Читать книгу Hey, Milla! - Mein perfektes Freundschaftswunder - Katharina Schöde - Страница 6
ОглавлениеFreitag,
letzter Schultag vor den Ferien
Wir sind mit der ganzen Klasse im Deutschen Museum. Und Frau von Teufel hat sich etwas ganz Besonderes ausgedacht, um den Besuch noch spannender zu machen: eine Schnitzeljagd, passend zu unserem Projekt. Sie meint, ohne ›Träume, Wünsche und Visionen‹ gäbe es gar keine neuen Erfindungen, und die Menschheit würde noch in Höhlen leben. Macht irgendwie Sinn, nur wer etwas unbedingt erreichen will, forscht so lange, bis er eine Lösung findet.
In Zweiergruppen sollen wir im Museum auf Visionen-Jagd gehen. Wer als Erster fertig ist, bekommt einen Planeten-Bildband und einen Muffin in der Cafeteria. Klar, dass Angie und ich gewinnen wollen!
Um schneller zu sein, teilen wir uns auf. Wie der Blitz jage ich durch die Halle mit den historischen Fluggeräten um herauszufinden, wer als Erster versucht hat, den ›Traum von Fliegen‹ in die Realität umzusetzen. Das muss doch hier irgendwo stehen. Verdammt! Ich bleibe vor einer Schautafel stehen, auf der gaaaanz viel drauf steht. Verflixt! Jetzt ruhig bleiben und konzentrieren! Ich schaffe das! Ich werde das jetzt alles lesen: Buchstabe für Buchstabe. Und so mache ich das dann auch. »Die F-l-uu-g-pio-pioni-ierre …« Bis Angie zu mir kommt. »Hey, Milla! Hast du es?«
»Moment, gleich …«, stammle ich und versuche weiter zu lesen. »Die Flugpioniere sta-r-te-ten …«
Sie stöhnt. Bei mir dauert es halt immer viel, viel länger mit dem Lesen, als bei anderen. Angie hält es nicht mehr aus.
»Da: ›1810 konstruierte Alberecht Berblinger den ersten flugfähigen Gleiter‹«, liest sie in beeindruckender Geschwindigkeit vor. »›Er führte ihn jedoch unter ungünstigen Windverhältnissen vor, und so stürzte er unter dem Spott der Zuschauer in die Donau.‹«
Ich schaue sie bewundernd an, ich werde nie so schnell lesen können. Aber mittlerweile sind schon zwei andere Schnellleser-Teams an uns vorbei gelaufen. Angie merkt, dass sie mit mir im Team wohl nicht gewinnen wird. Ich schaffe es einfach nicht, zügig zu lesen.
»Pech gehabt«, sage ich, und meine damit nicht nur den abgestürzten Albrecht Berbinger mit seinem Fluggleiter, sondern auch Angie und mich. Wir werden die Anderen nicht mehr einholen. Mist! Keine Chance, noch zu gewinnen. War wohl nichts mit dem Bildband, und mit dem Muffin – aber Angie ist mir nicht böse.
»Ist egal, komm, als Nächstes geht es um Raumfahrt, das ist doch voll dein Ding!«
Und ob Raumfahrt ›mein Ding‹ ist! Alles, was mit Sternen, Raketen und fremden Planeten zu tun hat, interessiert mich brennend. Aliens natürlich auch, besonders die Frage, auf welchem Planeten sie leben könnten.
Also lächle ich Angie dankbar an, hake mich bei ihr unter und wir gehen die geschwungene Treppe zur Kosmologie-Abteilung hoch. Und das lohnt sich wirklich. Wahnsinn: Es gibt sogar einen echten Mondstein (auch, wenn der ziemlich klein ist).
Wir kommen als letztes Team in der Cafeteria an. Statt des Gewinner-Muffins teile ich mir mit Angie meinen Müsliriegel. Frau von Teufel schlägt vor, dass wir uns von den Erfindungen und Visionen aus dem Museum auch für unseren Wunschtraum-Aufsatz inspirieren* lassen sollen (* das heißt so was wie: Ideen finden).
»Und jetzt: Schöne Ferien, ihr Rabauken, geht raus, lasst euch nicht ärgern, schlaft aus, habt Spaß, und kommt gut gelaunt zurück!«
FERIEN! Angie und ich klatschen ab. Es gibt fast kein besseres Gefühl, als den Beginn der Ferien. Freiheit, Berge, , ich komme!
Den ganzen Rückweg in der Straßenbahn überlegen Angie und ich weiter, was unser Wunschtraum sein könnte. Grübel!
»Tut mir leid, dass ich das mit deiner Mama gesagt hab«, sagt Angie.
»Schon okay«, sage ich, weil ich weiß, dass sie mir nicht wehtun wollte.
»Und ein Einhorn will ich auch nicht«, erklärt sie weiter. »Ich finde, wir haben in die falsche Richtung gedacht, wir sollten uns mehr so was wünschen, was auch in Erfüllung gehen könnte, so wie das mit dem Fliegen. Wie dieser Albrecht.«
»Der ist abgestürzt«, sage ich.
»Trotzdem. Wenn der nicht gewesen wäre, gäbe es jetzt vielleicht keine Flugzeuge und ich könnte morgen nicht zu meiner Tante Alice nach London fliegen.«
Ich nicke. »Eigentlich dachte ich ja, mein größter Wunsch wäre es, eine neue Mutter zu haben – aber alle, die mein Vater toll findet, finde ich total furchtbar.« Ich mache eine Grimasse und sie lacht.
»Also meine Mutter nervt auf jeden Fall, die kannst du gerne geschenkt haben, oder wenigstens ausgeliehen«, erklärt Angie und wir lachen weiter.
Als ich abends mit Papa meinen großen Rucksack packe, denke ich immer noch über das Wünschen nach. Und deshalb möchte ich auch wissen, was denn Papas Herzenswunsch wäre. Aber im nächsten Moment bereue ich es dann schon wieder, dass ich danach gefragt habe, weil er mich irgendwie traurig ansieht.
»Ich würde mir wünschen, dass du immer glücklich bist, Milla«, sagt er.
»Keiner ist immer glücklich«, sage ich »das wäre doch voll langweilig.«
»Doch, du musst immer glücklich sein, sonst muss ich da nachhelfen.«
Er packt mich und fängt an mich zu kitzeln. Ich lache laut auf. -ha-ha!
»Halt! Nein, PAAAPPPAAA!«, kreische ich glucksend.
Und Lupo fängt an zu bellen, weil er anscheinend auch mit raufen will. Eine Kissenschlacht folgt. WUSCH!
Über meinem Bett hängt ein Bild von der Mama. Sie sieht darauf aus wie ein Engel, denn sie trägt ein langes, weißes Kleid und spielt auf ihrer Geige. Meine Mutter war nämlich eine ganz berühmte Violinistin* (* das heißt Geigenspielerin). Ich bin mir nicht sicher, ob sie wirklich im Himmel wohnt. Das wäre ja ziemlich voll da oben, wenn alle die gestorben sind, da rumsitzen und auf uns runterschauen. Andererseits gibt es ganz viele Bilder von Engeln mit Geigen, und vielleicht ist meine Mama wirklich einer davon. Ich schließe die Augen und höre sie spielen, erst ganz leise und dann immer lauter und schneller.
Und plötzlich liege ich auf einer Wolke und schwebe durch einen abendrot-rosafarbenen Himmel. Ich schaue mich um und dann sehe ich Mama auf einer anderen Wolke, über mir. Sie lächelt, während sie weiter auf ihrer Geige fiedelt. Ich stehe auf und winke ihr zu. »Hallo Mama! Hier bin ich.«
Aber sie beachtet mich gar nicht. Hat sie mich überhaupt gesehen? Ich hüpfe auf und ab und wedle mit den Armen.
»Mama? Siehst du mich nicht?«, rufe ich nochmal lauter. Wenn ich doch irgendwie auf die andere Wolke hinaufkäme. Aber es gibt keine Leiter oder Treppe oder so was.
»Hier unten bin ich. Die Milla! Schau doch mal, Mama, bitte«, versuche ich es noch einmal, aber vielleicht will sie ja gar nicht zu mir schauen?
»Bist du böse auf mich, weil ich dich vergessen habe? Ich will gar keine neue Mutter!«, rufe ich ihr zu und merke gar nicht, dass ich dabei anfange zu weinen. »Mama!«, schreie ich ganz laut. » «
Als Nächstes fängt Lupo an zu bellen. Dann geht das Licht an. Papa ist da und nimmt mich in den Arm und drückt mich ganz fest. Lupo hat ihn geweckt (er schläft immer neben meinem Bett und passt auf mich auf). Es war nur ein Traum.
»Alles gut Milli-Maus, alles gut«, flüstert Papa. Ich schniefe die Tränen weg und atme tief durch. Ich streichele über Lupos Rücken, damit auch er sich wieder beruhigt.
»Hast du von Mama geträumt?«
Ich nicke und schaue aus dem Fenster.
»Wieso kann sie nicht mal kurz vom Himmel runterkommen? Ich würde so gerne mit ihr reden.«
Papa nimmt mich auf den Arm und trägt mich in sein Bett, Lupo trottet hinterher. Zusammengekuschelt schlafen wir wieder ein.