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I. Einführung: Warum Museologie?
ОглавлениеMuseologie in Deutschland
Mit dieser Frage wollen wir unseren Blick auf ein Fach richten, das als ein so genanntes junges Wissenschaftsfach gelten kann. An deutschen Universitäten ist es noch kaum vertreten, in der deutschen Museumspraxis wird es nur partiell akzeptiert, hier sind sogar ablehnende Einstellungen gegenüber unserem Fach keine Seltenheit. Das stimmt nachdenklich, ja mutet sogar merkwürdig an, kann doch die Museologie auch in Deutschland auf eine mehr als 400-jährige Geschichte zurückblicken, ist sie vor 125 Jahren erstmals in die deutsche Fachterminologie eingeführt worden und seit mehr als einem Viertel Jahrhundert (seit 1971) international als wissenschaftliche Ausbildungsdisziplin für museale Berufe anerkannt. Das Aufdecken der Gründe für die Aversion des deutschen Museumswesens gegenüber der Museologie ist noch immer ein Desiderat musealwissenschaftlicher, insbesondere musealhistorischer Forschung. Zwei Wurzeln können aber für diese Entwicklung wahrscheinlich gemacht werden. Einmal ist im deutschen Museumswesen noch immer fest die Auffassung verankert, dass museale Arbeit zunächst eine Angelegenheit praktischer Tätigkeiten ist, die keiner eigenen musealen Theorie bedürfen. Museale Forschung dagegen ist fachspezifisch ausgerichtet und orientiert, sie ist eine Angelegenheit all jener Fächer, die in den gesammelten Objekten ihr Quellenmaterial haben.
Neue museumstheoretische Ansätze
Die Vorurteile gegenüber einer eigenständigen Musealwissenschaft können aber auch politische Ursachen haben. Obwohl mit der 1946 erfolgten Gründung des Internationalen Museumsrates ICOM im internationalen Museumswesen zunehmende Bemühungen um die Klärung des Charakters einer musealen Theorie und die Bestimmung des Gegenstandes einer musealen Wissenschaft beobachtet werden können, gingen die entscheidenden Impulse zu ihrer Formulierung von den mittel- und osteuropäischen Ländern aus. Diese Entwicklungen konnten aufgrund der damaligen politischen Verhältnisse in der westlichen Welt kaum zur Kenntnis genommen werden. Erst seit dem letzten Drittel des 20. Jahrhunderts bahnten sich positive Veränderungen an, so dass zunehmend die erkenntnistheoretisch ausgerichteten Ansätze zur Formulierung einer Musealwissenschaft, wie sie namentlich in der Brünner Schule gemacht worden sind, rezipiert und – wenn auch in unterschiedlichem Maße – akzeptiert werden konnten. Besonders schwierig hat sich diese Situation im geteilten Deutschland gestaltet. In der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik entbrannte eine heftige Diskussion um die 1964 von einer Gruppe von Museumswissenschaftlern formulierten Thesen zur Museumswissenschaft, die letztendlich in ihrem Verdikt endete, das auch auf die Auseinandersetzung mit den museumstheoretischen Fragestellungen Zbyněk Z. Stránskýs ausgeweitet worden war, wie Jan Scheunemann überzeugend dargelegt hat (Scheunemann 2003/2004). In diesem Zusammenhang darf aber nicht unerwähnt bleiben, dass weiterhin die Auseinandersetzung mit museumstheoretischen Fragen, insbesondere im Zusammenhang mit den sich etablierenden Informations- und Dokumentationswissenschaften erfolgte. Auch das Verhältnis der Museologie zu den einzelnen Fachwissenschaften, insbesondere zur Geschichtswissenschaft, wurde immer wieder thematisiert. Namen wie Ernst Hofmann, Ilse Jahn, Wilhelm Ennenbach und Klaus Schreiner müssen in diesem Zusammenhang genannt werden. In der Bundesrepublik hielt man dagegen am traditionellen Begriff der Museumskunde, der 1905 mit der von Karl Koetschau herausgegebenen Zeitschrift gleichen Namens etabliert worden war, fest. Mit dieser Wortschöpfung hat sich der bedeutende Museumsdirektor wahrscheinlich bewusst von dem bereits 1878 erstmals von Johann Georg Theodor Graesse verwendeten Begriff „Museologie“ distanziert (Klausewitz 1989, 22), denn die Themen kreisen um Fragen der Museumstechnik und der Museumsverwaltung, berühren aber nicht die nach einer musealen Wissenschaft.
Situation im 20. Jahrhundert
Diese Sichtweise dominiert noch gegenwärtig das deutsche Museumswesen und erschwert die Etablierung einer eigenständigen musealen Theorie, ja hat sie sogar verhindert, wie Klausewitz in diesem Zusammenhang vermutet. Versuche, diese Situation zu bessern, blieben bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts singulär, Ansätze, die zum Beispiel in Frankreich die Beziehung zwischen Museum und Museologie thematisierten, wurden in Deutschland nicht wahrgenommen. Auch die Entwicklung in den Niederlanden, die mit der Gründung der Reinwardt-Akademie in Leiden einen nicht zu übersehenden Beitrag in die Diskussion um museumstheoretische Fragestellungen beigesteuert hat, blieb unbeantwortet. Ähnliches lässt sich von den Diskussionen und Entwicklungen sagen, die von der bereits 1954 in Köthen gegründeten und in Leipzig beheimateten Fachschule für Museologen ausgingen. In der Bundesrepublik blieb man der konventionellen Museumskunde weiterhin treu. Die zunehmend im internationalen Maßstab aufgeworfenen Fragestellungen hinsichtlich der Formulierung einer musealen Theorie sind unter anderem vor dem Hintergrund eines sich ausweitenden Wissenschaftsbegriffes und dem durch ihn provozierten Bemühen zu verstehen, museale Arbeit in einem spezifisch wissenschaftlichen Bezugssystem darzustellen. Die Diskrepanz zwischen hochspezialisierten Fachwissenschaften und den spezifischen Aufgaben des Museums in einer sich verändernden Gesellschaft trat immer stärker zutage. Gleichzeitig stellten die allgemeinen kulturellen, gesellschaftlichen und auch ökonomischen Veränderungen das Museumswesen in veränderte Bezugssysteme, die ebenfalls eine theoretische Auseinandersetzung mit Institution und Phänomen Museum notwendig machten. Dass in ihr immer wieder das Verhältnis von musealer Theorie und musealer Praxis thematisiert wird, liegt auf der Hand.
Optimierung der Museumsarbeit
Die Zeit, eine Musealwissenschaft zu formulieren, die sich um die Klärung des Verhältnisses von Theorie und Praxis bemüht, die danach fragt, ob es überhaupt eine theoretische Basis für museale Arbeit geben kann, ist herangereift. Die Frage nach Geschichte und Bedeutung des Sammelns, nach der Bedeutung des zu sammelnden Gegenstandes selbst, dem Wesen musealen Ausstellens und Vermittelns verlangt, je länger, desto dringender, eine Antwort. Aber man sucht auch Antworten auf die Frage nach der allgemeinen gesellschaftlichen Bedeutung des Museums, die es insbesondere im Zusammenhang mit den Fragen um das Verhältnis zum Kultur- oder Naturerbe einnimmt.
Gleichzeitig ist auch ein starkes Bemühen zu erkennen, Normen zu finden und Regeln aufzustellen, mit deren Hilfe die museale Praxis optimiert werden kann, eine die museale Arbeit dominierende Empirie wird als nicht mehr zeitgemäß angesehen. Die Forderung nach einer eigenständigen Musealwissenschaft begleitet die international zunehmend artikulierte Forderung nach der professionellen Ausbildung von Museumsfachleuten.
Gründung einer Lehrkanzel
Fehlende Ausbildung
Die Universität in Brno (Brünn) nimmt in dieser Entwicklung eine Pionierrolle ein, 1962 gründete sie die Lehrkanzel für Museologie. Damit wurde an eine Tradition angeknüpft, die bis in die ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts zurückreichte, als im tschechischen Museumswesen die Forderung nach museumsrelevanten Universitätsstudien laut geworden war. Wenn es auch nicht zu einem eigenständigen Studienfach kam, so wurden doch an der Universität Weiterbildungskurse eingerichtet, die – nur unterbrochen in der Zeit der Naziherrschaft – bis zum Jahr 1948 dauerten. Auch in Deutschland können wir in dieser Zeit ähnliche Entwicklungen beobachten, denn Karl Koetschau (1868–1949) stellte 1918 auf der Würzburger Tagung des Deutschen Museumsbundes fest, dass es den deutschen ‚Museumsbeamten‛ bisher nicht gelungen sei, einen eigenen Berufsstand zu etablieren, denn es fehle an einer seiner wichtigsten Voraussetzungen: der Erziehung und Ausbildung des Nachwuchses, die als dringend erforderlich angesehen wurde. Allerdings unterschied sich die deutsche Situation gravierend von der in den östlichen Nachbarländern. Während in Brno (Brünn) von Anfang an auch Fragen einer musealen Theorie virulent für die Ausbildung waren, forderte Koetschau ausschließlich eine Verbesserung museumstechnischer Kenntnisse, die Museumskunde ordnete er der Kunstgeschichte als ein Hilfsfach zu, um sie in den Rang einer akademischen Disziplin zu heben (Klausewitz 1989, 23). Das gleiche Phänomen lässt sich auch bei den von 1909 bis 1912 in Berlin durch Koetschau abgehaltenen Museumskursen beobachten. Sie stellen sich nicht der Aufgabe, theoretische Einsichten normbildenden Charakters zu entwickeln oder zu vermitteln, sondern sie dienten der Vermittlung einer genauen Kenntnis des vielgestaltigen Museumswesens, und zwar im Sinne des praktischen Museumsdienstes. Systematische Einführung in die Museumstechnik in ihren vielfachen Verzweigungen ist das ausschließlich verfolgte Ziel. Durch die Vermittlung museumstechnischer Erfahrungen sollten „die Nöte eines in der Museumskunde nicht fachgemäß vorgebildeten Museumsbeamten“ abgebaut beziehungsweise sollten sie bei den ‚Anwärtern des Museumsdienstes‛ von vornherein vermieden werden. Zwar wurden bei diesen Kursen einleitend die Geschichte der Museen und die verschiedenen Museumsgattungen behandelt, ansonsten lehrte Koetschau aber vorwiegend Fragen der „Museumstechnik in ihrem ganzen Umfange“ vom Museumsbau bis zum Feuerschutz und zur Handhabung der Finanzen (Klausewitz 1989, 22f.).
Museologie ist noch nicht etablier
Der 1917 gegründete Deutsche Museumsbund unterstützt die einmal eingeschlagene Richtung. In seinen Satzungen und Definitionen wird der Begriff „Museologie“ vermieden. Wolfgang Klausewitz (*1922) äußert in diesem Zusammenhang die Ansicht, dass wohl die Haltung Koetschaus dafür verantwortlich zu machen ist, dass in Deutschland bis zum heutigen Tag die Museologie noch nicht allgemein im Museumswesen eingeführt ist und sich auch als Wissenschaft noch nicht an den Universitäten etablieren konnte. Ähnliches kann partiell auch für das westliche Ausland konstatiert werden, selbst die ICOM-Administration verfügte anfangs noch nicht über ein stringent formuliertes museologisches Konzept.
Entwicklungen in Europa
So wundert es nicht, dass die Entwicklungen, die, wie wir bereits gesehen haben, hinter dem so genannten „Eisernen Vorhang“ für neue Diskussionen sorgen, kaum wahrgenommen wurden, obwohl sich bereits 1965 in New York anlässlich der dort stattfindenden ICOM-Generalkonferenz der tschechische Museologe Jan Jelinek für die Etablierung der Museologie eingesetzt hat. Er leitete seit 1964 die Fachrichtung Museologie an der philosophischen Fakultät der Brünner Universität, 1977 wurde er zum ersten Präsidenten des neu gegründeten ICOM-Komitees für Museologie berufen. Als bedeutungsvoll für die Ausarbeitung einer musealen Theorie müssen auch die Denkansätze des Polen Wojciech Gluzinsky angesehen werden. Gluzinsky gelangte zur Überzeugung, dass sich sowohl die Erkenntnisziele der in den Museen engagierten Fachwissenschaften als auch deren Methoden grundsätzlich von denen einer Musealwissenschaft unterscheiden. Sollte ein museologisch-theoretisches System aufgestellt werden können, dann wäre schlüssig die Frage zu beantworten, ob die Museologie als eine eigene wissenschaftliche Disziplin anzusehen ist oder nicht.
Museographie und Museologie
Die Initialzündung für die Formulierung einer Definition der Museologie und ihrer Abgrenzung von einer Museographie ging von Georges Henri Rivière aus. 1958 forderte er in seiner Eigenschaft als Direktor des ICOM, des Internationalen Museumsrates, auf einem internationalen Seminar in Rio de Janeiro, die Museologie als selbstständige Disziplin anzuerkennen. Rivière reagierte damit nicht nur auf die Äußerungen des tschechischen Forschers Jirí Neustupný (*1933), sondern er verband mit dieser Forderung gleichzeitig den Versuch, die Museologie als Lehrfach an der Pariser Universität zu etablieren. Rivière erkannte, dass das Museum nicht von den musealen Fachdisziplinen aus erklärt werden könne, gleichwohl sie zueinander in enger Wechselbeziehung stünden. Er unterscheidet konsequent zwischen Museologie und Museographie, wobei er letztere gewissermaßen als Beschreibung technischer Abläufe und Verfahren auffasst. Die Museologie als eine theoretische Disziplin hat sich dagegen mit Fragen der Geschichte, der Erziehung, der Organisation, der Konservierung und vor allen Dingen mit der Beziehung des Museums zur Gesellschaft auseinander zu setzen. Allerdings: Auch die Denkanstöße Rivières hatten keine ausreichende Resonanz im Musealwesen gefunden.
Museologische Theorie
Es ist das bleibende Verdienst des Philosophen und Mitbegründers des Brünner Lehrstuhls für Museologie Zbyněk Z. Stránskýs (*1926), hier eine Wende herbeigeführt und schulbildend gewirkt zu haben. Stránský hatte nicht nur das notwendige methodologische Rüstzeug geliefert, mit dessen Hilfe die Museologie als Wissenschaftsfach definiert und gelehrt werden kann, sondern er hatte als erster überhaupt eine stringente museologische Theorie aufgestellt. Die Bedeutung dieses Wissenschaftskonzeptes liegt darin, dass es die Museologie nicht als eine Wissenschaft von den Museen und ihren Funktionen definiert, sondern die Gesetzmäßigkeit zu ergründen sucht, aus der heraus das museale Phänomen entsteht. Zbyněk Z. Stránský hat es als erster formuliert.
Seine Gedanken sind in der Folgezeit aufgegriffen und weiter entwickelt worden. Hier müssen insbesondere der Niederländer Peter van Mensch, der Österreicher Friedrich Waidacher und der Kroate Ivo Maroevič (1937–2007) genannt werden. Ihre Ansichten, die unter anderem durch das Internationale Komitee für Museologie ICOFOM akzeptiert und verbreitet werden, bilden auch die Grundlage für die hier vorgelegte Einführung in die Museologie.
Museologie in Deutschland
In der Bundesrepublik Deutschland sind museumstheoretische Fragestellungen erst möglich geworden, als im Zuge des Paradigmenwechsels der 68er Jahre des 20. Jahrhunderts auch das Museum als Institution in Frage gestellt worden war, als insgesamt Fragen zum Umgang mit dem kulturellen Erbe auf neue Antworten warteten. Jetzt erst mehrten sich die Zugriffe auf das Phänomen Museum sowohl aus allgemein kulturhistorischer als auch aus erkenntnistheoretischer Sicht. Die Akzeptanz oder die Formulierung einer wie auch immer verstandenen Museologie blieb dagegen aus, auch wenn in diesem Zusammenhang Namen wie Wolfgang Ernst oder Wolfgang Zacharias stellvertretend für zahlreiche andere genannt werden müssen. Den wohl wichtigsten deutschen Beitrag in der Beschäftigung mit museumstheoretischen und museumshistorischen Fragestellungen in den letzten 25 Jahren hat aus universitärer Sicht wohl Gottfried Korff geleistet, indem er nicht nur die museale Mensch-Ding-Beziehung zu erfassen suchte, sondern sich auch den Problemen des Sammelns und Ausstellens widmete. In diesem Zusammenhang muss angemerkt werden, dass im Rahmen universitärer Geschichtsforschung zunehmend die Auseinandersetzung mit historischen Sammelkonzeptionen eine Rolle spielt.
In den beiden letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts hat die Diskussion um Bedeutung und Stellenwert des Museums einen rasanten Anstieg erfahren, der sich in einer kaum noch zu überblickenden Literatur niederschlägt. Charakteristisch ist, dass je nach der allgemeinen kulturpolitischen Situation verschiedene Einzelthemen im Mittelpunkt des Interesses stehen. Waren es zunächst Probleme der Museumspädagogik, der Besucherbetreuung und Besucherforschung, die zu neuen Denkansätzen geführt haben, so folgten ihnen solche zur Ausstellung, zum Ausstellungswesen und zu Fragen des Museumsbetriebes, insbesondere seines wirtschaftlichen Stellenwertes. Letztere müssen durchaus vor dem Hintergrund der allgemeinen gesellschaftlichen Situation gesehen werden, die zunehmend das Museum in eine Identitätskrise zu stürzen scheint. Marktwirtschaft und Massenpublikum mögen hier die Stichworte sein. Die Fragen, die diese Probleme aufwerfen, bedürfen dringender Antworten. Neue theoretische Ansätze versuchen, sie zu liefern. Sie sind in der Auseinandersetzung mit dem Phänomen der Musealisierung oder dem Konzept einer „Ökomuseologie“ zu sehen. Ihr Ausgangspunkt ist ein verstärkt integrativer Ansatz, der selbstverständlich einer eigenständigen museologischen Methodologie bedarf.
Notwendigkeit der Museologie
Jetzt können wir abschließend unsere Frage: „Warum Museologie?“ beantworten. Die Museologie liefert eine Methodologie, die nicht nur einzelne Aspekte musealer Arbeit untersucht, sondern das Phänomen des Museums als ein gesamtes beschreibt und erklärt, ein Phänomen, das durch sich wandelnde Beziehungen zur Gesellschaft und deren Verantwortlichkeiten charakterisiert ist. Die Museologie ist eine Notwendigkeit für das moderne Museumswesen. Sie liefert Gesetze und Methoden, durch die ein wissenschaftlich fundierter Umgang mit den Erscheinungen des Musealphänomens möglich ist, sie entwickelt eine klare Terminologie, ein definiertes Verhältnis zu den Fachwissenschaften und Nachbardisziplinen, und sie gibt Anweisungen zu optimalem Handeln. Noch eines darf nicht vergessen werden: Sie ist auch in der Lage, den Museumsberuf zu definieren. Dass dies schon längst geübter Brauch ist, zeigt die Realität selbst. Nicht wenige Mitarbeiter in den Museen reklamieren den „Museologen“ für sich als moderne Berufsbezeichnung, unabhängig davon, welche Fachwissenschaft sie vertreten oder welche Qualifikation sie besitzen. Der Begriff des Museologen scheint nicht nur Professionalität zu garantieren, sondern zugleich dem Streben nach höherer gesellschaftlicher Anerkennung musealer beruflicher Tätigkeit sichtbaren Ausdruck zu verleihen. Die Museologie ist, um eine Formulierung Friedrich Waidachers zu gebrauchen, „Erkenntnissystem und Handlungsanweisung“ zugleich (Waidacher 1991/1992, 9). Sie begründet die Einheit von musealer Theorie und musealer Praxis. Diese Einheit schließt das fachspezifische Forschen ebenso ein wie museales Ausstellen oder in die Öffentlichkeit wirkendes, museales Handeln ermöglichendes Management. Der Sinn aller Tätigkeiten, die sich im Museum institutionalisieren, liegt nicht darin, voneinander isoliert zu funktionieren oder betrachtet zu werden, sondern darin, dass sie ein System bilden, dessen Bedeutung in seinem ganzheitlichen strukturellen Gefüge liegt.
In diesem Sinne ist die hier vorliegende Einführung zu verstehen. Sie hat nicht den Charakter eines Lehrbuches oder eines Handbuches, indem umfassend alle Entwicklungen und Diskurse dargelegt werden. Diese Einführung will insbesondere den Studierenden, aber auch jeden am Museum Interessierten vertraut machen mit einem System, das sich immer mehr – auch gegen verbreitete Widerstände – durchzusetzen beginnt. Sie will verstanden sein, als eine grundlegende Hinführung zu weiteren und vertiefenden Studien. Sie will insbesondere aber auch das Bewusstsein dafür schärfen, dass das Museum eine besondere kulturelle Leistung des Menschen ist, deren Eigengesetzlichkeit und Komplexität einer gesonderten Betrachtungsweise bedarf. Wenn dies gelingt, dann hat sich die Aufgabe dieser Schrift erfüllt.