Читать книгу Hey, Milla! - Mein geheimer Wünschesommer - Katharina Schöde - Страница 7

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SAMSTAG,

noch eine Woche bis zu den Sommerferien

Heute fahren Papa und ich also zu dieser Superschule in den Chiemgau. Das ist in Oberbayern – OBER, weil es eben OBEN ist, wegen der hohen Berge und so .

Lupo ist auch dabei und wir schauen gut gelaunt aus dem Fenster, um den ersten Blick auf die Berge nicht zu verpassen. Ich liiiebe die Berge!

»Warum ist Greta nicht mitgekommen?«, will ich wissen. Aber Papa zuckt nur mit den Schultern. Dann bellt Lupo, er hat die Berge zuerst gesehen. Kühe gibt es hier auch. Eine ganze Wiese voller dicker brauner Kühe, die uns genauso anstarren wie wir sie. »Muuuh!« Papa grinst.

»Du, da gibt es noch etwas, das ich mit dir besprechen muss«, sagt er irgendwie schuldbewusst. Oh nein, bitte nicht noch eine böse Überraschung! Ich runzle die Stirn und er schaut mich im Rückspiegel an.

»Nichts Schlimmes, also eigentlich etwas Gutes. Ich habe das Angebot bekommen, bei einer Zeichentrickserie mitzuarbeiten, zusammen mit Greta. Ist das nicht toll? Ein absoluter Traumjob!«


Von so was hat Papa immer geträumt, denn er ist der aller-aller-größte Cartoon-Fan, den es gibt.

»Aber die Sache hat natürlich einen Haken«, fügt er vorsichtig hinzu. Ich hab’s geahnt.

»Der Traumjob fängt schon nächste Woche an, das heißt: Unsere Sommerferien würden flachfallen.«

Papa könnte also nur mitmachen, wenn ich in dieses Sommerinternat gehe?

»Super, Papa!«, sage ich trotzdem und versuche, es nicht ironisch klingen zu lassen.

Als wir den Berg zu diesem Internat hochfahren, merke ich schon, wie sich meine Kehle zuschnürt. Papa sagt, dass es ganz früher mal ein Kloster war, und so sieht der alte Kasten auch aus. Irgendwie voll gruselig, wahrscheinlich spukt es dort sogar und es gibt mit Efeu bewachsene Mauern, schwere alte Holztüren, vergitterte Fenster und Gemälde von alten Nonnen. Grrr! Schauder! Der Kloß in meinem Hals wird immer dicker. Wir parken im Hof und betreten das alte Gebäude.

Der Direktor des Internates, Herr Dr. Sauerhansel (der heißt wirklich so und sieht auch so aus!), führt Papa und mich durch die Schule und zeigt uns alles. Dabei räuspert er sich nach jedem zweiten Wort, als wenn er einen Frosch verschluckt hätte.

»Also, Pünktlichkeit, Ordnung, , und Disziplin sind bei uns überaus, , wichtig. Neben dem Unterricht, , stehen tägliche, , Dauerläufe auf dem Programm.«

Papa schaut mich an – und ich schaue Papa an.

»Zucker ist, , verboten, Unterhaltungselektronik, , ist verboten. Handys sind, , hrmm …«

»Verboten?«, ergänzt Papa und Dr. Sauerhansel nickt. Sobald sich der Direktor umdreht, zeigt Papa mir einen Vogel. Piep-piep-piep! Ich muss kichern.

»Darf ich denn meinen Hund mitbringen?«, frage ich vorsichtig und Dr. Sauerhansel verschluckt sich fast. », , nein, nein, natürlich, , nicht. Haustiere sind streng, , ver--ver--boten!«

Und das finde ich jetzt gar nicht mehr komisch. Ohne Lupo in dieses spaßbefreite Gruselinternat? In den Sommerferien? Neinnn! Bitte nicht!

Ich schaue verzweifelt zu Papa, aber der versucht, das Ganze schönzureden.

»Super Sportplatz, schöne Schlafräume, nette Köchin … und die schöne Landschaft drum herum.« Ja, super Landschaft!

Am Ende der Führung erklärt Dr. Sauerhansel mit einem fetten Grinsen im Gesicht, im Bereich der Lese-Rechtschreib-Förderung sei sein Institut »herrrausragend!«. Und er verspricht, dass Papa mich nach dem Sommer nicht mehr wiedererkennen würde. Na toll! Das sind ja super Aussichten.

»Also, wenn das so ist, Herr Dr. Sauerhansel, dann kommt Ihr Institut für meine Tochter leider nicht infrage. Ich lege nämlich sehr viel Wert darauf, dass ich sie immer wiedererkenne!«, erklärt er mit einem Lächeln im Gesicht, dann klopft er mir auf die Schulter und ich nicke erleichtert. Puh! Superpapa! Während Herr Dr. Sauerhansel noch nach Luft schnappt, schiebt Papa mich zur Tür. Und als wir draußen sind, grinsen wir uns an.

Wieder im Auto, sinkt meine Stimmung aber schnell auf den Nullpunkt. Also eher in den Minusbereich: Nordpol! Arktis! Da kann mich auch Lupo nicht aufheitern.

»Dieser Sauerhansel, der war total blöde und diese Schule auch. Da ist wahrscheinlich sogar das Atmen verboten.«

Papa lacht und macht den blöden Direktor nach.


»Das ist, , korrekt! Es sei denn, es handelt sich, hrmm, um ein sehr, sehr, , diszipliniertes Atmen.«

Er findet es lustig. Ich eher nicht so, denn wir stecken in der Klemme. Was sollen wir denn jetzt machen? Papas Traumjob, die Idiotenklasse, Ferien im Gruselinternat – in meinem Kopf dreht sich alles. Aber Papa schlägt vor, dass wir jetzt erst mal Eis essen gehen, weil das immer hilft.

»Es gibt hier ein ganz erstklassiges Eiscafé«, sagt Papa. Zumindest passt das zu meiner frostigen Stimmung.

Es stellt sich heraus, dass die nette Eisverkäuferin Uschi heißt und uns beide kennt. Also sie kennt Papa, mich hat sie nur einmal gesehen, als ich noch ganz klein war, weil wir seitdem nicht mehr hier in Bergaudorf waren. Sie freut sich ganz doll, uns wiederzusehen, und umarmt erst Papa und dann mich. Uschi ist nämlich eine alte Freundin von Mama, eine Schulfreundin sogar. Und sie errät auch sofort mein Lieblingseis. Jedenfalls fast.

»Erdnuss oder Haselnuss?«

Ich nicke. »Beides!«

»Wusste ich es doch. Du bist auch so ein kleines Eichhörnchen wie deine Mama. Die hat Nüsse geliebt«, scherzt Uschi und ich bekomme eine extra große Portion.

Und ich muss sagen, das Eis ist wirklich Spitzenklasse. Premium! (Papa und ich sind da Experten und nicht gerade unkritisch.)


Ich mag Uschi sofort. In ihrer rot-weiß gestreiften Schürze und mit der blonden Zopffrisur sieht sie aus wie eine richtige Eisfee. Mit dem Eiskugelmacherlöffel in der Hand sehe ich sie in Gedanken hinter ihrem Eistresen mit kleinen silbernen Flügelchen hin und her flattern und das köstlichste Eis der Welt verteilen. Ich lecke mein Eis, bis mich jemand von der Seite anrempelt und aus meinem Traum reißt. Eine kleine Oma im Dirndl steht neben mir und schaut mich fragend an.

»Da schau her, dich kenn ich doch?«

Echt jetzt? Ich runzle die Stirn. Auch Papa zuckt mit den Schultern.

»Doch, du bist doch die … Kruzifix, ich komm gleich drauf, … doch, du schaust doch aus wie die …«

Sie kommt nicht drauf, also rettet Uschi sie.

»Wie die Berghammer-Lissi, Oma. Das ist die Kleine von der Lissi, also die Tochter.«

Die Dirndl-Oma macht große Augen, dann tätschelt sie mir die Wange und freut sich.

»Ja freilich, die Berghammer-Lissi, so schaust du aus, wie die Lissi, mai, so ein nettes Kind.«

Es fühlt sich komisch an, dass hier alle meine Mama gekannt haben. Die Dirndl-Oma stellt sich als »Gottlöber-Therese« vor, erklärt aber, ich solle sie »Oma Resi« nennen wie alle hier in Bergaudorf. Oma Resi geht zur Theke und ich schaue mich um. Hier ist Mama also aufgewachsen.

Später lerne ich noch den Käsberger-Alois kennen und den Joh vom Gasthaus nebenan. Und alle tun so, als würden wir irgendwie dazugehören – schön ist das. Aber Papa scheint sich nicht so richtig wohlzufühlen. Er versucht, mich in Richtung Auto zu schieben – ohne Erfolg. Ich finde es nämlich gerade echt spannend hier.

»Habt ihr den Charlie besucht?«, will Uschi wissen. Papa schüttelt den Kopf. Moment mal, denke ich. »Wer ist denn Charlie?«

»Na, dein Onkel Charlie, der Berghammer-Charlie, der wohnt doch da den Berg rauf, in seiner Einsiedlerhütte. Ein echter Eigenbrötler ist der geworden«, sagt die Eisfee und reicht Oma Resi ein Hörnchen mit Erdbeereis.

Dann beugt Uschi sich zu mir und sagt: »Der ist nett, der Charlie, bisschen verrückt, aber ein großes Herz hat er. Der könnte mal Besuch vertragen.«

»Charlie, der Narrische«, lacht Oma Resi und schleckt ihr Eis. Papa seufzt leise, aber ich höre es trotzdem. Ein narrischer Onkel, der auf dem Berg wohnt? Jetzt wird es interessant, denke ich und würde gerne mehr über diesen verrückten Charlie erfahren. Aber Papa sagt, wir müssen jetzt los, und nimmt mich an die Hand.

Aus dem Autofenster schaue ich noch zum Eiscafé zurück. Uschi und Oma Resi winken und Papa setzt ein Lächeln auf, von dem ich weiß, dass es nicht echt ist. Aber mir hat es super gefallen. Bergaudorf ist das schönste Dorf der Welt!

Zu Hause stelle ich mein ganzes Zimmer auf den Kopf auf der Suche nach den Postkarten, die Onkel Charlie mir immer geschrieben hat, jedes Jahr zum Geburtstag und zu Weihnachten. Die müssen doch irgendwo sein! Verdammtes Chaos!

In der Schreibtischschublade? In der Kiste auf dem Schrank? Unter dem Bett? Mein ganzes Zimmer sieht aus, als hätte es eine Spielzeug-Bastelkram-Klamotten-Milla-Explosion gegeben. Aber … tata: Da sind sie! In einer alten Keksdose finde ich die Postkarten von Onkel Charlie. Schön sind die.

Einige Ansichtskarten von Bergaudorf sind dabei, auf denen sogar Uschis Eiscafé zu sehen ist, andere haben Indianer-Motive. Ich drehe eine besonders schöne Karte um und versuche, sie zu lesen. Aber es ist wie verhext: Sobald ich die Buchstaben anstarre, verwandeln sie sich vor meinen Augen wieder in winzig kleine Ameisen und krabbeln davon. Verdammt! Hiergeblieben! Eine Ameise bleibt stehen und streckt mir die Zunge raus. Das kann ich auch. Wenigstens haben sie dieses Mal nicht das Milla-Muh-Lied gesungen.

Hey, Milla! - Mein geheimer Wünschesommer

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