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Warum ich über Lousy Pennies schreibe ...und was Julia Jäkel, Richard Gutjahr und Stephan Goldmann damit zu tun haben
ОглавлениеManchmal braucht man etwas Leidensdruck, um ein neues Projekt zu beginnen. Tatsächlich hatte ich mich schon lange mit dem Gedanken getragen, zusätzlich zu meiner journalistischen Tätigkeit ein Blog aufzusetzen. Schließlich bewege ich mich schon seit 1994 im Netz, gehörte unter anderem 1998 zur Gründungsredaktion von Tomorrow, dem einstmals erfolgreichsten Internet-Magazin. Ich schreibe bisher allerdings mehr über das Netz als in ihm. Und mir fehlte das richtige Thema, denn wenn man bloggt, dann sollte man es auch durchhalten.
Dann sind ein paar Dinge passiert, die mich regelrecht erschüttert haben.
Zuerst kam die Nachricht, dass die Frankfurter Rundschau in die Insolvenz geht. Dann das Aus für die Financial Times Deutschland, für die ich selbst vor über einem Jahrzehnt als freier Mitarbeiter geschrieben habe. 250 Journalisten verlieren allein bei der FTD ihren Job. Auch beim Prinz müssen Dutzende Journalisten gehen.
Ich verfolgte den Aufschrei, der durch die Medienwelt ging. Tolle Analysen von schlauen Leuten. Die meisten kamen zu dem Schluss, die FTD sei deshalb untergegangen, weil sie keine Digital-Strategie gehabt habe. Doch wer die FTD kannte und zum Beispiel Tillmann Prüfers tollen Facebook-Post dazu gelesen hatte, wusste, dass das nur die halbe Wahrheit ist.
Natürlich hatte die FTD eine Digital-Strategie. Doch die kostete einfach zu viel Geld.
Dann las ich ein Interview von Gruner-und-Jahr-Managerin Julia Jäkel im Hamburger Abendblatt. Zwei kurze Sätze elektrisierten mich.
Als Jäkel nach der digitalen Strategie, einer reinen Online-Ausgabe der FTD, gefragt wurde, sagte sie folgendes:
So etwas rechnet sich vielleicht mit einem auf Englisch erscheinenden Blatt wie der britischen „Financial Times“, die eine große internationale Community hat. Bei einem deutschen Medium ist das zumindest heute noch nicht darstellbar.
Bei einem deutschen Medium ist das zumindest heute noch nicht darstellbar!
Nicht darstellbar.
Übersetzt heißt das: Ein Großverlag wie Gruner und Jahr ist heute nicht in der Lage, die hohen Kosten, die eine (deutschsprachige) Redaktion verursacht, wieder hereinzuholen. Weder durch Anzeigen noch durch eine Paywall, also eine Bezahlschranke, bei der der Leser entweder für das Gesamtprodukt oder einzelne Artikel zahlt. Die Lousy Pennies reichen nicht, um 250 Journalisten zu bezahlen, die in der Milliarden zählenden Internet-Welt in der Exoten-Sprache Deutsch schreiben. Deutschland ist zu klein. Die Kosten zu hoch.
Also setzt man Hunderte, hochqualifizierte Top-Schreiber frei.
Das hat mich wirklich erschüttert. Ich fragte mich: Wo werden die Kollegen von FR, FTD und Prinz wohl einen Job finden? Wo werden wir Journalisten in Zukunft arbeiten?
Dann traf ich zwei Freunde und Kollegen.
Stephan Goldmann und Richard Gutjahr. Mit Stephan Goldmann habe ich bei der CHIP gearbeitet, mit Richard Gutjahr vor rund 20 Jahren die Schulbank der Deutschen Journalistenschule gedrückt.
Beide sind waschechte Journalisten mit jahrzehntelanger Erfahrung. Beide setzen auf das Internet. Stephan Goldmann hat gerade seinen Job als Chefredakteur bei den CHIP Sonderheften – freiwillig und ohne Druck – gekündigt und konzentriert sich nun auf seine Webseiten (Blogs?) Triathlon-Tipps.de und MyHighlands.de. Richard Gutjahr ist nicht nur BR-Journalist (“Rundschau Nacht”), sondern einer der bekanntesten Blogger Deutschlands – und einer der größten Fans des neuen, digitalen Journalismus. Er inspirierte mich auch zum Titel dieses Blogs.
Ich habe beide gefragt, ob sie von ihren Blogs leben können. Die Antworten sehr kurz zusammengefasst: Nicht allein durch die Bloggerei, aber durch einen Medien-Mix aus klassischen und neuen Medien können sie es. Hinzu kommen Aufträge, die sie über ihre Blogs als Eigenwerbungsplattform erhalten.
Und das hat mir Mut gemacht. Ich glaube tatsächlich, dass es für einen Verlag unendlich schwer ist, mit den Lousy Pennies, die er im Internet heute verdient, hochqualifizierte, festangestellte Redakteure zu bezahlen, ihnen die Technik, den Arbeitsplatz und 30 Tage Urlaub im Jahr zu stellen.
Aber ich glaube auch, dass das Internet einem guten Journalisten genug Möglichkeiten gibt, sich selbst zumindest als eine Marke oder Experte zu positionieren, seinen persönlichen Medienmix zu erweitern – und er damit plötzlich genug (zusätzliche) Lousy Pennies verdienen kann, um ein gutes Leben zu führen (ohne sich journalistisch verbiegen zu müssen, übrigens).
Ein Zeichen dafür war für mich, dass heute große Unternehmen bereits viele Internet-Journalisten (ich nenne sie mal ganz bewusst nicht Blogger) ebenso ernst nehmen, wie etablierte Kollegen aus dem Print-Bereich.
Ich glaube übrigens auch, dass es den Verlagen irgendwann wieder gelingen wird, mehr als nur ein paar Lousy Pennies im Internet zu verdienen (oder einfach nur genug davon). Bis dahin werden aber noch viele klassische Medien das Zeitliche segnen und viele Journalisten gezwungen sein, ihre Berufswahl zu überdenken oder neue Strategien zu finden, um mit ihrem Traumjob Geld zu verdienen.
Genug Stoff also für das Blog LousyPennies.de, bei dem mir inzwischen auch Stephan Goldmann als Co-Autor zur Seite steht. Irgendwie passend, dass Stephans Bruder Martin den Anfang in unserem Interview-Buch macht…