Читать книгу Ritter David - Karlheinz Huber - Страница 4

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Der Drache

David stand an der Tür zum Kaminzimmer und lauschte. Sein Vater Daniel, sein Onkel und fünf weitere Ritter hatten sich auf der Grimmburg zusammengefunden. Keiner wusste warum. Und genau das wollte David herausfinden.

Ein Räuspern erschreckte ihn, und er drehte sich um. Seine Mutter stand mit verschränkten Armen hinter ihm.

„Komm mit, du neugieriger Ritter“, sagte sie und lief zur Küche.

David folgte ihr und hob erstaunt die Augenbrauen, als seine Mutter stumm auf sieben Weinkrüge zeigte. Er verstand, grinste über beide Ohren, schnappte sich das Tablett und lief damit ins Kaminzimmer. Vorsichtig stellte er es am Kopfende des Tisches ab und verteilte die Krüge. Dabei spitzte er die Ohren und lauschte der Unterhaltung.

„Ich glaube nicht an Drachen.“

„Aber irgendetwas tut sich am Drachenfels.“

„Was es auch ist, wir sollten versuchen, es herauszufinden.“

„Die Bewohner der Umgebung werden unruhig.“

„Der Pfalzgraf und die Leininger Herrschaft trauen sich nicht mehr auf ihre Jagdschlösser.“

„Hört, hört, das soll was heißen.“

„Burg Schlosseck wurde schon aufgegeben.“

„Nonnenfels wird die nächste Burg sein.“

Nachdem David den letzten Krug abstellte, nahm er das Tablett und lief Richtung Tür.

„David, bleib bitte hier und setze dich zu uns“, sagte sein Vater. Erschrocken gehorchte er.

„Das ist mein Sohn David. Bald wird er zur Ritterausbildung abberufen.“

Fünf Augenpaare schauten ihn misstrauisch an, nur sein Onkel grinste.

„Also ist es beschlossen! Wir werden morgen bei Sonnenaufgang losreiten und uns selbst ein Bild machen. Das Jagdschloss Schaudichnichtum wird unsere Herberge sein. Von dort können wir zu Fuß zum Drachenfels. Ich werde meinen Sohn mitnehmen, er wird uns als Knappe dienlich sein“, fuhr sein Vater fort.

„Den Grünschnabel da“, rief einer der Ritter und zeigte auf David, der erschrocken in sich zusammensackte.

„Hast du etwas dagegen?“, antwortete sein Vater.

„Nein, Entschuldigung Daniel“, stammelte der Angesprochene, und damit war die Runde beendet.

Jeder trank seinen Krug leer, knallte ihn auf den Tisch und verabschiedete sich. David war mit seinem Vater und dem Onkel alleine.

„So, mein Sohn! Ich kläre dich auf. Man sagt, auf dem Drachenfels hause ein echter Drache. Nachts würde er aus der Höhle kommen und Angst und Schrecken verbreiten. Jede Nacht hinge eine dunkle Rauchwolke über dem Berg und seltsame Geräusche wären zu hören. Niemand traut sich mehr in die Nähe des Berges“, sagte sein Vater.

Onkel Andreas ergänzte: „Du weißt David, wie leichtgläubig das Volk ist. Einer redet und alle glauben es. Doch hier ist es anders. Ein Ritter in Diensten des Leininger Grafen hat die glühenden Augen und das Feuer des Drachens nicht nur gesehen, es hat ihm sämtliche Haare vom Kopf verbrannt.“

„Und ihr geht der Sache auf den Grund?“, antwortete David eingeschüchtert.

„Ganz genau. Wir werden mit den anderen morgen losreiten. Andreas bleibt hier auf der Burg. Zu viel Gesindel ist zurzeit in unserer Gegend. Ich werde kein Risiko eingehen und die Grimmburg ohne Schutz zurücklassen“, sagte sein Vater.

David schlief schlecht in dieser Nacht. Lange vor dem Morgengrauen stand er auf, um seinen Dienst als Knappe anzutreten. Sein Vater staunte, als er die beiden bepackten Pferde sah, zwischen denen sein Sohn, bereit zum Aufbruch, stand. Schweigend ritten sie gegen Westen mit der aufgehenden Sonne im Rücken. Als sie das Kloster Limburg erreichten, stieß der letzte Ritter zu ihnen.

Am Lauf der Isenach entlang führte ihr Weg zur riesigen Hardenburg. Die Burgherren luden die Ritter ein, die Nacht auf der Burg zu verbringen, was sie dankbar annahmen. David ritt als letzter in der Reihe - mit den vier Packpferden, für die er verantwortlich war - in die Burg ein.

Als er den Rittern folgen wollte, wurde er vom Stallburschen grob festgehalten: „Wohin des Weges, du Tölpel? Du fühlst dich wohl schon als Ritter. Kümmere dich um die Pferde der edlen Herren. Oder dachtest du, ich erledige das für dich“, sagte er lachend und verschwand.

David seufzte und kümmerte sich um die Pferde. Nach zwei Stunden mühevoller Arbeit legte er sich ins Stroh und schlief sofort ein.

Sein Vater weckte ihn am Morgen mit einer Scheibe frischem Brot. Dankbar verschlang er sein Frühstück und bereitete die Pferde vor.

Nach einer Stunde waren sie wieder unterwegs. Die Burgherren hatten sie mit frischem Proviant versorgt und mit der Bitte, das Problem unbedingt zu lösen, auf den Weg geschickt. Wenig später passierten sie die Burg Nonnenfels. Am Aufgang zur verlassenen Burg Schlosseck machten sie Rast.

David kümmerte sich um die Pferde, als sein Vater zu ihm kam.

„Alles klar bei dir, mein Sohn?“, fragte er.

David antwortete: „Vater, warum haben die Jagdschlösser so komische Namen: Murmelnichtviel, Kehrdichannichts und Schaudichnichtum?“

„Die Jagdhütten wechselten in der Vergangenheit ständig ihren Besitzer. Einmal gehörten sie den Leininger Grafen und ein andermal dem Pfalzgrafen. Damit sich niemand traute, in den Revieren zu jagen, entstanden die Namen im Volksmund“, antwortete sein Vater.

Nach einer Pause fuhr er fort: „Wir werden jetzt quer durch den Wald reiten. Gib acht auf die Pferde, es gibt Wölfe, Füchse und anderes Getier. Die Gäule sind empfindlich und erschrecken leicht.“

„Kurze Zügel und aufmerksam sein“, erwiderte David. Sein Vater nickte mit einem Lächeln und gab den Befehl zum Aufbruch.

Ohne Zwischenfälle passierten sie das kleine verlassene Jagdschloss Murmelnichtviel. Der Jagdhütte Kehrdichannichts schenkten sie keine Beachtung. Am späten Nachmittag erreichten sie das Schloss Schaudichnichtum - ihr Ziel. Der Stall war groß genug für alle Pferde, und David machte sich an die Arbeit.

Die Ritter betraten das Jagdschloss und richteten sich ein. Daniel bestieg den kleinen Turm und sah nachdenklich zum Drachenfels.

Kein Rauch oder Feuer war zu sehen. Still lag der mächtige Fels auf dem Rücken des Berges.

Gemeinsam nahmen sie das Nachtmahl ein. David kümmerte sich um das Geschirr, als einer der Ritter in die Küche trat.

„Wenn du hier fertig bist, wirst du die erste Wache auf dem Turm übernehmen. Dann darfst du in den Stall zum Schlafen“, sagte er unfreundlich und verschwand wieder.

„Ritter Otto kann mich nicht leiden“, flüsterte David. Doch er machte sich nichts daraus. Immerhin übernahm er die erste Wache, damit war er zufrieden. Froh gelaunt erklomm er nach getaner Arbeit die Stufen des Turmes. Oben angekommen, richtete er seinen Blick zum Drachenfelsen.

Langsam brach die Dunkelheit herein und David hatte Mühe, sich wach zu halten. Nach einer weiteren Stunde rieb er sich die Augen - und stutzte! Das Innere der Höhle glühte, aus jeder Öffnung des Drachenfelsens trat ein Lichtschein und hüllte den Felsen in ein unheimliches rötliches Licht.

„Als wäre ein Drachen zum Leben erweckt worden“, wisperte David, und eine Gänsehaut lief über seinen Rücken. Dann sah er den Rauch aus den oberen Höhlenöffnungen austreten.

„Ich muss das den anderen zeigen, sonst glauben sie mir nicht“, sagte er und rannte die Treppe nach unten.

Wenig später standen sechs Ritter dicht gedrängt auf dem Turm und schauten sprachlos zum Drachenfels.

„Morgen werden wir uns die Sache vor Ort ansehen. Lasst uns jetzt schlafen. Eine Wache wird nicht mehr nötig sein“, sagte Otto und stieg die Treppen hinab.

Am nächsten Morgen machten sie sich zu Fuß auf den Weg. Daniel nahm seinen Sohn zur Seite und flüsterte: „Deine Aufgabe wird sein, dich in der Nähe des Höhleneingangs zu verstecken und zu beobachten. Ich will jede Kleinigkeit wissen, die du sehen wirst.“

„Ja, Vater“, antwortete David und ließ sich wieder ans Ende der Gruppe zurückfallen.

Zur Mittagsstunde erreichten sie das Bergplateau am größten Höhleneingang.

David blieb wie versprochen im Unterholz zurück und beobachtete. Aus seiner Position heraus sah er nicht viel. Er beschloss, zu den kleineren Höhleneingängen zu seiner Rechten zu schleichen. Hinter einem umgestürzten Baumstamm fand er die perfekte Position und erschrak fürchterlich, als ein Brüllen erklang, das durch Mark und Bein ging.

Die Ritter hatten sich in einem Halbkreis vor dem Eingang aufgestellt, als das Brüllen ertönte.

Sie hielten sich die Ohren zu, doch sie sahen mit eigenen Augen, wie zwei glühende Punkte aus dem Inneren der Höhle direkt auf sie zukamen.

„Verschwindet von hier, oder ich verbrenne euch zu Staub“, brüllte der Drache, und eine Stichflamme schoss auf die Männer zu. Sie wichen gerade noch rechtzeitig aus. Verängstigt rannten sie davon. Nur Otto und Daniel blieben stehen.

Otto war wütend und schritt mutig auf den Drachen zu. Er rief: „Ich habe keine Angst vor dir. Zeige dich und kämpfe mit mir.“

Das Brüllen setzte wieder ein und ein Feuerstrahl schoss auf Otto zu. Geistesgegenwärtig sprang Daniel auf und warf ihn zur Seite. Aus dem Augenwinkel sahen beide, dass der Feuerstrahl ihn direkt getroffen hätte.

„Lass uns verschwinden“, rief Daniel über das Brüllen hinweg. Otto nickte.

Plötzlich fiel Daniel ein, dass sie David vergessen hatten. Er blieb stehen und sagte: „Wir haben David vergessen.“

Otto antwortete: „Dein Sohn ist alt genug, um auf sich selbst aufzupassen. Lass ihn nur weiter beobachten, vielleicht bekommen wir nützliche Informationen.“

Daniel war es zwar nicht recht, aber er beugte sich dem Vorschlag, und beide liefen zum Jagdschloss zurück.

- – -

David erstarrte, als er den Feuerstrahl sah. Am liebsten wäre er mit den anderen zurück in den Wald gerannt. Aber er hatte eine Aufgabe zu erledigen! Er beobachtete jede Kleinigkeit, die er in den Löchern erhaschte und saugte sie auf. Aber was er sah, machte ihn eher ratloser. Vor allem, als er Menschenstimmen vernahm. Er verstand die Sprache nicht, aber das höhnische Gelächter war eindeutig.

Er blieb bis zum späten Nachmittag auf seinem Posten. Erst, nachdem die Dämmerung einsetzte, lief er zurück zum Jagdschloss.

Sein Vater stand vor dem Eingang und freute sich, seinen Sohn unversehrt wieder zu sehen. Alle versammelten sich und lauschten Davids Worten.

Nachdem er alles erzählt hatte, starrte er in viele ungläubige Gesichter.

„Stimmen in einer fremden Sprache, Holzräder und ein Metallzylinder - so ein Quatsch! Dein Junge wird eingeschlafen sein. Dort haust ein Drache, das haben wir mit eigenen Augen gesehen“, sagten die vier Ritter, die als Erste das Weite gesucht hatten.

Daniel legte David die Hand auf die Schulter und lief mit ihm nach draußen.

„Ich glaube dir“, sagte er, und eine Stimme aus dem Hintergrund rief: „ich ebenfalls.“

Es war die Stimme von Otto, der sich zu ihnen gesellte. Überrascht hob David seine Augenbrauen.

„Wir drei werden heute Nacht zurückkehren und dem Geheimnis auf den Grund gehen“, sagte Otto.

„Die anderen Bauerntölpel lassen sich zu leicht ins Bockshorn jagen. Lasst uns schwarze Kleidung anziehen und dunkle Tücher überziehen. Es ist Vollmond, und wir wollen nicht entdeckt werden“, flüsterte Daniel.

Eine Stunde später schlichen drei Gestalten zum Drachenfelsen, der wieder zu Glühen angefangen hatte und Rauch spuckte. Als sie die Stelle erreichten, an der David seine Beobachtung gemacht hatte, legten sie sich hinter dem Baumstamm in Deckung.

Schritte! Sie hörten eindeutig Schritte von mehreren Personen - und die kamen genau auf ihr Versteck zu! Sie duckten sich und wurden eins mit der Dunkelheit. In Kaftan gehüllte Gestalten sammelten Holz. Daniel gab seinen Gefährten zu verstehen, die Augen zu schließen, um nicht gesehen zu werden. David und Otto schlossen gerade die Augen, als eine der Gestalten auf den Baumstamm - ihre Deckung - stieg.

Der Mann sagte etwas, was sie nicht verstanden. Ein weiterer Kerl betrat den Stamm. Alle drei hielten den Atem an! Wenn die Männer über den Baumstamm springen würden, wären sie schutzlos.

Davids Nase juckte. Panisch versuchte er, sich gegen das Niesen zu wehren - doch es half nichts!

Als die beiden Fremden den Stamm verlassen hatten und auf dem Rückweg waren, konnte er es nicht mehr unterdrücken. Die Männer hörten das Geräusch und blieben stehen. Daniel, der die Augen wieder geöffnet hatte, schaute sich um, schnappte nach einem Stock und warf ihn ins Tal. Die beiden Männer lachten und entfernten sich. Daniel atmete erleichtert auf und schaute über den Baumstamm. Der Felsen glühte durch die vielen kleineren Höhleneingänge. Er beobachtete eine Weile, dann zog er sich zurück.

„Mindestens fünfzehn Männer, die alle Holz sammeln, habe ich gezählt“, flüsterte er.

„Im Inneren sind bestimmt auch noch welche“, erwiderte David.

„Ich hab doch gleich gesagt, dass es keine Drachen gibt“, raunte Otto.

„David, du bist der Leichteste. Ich werde dich hochhieven, damit du ins Innere der Höhle schauen kannst. Otto, du warnst uns mit dem Ruf der Eule“, sagte Daniel und verließ das Versteck. Die Holzsammler waren ins Innere der Höhle verschwunden.

Vater und Sohn schlichen auf den Fels zu. David zeigte auf eine Stelle mit einem kleinen Felsvorsprung, über dem sich ein Loch im Felsen befand. Daniel nickte und hievte David nach oben.

Plötzlich hörten sie Schritte und gleichzeitig den Ruf einer Eule. Daniel stand schutzlos vor dem Felsen! Gleich würde jemand um die kleine Biegung kommen und ihm direkt in die Arme laufen. Zwei Hände packten ihn am Kragen und zogen ihn nach oben - gerade noch rechtzeitig! David hielt mit aller Kraft seinen Vater in die Höhe, bis der sich selbst am Felsvorsprung festhalten konnte. Erschöpft lehnte er sich zurück und hörte, wie unter ihm ein Mann vorbei lief. Sie verharrten, bis keine Schritte mehr zu hören waren. Dann flüsterte Daniel: „Das war knapp.“

David nickte und schaute durch das Loch ins Innere der Höhle. Nachdem er genug gesehen hatte, tauschten sie die Plätze und Daniel starrte hinein. Der Ruf einer Eule erklang, und David zupfte an der Tunika seines Vaters. Beide warteten, bis der Wachposten vorüber war, dann stiegen sie hinab und eilten auf Otto zu.

Zu dritt kamen sie nach einer Stunde am Jagdschloss an. Sie weckten die anderen und Daniel erzählte, was er gesehen hatte.

„Ich sah ein Gestell auf Rädern, mit einem riesigen Blasebalg, an der Seite hing ein Metalltrichter.

In der Mitte der Höhle brannte ein Feuer, über dem ein ungeheuer großer Kessel hing. Davor stand ein Mann in einem langen Mantel und warf Zutaten in den Bottich. Es sah aus, als würde er das gegen seinen Willen tun“.

„Vielleicht ist es ein Alchemist“, warf Otto ein.

„Das wäre möglich. Jedenfalls sind es ungefähr dreißig Männer, in Kaftane gehüllt und mit Krummsäbeln bewaffnet.

David, du reitest zur Hardenburg und forderst vierzig Männer, die schnellstmöglich hierher kommen sollen“, fuhr Daniel fort.

„Nein, ich werde reiten! Dein Sohn hat schon genug für uns getan, er soll sich ausruhen“, sagte Otto und stand auf. David war sprachlos. Da keiner widersprach, machte sich Otto sofort auf den Weg.

Ausgeruht empfingen sie am nächsten Abend vierzig Männer. Daniel hatte schon einen Plan zurechtgelegt. Sie teilten sich in zwei Gruppen auf.

Bei Einbruch der Dunkelheit liefen sie los. Otto führte seine Gruppe zum Haupteingang, während Daniel die andere Hälfte auf die kleinen Höhleneingänge verteilte.

Wie abgesprochen, schrie Otto: „Na, Drache! Komm raus, ich hab was für dich.“

Das laute Brüllen erklang.

Obwohl sich alle Moos in die Ohren gestopft hatten, zitterte der ein oder andere.

Ein Feuerstrahl schoss aus der Höhle, doch Otto war gewarnt und hüpfte zur Seite.

„Ist das alles, was du zu bieten hast?“, rief er und lachte dabei.

Ein weiterer Strahl drang aus der Höhle. Darauf hatte Otto gewartet. Als der Strahl abebbte, gab er das Zeichen zum Stürmen der Höhle.

Gleichzeitig sprangen Daniel, David und weitere Männer durch die kleinen Eingänge. Der Feind war so überrascht, dass der Kampf erst gar nicht stattfand. Die Übermacht der Ritter drängte die Fremden in eine Ecke und entwaffneten sie.

Daniel lief zu dem Mann im langen Mantel, der sofort auf die Knie fiel und um sein Leben flehte.

Daniel legte ihm die Hand auf die Schulter und sagte: „Wir werden dir nichts zu Leide tun.“

„Ich bin Bruno von der Weide, ein Alchemist. Diese Männer haben mich entführt und von mir verlangt, Gold herzustellen. Ich habe dem Pack immer wieder gesagt, ohne den Stein des Weisen funktioniert das nicht, doch die haben nicht auf mich gehört. Sie haben mich gezwungen, jede Nacht vor diesem Kessel zu stehen und Gold herzustellen. Ich habe ihnen gesagt, dass ich nur das weiße Gold herstellen kann, doch mit Porzellan gaben sie sich nicht zufrieden.“

„Jetzt bist du frei, guter Mann“, antwortete Otto, der sich zu ihnen gesellt hatte.

David lief um das Gestell herum und schaute sich die Konstruktion genau an. Er war beeindruckt, was die Fremden gebaut hatten.

„Na, hast du verstanden, wie der Drache funktioniert?“, fragte sein Vater, der neben ihm stand.

„Ich glaube, ja. In dieser Feuerschale wird mit dem Blasebalg der Strahl erzeugt. Die beiden Eimer werden mit glühender Kohle gefüllt, damit sie aussehen wie Augen. Die Räder sorgen dafür, dass sie beweglich bleiben, und der Trichter verstärkt die Töne. Also ein Drache, der keiner ist“, erwiderte David.

„Stimmt, mein Sohn“, lachte Daniel und gab das Kommando, die Fremden zu fesseln.

Bald schon verabschiedeten sich Vater und Sohn von den anderen und machten sich auf den Heimweg. Otto würde die Gruppe zur Hardenburg führen und dort ins Verlies stecken. Die Leininger Grafen würden sich dann um sie kümmern.

„Vater, ich danke dir, dass du mich auf dieses Abenteuer mitgenommen hast“, sagte David.

Daniel antwortete: „Bald schon wird deine Ausbildung anfangen, und du wirst viele Abenteuer bestehen. Je besser du darauf vorbereitet bist, umso leichter wird es dir fallen.“

Frische Fische

An einem Sommermorgen liefen David und sein Freund Jakob zum großen Fluss, um Fische für das Abendessen zu fangen. Zwei selbstgebastelte Angelruten, Würmer, etwas Proviant und zwei Eimer reichten ihnen als Ausrüstung. Sie schlenderten gemütlich aus der Grimmburg in Richtung Rhein.

Nach einer Stunde waren sie an der richtigen Stelle angekommen und bauten ihre Angelruten auf. Die Sonne schien am frühen Morgen, und es würde ein schöner Tag werden.

Sie legten sich im grünen Gras neben ihre Ruten, und beinahe wäre David eingeschlafen. Auf einmal zuckte seine Angel. Er spritzte auf und griff nach der Rute, um den Fisch an Land zu ziehen – aber der Fisch war stark, sehr stark! So sehr David sich auch anstrengte, er schaffte es nicht alleine. Doch wo war Jakob?

Plötzlich zog der Fisch so fest an der Angel, dass sich David nicht mehr halten konnte und kopfüber in den Fluss stürzte. Die Rute fest umklammert, wurde er immer weiter weg vom Ufer gezogen. Auf einmal geriet er unter Wasser, und zwei große Fischaugen starrten ihn traurig an.

Das war das Letzte, was er sah!

David erwachte und starrte in zwei Augen, die nicht traurig, sondern wunderschön waren. Er spuckte etwas Wasser und fragte: „Bin ich im Himmel?“

Die Augen wurden kleiner, es erschien ein Gesicht und dann erklang ein süßes Lachen.

David sagte: „Ich bin im Himmel, und du bist ein Engel.“

Das hübsche Gesicht lachte lauter und antwortete: „Danke für das Kompliment, aber ich muss dich enttäuschen. Du bist nicht im Himmel gelandet, sondern bei mir auf meinem Boot.“

Langsam richtete sich David auf und sah sich die Umgebung genauer an. Er lag pitschnass auf dem Boden eines Bootes, mitten auf dem Rhein. Vor sich sah er ein Mädchen, aber irgendetwas war komisch an ihr. Er war so fasziniert, dass ihm nicht gleich auffiel, dass sie nicht in hübsche Kleider gehüllt war, wie alle Mädchen, die er kannte. Sie hatte ein Hemd und eine Hose an, wie ein Junge. Er setzte sich auf und fragte: „Wer bist du, und wie komme ich hierher?“

Sein vermeintlicher Engel antwortete: „Ich bin Anna, die Flusshändlerin, und ich habe dich zappelnd aus dem Wasser in mein Boot gezogen. Wer bist du?“

„Ich bin David, Sohn des Ritters Daniel von der Grimmburg. Ein großer Fisch hat mich beim Angeln in den Fluss gezogen.“

„Dann würde ich mal sagen, dass du deine Klamotten ausziehst, um sie zu trocknen“, erwiderte Anna.

David wurde plötzlich rot, weil ihm einfiel, dass er dann ja nackt vor ihr stehen würde. Anna schmunzelte und warf ihm ein paar trockene Hosen und ein Hemd zu. Dann drehte sie sich anstandsmäßig um.

Als David umgezogen war, setzten sie sich in die Mitte des Bootes und Anna erzählte: „Ich habe meine Eltern bei einem Überfall der Flusspiraten vor zwei Jahren verloren. Die Piraten ließen mich mit dem leeren Boot zurück. Ich hatte keine andere Wahl. Immerhin hatte ich noch das Boot, und so wurde ich, wie meine Eltern, Flusshändler. Ein Mädchen hat keine Chance zu überleben, daher die Verkleidung als Junge.“

Jetzt wollte Anna mehr über ihn wissen.

David erzählte und erzählte, bis Anna ihn irgendwann unterbrach: „Ich lege im Hafen von Worms an, damit du aussteigen kannst.“

David antwortete: „Ich würde lieber bei dir bleiben, wenn dir das nichts ausmacht?“

Anna schmunzelte und schaute ihn vergnügt mit ihren hinreißenden Augen an und sagte: „Nur, wenn du dich als nützlich erweist.“

Sie schipperten an Worms vorbei in Richtung Mainz, um dort Waren zu verkaufen und neue an Bord zu nehmen. David machte sich nützlich und hatte Spaß dabei, sich mit Anna zu unterhalten oder einfach nur mit ihr zusammen zu sein.

Als sie in Mainz ankamen, legte Anna das Boot professionell am Steg an und packte einige Sachen zusammen. Ihre kurzen Haare verbarg sie unter einer Mütze. Dann machten sie sich auf den Weg zum Markt. David kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Eine so große Stadt hatte er noch nie gesehen.

Anna zog ihn öfter am Ärmel weiter, doch am Dom blieb er wie angewurzelt stehen, denn das war mit Abstand das größte Gebäude, das er jemals gesehen hatte. Der Markt auf dem Domplatz war riesig und David hatte Mühe, mit Anna Schritt zu halten. Sie lief von einem Händler zum nächsten und bot ihre Ware an. Schon nach kurzer Zeit waren die Säcke leer und sie gönnten sich eine kleine Mahlzeit im Wirtshaus, direkt vor dem Dom.

Anna war mit ihren Geschäften sehr zufrieden, und sie liefen in Richtung Hafen zurück.

In einer dunklen Gasse lauerten ihnen zwei Halunken auf und forderten, alles Geld herauszurücken.

David war so überrascht, dass er zu keiner Handlung fähig war.

Als er das Messer in der Hand des einen Gauners erblickte, löste sich seine Starre und er schlug den Unhold vor ihm zu Boden. Blitzschnell drehte er sich zu Anna um und staunte nicht schlecht! Anna schnappte den Angreifer am Kragen und warf ihn über ihre Schulter zu Boden. Geschickt nutzte sie die Überraschung aus und entriss ihrem Gegner das Messer.

Beide Gangster rafften sich auf und rannten davon.

Anna streckte sich, sah zu David und sagte: „So schnell gebe ich mich nicht geschlagen, von dem Lumpenpack schon gar nicht.“

„Wo hast du zu Kämpfen gelernt?“, fragte David.

Anna antwortete: „Ich habe Freunde, die mir immer wieder etwas beibringen.“

Im Hafen lief Anna zielstrebig zu einer großen Lagerhalle. Vor dem Tor stand ein Hüne mit einer so dunklen Haut, wie David sie noch nie gesehen hatte. Als er Anna sah, begrüßte er sie freundschaftlich, und gemeinsam gingen sie in die Lagerhalle. Kisten über Kisten stapelten sich bis unter die Decke, die von schmalen Gängen durchbrochen wurde. Anna lief zielsicher durch das Labyrinth, bis sie vor einer Hütte stehen blieb. Ein Mann mit einem Bart, der fast bis zum Boden reichte, umarmte Anna und schüttelte ihre Hand.

Sie betraten den Raum, Anna stellte die gewünschte Ware zusammen, und dann begann das Feilschen um den Preis!

David beobachtete das ungleiche Paar. Auf der einen Seite ein Bär von einem Mann und auf der anderen das zarte Mädchen. Aber sie schenkten sich nichts. Die Emotionen wogen hin und her, auf einmal wurde es laut, dann war es vorbei und die Kontrahenten umarmten sich.

David schüttelte den Kopf, als Anna auf ihn zukam und sagte: „Araber sind die besten Händler, vor allem Sahin. Er kennt mich, seit ich ein Baby war. Von ihm habe ich einen Teil der Kampfkunst gelernt.“

Gemeinsam tranken sie einen Apfeltee. Derweil verpackten Sahins Angestellte die Ware und brachten die Säcke auf Annas Boot. Nach einer herzlichen Verabschiedung begaben sich Anna und David an Bord und machten die Leinen los, um sich auf die Mitte des Flusses treiben zu lassen.

Seit David bei Anna war, merkte er, wie klein doch seine eigene Welt war.

Die Strömung brachte sie weiter in Richtung Norden.

Am späten Abend erklärte ihm Anna, dass sie jetzt die Zollstationen passieren würden und sie sich den Zoll für ihn nicht leisten könne. David verkroch sich unter den Säcken, bis Anna die Zollgebühren bezahlt hatte.

Dann sah er die vielen großen Burgen am Rhein. Eine größer und schöner als die andere und nicht mit der Grimmburg zu vergleichen. In Kaub musste er wieder unter die Säcke kriechen.

David fragte: „Ist es dann mit dem Verstecken vorbei?“

Anna erklärte ihm, dass jetzt der gefährlichste Abschnitt des Flusses vor ihnen lag. Bald schon kämen tückische Stromschnellen und der berühmte Loreley-Felsen, an dem viele Schiffe gesunken waren. Angeblich säße eine Meerjungfrau auf dem Felsen, und die Schiffer würden von den Klängen ihrer Harfe so abgelenkt, dass sie an einem der vielen Felsen zerschellten.

David war wieder einmal erstaunt, was Anna alles wusste und wunderte sich nicht, dass sie einen Plan hatte, wie sie um den Loreley-Felsen herum steuern würde. Als die ersten Stromschnellen zu sehen waren, steuerte Anna ihr Boot an Land. Dann packte sie einen Gurt mit einem langen Seil, sah ihn an, schmunzelte und sagte: „Jetzt wirst du dich wirklich mal nützlich machen“.

Er legte den Gurt an, und Anna befestigte das Seil an einer Stange am Bug ihres Bootes. Sie lief am Ufer entlang voraus und David hinter ihr her, das Boot im Schlepptau. Nach kurzer Zeit war er schon außer Puste.

Obwohl es stromabwärts ging, zogen die vielen Strudel und Stromschnellen das Boot immer wieder vom Ufer weg.

Er ging an die Grenze seiner Kräfte und fragte sich, wie Anna das nur schaffte, wenn sie alleine war, und wie das stromaufwärts funktionierte.

Nach zwei Stunden ohne Pause hatten sie es fast geschafft, als plötzlich zwei Männer vor ihnen standen. David spannte seine Muskeln an, aber Anna begrüßte die beiden so herzlich, dass wohl keine Gefahr bestand. Es stellte sich heraus, dass sie auch Händler waren und ihr Schiff in die Gegenrichtung zogen. Sie banden beide Schiffe an einem Baum fest und beschlossen, erst einmal gemeinsam zu essen. Während sich Anna mit ihnen angeregt unterhielt, sammelte David Feuerholz. Er war eifersüchtig, weil sie sich so gut mit Anna verstanden.

Als alle am Feuer saßen und ein leckerer Eintopf im Kessel schmorte, stellte sich heraus, dass die zwei aus einem Land stammten, das Holland hieß. Sie bemühten sich, mittelhochdeutsch zu sprechen. David war froh, im Unterricht seiner Mutter aufgepasst zu haben, denn er verstand fast alles.

Als sie gegessen hatten, warnten die beiden sie vor einem Flussräuber, der bei Koblenz sein Unwesen trieb. Nachdem die Boote gekreuzt hatten, verabschiedete man sich voneinander.

Anna schlug vor, heute Nacht nicht auf dem Boot zu schlafen. Aber sie würden abwechselnd Wache halten in dieser unsicheren Umgebung. Anna schlief ein, und David freute sich, ein so hübsches und mutiges Mädchen kennengelernt zu haben.

Bei Tagesanbruch suchten sie einen geeigneten Platz zum Anlegen des Bootes. Anna sammelte rote Beeren und rührte mit Spucke einen Brei an.

„Hemd hoch und Hose hochkrempeln“, befahl sie David. Er gehorchte.

Mit Blütenstängeln tupfte sie ihm rote Punkte auf die Haut.

„Was soll das?“, fragte David.

Anna antwortete: „Du wirst schon sehen.“

Als die Farbe getrocknet war, zog er sich wieder an. Sie legten ab und schipperten flussabwärts, bis die Mosel in den Rhein floss. Anna war nervös und schaute sich ständig nach allen Seiten um. Dann sah sie von weitem ein größeres Boot, das direkt auf sie zusteuerte.

„David, leg dich auf den Boden, befeuchte deine Stirn, stöhne und spiele den Kranken, sofort!“, rief sie und versuchte, dem Boot zu entkommen. Sie hatte keine Chance und bald schon legte das schnellere Boot längsseits an. Ein bärtiger ungepflegter Pirat stand an der Reling.

„Gib mir freiwillig deine Ware, dann wird dir nichts geschehen“, rief er mit seinem zahnlosen Maul.

Anna zuckte mit den Schultern und antwortete so lässig wie möglich: „Wenn du so krank wie mein Partner werden willst, dann komm doch an Bord.“

Der Flusspirat starrte David an und lachte: „Das nennst du krank? Das ist Farbe!“

Jetzt wurde David kreidebleich.

Anna erwiderte: „Glaubst du wirklich, dass ich dich damit überlisten kann?“

Sie lief zu David, öffnete sein Hemd, zog die Hosen hoch und sagte zu ihm: „Da schau, die Punkte sind überall. Ich werde ihn zu einem Bader nach Köln bringen.“

Der alte Kauz zuckte zurück, steckte sein Schwert ein, fluchte und legte wieder ab.

David blieb noch einige Minuten liegen, ehe er aufstand und zu Anna lief, die jetzt bleich und zitternd am Ruder stand. Er nahm sie in den Arm und sagte ihr, wie tapfer sie sei und wie stolz er wäre, ihr Freund zu sein.

Am späten Abend kamen sie in Andernach an. Anna legte an und gab David zu verstehen, auf das Boot aufzupassen, bis sie zurückkam. Er nickte und sah ihr nachdenklich hinterher.

Nach einer gefühlten Ewigkeit kam sie mit zwei jungen Männern zurück. Zu viert packten sie die Säcke und liefen durch die Stadt, bis zu einem kleinen Haus. Sie verstauten die Ware im Stall und betraten die Hütte. David fühlte sich sofort heimisch. Ein älteres Ehepaar nahm sie in Empfang, und alle setzten sich an den reich gedeckten Tisch.

Es stellte sich heraus, dass es sich um Annas Tante und Onkel handelte, die mit ihren zwei Söhnen hier lebten. Immer, wenn Anna vorbeikam, kehrte sie hier ein. Es war ein entspannter Abend, und es wurde viel gelacht. Als Anna zu Bett ging, half David, das Geschirr zu spülen, bis er sich selbst neben dem Ofen auf einer Bank zusammenrollte. Annas Tante reichte ihm eine Decke, dann schlief er ein.

David nieste und schlug die Augen auf. Anna sah ihn schelmisch an und hielt einen Grashalm in der Hand. Lachend streckte er sich. Nach dem Frühstück brachen sie auf. Anna war so gut gelaunt und erlaubte ihm zum ersten Mal, das Ruder zu übernehmen. Er hatte sie genau beobachtet und stellte sich sehr geschickt an.

Am späten Nachmittag sahen sie von weitem die Stadt Köln. Der Dom überragte jedes Gebäude. David dachte, der Dom in Mainz wäre groß, aber das hier war für ihn unvorstellbar! Alles war noch größer, bunter und lauter.

Auch in Köln hatte Anna viele Freunde und gute Geschäfte getätigt. Sie kauften Lebensmittel für mehrere Tage ein, denn nun wartete auf sie eine längere Reise, über Nijmegen nach Rotterdam zum großen Meer. Sie schipperten gemütlich auf dem Fluss, bis sie nach Nijmegen kamen.

David hatte sich schnell an das Leben auf dem Fluss mit Anna gewöhnt, und er freute sich schon, das große weite Meer zu sehen.

Auf dem Weg zum Marktplatz in Nijmegen wurden sie in einer dunklen Gasse von fünf Männern umstellt. Obwohl sie sich tapfer wehrten, hatten sie gegen die kräftigen Kerle keine Chance. Sie wurden gefesselt in einen vergitterten Wagen geschleppt. Im Inneren des Wagens saßen zehn Gefangene, die sie traurig anstarrten. Die Tür wurde mit einem lauten Knall verschlossen und das Fuhrwerk setzte sich in Bewegung. David war so geschockt, dass er kein Wort herausbrachte.

Anna unterhielt sich leise mit den anderen und erfuhr, dass sie von einem Sklavenhändler gefangen genommen wurden. Er war auf dem Weg nach Amsterdam, um sie an einen Piraten zu verkaufen.

Sie mussten vier Tage in dem engen Wagen aushalten. Gefesselt, nur mit Wasser und Brot. Das Wetter war so trostlos wie ihre Gefangenschaft, es regnete ununterbrochen.

Als sie in Amsterdam ankamen, wurden alle in einen dunklen, feuchten und stinkenden Keller gesperrt. Wenige Stunden später wurde die Tür geöffnet und ein großer, kräftiger Mann trat ein. Er hatte einen Hut mit einem Totenkopf auf seinem kahlen Schädel sitzen und wurde mit „Captain William Kidd“ angesprochen.

David sah, wie sich einige der Gefangenen und Anna bekreuzigten. William Kidd schaute sich jeden Einzelnen genau an und entschied, dass er alle Sklaven kaufen würde. Sofort wurden sie nach oben und dann zum Hafen gebracht. Dort lagen so viele große Schiffe, dass David wieder aus dem Staunen nicht herauskam.

Sie wurden auf das größte aller Schiffe verfrachtet. Es hatte drei große Masten, eine Totenkopfflagge flatterte im Wind. Die Mannschaft war bereit zum Auslaufen, und sie wurden unter Deck gebracht. Einigen, auch David, wurde es durch das ungewohnte Schaukeln schlecht. Mit der Zeit gewöhnte er sich aber daran. Plötzlich wurde die Tür aufgerissen und ein Riese stand vor ihnen. Er war so groß, dass er nur gebückt durch die Tür passte. Grimmig schaute er sich um und sagte, dass ab sofort alle nach seiner Pfeife zu tanzen hätten. Er hatte wirklich eine längliche Holzpfeife um den Hals hängen und verteilte Eimer und Lappen, damit sie das Deck schrubben konnten.

David half Anna, so gut er konnte, damit keiner merkte, dass sie ein Mädchen war. Immer wieder zog sie ihre Mütze gerade, um ihre Haare zu verbergen.

Abends fielen sie todmüde auf die Planken des Schiffes und schliefen augenblicklich ein.

Am nächsten Morgen flickten sie die Segel. David schaute sich um und überlegte, wie sie flüchten könnten. Leider waren sie mitten auf dem Meer, und es war weit und breit kein Land in Sicht. Anna sagte, dass es noch nie jemandem gelungen sei, vor Captain William Kidd zu flüchten. David antwortete, es gäbe immer eine Lösung.

Am dritten Tag kam ein Schiff auf sie zu. Da sich Captain William Kidd freute, handelte es sich also auch um ein Piratenschiff - und so war es. Die beiden Schiffe steuerten längsseits - und eine Feier wurde vorbereitet. Bier und Wein flossen in Strömen, und sie mussten die Piraten bedienen.

Plötzlich riss ein Pirat Anna die Mütze vom Kopf! Auf einen Schlag wurde es still.

Nur Captain William Kidd lachte und rief: „Sieh an, ein Mädchen! Da habe ich mich aber ganz schön täuschen lassen. Komm mal her, mein Püppchen.“

Das war zu viel für David!

Er schnappte sich das Schwert des Piraten, den er gerade bedient hatte, stellte sich zwischen Anna und dem Captain und sagte: „Du wirst ihr nichts antun, du Halunke.“

Jetzt lachten alle.

Als Captain William Kidd seinen Säbel zog, wurde es wieder mucksmäuschenstill.

Plötzlich war David nass! Wo kam denn auf einmal das Wasser her? Er schaute sich um.

Wo war Anna? – Wo war der Captain? – Wo der Säbel? – Wo das Schiff?

Nichts war mehr da, nur Jakob stand vor ihm, mit einem leeren Eimer Wasser in der Hand, und lachte ihn aus.

Jetzt verstand David! Er war beim Angeln eingeschlafen und hatte alles nur geträumt.

Jakob sagte zu ihm: „Während du Faulpelz geschlafen hast, habe ich für uns genug Fische gefangen. Lass uns zurück zur Burg gehen.“

David hatte nur die Hälfte verstanden. Er war mit seinen Gedanken bei Anna. Er würde sie nie, nie mehr vergessen!

Ritter David

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