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2. Die Weltreise des Wunderkindes

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»Das größte Naturwunder des Jahrhunderts darf nicht unbeachtet im Salzburger Winkel bleiben; meine Pflicht ist es, der Welt das Wunder Gottes zu zeigen.« In dieser Gesinnung entschloß sich der Vater, als Wolfgang sechs, die Schwester elf Jahre alt war, sein ruhiges Salzburger Leben aufzugeben und in die Welt hinauszuziehen, die ihm bis dahin auch unbekannt geblieben war. Wir sind auch über diese Kunstfahrten, trotzdem die ganze Familie Mozart daran teilnahm, gut unterrichtet durch die Berichte des Vaters an den Kaufmann Lorenz Hagenauer, in dessen Hause er damals wohnte. Hagenauer war mit seiner ganzen Familie den Mozarts in echter Freundschaft zugetan und unterstützte den Vater vor allem in Geldangelegenheiten. Daraus erklärt es sich, daß der äußere Erfolg in diesen Briefen mehr Erwähnung findet, als es sonst wohl in des alten Mozart Art gelegen hätte. Im übrigen hat auch hier die Schwester sorgsam eine Fülle von Erinnerungen aufbewahrt, die sie in ihrem bereits erwähnten Bericht an Schlichtegroll gegeben hat. (Gedruckt in Nottebohms »Mozartiana« 1880.)

Die erste, im Januar 1762 unternommene Reise führte nach München, wo sie drei Wochen blieben und erreichten, daß die Kinder vor dem Kurfürsten spielen konnten. Der große Erfolg ermutigte den Vater zur Reise nach Wien, die am 18. September desselben Jahres angetreten wurde.

Schon unterwegs brachten die Aufenthalte allerlei Erfolge. In Passau, wo sie auf Veranlassung des Bischofs fünf Tage blieben, bekamen sie auch bereits einen Vorgeschmack von der Noblesse deutscher Edler in pekuniären Dingen, denn das Honorar betrug einen ganzen Dukaten. Im Kloster Ips spielte der Knabe auf der Orgel zum Erstaunen der Mönche; in Wien bezauberte der kleine Orpheus mit seinem Geigerl die Zollbeamten derart, daß sie der ganzen Familie keinerlei Schwierigkeiten machten. Von Wien aus konnte der Vater bald rasche Erfolge melden; auch seinen Hauptzweck, an den kaiserlichen Hof zu gelangen, erreichte er überraschend schnell, denn fast alle Mitglieder der kaiserlichen Familie waren sehr musikalisch. Bereits am 13. September konnte der Vater seine Kinder in Schönbrunn vorstellen, und zwar im engen Familienkreise. »Hauptsächlich erstaunt alles ob dem Buben, und ich habe noch niemand gehört, der nicht sagte, daß es unbegreiflich sei.« Das kaiserliche Paar und die Prinzessinnen behandelten die Familie geradezu freundschaftlich, und der Wolferl fühlte sich in ihrem Kreise wie zu Hause. Er hat von dieser Zeit an in seinem liebevollen und dankbaren Herzen dem Kaiserhause eine geradezu persönliche Treue bewahrt, die auch dann nicht vermindert wurde, als er vielfache Zurücksetzungen erfahren hatte. Doch das widerfuhr erst dem Meister. Das Kind fand eitel Liebe. In einzelnen Kunststücken, wie zum Spielen mit einem Finger oder bei verdeckter Klaviatur reizte der Kaiser den kleinen Hexenmeister selber an. So gern dieser aber auch auf alle Scherze einging, so ernsthaft blieb er, sobald es darauf ankam, ernst zu musizieren. Er wollte nur vor Kennern oder wahrhaften Liebhabern spielen, ein Charakterzug, den er zeitlebens behalten hat, wie ihm ja auch niemals ein Lob deshalb Eindruck gemacht hat, weil der Spender desselben eine hohe Stellung in der Welt einnahm, wogegen er sich auch als vollkommener Meister noch herzlich freute über jede Anerkennung, die ihm von Menschen zuteil wurde, bei denen er echtes musikalisches Empfinden gefunden hatte. So beharrte er auch einmal darauf, als er beim Kaiser Franz spielte, daß der treffliche Klavierspieler und Komponist Georg Christ. Wagenseil (1715–1777) an seine Seite treten mußte. Im übrigen war er ein echtes Kind, das sich unbefangen benahm und durch seine Kindereien natürlich erst recht die vornehme Gesellschaft bezauberte. »Alle Damen waren in den Buben verliebt«, und man riß sich in der vornehmen Welt um die Mitwirkung der kleinen Künstler bei gesellschaftlichen Veranstaltungen. Auch die pekuniären Erfolge stellten sich bald ein. Die glückliche Zeit erfuhr erst eine unliebsame Unterbrechung dadurch, daß Wolfgang Ende Oktober vom Scharlachfieber befallen wurde; doch erholte sich der Knabe bald wieder, und sie kehrten erst in den ersten Tagen des Jahres 1763 wieder nach Salzburg zurück.

Der große Erfolg in Wien hatte Mozarts Mut gemacht. Nach kurzem Aufenthalt in Salzburg entschlossen sie sich zu einer großen Konzertreise nach Paris. Noch galt dieses ja als Mittelpunkt der gebildeten und künstlerischen Welt, und man konnte annehmen, daß ein Erfolg in der französischen Hauptstadt überall anerkannt werden würde, vielleicht am allermeisten in der deutschen Heimat. Allerdings gerade auf musikalischem Gebiete war die Stellung von Paris nicht unangefochten. Die Musikgeschichte, die der Oper zumal, beurteilt sie leicht zu günstig, weil in Paris der Kampf wider die Alleinherrschaft der italienischen Opernmusik am entschiedensten ausgefochten wurde. Hier hat ja auch Gluck seinen endgültigen Sieg errungen. Aber man darf nicht verkennen, daß die Gegnerschaft Frankreichs gegen die italienische Oper doch letzterdings auf einem Mangel an musikalischer Veranlagung beruhte, und es ist bezeichnend, daß die französische Oper gegenüber der italienischen stets die Rechte der Dichtung oder, da dieses Wort meistens zu hoch gegriffen ist, wollen wir lieber sagen des Textes wahrgenommen hat. Deshalb haben auch gerade die Mozarts, Vater und Sohn, über die französische Musik recht gering gedacht, weil sie wohl spürten, daß die wirklich musikalische Kraft fehlte.

Auf dem Wege nach Paris gab man Konzerte, wo sich die Gelegenheit dazu bot. Das öffentliche Konzertleben Deutschlands war damals noch sehr wenig entwickelt. Eigentliche Konzerte in unserem Sinne hat es damals fast noch nicht gegeben. Doch fällt Mozarts Auftreten in die Übergangszeit, so daß der Knabe auch in Deutschland mehrere öffentliche Konzerte geben konnte. Wo ein Fürst residierte, war der Hof der natürliche Mittelpunkt aller gesellschaftlichen Veranstaltungen, und als solche erschien dann auch das Konzert, wie im Grunde ja auch jede Opernaufführung. Wo kein Hof war, schlossen sich die Patrizierkreise und die wohlhabendere Kaufmannschaft zu einer Gesellschaft zusammen. Das Honorar des Künstlers hatte in beiden Fällen den für unser heutiges Gefühl recht unangenehmen Beigeschmack des Geschenkes. Den Ausländern gegenüber mögen sich unsere Fürsten und städtischen Gesellschaften viel nobler bewiesen haben. In Mozarts Biographie sind es nur ganz vereinzelte Fälle, bei denen die nachherige Belohnung nicht hinter den meist recht bescheiden gehaltenen Erwartungen zurückblieb. Daß außerdem sehr oft an Stelle des Geldes Schmuckstücke gegeben wurden, war für den Künstler auch dann ein Schaden, wenn diese Schmuckstücke an sich einen höheren Wert darstellten. Das Ergebnis war also im ganzen immer ein recht ungünstiges. Großen Gewinn ernteten eigentlich in dieser Zeit nur Sänger und Sängerinnen, obwohl der Höhepunkt ihrer Vorherrschaft bereits überschritten war. Die italienische Oper war eben eine Gesangsoper, und die Geschichte der italienischen Musik ist viel mehr eine Geschichte der Gesangskunst und des Gesangsvirtuosentums als eine solche der Komposition. Die Sänger leiteten im Grunde den Komponisten. Auch die selbständigsten Naturen unter diesen strebten vor allem danach, ihren Sängern es recht zu machen. Sie rechneten mit ganz bestimmten Gesangsgrößen, und ihr Bestreben war, diesen ihre Arien auf den Leib zu schreiben.

Alles das setzt natürlich ganz andere Verhältnisse voraus, als wir sie heute kennen. Man muß diese aber berücksichtigen, um auch für die Komposition einen Maßstab zu gewinnen. Der Komponist arbeitete für ein festes, von vornherein vereinbartes Honorar die Oper für eine bestimmte Stadt. Eine Weiterverbreitung derselben, die nicht allzu häufig war, kam in der Regel nur dem Kopisten zugute, und es findet sich in Mozarts Briefen die Stelle, daß dieser sich oft viel besser stand als der Komponist. Bei den Sängern war das eigentlich selbstverständlich. Übrigens ist es ja heute in unseren Opernhäusern auch noch so, ja fast noch schlimmer, wenigstens für den Fall, daß ein Werk keinen Erfolg hat. Nur so ist es zu erklären, daß der Vater Leopold Mozart auch in dieser Zeit, als seinem Sohne allerorten die schönsten Erfolge bereitet wurden, für den kaum den Knabenschuhen Entwachsenen bereits überall nach einer festen, sicheren Stelle suchte. Nur aus diesen allgemeinen Musikverhältnissen heraus erklärt es sich auch, daß es dem doch sehr sparsamen und geschäftskundigen Vater nicht gelang, trotz der außerordentlichen Erfolge seines Sohnes solche Ersparnisse zu machen, daß für einen dauernd günstigen Vermögensstand der Grund gelegt worden wäre. In pekuniärer Hinsicht brachte allerdings gerade diese erste Reise verhältnismäßig den größten Gewinn.

Wiederum sind wir durch die Briefe Leopold Mozarts an seinen Freund Hagenauer, zu denen noch die Erinnerungen der Schwester und anderer und endlich auch die kurzen Reisenotizen des Vaters kommen, instand gesetzt, den Verlauf der Reise mit einer Genauigkeit zu verfolgen, wie sie sonst in dieser Zeit der wenig entwickelten Presse bei keinem zweiten Künstler zu erreichen ist.

Am 9. Juli 1763 begab sich die ganze Familie auf die Reise. Schon in Wasserburg gab's einen Wagenunfall, der die Reisenden zu einem eintägigen Aufenthalt zwang. »Das Neuste ist,« schreibt der Vater, »daß um uns zu unterhalten wir auf die Orgel gegangen und ich dem Wolferl das Pedal erklärt habe, davon er dann gleich stante pede Probe abgeleget, den Schemel hinweggerückt und stehend präambuliert und das Pedalband getreten, und zwar so, als wenn er schon viele Monate geübet hätte. Alles geriet in Erstaunen, und es ist eine neue Gnade Gottes, die mancher nach vieler Mühe erst erhält.« Es wirkt in der Tat als eine ganz besondere Gnade, der sich Mozart erfreute, daß ihm nicht nur die geistige Erkenntnis aller musikalischen Dinge so unbegreiflich leicht fiel, sondern daß ihm auch die Umsetzung dieser Erkenntnis ins Technische, ins rein Körperliche, denn auf das läuft doch dieser Pedalgebrauch schließlich hinaus, ohne jegliche Übung gelang. Mozart hat die Orgel dauernd geliebt. Noch 1777, als er zum erstenmal allein eine große Kunstreise unternahm, hat er dem berühmten Klavierfabrikanten Stein in Augsburg auf dessen Einwendung, daß die Orgel ein Instrument sei, »wo keine Douceur, keine Expression, kein Piano noch Forte stattfindet, sondern immer gleich fortgeht«, erklärt: »Das hat alles nichts zu bedeuten, die Orgel ist doch in meinen Augen und Ohren der König aller Instrumente.« Allerdings fühlte er, im Gegensatz zu manchem berühmten Orgelvirtuosen seiner Zeit, daß das Orgelspiel auch einen besonderen Stil erheische. Jedenfalls ist er von den Zeitgenossen als Orgelspieler oft noch mehr bewundert worden, denn als Klavierspieler.

In München und Augsburg hatten die Reisenden die gewohnten Erfolge. Dagegen gelang es ihnen in Ludwigsburg nicht, vor Herzog Karl zu Gehör zu kommen. Allerdings war wohl kaum der Italiener Iomelli, einer der bedeutendsten Meister der italienischen Oper, daran schuld, wie der Vater Mozart glauben wollte. Denn eine so kleinliche Mißgunst würde mit dem großzügigen Charakter dieses Mannes, der sich vor seinen musikalischen Volksgenossen nicht nur durch seine ganze Lebensführung, sondern auch durch wahre Hochschätzung der musikalischen Anlagen des deutschen Volkes auszeichnete, nicht übereinstimmen.

Schwetzingen, Heidelberg, Mainz brachten dann wieder die gewünschten Erfolge. Von hier aus führte sie ein Ausflug nach Frankfurt, wo im ganzen vier Konzerte stattfanden, in deren einem auch Goethe als Vierzehnjähriger den um sieben Jahre jüngeren kleinen Wundermann hörte. Er erinnerte sich noch Eckermann gegenüber deutlich des kleinen Mannes in seiner Frisur und Degen. Um einen Begriff davon zu geben, was dem Publikum in solchen Konzerten geboten wurde, sei die uns erhaltene Anzeige des Konzerts vom 30. August 1763 hier mitgeteilt.

»Die allgemeine Bewunderung, welche die noch niemals in solchem Grade weder gesehene noch gehörte Geschicklichkeit der 2 Kinder des Hochfürstl. Salzburgischen Kapellmeisters Hrn. Leopold Mozart in den Gemütern aller Zuhörer erweckt, hat die bereits dreimalige Wiederholung des nur für einmal angesetzten Konzerts nach sich gezogen. Ja, diese allgemeine Bewunderung und das Anverlangen verschiedener großer Kenner und Liebhaber ist die Ursache, daß heute Dienstag den 30. August in dem Scharsischen Saal auf dem Liebfrauenberge abends um 6 Uhr aber ganz gewiß das letzte Konzert sein wird; wobei das Mägdlein, welches im zwölften, und der Knab', der im siebenten Jahr ist, nicht nur Konzerten auf dem Klavessin oder Flügel, und zwar ersteres die schwersten Stücke der größten Meister spielen wird, sondern der Knab' wird auch ein Konzert auf der Violine spielen, bei Sinfonien mit dem Klavier akkompagnieren, das Manuel oder die Tastatur des Klaviers mit einem Tuch gänzlich verdecken, und auf dem Tuche so gut spielen, als ob er die Klaviatur vor Augen hätte; er wird ferner in der Entfernung alle Töne, die man einzeln oder in Akkorden auf dem Klavier oder auf allen nur denkbaren Instrumenten, Glocken, Gläsern und Uhren u. anzugeben imstande ist, genauest benennen. Letzlich wird er nicht nur auf dem Flügel, sondern auch auf einer Orgel (solange man zuhören will, und aus allen, auch den schwersten Tönen, die man ihm benennen kann) vom Kopf phantasieren, um zu zeigen, daß er auch die Art, die Orgel zu spielen versteht, die von der Art, den Flügel zu spielen, ganz unterschieden ist.«

Über Koblenz, Bonn und Köln führte der Weg nach Aachen, Hier wollte Friedrichs des Großen Schwester Amalie Mozart bereden, mit seinen Kindern nach Berlin zu gehen, aber ohne Erfolg. »Sie hat kein Geld«, schreibt Vater Mozart; »wenn die Küsse, die sie meinen Kindern, zumal dem Meister Wolfgang gegeben hat, Louisdor wären, so hätten wir froh sein können, aber weder der Wirt noch die Postmeister lassen sich mit Küssen abfertigen«.

Nach längerem Aufenthalt in Brüssel langten sie endlich am 18. November 1763 in Paris an und fanden hier in des bayrischen Gesandten Grafen Eyck Hause freundlichste Aufnahme. Als geschäftigster und erfolgreichster Freund bewährte sich Friedrich Melchior Grimm (1723–1807), der als »Baron Grimm« aus der Geschichte der französischen Enzyklopädisten auf literarischem und ganz besonders auf musikalischem Gebiete durch seine leidenschaftliche Parteinahme für die italienische Musik gegenüber der französischen bekannt ist. Ein geborener Regensburger, lebte er seit 1749 in Paris und hatte es verstanden, seine Stellung als Sekretär des Herzogs von Orleans zu sehr einflußreichen Beziehungen zu allen europäischen Fürstenhöfen auszunutzen. Wir werden erfahren, daß Wolfgang vierzehn Jahre später, als er allein in Paris sich durchzusetzen versuchte, sich in seinen Erwartungen, die er auf den Freund des Vaters gesetzt hatte, stark enttäuscht sah; jetzt erwies er sich als der wichtigste Förderer seiner Landsleute. Soviel Empfehlungsbriefe Mozarts von gesellschaftlich hervorragenden Leuten mitgebracht hatten, sie waren nach Leopolds Worten alle nichts. »Der einzige Monsieur Grimm, an den ich von einer Kaufmannsfrau in Frankfurt einen Brief hatte, hat alles getan. Er hat die Sache nach Hofe gebracht. Er hat das erste Konzert besorgt. Er allein hat mir 80 Louisdor bezahlt, also 320 Billetts abgesetzt, und noch die Beleuchtung mit Wachs bestritten; es brannten über 60 Tafelkerzen. Nun, dieser Mann hat die Erlaubnis zu dem Konzert ausgewirkt und wird nun auch das zweite besorgen, wozu schon 100 Billetts ausgeteilt sind. Sehen Sie, was ein Mensch kann, der Vernunft und ein gutes Herz hat!« Bald konnte Mozart auch bei Hofe spielen, und wenn die altgewordene Pompadour jetzt sogar vor den Küssen des Knaben zurückschreckte, so waren die legitimen Mitglieder der königlichen Familie um so freundlicher zu ihm. Mit dem Königshause wetteiferten die vornehmen Familien, und schließlich gewann man auch die schwer zu erlangende Erlaubnis, zwei große öffentliche Konzerte zu veranstalten. Der Erfolg überstieg auch die kühnsten Erwartungen.

Am lebendigsten wirkt der Brief, den Grimm selber am 1. Dezember 1763 in seiner »Correspondance literaire« veröffentlichte. »Die wahren Wunder sind selten genug, daß man davon reden mag, wenn man Gelegenheit hat, eines zu sehen. Ein Salzburger Kapellmeister namens Mozart ist soeben angekommen mit zwei Kindern von der hübschesten Erscheinung der Welt. Seine Tochter, elf Jahre alt [Sie war im Juli 12 gewesen], spielt in der brillantesten Weise Klavier, sie führt die größten und schwersten Stücke mit einer staunenswerten Präzision aus. Ihr Bruder, der nächsten Februar sieben Jahre alt wird [in Wirklichkeit wurde er im Januar 1764 acht Jahre alt], ist eine so außerordentliche Erscheinung, daß man das, was man mit eigenen Augen sieht und mit eigenen Ohren hört, kaum glauben kann. Es ist dem Kinde nicht nur ein leichtes, mit der größten Genauigkeit die allerschwersten Stücke auszuführen, und zwar mit Händchen, die kaum die Sexte greifen können; nein, es ist unglaublich, wenn man sieht, wie es eine ganze Stunde hindurch phantasiert und so sich der Begeisterung seines Genies und einer Fülle entzückender Ideen hingibt, welche es mit Geschmack und ohne Wirrwarr aufeinander folgen läßt. Der geübteste Kapellmeister kann unmöglich eine so tiefe Kenntnis der Harmonie und der Modulationen haben, welche es auf dem wenigst bekannten, aber immer richtigen Wege durchzuführen weiß. Es hat eine solche Fertigkeit in der Klaviatur, daß wenn man sie ihm durch eine darüber gelegte Serviette entzieht, es nun auf der Serviette mit derselben Schnelligkeit und Präzision fortspielt. Es ist ihm eine Kleinigkeit, alles, was man ihm vorlegt, zu entziffern; es schreibt und komponiert mit einer bewunderungswürdigen Leichtigkeit, ohne sich dem Klavier zu nähern und seine Akkorde darauf zu suchen [also schon damals die völlige Unabhängigkeit von der sinnlichen Unterstützung]. Ich habe ihm ein Menuett aufgesetzt und ihn ersucht, den Baß darunterzusetzen; das Kind hat die Feder ergriffen, und ohne sich dem Klavier zu nahen, hat es den Baß daruntergesetzt. Sie können wohl denken, daß es ihm nicht die geringste Mühe kostet, jede Arie, die man ihm vorlegt, zu transponieren und zu spielen, aus welchem Ton man es verlangt. Allein folgendes, was ich gesehen habe, ist nicht weniger unbegreiflich. Eine Frau fragte ihn letzthin: ob er wohl nach dem Gehör und ohne sie anzusehen eine italienische Kavatine, die sie auswendig wußte, begleiten würde? Sie fing an zu singen. Das Kind versuchte einen Baß, der nicht nach aller Strenge richtig war, weil es unmöglich ist, die Begleitung eines Gesangs, den man nicht kennt, genau im voraus anzugeben! Allein sobald der Gesang zu Ende war, bat er die Dame, von vorn wieder anzufangen, und nun spielte er nicht allein mit der rechten Hand das Ganze, sondern fügte zugleich mit der linken den Baß ohne die geringste Verlegenheit hinzu; worauf er zehnmal hintereinander sie ersuchte, von neuem anzufangen, und bei jeder Wiederholung veränderte er den Charakter seiner Begleitung. Er hätte noch zwanzigmal wiederholen lassen, hätte man ihn nicht gebeten, aufzuhören. Ich sehe es wirklich noch kommen, daß dieses Kind mir den Kopf verdreht, höre ich es noch ein einziges Mal; und es macht mir begreiflich, wie schwer es sein muß, sich vor Wahnsinn zu bewahren, wenn man Wunder erlebt. Herrn Mozarts Kinder haben die Bewunderung aller derer erregt, die sie gesehen haben, der Kaiser und die Kaiserin haben sie mit Güte überhäuft. Dieselbe Aufnahme haben sie in München und Mannheim erfahren. Schade, daß man sich hierzulande so wenig auf Musik versteht! –«

Es war das Paris vor Gluck. Und wenn durch dessen Wirksamkeit der Geschmack und das Verständnis des Volkes natürlich nicht im innersten verändert worden sind, so hätte man sich doch später nicht mehr über die geringe Teilnahme an musikalischen Dingen zu beklagen brauchen, denn durch den Streit der Gluckisten und Piccinisten wurden musikalische Fragen in den Vordergrund alles Interesses geschoben. Jetzt aber teilte auch Leopold Mozart diese geringe Einschätzung der Pariser Musikverhältnisse seines Freundes. Von allem, was er an eigentlicher Musik hörte, ließ er nur die Chöre gelten. Stets bemüht, seinem Sohn jede nur mögliche Anregung zu verschaffen, versäumte er mit ihm keine Gelegenheit, diese Chöre zu hören, die ja in der Tat gegenüber der kärglichen Verwendung des Chores in der italienischen Oper bedeutsam hervorstachen. Übrigens hat der kleine Mozart in gewisser Hinsicht Gluck den Weg in Paris bereitet. Er hat den Franzosen gezeigt, daß auch Deutschland musikalische Genies hervorzubringen imstande sei. In Paris erschienen zuerst Kompositionen Mozarts im Druck. Es waren vier Sonaten für Klavier und Violine, deren zwei erste der königlichen Prinzessin Victoire, die andern der Gräfin de Tessé, einer Ehrendame der Dauphine gewidmet waren. Im übrigen fühlte sich der alte Mozart, trotz der Ehrenbezeugungen und der Geschenke, mit denen sie überhäuft wurden, in Paris nicht wohl. Seinem scharfen Blick entging weder die sittliche Verderbtheit des ganzen Lebens noch die Unterwühlung aller sozialen Verhältnisse, wie er sich auch durch den glänzenden äußeren Prunk nicht darüber täuschen ließ, daß in Wirklichkeit eigentlicher Wohlstand nicht vorhanden war.

Am 10. April 1764 reisten sie von Paris ab nach London, wo sie nach zwölftägiger Reise anlangten. Hier waren die Verhältnisse für sie besonders günstig, denn sowohl der König Georg III., der ein leidenschaftlicher Verehrer Händels war, wie auch die Königin Sophie Charlotte waren im besten Sinne musikalisch und fühlten sich in ihrer deutschen Gesinnung zu deutschen Musikern besonders hingezogen. Das hat später ja auch Haydn erfahren. So gelang es den Mozarts schon am 27. April, sich bei Hofe hören zu lassen, und der Vater berichtet frohlockend: »Die uns von beiden hohen Personen bezeugte Gnade ist unbeschreiblich, ihr freundschaftliches Wesen ließ uns gar nicht denken, daß es der König und die Königin von England wären. Man hat uns an allen Höfen noch außerordentlich höflich begegnet, allein was wir hier erfahren haben, übertrifft alles andere.« Die musikalischen Veranstaltungen bei Hofe wiederholten sich bald, und vor allem der junge Wolfgang versetzte alle Welt in Erstaunen, so daß man ihn bald als »das größte Wunder, dessen sich Europa und die Welt überhaupt rühmen kann«, pries. In der Tat verursachte das Reisen und das vielfache öffentliche Auftreten keinerlei Hemmnis in des Knaben musikalischer Entwicklung. Der Vater selber sagt davon: »Es übersteigt alle Einbildungskraft. Das, was er gewußt hat, als wir Salzburg verließen, ist ein purer Schatten gegen das, was er jetzt weiß.« Bald darauf schreibt er in vollberechtigtem Stolze: »Genug ist es, daß mein Mädel eine der geschicktesten Spielerinnen in Europa ist, wenn sie gleich nur 12 Jahre hat; und daß der großmächtige Wolfgang kurz zu sagen alles in diesem seinem achtjährigen Alter weiß, was man von einem Manne von 40 Jahren fordern kann. Mit kurzem, wer es nicht sieht und hört, kann es nicht glauben. Sie selbst, alle in Salzburg wissen nichts davon, denn die Sache ist nun etwas ganz anderes.«

Man geht wohl nicht fehl, wenn man die Ursache, daß die Kinder – auch für Marianne gilt es – unter dem Reisen und durch den Aufenthalt in der Fremde nicht litten, vor allem darin sieht, daß die Eltern stets bei ihnen waren und ihnen überall eine Heimat zu bereiten wußten. Freilich werden wir ja bald und später immer wieder von nicht unbedenklichen Erkrankungen der Kinder, zumal Wolfgangs, zu sprechen haben, die doch wohl zumeist auf diese große und rasche Entfaltung der geistigen Kräfte zurückzuführen sind. Aber das wirkt als unabänderliches Schicksal. Denn bei Mozart vollzieht sich das alles so selbstverständlich und natürlich, daß man nicht das Recht hat, die geistige Entwicklung als willkürlich beschleunigt hinzustellen. Der Genius waltet und schaltet eben nach seinem Belieben mit dem Körper, dem er verbunden ist. Man denke doch, daß Franz Schubert, der niemals auf solche Reisen geführt worden ist, der obendrein von der Natur mit einem gewissen körperlichen Phlegma begnadet worden war – denn es war eine Gnade gegenüber seiner unendlich regen Phantasietätigkeit –, ebenso rasch von dem Feuer verzehrt wurde, das in ihm lohte. Wolfgang war schon als Kind nachts nur mit Gewalt vom Klavier zu entfernen, und wenn man den Kranken auch vom körperlichen Musizieren fernhalten konnte, so ließ sich doch sein Geist nicht zwingen.

Unter den Freunden, die die Künstler in London gewannen. war auch Joh. Seb. Bachs zweitjüngster Sohn, Johann Christian (1735–1782), der sogenannte Mailänder oder englische Bach. Von dem Riesenerbe, das sich die Söhne des die ganze Musik besitzenden Bach teilten, fiel diesem lebenslustigen Manne das leichteste und gefälligste Gebiet zu: er ist ein bedeutender Vertreter der italienischen Oper und verdienter Förderer des leichten, gefälligen Klavierspiels geworden. Dem kleinen Mozart ist er mit väterlichem Wohlwollen entgegengekommen und hat viel mit ihm gemeinsam musiziert. Fleischer (Moz.-Biogr. S. 27) weist mit Recht auf eine gewisse Wesensverwandtschaft zwischen Bach und Mozart hin. Sicher ist, daß der letztere den Londoner Musiker auch als Komponisten sehr hochstellte. »Wer mir den Bach verachtet, der ist ein Narr«, heißt es vierzehn Jahre später in einem Briefe. Die Neigung zum modernen, »galanten« Klavierstil ist freilich noch mehr durch Philipp Emanuel Bach gefördert worden, dessen 1753 erschienenen »Versuch über die wahre Art, das Klavier zu spielen«, der Vater Mozart nicht ohne Nutzen studiert hatte, wie auch seine Violinschule beweist.

Am 5. Juni, einen Tag nach dem Geburtstag des Königs, gaben die Mozarts ihr erstes öffentliches Konzert, das nicht nur einen künstlerischen Triumph, sondern auch eine glänzende Einnahme von über 100 Guineen brachte. Bald darauf erkrankte der Vater an einer heftigen Halsentzündung, und so zog die Familie aufs Land. In der erzwungenen Muße komponierte der Knabe seine erste Sinfonie. Noch drei weitere hat er in London komponiert, so daß in den folgenden Konzerten die Instrumentalmusik fast immer von der Komposition des Knaben war. Sechs Sonaten für Klavier und Violine kamen auch im Stich heraus und trugen eine vom 18. Januar 1765 datierte Widmung an die Königin. Musikgeschichtlich wichtiger ist, daß der neunjährige Knabe eine neue Gattung in die Klaviermusik einführte: die Klaviersonate für vier Hände. Bislang hatte man vielfach auf zwei Flügeln oder auf den zwei – zuweilen an verschiedenen Seiten des Flügels angebrachten – Klaviaturen gespielt. Wolfgang empfing durch das Zusammenspiel mit der Schwester die Anregung, beide Spieler an dieselbe Klaviatur zu setzen. Die so entstandene Kompositionsart gewann rasch Beliebtheit und Verbreitung.

Hier in London bekam Wolfgang auch zum erstenmal die italienische Oper in ihrem Glanze zu hören. Freilich die alte Herrlichkeit, wie sie der gewaltige Händel geschaffen hatte, war längst vorbei. Um so mehr bemühte man sich durch Hinzuziehung einzelner glänzender Virtuosen die Teilnahme zu heben. In diesem Jahre war es der treffliche Sopranist und glänzende Schauspieler Giovanni Manzuoli, der durch Stimme und Vortrag den höchsten Enthusiasmus entfesselte. Bald befreundete er sich mit den Mozarts und gab dem Knaben Unterricht im Gesang. Unter seiner Anweisung und durch das Beispiel anderer hervorragender Sänger wurde das Kind vollendeter Gesangskünstler, wenn natürlich auch die Stimme die eines Knaben war. Das ist von hoher Bedeutung. Wir sehen auch hier wieder, wie ihm alles musikalische Material gleichsam natürlich zu eigen wurde, wie ihm die verschiedensten Formen und Stile aus dem Leben heraus zugingen, und das alles in einem Alter, in dem man noch gar nicht mit einem Erlernten als von außen Überkommenen zu kämpfen hat, sondern wo alles, was man gewinnt, zum natürlichen Eigentum wird.

Die Teilnahme der breiten Öffentlichkeit hielt natürlich auch in London nur so lange vor, wie die beiden Kinder als Sensation wirkten. Man macht sich heute, wo Konzertagenten, Journalisten, Interviewer usw. übereifrig für stets neue Reklame sorgen, nur schwer einen Begriff von der Arbeit, die der Vater Mozart zu leisten hatte, um der Öffentlichkeit immer neue Teilnahme abzugewinnen. So wirkt auch die Anzeige, die er im » Public advertiser« vom 11. Juli 1765 erließ, als kleines Kulturbildchen: »Allen Freunden der Künste! Das größte Wunder, dessen sich Europa, ja die ganze Menschenwelt zu rühmen hat, ist ohne Widerspruch der kleine deutsche Knabe Wolfgang Mozart; ein achtjähriger Junge, der – und wahrhaftig mit größtem Recht – die Bewunderung nicht allein der hervorragendsten Männer Europas, sondern auch der größten Musiker erregt. Es ist schwer zu sagen, was uns in größeres Staunen versetzen muß: sein Spiel auf dem Harpsichord oder sein Vom-Blatt-lesen und -singen, oder seine Capriccios und Phantasien, oder seine Kompositionen für jeder Art Instrumente! Der Vater dieses Wunderknaben, der durch den Wunsch verschiedener vornehmer Damen und Herren genötigt ist, seine Abreise von London noch eine kurze Zeit zu verschieben, will eine Gelegenheit geben, daß man den kleinen Komponisten und seine Schwester, deren musikalisches Wissen auch über jedes Lob erhaben ist, noch hören kann. – Vorstellung jeden Tag der Woche von 12-3 Uhr in dem großen Saal des ›Swan and Hoop Hotels‹ in Cornhill. Eintrittsgeld 2 sh. 6 p. pro Person. – (Die beiden Kinder spielen auch vierhändig zusammen auf dem gleichen Harpsichord, und zwar auf von einem Taschentuch bedeckter Klaviatur, so daß sie die Tasten nicht sehen können.)« Der englische Veröffentlicher hat nicht ganz unrecht, wenn er diese Anzeige als »barnumartig« bezeichnet.

Standhafter war die Teilnahme der Fachleute, die vielfach vor allem Wolfgang einer genauen Prüfung unterzogen. Am gewissenhaftesten tat es der Rechtsgelehrte und Naturforscher Daines Barrington, der besonders Wolfgangs Fähigkeit der Improvisation untersuchte. Aus dem ausführlichen Bericht, den Barrington in wissenschaftlicher Form erstattete, ist besonders auffällig, daß diese improvisierten Kompositionen, wenn auch an sich nicht staunenswert, weit über das Gewöhnliche erhaben waren, auch ohne Rücksicht auf das Alter des Knaben; und für die künstlerische Veranlagung des Kindes bezeichnend ist, daß es sein Augenmerk vor allem auf die Charakteristik des Ausdrucks verlegte, wobei natürlich diese Charakteristik mehr von den Worten her als etwa aus den Charakteren der sie singenden Personen genommen war.

Am 24. Juli 1765 verließen Mozarts London, am 1. August England. Wolfgang hat dem Lande und dem Volke, das ihn so gastlich aufgenommen, dauernd die wärmste Sympathie bewahrt. Noch 1782 nennt er sich einen Erz-Engelländer und freut sich des britischen Sieges bei Gibraltar. Als später die Not so schwer auf seinem Hause lastete, dachte er wiederholt an eine neue Kunstreise nach England, die ihm die pekuniäre Erlösung wohl eben so sicher gebracht hätte, wie Haydn und Weber. Aber der als Knabe so leicht die Welt durchzog, hat es als Mann nicht gekonnt. Da fehlte eben für den zeitlebens Kind gebliebenen die so sorgsame und geschickte Hand, mit der der Vater alle Schwierigkeiten des äußeren Lebens aus dem Weg geräumt hatte.

Das Reiseziel war der Haag, wohin der holländische Hof sie dringend eingeladen. Nach einem unliebsamen, durch Erkrankung von Vater und Sohn veranlaßten Aufenthalt in Lille kamen sie über Gent und Antwerpen gegen Mitte September im Haag an, wo sie in der Ville de Paris, einem geringen Gasthofe, Quartier nahmen. Sie sind über sieben Monate in Holland geblieben, wo sie bei Hof und Volk eine sehr warme Aufnahme fanden, die auch dauerhafter war als anderswo. Leider wurde der Aufenthalt durch die lebensgefährliche Erkrankung erst Mariannens, dann Wolfgangs, zeitweise zu einer sehr schweren Prüfung. Schon am 30. September hatten sie am Hofe des Statthalters gespielt, zehn Tage später war das erste öffentliche Konzert. » De Liefhebbers kunnen na hun plaisir hem Muzick vorleggen, hy zal het zelve voor de vuyst speelen.« Mit diesen Worten rühmt die Anzeige des Knaben Fähigkeit im Vomblattspiel. (Nach Scheuerleer » M.s Verblyf in Nederland« 1883.) Erst am 22. Januar 1766 kam es zum zweiten Konzert; so lange währte die böse Krankheitsperiode. Bemerkenswert ist vor allem, daß der Knabe hier in Holland bereits als vollgültiger Komponist genommen wurde, wie seine Beteiligung an den Feierlichkeiten zur Volljährigkeit des Prinzen von Oranien beweisen.

Erst Mitte April reisten sie ab und kamen über Antwerpen, Utrecht und Mecheln Ende des Monats in Paris an. Es ist sehr bezeichnend, daß sich die Teilnahme des Publikums, trotzdem der Knabe gerade in geistig musikalischer Hinsicht so außerordentlich gewachsen war, nicht wieder in dem Maße einstellen wollte, wie vorher. Man hatte eben die Sensation gehabt, und das auffällig und äußerlich Wunderbare nahm ja mit jedem Tage ab, den der Knabe älter wurde. Einzelne natürlich bezeugten auch jetzt ihre hohe Teilnahme. So fanden zahlreiche Wettkämpfe mit den ausgezeichnetsten Künstlern auf der Orgel, dem Klavier und in der Improvisation statt, bei denen der Knabe zum wenigstens mit großer Ehre bestand. Der Prinz Ferdinand von Braunschweig sprach nur die allgemeine Meinung aus, »daß viele Kapellmeister stürben, ohne das gelernt zu haben, was der Knabe jetzt schon konnte«.

Von der Rückreise, die über Lyon, Genf, Bern, Zürich, Schaffhausen, Donaueschingen führte, ist nichts Besonderes mehr hervorzuheben. Wo sich der Knabe hören ließ, fand er auch die regste Bewunderung. Mitteilenswert ist noch, daß er in Biberach auf der Orgel einen Wettkampf mit Sixtus Bachmann (geb. am 18. Juli 1754 zu Kettershausen, gest. 1818), einem zwei Jahre älteren Wunderkinde, unternahm, der für beide ehrenvoll ausfiel. Ich erwähne das nur, weil Sixtus Bachmann trotz seiner bewundernswerten Wunderkindschaft, später kein über den Durchschnitt hervorragender Komponist oder Musiker geworden ist und somit, im Gegensatz zu Mozart, das gewöhnliche Schicksal der musikalischen Wunderkinder darstellt, die fast alle später im günstigen Falle tüchtige Durchschnittsmusiker geworden sind.

Endlich Ende November 1766 traf die Familie Mozart nach fast 3½ jähriger Abwesenheit wieder in Salzburg ein. Vater Mozart hatte alle Ursache, mit dem Erfolg der Reise zufrieden zu sein. Er brachte einen nicht unbeträchtlichen Gewinn nach Hause. Die Ehrenbezeigungen, die man seinen Kindern erwiesen, hätten auch den verwöhntesten erwachsenen Virtuosen vollauf zufriedenstellen müssen; am meisten aber wird sich der brave Vater darüber gefreut haben, daß er seine Kinder trotz der mehrfachen Krankheiten unterwegs gesund an Körper und Seele zurückbrachte. Der unverdorbene und echt kindlich gebliebene Sinn Wolfgangs betätigte sich in den heimatlichen Mauern wieder in der altgewohnten Weise. Er war eben kein Wunderkind im gewöhnlichen Sinne des Wortes, das die Frühreife des Geistes mit Blasiertheit büßt, sondern schlechthin ein Wunder.

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