Читать книгу Sage es niemandem, sonst... Alle Gedichte - Karlotta Pauly - Страница 5
Ich über mich
ОглавлениеIch bin 1942 geboren, habe eine Kindheit durchlaufen, die ich für normal hielt. Mein Leben als Kind wurde bestimmt durch die ständige Sorge um meine Mutter und einen alkoholabhängigen Vater.
Mit 20 Jahren heiratete ich. Mein Mann und ich bekamen vier Kinder, erst einen Sohn, dann zwei Töchter, Zwillinge, die aber im 8. Monat in meinem Bauch starben, und dann noch einen Sohn. Ich war mit Begeisterung Ehefrau, Mutter und Hausfrau.
Dass meine Kindheit natürlich nicht normal verlaufen ist, entdeckte ich aber erst mit einundfünfzig Jahren. Eine unerklärliche Angst quälte mich Tag und Nacht, sie nahm mir die Luft zum Atmen. Kurz vor dem Ersticken führte mich mein Weg in die Praxis einer Ärztin, die auch Psychotherapeutin ist. Ich fühlte mich dort vom ersten Augenblick an wie in eine warme Decke gehüllt und getragen in meiner Angst. Die Therapeutin führte mich von Therapiestunde zu Therapiestunde und half mir, zu ertragen, was ich in unseren Gesprächen entdeckte.
Ich entdeckte, dass ich ein ungewolltes Kind war. Meine Mutter hatte es oft ausgesprochen, aber ich hatte es nie in mich hinein gelassen. Noch schlimmer war das Erkennen, dass meine Mutter keine Mädchen mochte, und somit mir keine Liebe entgegenbrachte.
Aber das Schlimmste stand mir noch bevor. Nach zehn Jahren Therapie öffnete sich eine Schublade in meiner Seele, zu der ich bisher keinen Zugang hatte. Hervor kamen die Bilder mit einem Mädchen von etwa 4 Jahren, das sexuell missbraucht wurde. Nach und nach wurde das Bild des Täters erkennbar und auch die näheren Umstände der Taten.
Dieses auszusprechen oder aufzuschreiben ist sehr schwer für mich.
Das bruchstückweise Auftauchen der Bilder machte es mir möglich, nicht daran zu zerbrechen. Es war eine schwere Zeit. Aber ich entdeckte in mir eine Fähigkeit, von der ich bisher nichts geahnt hatte, die mir sehr geholfen hat. Ich begann zu schreiben.
Das Lesen eines Gedichtes, das mich sehr berührt hatte, setzte meine Gedanken in diese Richtung und meine Finger am Computer in Gang.
Ich fing an Gedichte zu schreiben.
Das erste Gedicht war mehr ein Gedankenspiel und ich sah erst später, dass die Zeile
..(nichts)..
alles darüber aussagt, wie sich ein missbrauchtes Kind ein Leben lang fühlt, nämlich völlig wertlos, also als ein Nichts.
Die Gedichte sind in der Reihenfolge ihrer Entstehungsdaten aufgeschrieben. Daher erscheint die Reihenfolge vielleicht etwas durcheinander und konfus.
Aber die Gedanken und Empfindungen sind so verlaufen. Ich habe sie absichtlich nicht anders geordnet. Nur so kann ich einen Eindruck vom Verlauf der Aufarbeitung meiner Traumen vermitteln.