Читать книгу Beverly - Blütenlese 1 - Karlee Cox - Страница 5

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Kapitel 2

Beverly wusste nicht zu sagen, warum sie an diesem Wochenende ausgerechnet ins weit entfernte Edinburgh gefahren war. Aber wenn sie darüber nachdachte, dann war es das, was Menschen in ihrer Position einfach mal von Zeit zu Zeit taten, um richtig Spaß zu haben.

Sie war dreißig und zum ersten Mal in ihrem Erwachsenenleben allein. Ihr Mann, Kenneth, war kürzlich gestorben – war das Opfer eines angeborenen Herzfehlers geworden, der trotz der allerbesten medizinischen Versorgung, die ihm durch sein Vermögen zuteil geworden war, irgendwie unentdeckt geblieben war. Eines Tages war sein Leben inmitten eines Tennisspiels auf tragische Weise verkürzt worden. Sein Herz hatte einfach aufgehört zu schlagen, und er war während einer Rückhand auf dem Hartplatz zusammengebrochen, indessen sein entsetzter Mitspieler zugesehen hatte. Ihr war noch gesagt worden, dass er den Punkt gemacht habe – es also alles nicht so Schrecklich sei.

Sie nahm an, dass alle von ihr erwarten würde, das Bild einer verzweifelten Witwe abzugeben, die nun ohne ihren Seelenverwandten haltlos durchs Leben trieb – und sie hätte sich gewünscht, es wäre so gewesen. Aber tatsächlich war Kenneth in ihren Augen zu einem echten Arschloch mutiert. Ein unehrlicher, verlogener, beleidigender Scheißkerl, der ihr kurzes Leben von dem Moment an zur Hölle machte, als sie ihn im zarten Alter von gerade einmal neunzehn Jahren ehelichte. Er war ihre erste und große Liebe an der High School gewesen – und auch als sie widerwillig von ihren zwanzigern in ihre dreißiger Jahre abrutschte, war er es immer noch.

Aber es war nicht Kenneth allein. Nein, bei weitem nicht, ging es ihr durch den Kopf. Er hat es geliebt zu ficken und hat es mit einer schier unbeschreiblichen Missachtung der Konsequenzen getan. Sie hatte von seiner Geliebten in Liverpool gewusst, den billigen Huren, die ihn an seinen langen Wochenenden bedienten, wenn er wieder einmal an einer Konferenz teilnahm. Sie wusste über die Mädchen in den Bars Bescheid und über die Affäre, die er mit der minderjährigen Nichte seines besten Freundes gehabt hatte – ein schmutziges Verhältnis, das ihn ins Gefängnis zu bringen drohte, wozu es aber nach Zahlung einer nicht unerheblichen Summe nicht kam.

Und da war sie selbst. Beverly Walsh, geborene Turner, Klassensprecherin, Ballkönigin, Cheerleaderin und auf der gesellschaftlich falschen Seite geboren. Ihre Ehe mit Kenneth war ein Märchen, das zu einem Albtraum avancierte – ein Jahrzehnt des Verleugnens und Wünschens, eines Herumgezeigtwerdens wie ein wertvoller Besitz. Sie war zu seiner Puppe geworden, gekleidet wie eine der ›Frauen von Stepford‹, die posieren durfte und Freunden präsentiert wurde. Und die ganze Zeit litt sie unter dem steten Betrug, den Lügen und Demütigungen.

Dann starb Kenneth und sie trauerte nicht, wenngleich sie es schaffte im schwarzen Gewand der Untröstlichen in der Öffentlichkeit bittere Tränen zu weinen, als sie seinen kranken Kadaver – anders konnte sie es nicht bezeichnen – in die Erde senkten. Auch wenn sie es allen glauben machte, so war es nicht Kenneth, für den sie weinte. Ihre Tränen galten ihrem Leben, ihrer Jugend, ihren besten Jahren, die sie durch ihre unüberlegte Heirat verloren hatte.

Nur hinter verschlossenen Türen erlaubte sie sich etwas zu fühlen, das sie seit einem Jahrzehnt nicht mehr empfunden hatte: Hoffnung, Möglichkeiten und Potenzial. Sie war nun unglaublich reich, jenseits ihrer wildesten Träume. So verwerflich ihr Mann auch gewesen war, so finanziell anspruchsvoll war er es auf der anderen Seite. Seine beträchtliche Versicherungsprämie sorgte dafür, dass sie in ihrem Leben nie einen Tag würde arbeiten müssen. Sie besaß eine riesige Villa, Investments, Autos und Kunstwerke – und sie tauchte in die Opulenz ein, verbrachte sie mit wilden Ausgaben, immer mit einem Auge darauf achtend, nicht mehr als die hereinkommenden Zinsen zu verbrauchen. Aber auch diese gewisse Extravaganz hielt nicht lange an. Sie sehnte sich nach etwas. Etwas, das sie nicht identifizieren konnte. Etwas, das in ihrem Kopf bis dahin noch kein voll ausgebildeter Drang war.

*

Was in Edinburgh geschieht, bleibt in Edinburgh, dachte sie, als sie die überfüllte Bar des Hotels studierte, in dem sie sich befand. Sie war sich nicht sicher, warum sie nach Edinburgh gekommen war, aber sie wusste genau, warum sie sich an diesem Abend in der Bar befand – und auch, warum sie sich in das schickste, ihre Figur betonendes Minikleid gegossen hatte, das sie ihr eigen nannte. Warum sie High Heels gewählt hatte, die um mehrere Zentimeter zu hoch und um einige Grade zu sexy waren; und auch warum sie honigblondes Haar so gesteckt hatte, dass es ihre nackten Schultern und die sinnliche Einbuchtung ihres Dekolettés enthüllte.

Beverly ließ ihre Augen über die Bar gleiten und erblickte sich dabei in deren gegenüberliegenden, gespiegelten Fläche der Glas- und Flaschenregale. Ich sehe aus wie das Abbild einer Hure, dachte sie still, nicht zu unterscheiden von den unzähligen identischen Mädchen um mich herum. Sie lächelte versteckt. Alle gekleidet in ihre Uniformen bestimmter, gegenseitiger Absicht ... Sie alle sprechen eine klare Einladung aus: Hey, schau her, ich will ficken und gefickt werden.

Ihre Augen wanderten über den Spiegel und musterten den Raum hinter ihr. Sie sah, dass ihre Kleidung die Aufmerksamkeit anderer Hotelgäste auf sich zog – hauptsächlich Geschäftsleute mittleren Alters, Konferenzteilnehmer, die sich am Rouletterad der in der Bar anwesenden Mädchen versuchen wollten, ehe sie begannen ihre Verluste einzugrenzen und eine der Nummern aus den bunten Tageszeitungen wählten, die in dieser lasterhaften Stadt ihre schmierigen Liebesdienste feilboten.

Sie schauderte, als sie sich deren diesbezüglicher Überprüfung aussetzte – fette, glatzköpfige Typen, teils unrasiert, in schlecht sitzenden Anzügen und Krawatten, die eine Iteration des ersten waren. In jedem einzelnen von ihnen sah sie Kenneth und eine Zukunft, die nie beginnen – einen Wunsch, der keine Erfüllung finden würde. Sie wandte ihre Augen vom Spiegel ab und richtete sie auf das Getränk vor sich – bunt und extravagant, wie so vieles in Edinburgh.

Verdammte Scheiße, was mache ich hier nur?, schoss es ihr durch den Kopf. Das bin doch nicht ich!

Plötzlich ertönte auf der anderen Seite der Bar ein Geräusch – ein lautes Keuchen und Brüllen, die rituellen Schreie männlicher Kameradschaft nach Genuss von reichlich Alkohol.

Beverly sah sich um und lokalisierte den Tumult. Er kam von einem Tisch von vielleicht acht Personen – sechs Männern und zwei Frauen. Sie tranken viel, hielten die Gläser hoch und erhoben ihre Stimmen. Die Männer trugen eine identische geschäftsmäßige Schlauheit zur Schau, die durch das Fortschreiten des Alkoholkonsums gemindert wurde, was dazu führte, dass ihre Hemden knitterten und sich ihre kreischenden Krawatten lockerten. Die beiden Mädchen waren knackig und maskulin gekleidet. In ihren Manieren und Verhaltensweisen äfften sie die Schar der Männer nach und schrien mit Stimmen, die unbedingt dazugehören wollten, um Jungen gleich akzeptiert zu werden. Es musste sich eindeutig um Kollegen handeln, die einen flüchtigen wirtschaftlichen Erfolg feierten – einen Deal oder Vertragsabschluss. Aber vielleicht genossen sie auch nur die Freiheit einer Edinburgher Fantasie – eine vorübergehende Flucht aus der realen Welt ihres sonst tödlich langweiligen Lebens.

Einer der Männer der Gruppe sackte in seinem Stuhl zusammen und fiel nach hinten, wobei er die Sicht auf eine neunte Person freigab, die Beverly zuvor nicht bemerkt hatte.

Es war eine weitere Frau, die klein zu sein schien und, im Vergleich zu ihren äußerst frechen Schwestern, eher schüchtern wirkte. Sie schrumpfte förmlich in die Ecke des Tisches zurück und blickte mit einem verstörten Gesichtsausdruck auf ihren Drink. Sie war zierlich und attraktiv, auf eine untertriebene Weise. Ihre Haut war blass und zart, ihr Gesicht von einem Bob umrahmt, der ihr etwas Elfenhaftes verlieh – und das Dunkle ihres Haares war ein faszinierender Kontrast zu ihrer hellen Haut.

Auf Beverly machte ihre auffallende Nervosität den Eindruck, sich fehl am Platz zu fühlen. Ob sie vielleicht eine Praktikantin ist, fragte sie sich, die sich gerade in einer Welt wiederfindet, für die sie noch nicht bereit ist? Auf eine seltsame Weise fühlte sie sich zu dem Mädchen hingezogen – unfähig, ihren Blick von ihr abzuwenden.

Plötzlich blickte die dunkelhaarige Elfe auf und schaute in Beverlys Richtung, als hätte sie gespürt, dass ihr Blick auf ihr ruhte.

Als Beverly bewusst wurde, wie sehr sie das Mädchen anstarrte, wandte sie ihren Blick schnell wieder ihrem Getränk und der Bar vor sich zu. Doch nach einigen Minuten wagte sie es erneut zu ihr hinüberzuschauen und bemerkte, dass die Elfe immer noch zu ihr herübersah – mit einem Ausdruck entfernter Konzentration auf dem Gesicht, der besagte: »Komm' zu mir ... und rette mich!«

Sie schenkte ihr ein Lächeln, und die süße Elfe lächelte zart zurück, ehe sie verlegen wegschaute. Gedankenverloren wandte sich Beverly wieder ihrem Drink zu. In diesem Augenblick wusste sie es. Sie wusste, was sie wollte und warum sie an diesem Abend in die Bar gekommen war. Sie wusste, warum es sie nach Edinburgh getrieben hatte. Es war ein Gedanke, der in ihrem Kopf sein Unwesen trieb, – ungebeten und unerwartet –, aber hatte sie direkt völlig in der Hand und nistete sich ohne jeden Widerstand und Überraschung in ihrer Psyche ein.

Sie griff nach vorne, nahm eine Serviette vom Stapel rechts neben ihr und ließ sich einen Stift vom Keeper geben. Dann begann sie zu schreiben:

Du findest mich auf Zimmer 817.

Triff mich dort in einer Viertelstunde.‹

Beverly betrachtete die Notiz, drehte sie in ihren Händen und unterdrückte den flüchtigen Drang, sie zu zerreißen und die ganze verrückte Idee zu vergessen. Stattdessen signalisierte sie noch einmal dem Barkeeper.

»Ja, Ma'am«, fragte der ältere Mann in der schicken Hoteluniform.

»Sehen Sie das Mädchen dort drüben an dem Tisch? Die kleine Brünette, die aussieht, als ob sie wünschte, sie wäre woanders?«

Der Barkeeper folgte ihrer Geste und nickte lächelnd. »Sieht aus als würde sie sich nicht gerade amüsieren«, grinste er.

»Ich möchte, dass Sie ihr einen Drink auf meine Kosten spendieren und auf meine Zimmernummer schreiben. Und wenn Sie bei ihr sind, dann geben Sie ihr bitte diese Notiz«, erklärte Beverly ihm und konnte kaum glauben, was sie da tat.

Der Barkeeper grinste sie wissend an. Seine Augen huschten über ihr Gesicht, hin zum offenherzigen Ausschnitt. Er verkniff sich eine Bemerkung, und es war klar, dass er eine solche Situation schon häufiger erlebt hatte. »Gerne, Ma'am. Zimmer 817 in einer Viertelstunde, nicht wahr?«

Beverly lächelte warm. »Ja, und hier ist etwas für Sie.« Sie griff in ihre Handtasche und schob ihm eine Zehnpfundnote über den Tresen.

Der Barmann schnippte mit den Fingern. »Herzlichen Dank, Ma'am«, nickte er und wandte sich ab, um der Elfe einen Drink zu bereiten. Einen Gin Tonic, passend zu dem, der unberührt vor dem Mädchen stand.

Beverly wartete eine Minute und nahm noch einen letzten Schluck von ihrem eigenen Getränk, als sich der Barkeeper mit dem Glas ausliefernd auf den Weg machte. Dann drehte sie sich um und ging. Als sie noch einmal kurz zu ihr hinüberblickte, sah sie das Mädchen, das, mit einem Ausdruck der Überraschung auf dem Gesicht und mit großen Augen, auf die entfaltete Serviette in ihren Händen starrte.

Die Brünette schaute in ihre Richtung, als Beverly an ihr vorbeischritt.

Beverly schenkte ihr ein selbstbewusstes Lächeln.

Augenblicklich verschwand der überraschte Ausdruck vom Gesicht der süßen Elfe und wurde durch etwas anderes ersetzt: Akzeptanz.

***

Beverly - Blütenlese 1

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