh nein“, erklärte er Kaar.

„Mona will mit uns kommen. Sie ist bereits ganz aufgeregt und freut sich auf die lange Reise und das große Abenteuer.“

Am gleichen Tag noch verkündete Mona diesen Entschluss nicht nur ihrem Vater, sondern auch dem Rest der Sippe. Alle packten für sie ebenfalls eine Kiepe mit den zum Überleben notwendigen Dingen und wünschten ihr alles Gute.

Und so waren sie jetzt zu zehnt, als sie weiterwanderten.

Mona war eine wirkliche Bereicherung für ihre Gruppe, denn sie sorgte, ebenso wie En, immer für eine gute Stimmung, lachte viel und brachte alle mit ihren Scherzen oft zum Lachen. Und sie und En liebten sich sehr.

Die Gruppe konnte an manchen Tagen nur eine kurze Strecke ihrer Route zurücklegen. Oft mussten sie Umwege machen, um unpassierbares Gelände zu umgehen, und nach einer Weile begann Kaar sich zu fragen, ob ihr Plan, in diesem Jahr noch bis zu der großen Eismauer zu gelangen, überhaupt durchführbar war. Eines hatte ihm ihr damaliger Besucher nämlich unmissverständlich klargemacht: Dort oben im Norden waren die Winter unerbittlich und sie mussten, lange bevor der eigentliche Winter begann, eine geschützte Unterkunft suchen und mit Vorräten einrichten, sonst hatten sie keine Chance zu überleben.

Einen Teil des Weges begleitete Monas Vater sie. Er erzählte ihnen, dass er als junger Mann einmal bis an den großen Fluss, von dem ihnen auch der Besucher erzählt hatte, gewandert war. Er beschrieb ihnen auch den besten Weg. Aber als Kaar ihn fragte:

„Warum bist du nicht weiter nach Norden gewandert?“, antwortete er nur:

„Nein, die Menschen, die am großen Strom leben, haben mir davon abgeraten. Weiter im Norden leben hauptsächlich die Alten und obendrein ist das Klima dort sehr rau.“

„Aber hast du denn keine Lust verspürt, dort einmal ein Mammut zu sehen oder zu jagen?“

„Nein, ich hatte mir meinen Traum erfüllt und war bis an den großen Fluss gewandert, das reichte mir. Aber ich kann euch gut verstehen und auch, warum meine Tochter unbedingt mit euch kommen will.“

Als die Küstenlinie einen Bogen nach Süden machte, verließ Monas Vater sie und verabschiedete sich tränenreich von ihr.

„Ab hier führt die Küste nach Süden und ihr könnt ihr nicht länger folgen. Von hier aus müsst ihr geradewegs nach Norden marschieren.“

Sie wandten sich, entsprechend diesem Rat, von der Küste ab und wanderten landeinwärts. Dabei folgten sie zunächst dem Lauf eines Gewässers aufwärts, das genau aus dem Norden kam und sie immer höher in die Berge hinaufführte. Das Wetter war jetzt im Frühling in den Bergen sehr angenehm und in den Wäldern fanden sie auch genügend jagdbares Wild, sodass sie also keinen Hunger litten.

Das änderte sich aber, je höher sie ins Gebirge kamen. Hier wurde der Baumbestand immer geringer. Zuletzt wanderten sie durch eine karge Hochgebirgslandschaft, die nur noch mit einzelnen Buschinseln bewachsen war und in der es so gut wie kein Wild mehr gab.

Da es ihnen in dieser Gegend nicht gelang, irgendwelches Wild zu erlegen, wurden ihre Nahrungsvorräte langsam knapp.

Wenige Tage später, sie waren immer noch hoch oben im Gebirge, zogen auf einmal dunkle Wolken von Norden heran, und dann hörten sie in der Ferne das typische Grollen eines herannahenden Gewitters.

So schnell sie konnten suchten sie einen Felsüberhang auf, der ihnen etwas Schutz bot, und bauten aus den mitgeführten Fellen ein Zelt auf. Gerade noch rechtzeitig wurden sie fertig und krochen hinein.

Gewitter kannten und fürchteten sie bereits aus ihrer Heimat. Was sie aber jetzt hier im Gebirge erlebten, hatte mit den Unwettern, die sie kannten, keinerlei Ähnlichkeit und übertraf ihre schlimmsten Befürchtungen. Fast pausenlos blitzte und donnerte es über ihnen. Immer wieder fuhr ein Blitz mit anschließendem ohrenbetäubendem Krachen in ihrer Nähe in den Boden.

Zu allem Überfluss kam auch noch ein Sturm auf und plötzlich regnete es faustgroße Hagelkörner, denen ein wolkenbruchartiger Regen folgte. Eine besonders heftige Bö riss das Zelt über ihnen fort und sie waren dem Unwetter jetzt schutzlos ausgeliefert. Ängstlich, durchnässt, frierend und hungrig kauerten sie sich ganz nah an der Felswand zusammen. Das Gewitter hing über ihnen in den Bergen fest und dauerte fast die ganze Nacht. Erst in den frühen Morgenstunden zog es nach Süden ab und sie hörten, wie sich das Donnern immer weiter von ihnen entfernte.

Vorwurfsvoll sah Ian Kaar an. „Du hast uns in eine große Gefahr geführt. Wir sind alle halb erfroren und zu essen haben wir auch nichts mehr.“

Sofort widersprach ihm En. „Was kann Kaar denn für dieses Gewitter?“

Ian wollte En schon erwidern und Kaar weitere Vorwürfe machen, als er an den Mienen der Anderen bemerkte, dass sie seine Vorwürfe für ungerechtfertigt hielten. Nur Petr, mit dem ihn, weil sie fast gleich alt waren, eine besondere Freundschaft verband, hielt zu ihm, aber auch er schüttelte etwas den Kopf. Ian verstummte und Kaar hatte das letzte Wort: „Lasst und so schnell wie möglich aufbrechen und zusehen, dass wir aus diesen Bergen herauskommen.“

Sie brachen auf, fanden ihr Zelt völlig durchnässt und zerfetzt an einem Felsen hängen und nahmen es mit, um es später zu reparieren. Nachdem sie den Scheitelpunkt des Gebirges überschritten hatten, ging es wieder bergab. In einem der dortigen Täler gelang es ihnen, eine Gämse zu erlegen, und damit hatten sie fürs Erste wieder ausreichend Nahrung. Sie folgten wieder einem Wasserlauf, der in etwa in nördliche Richtung führte, und standen auf einmal am Ufer eines breiten und schnell nach Nordosten fließenden Flusses.

„Der große Strom kann das nicht sein“, meinte Mona. Sie schaute nach dem Stand der Sonne. „Wir haben jetzt etwa die Mitte des Tages. Die Sonne steht also jetzt genau im Süden.“

Sie deutete in die entsprechenden Richtungen.

„Dann ist dort Westen und in der entgegengesetzten Richtung Osten. Vater hat uns doch gesagt, dass der große Strom, wenn wir ihn erreichen, nach Osten oder nach Süden verläuft. Aber dieser Fluss fließt nach Nordosten.“

„Vielleicht ist das einer der Nebenarme des großen Stromes und dein Vater hat nur vergessen, uns von ihm zu berichten“, antwortete ihr En mit einem liebevollen Blick.

„Ich glaube das auch“, schaltete Kaar sich jetzt ein. „Als dein Vater hier war, war es Sommer und dieser Fluss war deshalb nicht so breit. Jetzt im Frühjahr ist er durch das Schmelzwasser von den Gletschern angeschwollen. Er hat ihn sicherlich nicht für so wichtig gehalten.“

„Es ist egal, wie kommen wir hinüber?“, fragte Sig.

„Wir werden schwimmen müssen“, antwortete ihm En. Ungläubig schaltete Ian sich ein:

„Mit den Kiepen auf dem Rücken? Das wird nicht gehen!“

„Wir bauen uns ein Korbboot, wie wir es bei Monas Leuten gesehen haben, und legen die Kiepen hinein. Dann halten wir uns am Rand dieses Bootes fest und schwimmen hinüber“, schlug Kaar vor.

„Alles, was wir zur Herstellung eines solchen Bootes brauchen, haben wir oder es wächst hier an den Ufern.“

Ihre Höhle hatte zwar im Binnenland gelegen, aber sie waren ab und zu auch einige Male von dort aus zur Küste gewandert. Dort hatten sie Menschen ihrer Art getroffen, die, wie auch die Leute aus Monas Sippe, an der Küste mit solchen Booten in Ufernähe aufs Meer hinaus paddelten, um zu fischen. Das Prinzip der Bauweise kannten sie und hatten deshalb unter den nützlichen Dingen in ihren Kiepen auch einen kleinen Vorrat an Birkenpech. Das war schwer herzustellen und deshalb hatte Aar ihnen geraten, für alle Fälle einen Vorrat davon mitzunehmen. Weiden wuchsen am Ufer dieses Flusses genug und die Männer machten sich daran, so viele und so dünne Weidenzweige wie möglich mit ihren Steinäxten zu schneiden.

Aus diesen flochten die Frauen einen überdimensional großen und breiten runden Korb. Der fertige Korb wurde mit einer aus mehreren großen Fellen zusammengenähten Plane überzogen, die um den Rand des Korbes gelegt und befestigt wurde. Die Nähte bestrichen sie mit heiß gemachtem Birkenpech, und als es abkühlte und hart wurde, hatten sie ein wasserdichtes rundes Boot.

Nachdem das Boot fertig war, verstauten sie ihre Kiepen darin, zogen ihre Kleidung aus, verstauten sie ebenfalls in ihrem schwimmenden Korb und schoben den in den Fluss.


Sie konnten alle mehr oder weniger gut schwimmen.

Die drei Frauen sowie Bor, Sig und Raf waren ihre schwächsten Schwimmer. Deshalb sollten sie sich am Rand des Korbes festhalten und ihr Gefährt mit den Füßen vorantreiben, während Kaar, Ian, Petr und En das Boot vom gegenüberliegenden Ende an Lederleinen ziehen wollten.

Es war ein heißer Frühlingstag, aber das Wasser war dennoch eiskalt. Sobald sie das Boot in den Fluss geschoben hatten, wurde es von der Strömung erfasst und riss sie mit sich. Am schnellen Vorbeigleiten der Ufer konnten sie die Stärke der Strömung erkennen. Sie war enorm stark und zerrte an ihnen. Nur langsam und ganz allmählich näherten sie sich der gegenüberliegenden Seite.

Auf einmal hörten sie einen lauten Schrei von Mona und dann sahen die vier Schwimmer vorn, wie sie, von der Strömung erfasst, schnell davon getrieben wurde. Sie hatte wohl vor Kälte den Rand des Bootes losgelassen.

En brüllte vor Schreck auf, ließ seine Lederleine los und folgte ihr mit schnellen Schwimmzügen. Er war ein sehr guter Schwimmer und erreichte sie gerade noch, als sie unterzugehen begann. Er schaffte es, ihr Haar zu ergreifen und ihren Kopf wieder über Wasser zu ziehen. Mona schnappte nach Luft. Sie war in Panik geraten und klammerte sich jetzt verzweifelt an ihn. So drohten beide unterzugehen.

Doch Kaar war En gefolgt und packte einen von Monas Armen. Er löste ihre Umklammerung von En und schrie sie an: „Halt dich mit je einer Hand an Ens und meinem Haar fest. Wir helfen dir an Land.“

Durch Ens Nähe beruhigte Mona sich wieder etwas, griff dann Kaar und En in die langen Haare, wickelte sie in einer dicken Strähne um ihre Hände und hielt sich so über Wasser.

„Es geht wieder“, rief sie ihnen zu. „Meine Hände waren vor Kälte ganz starr und ich habe einen Moment nicht aufgepasst und bin abgerutscht.“

Sie hatte ihre Panik überwunden und brachte sogar wieder ein etwas verkrampftes Lächeln zustande.

Während Kaar und En zügig in Richtung des gegenüberliegenden Ufers schwammen, hielt sie sich an deren Haaren fest und unterstützte sie durch Schwimmbewegungen mit den Beinen. Kaar verzog dabei ständig das Gesicht. Der Griff in seinem Haar war außerordentlich fest und tat weh.

Als sie endlich das andere Ufer erreichten und an Land gingen, konnten sie gerade noch das Boot in einer Biegung flussabwärts verschwinden sehen. Doch es hatte weit mehr als die Hälfte der Flussbreite überquert und näherte sich ebenfalls der gegenüberliegenden Seite. Alle anderen fünf Schwimmer hielten sich noch am Bootsrand fest und Ian und Petr zogen ebenfalls noch an den Lederseilen am anderen Ende.

En nahm Mona in die Arme und küsste sie erleichtert, während Kaar mit einer komischen Grimasse seinen Hinterkopf massierte.

„Was machst du da?“, fragte ihn Mona erstaunt.

„Ich fühle nach, ob ich noch alle Haare habe. Du hast einen sehr festen Griff.“

Auch En rieb grinsend seinen Hinterkopf. „Ich hätte gern mehr als nur meine Haare geopfert, um dein Leben zu retten“, murmelte er dann lakonisch. Mona fiel ihm mit einem verliebten Lächeln noch einmal in die Arme.

„Danke En, dir auch Kaar.“

„Kommt, wir müssen weiter und die Anderen suchen. Hoffentlich sind die wenigstens gut an Land gekommen.“

Doch bevor er sich abwandte, um am Fluss entlang nach dem Rest ihrer Gruppe zu suchen, hockte Kaar sich noch einmal ans Ufer, schöpfte mit der Hand eine kleine Menge Wasser und ließ es wieder in den Fluss rinnen.

„Geist des Flusses, wir danken dir für deine Hilfe und dass du uns erlaubt hast, Monas Leben zu retten.“

Ehrfürchtig und dankbar taten En und Mona es ihm nach.

Dann liefen sie das Ufer entlang stromabwärts und fanden die anderen Mitglieder ihrer Gruppe bereits nach kurzer Zeit. Ian und Petr hatten als Erste den Strand erreicht und das Boot mit den am anderen Ende hängenden Schwimmern an Land gezogen. Sie waren vom kalten Wasser stark ausgekühlt, froren trotz des warmen Sonnentages und beschlossen deshalb, zunächst ein großes Feuer anzuzünden, um sich wieder aufzuwärmen.

„Was machen wir mit dem Boot?“, fragte En, nachdem sie ihre Kleidung wieder angezogen hatten und allen wieder warm geworden war. „Wir lassen es hier. Vielleicht findet es jemand, kann es gebrauchen und freut sich“, schlug Kaar vor.

Alle, bis auf Ian, nickten zustimmend. „Warum sollen wir es hier zurücklassen“, mäkelte der.

„Es hat uns doch so viel Arbeit gekostet, es herzustellen.“

„Es ist zwar nicht schwer, aber viel zu sperrig, um es mitzunehmen“, antwortete ihm En.

„Und Felle haben wir mehr als genug.“

Der Rest ihrer Wanderung war dann einfach. Sie folgten diesem Wasserlauf einige Tage flussabwärts und kamen an die Stelle, an der er in den großen Fluss mündete. Es war ein breiter Strom der, wie Monas Vater es ihnen beschrieben hatte, hier fast genau nach Süden floss.

Sie brauchten diesem Strom nur noch nach Norden zu folgen.

Nach einem Marsch von einem weiteren halben Mondzyklus sahen sie schon von weitem das Lager der Leute am großen Strom.

Mitten im späten Frühsommer kamen sie bei der Höhle der dort lebenden Menschen an.

Kaar findet zwei Gefähritinnen

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