Читать книгу Tusnelda - Kathy B. - Страница 3

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In unserem Haus war wieder eine Wohnung freigeworden. „Was denkst du denn? … Soll ich mal Frau Herfurth fragen?“, sprach ich. Mein Mann guckte nicht gerade begeistert. Ihm wäre da nämlich einiges zu Ohren gekommen, meinte er. Ich gab auf Gerüchte nicht viel. Obwohl? An jedem war ein Fünkchen Wahrheit. Bloß die vorherigen Mieter hatten wir gar nicht gekannt. Und was war gewesen?

Zu der jungen Frau mit ihren drei Kindern, die nur kurz hier gewohnt hatte, war ich mal zu einem Streit gerufen worden. Es war einfach nur schlimm gewesen, wie sie ihren Freund mit den Fingernägeln zugerichtet hatte. Und ein anderes Mal hatte sie ihn absichtlich mit dem Auto angefahren.

Die nächsten war eine Männer-WG gewesen. Eingezogen waren sie mit Matratzen. Irgendwann hatte dann mal eine Couch im Hausflur gestanden. Für mich hatte das so ausgesehen, als ob sie endlich Möbel kriegten. Anderntags hatte der Schlüssel in unsrem Kasten gelegen.

Nachdem ich Rico daran erinnert hatte, sagte ich: „So viel zu dem Thema.“ Alles, was von ihm gekommen war, war nur Rotz gewesen. Deswegen war ich jetzt auch dran. „Und noch was anderes.“ Die Letzten waren nämlich auf dem Mist eines Freundes von ihm gewachsen war. „Wie oft hast du dem aus der Patsche geholfen? Und dann empfiehlt er dir so was.“ Klar war es Scheiße von mir. Dass der andere so bösartig ist, hatte Rico ja auch nicht ahnen können. Aber bei mir war sofort wieder das Bild von dem Bad vor Augen. Die Wanne und die Dusche hatten ausgesehen, als ob die Teer drin ausgekippt hätten. „Dort habe ich geheult. Ich dachte, das kriege ich nie sauber. … Ja. Das willst du nicht hören. Du musst es ja auch nicht machen.“ „Dann lasse ich das nächste Mal eine Firma kommen.“ „Na klar. Die kostet ja auch gar nichts. … Wir nehmen jetzt die Frau Herfurth. Die will nicht aus der Ecke hier weg. Wegen der Kinder.“ „Dann musst du das eben machen.“ Wie schön. Weil ich ihr ja auch bloß nicht abgesagt hatte wegen seinen komischen Männern. Die für drei Jahre hatten bleiben wollen. Vielleicht hatten sie auch das eine Wort falsch übersetzt gehabt. Drei Monate waren es genau gewesen. Ich stöhnte. „Ist denn?“, fragte er. Ich erzählte ihm, was mir gerade durch den Kopf gegangen war. Daraufhin meinte er, dass ich es gar nicht erst versuchen bräuchte. „Oder würdest du dich freuen, wenn dein neuer Vermieter, oder was er mal werden sollte, auf einmal ankommt. Darfst doch.“ „Sieht eigentlich komisch aus, wenn man jemandem hinterherrennt.“ „Eben.“ „Aber bei der weiß ich, was ich habe. Die zieht nicht nach drei Monaten aus.“ „Dann musst du es eben machen. Aber beschwere dich nicht hinterher.“ „Worüber denn?“ „Na das, was ich dir schon mal gesagt habe. Die heißt doch nicht umsonst Frau Kümmerling.“ Also ich hatte davon noch nichts gehört. Und auch nichts gemerkt, wenn wir uns mal übern Weg gelaufen waren. Und dass sie böse war, konnte ich mir nicht vorstellen. „Zu Timmy ist sie immer ganz lieb.“ Und wer das zu einem Hund war, konnte kein schlechter Mensch sein.

Anderntags legte ich meine Gassi Runde so, dass ich dort vorbeikam. Vorm Haus stockte ich kurz. „Einmal hüh. Dann wieder hott. „Ach was.“ Entweder wollte sie oder wollte sie nicht. Hier hatte sie ein einmaliges Angebot. Die Wohnung besaß nämlich zwei Kinderzimmer und noch einen kleinen separaten Raum. So dass sie nicht auf der Couch zu schlafen brauchte. Und es trotzdem noch passend für Hartz IV-Empfänger war.

Ich holte tief Luft und drückte auf die Klingel. Es dauerte nicht lange und in der ersten Etage guckte ein Kopf heraus. „Schönen guten Tag. Ich weiß, dass ich Ihnen abgesagt hatte. Es tut mir auch leid. Falls Sie noch möchten, die Wohnung wäre frei.“ Sie wiederholte genau Ersteres. Eben das mit der Absage. „War bloß eine Frage.“, sprach ich und wollte schon gehen. „Moment.“ Und dann meinte sie, dass sie sich die Wohnung mal angucken würde.

Zum vereinbarten Termin war sie schon pünktlich. Bloß nicht ganz allein. Na ja. Sie hatte schließlich ihren Mann verloren. „Dann wollen wir mal hochgehen.“ Während ich ihr die Räume zeigte, erzählte ich ihr, dass wir hier Fußbodenheizung hätten. „Ach schön.“, plapperte sie. Zum Schluss kam das Bad. Ich war mir sicher gewesen, dass alles in Ordnung ist. Der Klodeckel stand offen und ein gelber Fleck war auf der Brille. Das genau sah sie. Ich entschuldigte mich. „Keine Ahnung. … Ach ja.“ Da war doch noch mal ein Handwerker drin gewesen. „So ein Schwein.“, dachte ich. In dem Moment hatte sie es aber auch schon mit der Hand weggewischt. Mir standen die Haare hoch. Das hätte ich niemals gekonnt. Ich war so was von sprachlos und sie meinte: „Ich nehme die Wohnung.“ Wie jetzt? Noch gab es Wasser. Aber anscheinend sah sie den Hahn nicht.

Aus der Wohnung konnte ich sie noch so rauslotsen. Aber wie eine Etage tiefer rein, um alles klarzumachen? Hauptsache, sie fasste nichts an. Ich war die ganze Zeit nur am Gucken, während mein Mann redete. Am liebsten hätte ich abgeblockt. Ich bekam es einfach nicht über die Lippen. Und die Frau sagte auch noch zu. Die Hand bekam sie natürlich nicht von mir. Dort war ich stark beschäftigt, unseren Hund anzuziehen. Weil er noch mal Gassi musste.

Zwei Tage später klingelte sie, wegen Wohnung ausmessen. Klar war das ihr gutes Recht. Bloß, was mich das wieder an Zeit kostete. Die Frau hatte null Plan. Sie wusste nicht, wie sie ihre Möbel aus der alten Wohnung stellen sollte. Gut. Vielleicht war es ja auch noch wegen der Trauer. Und da ich nun mal bisschen gutmütig war, bot ich ihr an, mal mit in ihre Wohnung zu gehen.

Die hatte bald die doppelte Größe. Logisch, dass nicht alle Möbel reinpassten. Aber wer brauchte auch schon zwei Anbauwände? Sie sollte sich eine davon raussuchen. Die andere kam weg. „Und was wird aus der großen Eckcouch?“, fragte sie. Die konnte sie unters Fenster stellen. Wir hatten doch keine Heizkörper. Ich sagte ihr bei jedem Raum, was ging und was nicht. Bei der Schlafstube wollte sie es mir nicht glauben. „Können Sie.“ Wenn ich was hatte, war es Augenmaß. „Der Schrank passt rein. Ihr Bett gegenüber so längs. Haben Sie vorne noch bisschen Platz.“, sprach ich weiter. Aber vorsichtshalber hatte ich den Grundriss und mein Maßband mitgebracht. Sie meinte, sie müsste erst mal aufs Jobcenter. Wegen einer Umzugsfirma fragen. „Sie haben ja drei Monate Zeit.“ „Ich möchte so schnell als möglich.“, entgegnete sie. „Zwei Wohnungen bezahlt das Jobcenter bestimmt nicht.“ Sie musste schon ihre Kündigungsfrist einhalten. Wenn natürlich der andere Vermieter mitmachte, konnte sie auch gerne eher rein. Sie sollte einfach Bescheid geben.

Als sie Tage später klingelte, dachte ich, dass sie mir den genauen Termin nennen will. Sie wollte aber ihrem Kind die Wohnung zeigen. Ich führte es durch alle Räume. Und dann ging es eigentlich bloß darum, welches Zimmer es nahm. Das hintere hatte ein Fenster zum Hof und zur Seitenstraße. Und das vordere eins zur Hauptstraße und so ein schräges, wo man die ganze Kreuzung überblicken konnte. Das Kind war am Überlegen. Ich sagte nur, dass man dem Mädchen den Vortritt lassen sollte. Weil ich annahm, dass das der Sohn war. Ein wenig später erfuhr ich, dass es ihre Tochter wäre. „Oh.“ Ich entschuldigte mich. Sie meinte, dass das auch schon andere gedacht hätten, weil sie immer wie ein Junge herumlaufen würde. Es war mir trotzdem unangenehm. „Das muss es nicht. … Aber hier …. wegen den Möbeln. Ich denke, dass die trotzdem nicht ganz reinpassen.“ Wir konnten gerne noch mal messen. Das wollte sie nur jetzt nicht, wegen ihrem Kind. Dann musste sie eben morgen noch mal kommen. Obwohl auf dem Grundriss, den ich ihr gegeben hatte, die Fenster und alles eingetragen waren. „Ich kopiere es Ihnen gerne noch mal. Können Sie drauf herummalen.“ „Nein.“ „Soll ich morgen noch mal zu Ihnen kommen?“ „Wenn Sie so nett wären.“

Es kostete ganz schön Nerven. Weil sie sich für keine Schrankwand entscheiden konnte. Und auch nicht für den Inhalt. Sie sollte einfach anfangen mit aussortieren. „Sehen Sie es positiv. Haben Sie was zu tun. Und kommt auch mal der ganze Mist weg.“

Nach ein paar Tagen stand sie wieder auf der Matte. Sie hätte schon ganz schön was geschafft. Aber sie wäre sich trotzdem noch nicht ganz sicher. Mann, oh Mann. Ich hatte auch noch anderes zu tun. „Um was geht` s denn?“ Die Kinder hätten so viel Zeug. Gut. Dann gingen wir eben auch das gemeinsam durch.

Ich malte ihr alles auf. Irgendwann sah sie ein, dass ich doch Recht hatte. Und dann gab sie zu, dass sie vor dem Umzug Angst hätte. „Ich glaube nicht, dass ich das schaffe.“ Aber die Firma baut Ihnen doch alles wieder auf.“ „Ja schon.“ „Sie machen an alles, was auf den Sperrmüll kommt einen Zettel. Und das gleiche machen Sie mit dem, was mitgeht. Aber auch in der Reihenfolge, wie es dann abgeladen wird.“ „Ach so.“ „Na das Erste, was die anpacken, schieben die doch ganz hinten rein. Demzufolge kommt es als Letztes raus.“ „Ich weiß doch gar nicht, wo die reingehen.“ „Sie hatten gesagt, die kommen mit dem Lift.“ „Mm.“ „An der Hauptstraße werden die kaum halten. Die fahren bestimmt in die Seitenstraße.“ Gut. Ob sie ihre Möbel nun durch das Fenster von dem einen oder anderen Kinderzimmer reinbrachten, das wusste ich nun auch nicht. Aber ihr Schlafzimmerschrank und das Bett kamen als Erstes. Und danach das komplette Wohnzimmer. Sie sollte die Küche als nächstes nehmen und zum Schluss beide Kinderzimmer.

Ein paar Tage später teilte sie mir mit, dass sie alles so gemacht hätte, wie ich es ihr aufgetragen hatte. „Haut es doch hin. … Und wann geht` s nun los?“ „Übernächsten Sonnabend.“ „Da möchten Sie vielleicht vorher noch mal rumkommen und die Fenster putzen.“ „Ja, stimmt.“ „Ich helfe Ihnen auch mit.“

Hätte ich das bloß nicht gesagt. Da waren nämlich lauter Spinnen im Rahmen. Die mit den dicken, langen Beinen. Die früher immer im Waschhaus gehockt haben, wo wir als Kinder baden mussten. Ihr ging es selber nicht anders. Sie fragte nach einem Staubsauger. Also meinen guten bekam sie bestimmt nicht. Damit die mir im Wohnzimmer wieder rausgelatscht kamen. „Nee.“ Dann musste eben Ricos Industriesauger herhalten. Aber ich machte das trotzdem nicht. Weil man da genau draufzielen musste. Und das hieß, die Spinne angucken. Es war schon ein Akt. Und kalt war es auch wie Sau. Logisch. Wir hatten Herbst. Und im zweiten Stock zog es nun mal etwas anders. „Ich koche uns einen Kaffee.“, sprach ich hinterher.

Dann hockte sie unten bei mir in der Küche und fing an, zu heulen. Wegen ihrem Dicken. Sie sollte es mal so sehen. „Das ist jetzt ein Neuanfang.“ Und was ich ihr nicht noch alles erzählte. Irgendwann hatte ich sie soweit, dass sie sich wieder auf den Umzug konzentrierte. Ich ließ mir noch mal das mit der Firma erklären. Die würden sogar die Lampen anschrauben. „Was wollen Sie mehr? Ist doch dann alles fertig. Können Sie abends in ihrem Bett liegen.“ „Ja schon.“ „Also jetzt hören Sie mal auf.“ Sie hatte hier eine Fußbodenheizung. Im Bad waren eine Wanne und eine Dusche. Was wollte sie noch? Dass ihr Zimmer ein bisschen kleiner war, dafür konnte ja nun keiner. Sie sollte froh sein, dass mein Mann die Wohnungen so konstruiert hatte, dass die Zwei- und Dreiraumwohnungen alle noch ein kleines Extrazimmer hatten. Sie hätte auch lange gesucht, erklärte sie mir. Bei jeder mit 75 Quadratmetern wären immer nur ein Kinderzimmer und ein Schlafzimmer gewesen. Und da hätte sie im Wohnzimmer auf der Couch pennen müssen. „Na also.“ „Ja.“ „Haben Sie sich überhaupt schon mal Gedanken gemacht, was aus den Männern wird, die Ihnen helfen?“ Sie sah mich ungläubig an. „Na, wenn die den ganzen Tag bei Ihnen sind, werden die Hunger haben. Und Durst. Kaffee werden Sie wohl kochen können. Vielleicht noch einen kleinen Snack. Belegte Brötchen oder was weiß ich.“ „Wovon denn? Ich habe doch kein Geld?“ „Also Frau Herfurth. Sie bekommen doch genug. Was denken Sie denn, womit ich klarkommen muss? Ich habe dreihundert von meiner Rente als Kostgeld zur Verfügung. Sie sind doch noch alter Schlag. Was haben wir denn früher von unseren Männern in der Woche gekriegt? Hundert Mark. Und wenn wir gut gehaushaltet haben, konnten wir davon auch noch zum Friseur.“ „Ja. Ich weiß doch auch nicht, was ich verkehrt mache.“ „Das kann ich Ihnen sagen.“ Sie saß mir nämlich mit F6 gegenüber. Zigaretten waren heutzutage einfach teuer. Und wie ich sie einschätzte, brauchte sie zwei Schachteln am Tag. Da waren wir doch schon bei zehn Euro. Und wenn sie denn noch trank. Ich wollte sie bloß nicht fragen. Falls es dann doch nicht stimmte.

Na jedenfalls stellte ich mich hin und machte Kartoffel- und Nudelsalat. Und holte eine Hucke Wiener. Vormittags brachte ich schon mal Kaffee hoch. Den brauchte sie mir natürlich nicht bezahlen. Aus so einem Päckchen kriegte man genug Kannen raus. Die Männer freuten sich. Und noch mehr, wie sie mittags was zu beißen bekamen. Mit so viel Arbeit hatten sie nämlich nicht gerechnet. Sie hatten ihr ja auch das andere alles raus auf den Sperrmüll geschafft. Was sie eigentlich hätten nicht machen müssen. Sie bedankte sich bei mir. „Frau Herfurth. Das ist aber nicht umsonst.“ Die Zutaten für die Salate hatte ich aufgelistet. Den größeren Teil machte natürlich die Ladung Wiener aus. „Nee, nee. Das bezahle ich Ihnen, sobald ich Geld habe. … Und vielen Dank noch mal.“

Nachmittags lief ich hoch gucken. Es war nun mal etwas laut unten drunter. Ich wollte nur wissen, wie weit sie denn gekommen waren. Von den vier Männern zog der eine wie der andere eine Schnauze. Klar hätten sie längst Feierabend gehabt. Aber da war noch das anzuschrauben und jenes aufzuhängen. Und vor allem trieften sie wie Sau. Logisch. Durch die Fußbodenheizung. „Sie haben wohl nichts zu trinken für die?“ „Nein. Wovon denn?“ „Also Frau Herfurth? Eine Flasche Wasser kostet doch nun weiß Gott nicht viel.“ Ihr Gesicht sagte was anderes. „Das können Sie nicht bringen.“, sprach ich weiter. „Na hätten Sie derweilen was? Ich bezahle es Ihnen auch.“

Ausgerechnet heute war bei uns gähnende Leere. Rico hatte es noch nicht geschafft, Getränke zu holen. Gut. Ich war noch nicht Gassi gewesen. Dann lief ich eben so lang. Aber bevor ich mich hier mit hundert was Verschiedenem abschleppte, fragte ich die Männer. Der eine wollte nur Wasser, der andere eine Cola. Und so weiter. Alles klar.

Sie waren mir so was von dankbar. Jedem, dem ich sein Gewünschtes überreichte, trank die Hälfte der Anderthalb Liter Flasche auf Ex. Also das durfte doch wohl nicht wahr sein. Und wenn man denen wenigstens eine Tasse oder ein Glas für den Wasserhahn in die Hand gedrückt hätte. Na Halleluja. Viel schien, bei der neuen Mieterin nicht in der Rübe zu sein.

Aber wie ich nun mal war, bekam sie trotzdem noch ein Einzugsgeschenk. Mir war auch klar, dass sie das nicht von der Wohnungsbaugesellschaft gekriegt hätte. Sie sollte aber langsam mal lernen, anders mit Geld umzugehen. Und deswegen bekam sie eine Dose Tabak und paar Hülsen von mir. Zu dem Stopfer sagte ich aber mit dazu, dass der nur geborgt wäre. Weil ich den nämlich zum Geburtstag von Bekannten gekriegt hatte. Also es war kein Null acht fünfzehn. Ich hatte bloß noch den anderen im Gebrauch. „Ja.“, meinte sie.

Tags drauf fragte sie mich, ob ich mal mitkäme, die Zählerstände in der alten Wohnung abzulesen. „Na sicher.“ Das konnte ich doch gleich mit dem Gassi verbinden. „Nein.“ In den Keller musste Timmy nicht. Dann hatten sie dort vielleicht was ausgestreut. Wegen Ratten. Davon wüsste sie nichts. „Das haben Sie vielleicht gar nicht mitgekriegt. Gehe ich hinterher.“ „Ich muss mich aber erst noch anziehen.“ „Das wird doch keine Stunden dauern.“

Bei ihr schon. Sie hätte noch mal aufs Klo gemusst, erklärte sie mir. Das dauerte eigentlich auch keine Viertelstunde. Wahrscheinlich hatte sie noch eine geraucht. „Stift und Zettel mit?“, fragte ich. „Nee.“ Jetzt brauchte sie nicht noch mal hoch zu rennen. Sie kam bloß ewig nicht wieder. Dann nahm ich eben beides mit.

Im Haus angekommen, ließ ich mir den Zählerschrank zeigen. Was keiner war. Weil die Zähler noch einzeln an der Wand hingen. „Und welcher ist Ihrer?“ „Weiß ich nicht.“ War auch egal. „Hier läuft doch alles.“ „Kann nicht sein.“, entgegnete sie. „Gucken Sie doch mal.“ „Ei ja.“ „Haben Sie oben Licht brennen lassen?“ „Eigentlich nicht.“ „Sie gehen jetzt hoch und drücken den FI. … Na das blaue Ding wie bei uns. … Dann machen Sie eben alle Sicherungen runter.“

Ich beobachtete die Zähler. Keiner hielt an. „Und?“, fragte sie, wie sie die Treppe runterkam. „Na nichts. Haben Sie auch wirklich alle ausgemacht?“ „Ja.“ „Das gibt es doch nicht.“ „Und nun?“ „Dann rufen Sie mal den Vermieter an.“ Das hatte ich so dahingesagt. Ich selber hatte ja auch nie mein Handy einstecken. Aber sie hatte es mitgenommen.

Da sie nicht wusste, wie sie sich ausdrücken sollte, übernahm ich das Gespräch. Es dauerte nicht lange und er kam. Er wohnte nämlich nicht allzu weit weg. Da sie nur um den heißen Brei redete, erklärte ich ihm, worum es ging. „Moment.“ Und dann verschwand er in einem Kellerraum. „Und jetzt?“, rief er. Ein Zähler hatte wirklich angehalten. In dem Moment brüllte auch schon jemand oberhalb der Treppe. „Was ist denn hier los? … Unser Fernseher ist tot. Der Computer geht auch nicht.“ Dafür konnten wir doch nichts. Das sollte die Frau mal schön mit dem Vermieter klären. Ich schrieb die Zählernummer und den Stand ab.

Auf dem Rückweg erzählte mir Frau Herfurth, dass sie jedes Jahr eine Riesen Summe hätten nachzahlen müssen. „Dann wissen Sie doch jetzt, warum. Aber vielleicht hätten Sie eher schon mal was überprüfen lassen sollen. … Oder mal googeln nach dem durchschnittlichen Verbrauch im Haushalt. Sie wissen doch, ob Sie einen Haufen Geräte dranhängen haben.“ „Den Trockner habe ich schon gar nicht mehr benutzt.“ „Ach nee.“ Irgendwo musste das einem doch mal zu denken geben. Der Dicke hätte sich auch immer gewundert, meinte sie. „Aber unternommen hat er anscheinend nichts.“ „Und was soll ich da nun machen?“ „Können Sie was beweisen?“ „Sie waren doch mitgewesen.“ Das fehlte mir gerade noch. Hier musste sie selber durch. Und bevor sie noch auf die Idee kam, dass wir auch so was machten, sagte ich: „Sie wissen, dass unser Haus entkernt ist. Das sind alles neue Leitungen. Den Zählerschrank haben Sie gesehen. Ist nämlich eine Auflage heutzutage.“

Anderntags klingelte sie, weil sie den Fleck aus der Auslegeware in ihrer Schlafstube nicht rauskriegen würde. Sie hätte warmes Wasser und Waschpulver genommen. „Super. Damit ist die Appretur raus.“ Sie guckte. „Also Frau Herfurth. Wir haben schon zu Ostzeiten Teppichböden gehabt. Sie bestimmt auch. Und da wird Ihnen doch auch manches passiert sein.“ Das gab sie zu. „Und? Haben Sie was gemerkt, nachdem Sie das rausgerieben haben?“, fragte ich. Sie natürlich nichts. „Umso schneller ist es dort wieder dreckig geworden. … Mensch.“ Heutzutage gab es ganz andere Mittel. „Warum machen Sie denn Ihren Mund nicht auf?“ Sie guckte wie so ein Trollo. „Moment.“ Ich hatte mir nämlich Oxy geholt. Für unseren kleinen Wohnzimmerteppich. Und das gab ich ihr mit hoch. Den Rest wollte ich wiederhaben. Es kam bloß nichts unten an. Na meine Fresse. Wenn es nur ein kleiner Fleck gewesen war, konnte sie doch nicht alles aufgebraucht haben. Die schien, gar nicht zu wissen, was so eine Dose kostete.

Wie sie mir das nächste Mal übern Weg lief, wollte ich sie danach fragen. Ich kam nur nicht dazu. Weil sie nur am Meckern war. Die beiden Kinderzimmer würden nicht warm werden. Und in ihrem Zimmer wäre es wie in einer Sauna. Eigentlich war die Heizung Sache meines Mannes. Er war ja nicht umsonst Klempner. Aber eben auch nur am Arbeiten.

Es ging einige Tage so. Ich wusste bald nicht mehr, was ich Tusnelda noch erzählen sollte. Von denen, die davor drin gewohnt hatten, hatte sich keiner beschwert. Irgendwie musste ich ja reagieren. Und so ging ich mit hoch. Dann konnten wir das nur mit den Ventilen im Heizkreisverteiler ausprobieren. Aber welches wofür war, keine Ahnung. Es stand ja nichts dran. Ich erklärte ihr, dass sie ein bisschen Geduld haben müsste. So schnell kühlte die Fußbodenheizung nicht runter. Und wenn wir mehrere auf einmal abdrehten, würden wir es auch bloß nicht rauskriegen.

Am darauffolgenden Morgen stand sie wieder auf der Matte. Probierten wir eben das nächste. Und abends ein Weiteres. Nebenbei erinnerte ich sie an die Würstchen, Salatzutaten und die Getränke. Das waren immerhin zwanzig Euro gewesen. Und wir hatten ja Monatsanfang. Null Reaktion. Na fein.

Anderntags kam sie dreimal wegen der Heizung. Jetzt wusste ich wirklich nicht weiter. „Was soll ich denn hier noch machen? Ich bin weder ein Mann noch ein Klempner.“, sprach ich abends zu Rico. Aber in was für einem Ton. Daraufhin ging er hoch.

Deswegen kam sie trotzdem wieder. Aber nicht wegen der Sache, sondern um mir ein Ohr abzukauen. Von ihrem verstorbenen Dicken. Timmy, der Verräter, lief schwänzelnd zu ihr hin. Das war auch nur Sinn und Zweck der Sache gewesen. Sich systematisch bei unserem Hund einzuschleimen. Damit sie was zum Kuscheln hatte. „Darf er mit hoch?“, fragte sie. „Wenn er will.“ Natürlich. Er war ja schon durchgestartet. „Aber keine Knochen füttern. Und nur ein kleines Leckerli. Der kriegt hier unten genug.“, sprach ich noch. „Ja. … Ich lasse auch oben die Tür auf, damit er wieder runterkann.“ „Gut.“

Tags drauf stand sie heulend auf der Matte, nachdem sie am Briefkasten gewesen war. Ihre Abschlussrechnung war gekommen. Sie durfte 600,- Euro nachzahlen. Das war sicher nicht schön. Aber bei ihr übernahm es doch das Amt. Also warum machte sie sich da eine Platte? „Und was, wenn nicht?“ Sie sollte doch erst mal dort vorstellig werden. Danach konnte sie immer noch heulen. Und außerdem ließen die Stadtwerke mit sich reden. Das ging links rein und rechts raus. An der Stelle wurde ich etwas lauter. Vom Kopf in den Sand stecken, wurde nämlich nichts besser. Und jetzt hatte ich ein bisschen was zu tun.

Kurz drauf stand sie mit einer Tüte Tangas vor der Tür. „Sind neu. Vielleicht können Sie was davon brauchen.“ Sie würde so was nicht anziehen. Hätte der Dicke gekauft. Ein Mann sollte eigentlich schon wissen, was seine Frau trägt. Er hätte eben gern gekauft, meinte sie. „Aha. … Dann kommen Sie mal rein.“ Ich stopfte ihr schnell eine Zigarette. In der Zeit, wo sie rauchte, sah ich den Beutel durch. In das eine oder andere Ding hätte ein Siebentonner reingepasst. Es war alles an Größen vorrätig. Sie erklärte mir, dass er nur auf rote Schilder geguckt hätte. Und dass er immer alles Mögliche an Sonderangeboten mitgebracht hätte. „Und da spart man oder wie? Wenn man die Hälfte davon nicht gebrauchen kann. Ach was. Hiervon ja gar nichts. Die ziehen Sie ja nicht an, haben Sie mir gerade gesagt.“ Sie guckte etwas betröpfelt. „Also Frau Herfurth. Tut mir leid. Aber da kann zu Ihrem Dicken nicht viel gewesen sein. Außer, dass er das Geld breitgeschleppt hat.“ Sie hätten ja auch keine Ersparnisse. Obwohl er und Sie gut verdient hätten, meinte sie. „Sie müssen doch gemerkt haben, dass der nur Rotz kauft.“ „Na ja.“ Dabei beließ ich es. Die Frau hatte einfach keine Relation zum Geld. Ein paar passende Dinger befanden sich ja in dem Beutel. Ich legte sie zur Seite. „Dann heben Sie die hier auf und schenken sie mir zu Weihnachten. Haben Sie gleich was. Und ich freue mich.“ „Na gut.“

Nachmittags stand sie mit einer Handtasche vor der Tür. Hätte auch ihr Dicker gekauft. Die war wirklich neu. Das Etikett hing ja noch dran. „Frau Herfurth, was habe ich Ihnen gesagt? Wenn Sie was nicht brauchen können, haben Sie mal ein Geschenk für jemanden.“ „Aber Sie haben mir doch auch schon so viel geholfen.“ Ich wusste nicht, wie ich es rumbringen sollte. Mir wäre einfach manchmal nur lieb gewesen, dass sie das bezahlte, was mit Geld verbunden war. Ich musste nämlich auch rechnen. Und das vielleicht ein bisschen mehr als sie. Wie ich das raushatte, sagte sie: „Aber Sie haben doch einen Mann.“ Die Frau peilte wirklich nichts. „Aber er ist selbstständig.“ „Das war meiner auch. Anfangs lief das Geschäft ja noch gut.“ Und dann kam eine lange Geschichte. Die dahingehend endete, dass er ihr und den Kindern nur Schulden hinterlassen hätte. Ich konnte es nicht mehr hören. „Frau Herfurth, nehmen Sie es mir nicht für übel. Aber ich habe noch zu tun.“ „Ja. … Kann ich da wenigstens Timmy mit hochnehmen?“ Ich stöhnte. „Von mir aus.“

Kurz drauf stand sie wieder da. Ob Timmy oben schlafen könnte. „Weiß nicht, ob das Rico gefällt. Er sieht seinen Jungen ja so schon kaum.“ Da kam sie mir mit Sally. Unser Hund würde ihr gut tun. „Schlafen tut er doch bestimmt bei Ihnen.“, sprach ich. Sie lachte nur. „Ich sage mal, ja. Wenn Rico hochkommt und anders entscheidet, kann ich es nicht ändern.“ Ich gab ihr noch paar Leckerlis mit. Wie sie auf der halben Treppe war, erinnerte ich sie an meine Ausgaben vom Umzug. Im Moment hätte sie kein Geld, meinte sie und lief weiter. „Haben Sie nicht erst gekriegt?“ Sie konnte doch nicht innerhalb von ein paar Tagen fünfhundert Euro auf den Kopf gestellt haben. Ich bekam keine Antwort. Oben ging die Türe zu.

Natürlich wunderte sich Rico abends. Weil ihn keiner begrüßte. Also ich schon. Aber nicht unser Hund. „Ist oben.“ Er zog gar nicht erst die Schuhe aus. Ich wartete an der Tür. Zurück kam er allein. Ich guckte etwas erstaunt. „Die schiebt einen Depri.“ Na klar. So ein Hund tat Wunder.

Wie sie mir anderntags mein Kind zurückbrachte, bat sie um etwas Tabak. Sicher wusste ich, wie das war, wenn man nichts zu rauchen hatte. Bloß wie sollte ich das berechnen, wenn ich ihr den mitgebrachten Becher füllte? Wahrscheinlich bekam ich es eh nicht wieder. Sie betonte, dass sie schon Gassi gewesen wären. Das war ja wohl das Mindeste.

Nachdem ich ihr was abgefüllt hatte, erzählte sie mir, dass ihr Sohn am Wochenende wiederkäme. Er war nämlich im Heim. „Ist doch schön.“ „Ich hätte ihn gern für immer.“ Das war mir auch klar. „Was das wieder kostet.“, sprach sie weiter. „Da muss es doch was geben. Wenn Väter ihre Kinder übers Wochenende haben, kriegen sie auch was vom Amt. Sogar die Fahrkarte, wenn sie sie holen müssen.“ Sie guckte wieder, wie sie guckte. „Frau Herfurth. Da muss man eben mal fragen. Die können nicht mehr wie nein sagen.“ „An was soll ich denn noch alles denken?“ „Dann schreiben Sie es sich eben auf.“ „Wie sieht denn das aus?“ „Wie soll denn das aussehen? Dass man sich drum kümmert. … Ich hatte auch schon mal einen Zettel mit beim Arzt. Na ei. … Und jetzt möchte ich mal was tun.“ „Ich bin ja schon weg.“

Auf der Treppe drehte sie sich noch mal um und hielt ihren Becher hoch. „Danke für das hier.“ „Schon gut.“ Hauptsache, sie störte mich jetzt nicht weiter. Ich musste nämlich Ricos Firmenweihnachtskarten schreiben. Und das waren an die fünfzig Stück. Hinzu kamen noch unsere privaten.

Alle Furz lang klingelte es. Das eine Mal musste mir Tusnelda erzählen, dass ihr das Amt zu wenig überwiesen hätte. Dann sollte sie sich mal in Bewegung setzen. „Ich würde nicht eher gehen, bis ich mein Geld hätte.“, sprach ich. Ein anderes Mal war es das Essen. Sie wüsste nicht, was sie kochen sollte, wenn Sidney kam. „Haben Sie ein Kochbuch?“ Sie hätte noch das alte von früher, meinte sie. „Na umso besser. Da stehen wenigstens keine außergewöhnlichen Zutaten drin. Gucken Sie mal hinten das Inhaltsverzeichnis durch. Fällt Ihnen bestimmt was ein.“

Und so ging das tagelang. Ich war immer eine Wut, wenn die weg war. Das Schlimme war bloß, dass ich mich dann nicht aufs Schreiben konzentrieren konnte. Oder nicht mehr so schön schrieb. Und das waren sie nun mal alle von mir gewohnt. Ich konnte es eh nicht lange. Weil dann meine Muskeln verrücktspielen. Aber so wurde nun noch weniger. Ich brauchte eine geschlagene Woche.

Rico kam mal zufällig etwas eher heim. Ich fragte ihn, ob wir nicht mal zu Lidl könnten. So bisschen was für die Feiertage einkaufen. Damit ich nicht alles zu schleppen brauchte. Und wen trafen wir dort? Unsere liebe Obermieterin. Die herumlamentierte, weil bald Weihnachten wäre und sie ihren Kindern nichts bieten könnte. „Das wissen Sie doch nicht erst seit gestern. Und außerdem ist das jedes Jahr. Muss man sich halt mal bisschen was weglegen.“, sprach ich und fragte sie, ob sie mitfahren will. Dann sollte sie aber ein bisschen hinmachen. Bei mir ging das nämlich ziemlich schnell. Ich hatte einen Zettel und mir im Laufe der Zeit auch gemerkt, wo alles stand. Bei Tusnelda war das natürlich nicht so. Wir mussten warten. Beziehungsweise Rico. Weil ich ihn drum gebeten hatte. Der wäre nämlich losgefahren. „Was treiben Sie denn so lange?“ „Ich muss doch mal gucken.“, entgegnete sie. Hauptsache, sie kaufte nicht, was sie sah. Sie hätte nur das Nötigste, meinte sie. Und dann kam es wieder. Sie wüsste gar nicht, was sie zu Weihnachten auf den Tisch stellen soll.

Irgendwo tat sie mir schon leid. Oder mehr die Kinder. Der Sohn war ja im Heim. Aber er kam über die Feiertage. Bloß alles umsonst gab es nicht. Wenn, musste sie schon was dafür tun.

Nun hatte es sich ergeben, dass die Wohnung gegenüber freigeworden war. Und mein Mann hatte sogar jemanden, der noch vor Weihnachten einziehen wollte. Den Zahn hatte ich ihm aber gezogen. Das Saubermachen schaffte ich nicht an einem Tag. Auch nicht an zweien. Und unten hatte ich auch noch bisschen zu tun. Ich trat an Frau Herfurth ran. „Sie könnten mir helfen.“ „Und bei was?“ „Na drüben ist der junge Mann ausgezogen.“ „Ich denke, das waren zweie?“ „Der andere ist vor zwei Monaten weg.“ „Ach so.“ „Und nach Weihnachten kommt schon jemand. Kann auch sein am ersten oder zweiten Feiertag. Ich schaffe das nicht allein.“ „Ist es denn so dreckig?“ „Sie können ja mal kurz gucken.“

Sie schlug die Hände überm Kopf zusammen. „Was haben denn die hier gemacht?“ Das fragte ich mich auch. Am Küchenspiegel klebte nicht nur ein Fettfilm, sondern eine richtig dicke Schicht an Fett. Und das auch stellenweise auf den Bodenfliesen. Dort war es bloß schön eingetrocknet. Und das Bad sah aus. „Das schaffen Sie wirklich nicht allein. Helfe ich Ihnen. … Wann wollen wir anfangen?“ „Ich dachte, heute Vormittag ein Stündchen und heute Nachmittag. … Ich lasse den Schlüssel stecken. Sie können auch zu einer anderen Zeit.“ Jetzt hätte sie noch einen Weg, meinte sie.

Ich fing schon mal in der Küche an. Wie sie kam, hatte ich noch nicht mal die Schicht Fett von den Wandfliesen runter. Das war aber auch eine Schinderei. Sie sollte derweilen mal den Kühlschrank ausräumen. „Meiner klingt ganz komisch.“, sprach sie. „Na wenn der hier geht, können Sie ihn gerne kriegen.“ So sah er ja nicht schlecht aus. Sie wollte ihn sich als Reserve auf den Boden stellen. „Lebt denn mein Stopfer noch?“ Das tät er. Sie wäre bloß noch nicht dazugekommen, sich einen zu holen. „Gibt` s doch bei TEDi.“ Und das war ja gleich hier vorn mit bei Lidl. „Zwei Euro. Sind zwar nur so einfache.“, sprach ich weiter. Das wäre egal. Aber sie hätte im Moment nicht das Geld für so was. Besser, ich hörte jetzt auf. Die konnte nämlich nicht arbeiten und quatschen. Ich jedenfalls ging jetzt erst mal runter. Meine Arme wollten nicht mehr. „Und wo soll ich dann weitermachen? Sie haben ja nun schon in der Küche angefangen.“ „Machen Sie das Bad. Da ist ja alles verkalkt.“ „Brauche ich aber was.“ Dann sollte sie mitkommen.

Ich gab ihr Essig, Salz, Scheuermilch, einen Schwamm und einen Lappen. „Wenn sie was für die Fliesen brauchen. Ich habe auch noch Putzstein. Aber vielleicht sind die ja nicht so schlimm. … Na ja, gut.“ Dann rauchten wir eben noch eine. Mann, sah die Frau heute wieder schlimm aus. Hätte ich mal bloß die Brille unten gelassen. Aber wie sollte ich ihr sagen, dass sie sich mal ihren Damenbart rasieren müsste? Das war ja nun eine intime Angelegenheit. „Frau Herfurth. Haben Sie heute schon mal in den Spiegel geguckt?“ „Ja.“ „Dann ist es gut.“ „Wieso? Was ist denn?“ „Ich möchte jetzt Mittag machen. Rico kommt gleich.“ „Ich habe auch noch was zu tun.“, entgegnete sie und stand auf. „Dann sehen wir uns ja heute Nachmittag.“ Sie guckte, als hätte ich chinesisch gesprochen. „Ich denke, da wollen wir oben weitermachen.“, sprach ich. „Ach ja.“

Sie kam ein ganzes Stückchen nach mir. Und gähnte erst mal lautstark. Bloß gut, dass ich mit dem Rücken zu ihr hockte. Die Frau hielt doch nie die Hand vor den Mund. So was konnte ich absolut nicht leiden. Und noch dazu, wenn man aussah, wie man aussah. „Warum haben Sie denn nicht geklingelt?“, sprach sie. „Es war so ruhig bei Ihnen. Konnte doch sein, Sie schlafen.“ „Ich habe auch die ganze Nacht nicht.“ Ich erklärte ihr, dass sie es trotzdem nicht nachmittags übertreiben sollte. Sonst könnte sie abends wieder nicht. „Bin aber nicht eher munter geworden.“ „Dann stellen Sie sich den Wecker.“ „Nachmittags?“ „Na ei. Bevor man nachts nicht pennen kann.“ „Ist aber auch der ganze Lärm.“ „Ich bin schon dran, dass die hier mal was mit der Straße machen.“

Die Küche wurde erst am anderen Tag fertig. Weil ich nun mal nicht so konnte. Im Gegensatz zu Tusnelda. Die muddelte sich einen zu Recht. Na ja. Mir war das egal. Der Schlüssel steckte. Sie konnte rein und raus, wann sie wollte. Bloß, was gab ich ihr dafür? So richtig effektiv war es ja nicht gewesen. Und außerdem hatte ich schon mehr als genug für sie getan.

Plötzlich erinnerte ich mich dran, dass der junge Mann mir eine frische Weihnachtsgans vom Bauernhof zum Einfrieren gegeben hatte. Vorher lief ich aber noch auf dem Boden. Mein Mann hatte nämlich mal so ein teures Spiel von Ravensburger für seine Tochter gekauft. „Ein Nilpferd kommt selten allein.“ Die war aber nie wieder auf Besuch gewesen. Ich schnappte mir den Karton. Anschließend holte ich die Gans aus der Truhe, nahm noch ein Glas Rotkraut aus dem Schrank und lief eine Etage höher. „Hier. Für ihre Hilfe.“ Sie rief nach hinten: „Kinder. Wir haben doch was zu Essen.“ Anschließend wandte sie sich wieder an mich und zeigte auf das Spiel. „Das lege ich untern Baum. … Wollen Sie mal kurz reinkommen?“

Ich war eine geschlagene Stunde dort. Solange hatte ich gar nicht bleiben wollen. Aber sie erzählte von ihrer Kindheit mit Nudelholz und Feuerhaken. Da konnte ich sie schlecht unterbrechen. Dann fing sie wieder vom Geld an. Was sie diesen Monat grundlos gekürzt hätten. Also hatte sie immer noch nichts in die Wege geleitet. Na ja. Es war eh mit Vorsicht zu genießen. Vielleicht war sie ja nicht zum Termin erschienen.

Heiligabend klingelte sie. Ihre Waschmaschine würde nicht mehr schleudern. Tusnelda hatte mir gerade noch gefehlt. Aber wo sie nun schon mal mit dem Wäschekorb dastand, wollte ich sie auch nicht wegschicken. „Her damit.“ Anschließend bat ich sie, mir wenigstens morgen meine Ruhe zu lassen. Wir sahen uns ja schließlich schon am zweiten Feiertag.

Es war der Frau nicht möglich. Anderntags stand sie mit einem Zettel vor unserer Wohnungstüre. Sie hätte sich Gedanken gemacht, erklärte sie mir. Und dann überreichte sie mir diesen. Es stand drauf, was derjenige alles bei der Hausordnung zu machen hätte. Unter anderem auch den Briefkasten abwischen. Sie selber hatte das noch nicht einmal getan. Aber Ileen, die nebenan eingezogen war, sollte das machen. Ich war sprachlos. Jedenfalls meinte sie, ich könnte das doch mal in den Rechner tippen und dann aushängen. „Aber nicht heute.“ Schließlich hatten wir Weihnachten. Sie hätte auch keins, meinte sie. Ach, nein. Hatte sie mal drüber nachgedacht, dass ich an Heiligabend allein dagehockt hatte. Mein Mann war nämlich arbeiten gewesen. Wie auch heute. Sie hatte zumindest ihre Kinder. Und sie hatte ein Spiel von uns geschenkt gekriegt. Das hätten sie auch gemacht, meinte sie. Und es wäre lustig gewesen. „Na also.“ Dann konnte sie mir doch wenigstens meine Weihnachtsfilme gönnen. Der eine, den ich gerne gucken wollte, lief nämlich schon. „Bin auch gleich wieder verschwunden.“ Am liebsten hätte ich ihr einen Arschtritt verpasst, damit es bisschen schneller ging.

Ich bereute es mörderisch, Rico vom Grillen überzeugt zu haben. Bloß, weil wir das in meiner Heimat immer einmal im Winter getan hatten. Und ich das als schön empfunden hatte. So mit Glühwein und Rostbratwürsten. Ich hatte ihm einfach ein bisschen was Schönes bieten wollen an seinem einzigen freien Tag. Aber nicht mit der da oben. Das war seine Idee gewesen.

Es ging so halbwegs. Weil sie nicht besoffen war. Und, weil ihr Sohn sich sehr höflich ausdrückte. Aber das interessierte meinen Mann wahrscheinlich eher weniger. Er wartete nur darauf, dass seine Steaks fertig wurden. „Fleisch.“, sprach er mit leuchtenden Augen.

Bis Silvester herrschte halbwegs Ruhe. Außer, dass Tusnelda halb zwölf zum Anstoßen runterkam. Weil sie wusste, dass Rico Dienst hatte. Ich sah das eigentlich nicht so eng. Andere mussten auch arbeiten. Außerdem kamen geile Lieder in der Chartshow. Die ganze Zeit hatte ich getanzt. Ich dachte, sie macht mal bisschen mit. Nichts war. Sie saß auf dem Küchenstuhl und zog eine Flappe. Da hätte sie auch oben bleiben können. „Ist denn los?“ Ohne ihren Dicken hätte das Leben keinen Sinn. Was sollte denn der Kack? „Hatten Sie mir nicht gesagt, er hätte Sie geschlagen?“ „Ja, schon.“ „Wissen Sie, was Ihnen fehlt?“ Sie guckte ganz erschrocken. Das ließen wir mal lieber. Aber manche Frauen brauchte das echt. Sonst klappte nichts. „Sie hatten mir auch noch was anderes gesagt. Und zwar, dass er sich um alles gekümmert hätte. … Und genau das ist Ihr Problem. Jetzt ist keiner mehr da, der es macht. Sie haben sich alles aus der Hand nehmen lassen. Da müsste mir was fehlen. Klar, ist es schön bequem. … Hoch hier.“ „Ja doch.“ Wegen mir brauchte sie sich das Feuerwerk auch nicht anzugucken.

Wen hatten wir den dort? Auf der anderen Straßenseite ein Stückchen hin stand Abby. Als Engel verkleidet mit Riesen Flügeln. Die gefiel mir. Einfach, weil sie anders war. Aber immer nett. „Wir gehen mal hin.“, sprach ich zu Tusnelda. „Möchte ich mir aber was draufziehen.“ Das musste ich vielleicht auch. Sie sollte sich beeilen.

Ihrer Freundin, die nebendran stand, auch mit so einem Kostüm, schien das etwas peinlich zu sein. Ich fand es geil. Tusnelda und ich bekamen auch gleich noch ein Glas Sekt. „Wie sind denn die Wohnungen bei Euch drüben?“, fragte Abby „Guck sie dir doch an.“ „Ich gehe mal kurz mit rüber.“, sprach sie zu ihrer Freundin. Paar Meter weiter sagte ich: „Hättest du doch mitnehmen können.“ „Ach.“ Sie wäre eine Spaßbremse. Und außerdem würde sie eh gleich mit ihrem Mann ins Bett gehen. Bis um zwei war sie da. Dass die keiner vermisst hat. Unklar.

In der Woche drauf fing ich mit dem Treppengeländer an. Irgendwie musste ja auch mal was im Hausflur werden. Und streichen war eine schöne Arbeit. Zumindest strengte sie nicht an. Aber zuvor kam das Schleifen. Und das war was, was ich nicht so gut konnte. Zumindest nicht all zu lange.

Kaum, dass ich auf dem Arsch saß, um mich ein wenig auszuruhen, klingelte Tusnelda. Sie wollte unbedingt mitmachen. Was fürs Haus war, da bekam man ja auch paar Pfennige für. „Dann kommen Sie mal mit.“ Ich zeigte auf das, was ich bisher gemacht hatte. „Sie müssen nicht die ganzen Schichten runternehmen. Nur das, was lose ist.“ Schleifpapier lag genug herum. Und jetzt ging ich erst mal mit dem Hund raus.

Wie ich zurückkam, sagte sie: „Das ist ja eine Sisyphusarbeit. Man kommt gar nicht richtig in die Rillen.“ Ich holte tief Luft, bevor ich ansetzte. „Was hatte ich gesagt? … Das lose runter. Und wenn nichts lose ist, halt nur bisschen anrauen. Wird eh wieder gestrichen.“ „Ach so.“ Als ob ich das nicht gesagt hätte. „Ich mache gleich mit.“ Timmy musste nur erst mal sein Geschirr abkriegen und ich mich umziehen.

Normalerweise wollte ich das nicht tun. Weil ich meine Grenzen kannte. Aber die Frau konnte man ja nicht allein lassen. Ich erklärte es ihr noch mal. Sie meinte: „Wir rauchen erst mal eine.“ Das konnte ich für den Tod nicht leiden. Jetzt wurde gearbeitet. Es war doch bloß für eine Stunde. Oder nicht mal ganz. Heute war nicht mein Tag. Sie musste sich eben trotzdem zwischendrin eine anbrennen. Dann sah sie mir zu. Da meinte man doch, dass sie es gecheckt haben müsste. Es war nicht an dem. „Frau Herfurth. Gucken Sie. … So.“ „Das geht aber so schwer.“ „Mein Gott.“ Ich hatte nur die halbe Kraft und bekam es auch hin. „Die hat doch einen gesoffen.“, dachte ich. „Frau Herfurth, lassen Sie es gut sein. Ich hole die Schleifmaschine.“

Anschließend erklärte ich ihr, wie sie damit umzugehen hatte. Aber das konnte sie nur oben auf dem Geländer. Bei den geschnörkelten Verstrebungen musste sie schon Papier und die Hände nehmen. Anders ging es nicht. Jetzt hatte ich aber bloß so ein Verlängerungskabel. Eine Kabelrolle war nicht zu finden gewesen. Die musste Rico alle mithaben. „Dann müssen Sie es bei sich einstöpseln. … Aber nicht länger, wie eine Stunde. Außer Ileen ist nicht da.“, sprach ich. Bisschen Rücksicht mussten wir schon nehmen.

Anderntags, wie ich mittags vom Doc kam, hörte ich es schon an der Haustür. Ich lief nach oben. Sie hockte am Geländer. Keine Ahnung, wann sie angefangen hatte. Aber weit war sie nicht gekommen. „Frau Herfurth. Ich hatte Ihnen doch schon gestern gesagt, dass Sie es nicht bis aufs Holz runterschleifen müssen. Es wird nicht gebeizt, sondern lackiert. … Wann haben Sie denn angefangen?“ Sie rannte in ihre Küche an die Uhr. Wie sie zurückkam, meinte sie: „Vor einer anderthalb Stunde.“ Da hatte ich ja in einer halben mehr geschafft. Vor allem Sinnvolles. Und das erzählte ich ihr auch. Ich bezahlte sie doch nicht für Schnullikack. Das verstand sie nicht. „Frau Herfurth. Angenommen Sie holen sich einen Maler heim, der Ihnen die Küche weisen soll. Sie haben einen Weg, kommen zurück und der hat neu tapeziert. Würden Sie dem das bezahlen?“ „Nein.“ „Na also. … Machen Sie doch einfach, was Ihnen gesagt wird. Das ist doch auf Arbeit auch nichts anderes. Sie hatten doch mal einen Job. Und? Konnten Sie dort machen, was Sie wollten?“ Daraufhin verschwand sie. Und mit was für einer Schnauze. Ich dachte: „Jetzt schiebt sie bestimmt wieder einen Depri.“

Weit gefehlt. Am nächsten Tag bimmelte sie. Aber nicht, um mir zu helfen. Sondern, weil sie Scheiß Post gekriegt hatte. Die bekamen wir zur Genüge. Mein Mann mit seinen zwei Firmen und ich wegen dem Haus. „Na und. Wenn ich deshalb jedes Mal am Rad drehen würde, wäre ich schon in der Klapsmühle oder hätte ich mich aufgehängt. … Nützt doch nun mal alles nichts. Machen Sie es doch so. Wenn Sie einen schlechten Tag haben, lassen Sie den Brief erst mal zu. Sie haben doch eh immer eine Frist. Und dann nehmen Sie sich den am nächsten Morgen zur Hand. Nicht abends. Können Sie nicht schlafen. Zumindest ich mache das so. … Jedenfalls. … Was wollte ich gleich sagen? Man speichert den Inhalt erst mal ab. Dann macht man sich systematisch einen Plan. Und wenn der Kopf zu ist, macht man erst mal so was wie eben das Abschleifen. Ich freue mich, wenn ich was geschafft habe. Das stößt Glückshormone aus und schon funktioniert der Rest.“ Sie sah mich ganz ungläubig an. Ich erklärte ihr, dass der Mensch eine Aufgabe und ein Ziel bräuchte. „Man kann doch nicht in den Tag hineinleben. Also mir wäre das nichts.“ Sie stieg wortlos die Treppe hinauf. Ich glaubte nicht, dass sie es begriffen hatte.

Am anderen Tag stand wieder ein Termin an. Wie ich zurückkam, zeigte sie mir stolz das Geländer von einer halben Treppe. Und wieder war es oben drauf bis zum Holz runtergeschliffen. Also mit der Frau bekam ich noch mal die Motten. „Was habe Ihnen gesagt?“ Daraufhin fiel die Kinnlade und sie ging. „Kann ich es auch nicht ändern.“, dachte ich.

Tags drauf kam ich endlich mal wieder zum Schreiben. Das war nun mal mein kleines Hobby. Und es tat mir auch gut, mal einfach nichts Körperliches zu machen. Aber irgendeiner versaute es einem immer. Erst war es Steffen. Ein jahrelanger Bekannter meines Mannes. Aber da konnte ich nicht mal was sagen. Er war früh mit einem Kumpel in Ricos Zweigstelle gefahren, um Zeug abzuholen. Und das Ganze kam erst mal in den Hausflur. Danach beköstigte ich ihn und dessen Kumpel.

Wie sie weg waren, rief Rico an. Er wäre auf dem Weg mit dem nächsten. Und wohin damit? Ich sollte die Wohnung im Erdgeschoss auslegen. In der schon der Sand für die Fußbodenheizung lag. Na super. Ich klingelte bei der neuen Mieterin. In der Hoffnung, ihr Freund war zugegen. Und anschließend bei Tusnelda. Sie halfen alle mit. Beim Auslegen und Reintragen.

Anschließend machte ich was zu Essen. Es gab auch was zu Trinken. Wir waren eigentlich eine lustige Runde. Zweiundzwanzig Uhr verabschiedete sich das Pärchen. Tusnelda hielt es nicht für nötig. Sie kaute mir ein Ohr nach dem anderem ab. Ich konnte ihr Gejammer nicht mehr hören. Viertel zwölf schickte ich sie hoch.

Ich war so was von müde am anderen Morgen. Dass ich Rico zum Frühstück einredete, um acht einen Termin bei unserer Fußpflegerin zu haben. Was eine jahrelange Bekannte von ihm war. Da er eh noch was zu klären hatte, fuhr er mich hin. „Heute in Begleitung. Wollt wohl anschließend noch wohin?“, sprach Edith. „Ich habe doch jetzt einen Termin bei dir.“ „Du wirst auch alt. … Kannst du froh sein, dass jemand abgesagt hat.“

Den anderen Tag spielte Tusnelda verrückt. Sie hatte wieder irgendwelche Schlager laut aufgedreht. Nachdem sich die junge Mutter von nebenan den Wolf geklingelt hatte, kam sie zu mir. Ich konnte auch nicht mehr als läuten. Nach einer ganzen Weile öffnete sich die Tür. Ich musste sie anbrüllen, damit sie die Musik leiser stellte. Dann stand sie vor uns wie eine Bogenlampe. Die Augen auf null. Sie war gar nicht aufnahmefähig für das, was ihr Ileen sagte. Jetzt reichte es mir. „Also Frau Herfurth. Es hört ja jeder Mal was laut. Aber nicht so. Und vor allem nicht so lange. Sie wissen, dass nebenan ein Baby wohnt. Dann setzen Sie sich gefälligst Kopfhörer auf.“ Plötzlich fing die an, zu schimpfen. Aber wie. Ileen verschwand gleich. Ich versuchte, Tusnelda von ihrem Trapez runter zu kriegen. Es war mir nicht möglich. Gott und die Welt waren schlecht.

An dem Abend stand sie geschlagene fünf Mal auf der Matte. Anfangs, um sich über Ileen zu beschweren. Die nicht die Treppe wischen würde. Und ständig irgendwelchen Müll vor der Türe zu stehen hätte. Später war ich dann Mode. Was sie nicht alles für mich und fürs Haus getan hätte. Ich war drauf und dran, die Knarre zu nehmen.

Am nächsten Vormittag kam sie mit einem Brief vom Jobcenter an. Worin stand, dass sie am 16.01. für den 29.01. einen Termin vereinbart hätte. „Na ja und? Das ist nur die Bestätigung.“ Sie meinte, sie hätte überhaupt nichts ausgemacht. „Umsonst kriegen Sie doch nicht den Brief. Die schneiden es sich doch nicht aus den Rippen.“ „Das waren die dort drüben.“ Damit meinte sie das junge Pärchen bei ihr gegenüber. „Die wollen mir eins reindrehen.“, schwafelte sie weiter. „Wie sollen denn die das machen? Die kennen doch überhaupt nicht Ihre BG-Nummer. Und mit dem Namen kann keiner was auf dem Amt anfangen.“ „Doch.“ Dann musste sie das eben glauben. Ich hatte keinen Bock mehr, wünschte ihr einen schönen Tag und schloss die Tür.

Kurz drauf war ein Krach oben drüber. Die schien, auf dem Boden herumzuspringen und noch mit irgendwelchem Zeug auf die Fliesen zu schlagen. Ich stand kurz vorm Herzkasper. Wäre ich hochgegangen, hätte sie eine in die Fresse gekriegt. Die Frau war doch nicht mehr tragbar. Ich hatte ihr überhaupt nichts getan. Im Gegenteil. Was hatte ich alles versucht, damit dass sie ihr Leben wieder in die Reihe kriegte.

Plötzlich klingelte es. Ich dachte zuerst an das junge Pärchen. Bloß was sollte ich denn da machen? Natürlich lief ich an die Tür. Es war Tusnelda. Sie erzählte mir von ihrem Schwager. Der wöllte was von ihr. „So guten Sex wie mein Mann bringt sowieso keiner. Ich musste ganz schön ran.“ Was mich auch ungemein interessierte. Und die ganze Mimik und Gestik noch dazu. Normalerweise machte man sich doch die Zähne rein, bevor man zu Leuten ging. Und speziell in ihrem Fall hätte sie sich vorher auch mal rasieren können. Einfach abartig. Ich hörte nur zu und nickte. Insgeheim dachte ich, sie sollte machen, dass sie Land gewann.

Anderntags ward sie auch nicht gesehen. Alles klar. Wenn ich gewusst hätte, dass sie unter Depressionen leidet, hätte ich sie nicht als Mieter genommen. Aber nun hatte ich sie einmal an der Backe. Ich wünschte mir nur eins, dass ihr Depri recht lange anhielt. Weil sie dann nämlich nur antriebslos herumlag. Na ja. Ich hatte eh bald eine Woche Ruhe vor der. Weil ich mich nämlich bei Leuten fürs Hundesitting gemeldet hatte. Damit sie in den Urlaub konnten.

In der Woche ging alles schief, was nur schiefgehen konnte. Erst brach sich die Zuchthündin beim Herumtoben das Genick. Dann fiel die Heizung aus. Die Welpen musste ich an Nassfutter gewöhnen, weil deren Mutter kaum noch Milch hatte. Ich wollte eigentlich nur mal eine Nacht schlafen können. Aber mit dem alten Korkenzieher bekam ich das Ding nicht aus dieser Rotweinflasche. Und so nahm ich wie zu Jugendzeiten ein Messer. Das Ende vom Lied waren rote Flecken an der Decke und der Wand. Was ich dank einer Freundin und ihrer mitgebrachten Isolierfarbe beheben konnte.

Ich hoffte nur eins, wie ich heimkam, dass mir Tusnelda nicht gleich auf den Sack ging. So war es doch meistens. Kaum da, brachte es die angedreht. Als ob es oben ein Signal geben würde. Aber diesmal hatte ich Gott sei Dank meine Ruhe.

Ja. Für genau zwei Tage. Dann sprang jemand abwechselnd von irgendwo herunter und rannte hin und her. Wie so ein Gaskranker. Es knallte und krachte bis dreiundzwanzig Uhr.

Am nächsten Morgen begegnete ich meiner lieben Obermieterin im Hausflur. Sie erzählte mir, dass sie gestern ihre Enkelin dagehabt hätte. Das Kind ihrer großen Tochter, die schon etwas älter war und bereits eine eigene Wohnung besaß. „Es hat Sie doch hoffentlich nicht weiter gestört?“ „Sie hätten gern mal runterkommen können und sich das anhören.“, entgegnete ich. „Die springt und rennt nun mal so gern.“ „Aber doch nicht in einer Wohnung. Und schon gar nicht bis um elf. Ein kleines Kind hat um sieben im Bett zu liegen. Also Frau Herfurth. Sie waren früher mal Erzieherin gewesen. Was hat man denn Ihnen beigebracht? Sie werden sich wohl mit einem Kind beschäftigen können. Und Sie dürften das besser wissen als ich, dass man einem Kind Grenzen setzen muss. Es gibt Regeln im Leben. Und was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr. … Wie sieht es denn überhaupt mit Frühjahrsputz aus?“ „Mache ich schon noch.“ „Aber auch mal das Küchenfenster von außen mit.“ Da war nämlich so ein richtig gelber Streifen.

Drei Tage später erzählte sie mir, dass sie abends die Küche geputzt hätte. „Ich habe mich auch gefragt. Na ob sie es denn gehört hat?“ Da konntest du doch glatt ausholen. „Natürlich. Sie haben doch den Tisch in einer Tour hin- und hergezogen.“ Und das war nun mal kein Küchentisch. Weil sie gar keinen in ihrer früheren Wohnung hatte stellen können. Aber einen schweren Esstisch hatte sie gehabt, den sie in eine Ecke unters Fenster geknietscht hatte. Na klar hatte sie den nicht einfach so wegschieben können. Was man eigentlich auch nicht immer brauchte. Oder wenn, hätte man sich Filz drunter gemacht. Aber dazu war die Frau ja zu blöd. „Hab zu tun.“, sprach ich.

Jetzt lief ich schon in meinem eigenen Haus mit Ohrstöpsel rum. Die oben drüber hatte wieder eine Macke. Lauter ging die Musik echt nicht. Konnte die sich manchmal vorstellen, dass nicht jeder unbedingt ein Schlagerfan war? Also mit der, da wurde ich noch mal blöd.

Zwei Tage später bekam ich sie, zu greifen. „Muss das sein?“ „Was denn?“ „Na Ihre laute Musik. Nebenan wohnt ein Baby. Und unter Ihnen ich. Ich drehe auch mal was auf. Wenn mein Lieblingstitel im Radio kommt. Das sind drei Minuten. Bei Ihnen geht das zwölf Stunden am Stück. Das muss Ihnen doch selber auf den Keks gehen.“ „Nee.“ Ich zeigte ihr einen Vogel. „Das haben Sie im Suff gar nicht mehr mitgekriegt. Sie lagen hinten in Ihrem Bett und vorn spielte die Musik. Müsste ich mal mit Ihnen machen.“ Daraufhin ließ sie sich erst mal nicht mehr sehen. Es war eine richtige Wohltat.

Hätte es nicht für immer so sein können? Leider nicht. Irgendwann stand der Trollo heulend vor der Tür. „Na kommen Sie erst mal rein. Muss ja nicht jeder hören.“ Timmy, der Seelentröster, kam angewackelt. Sie kniete sich auf den Boden und knuddelte ihn erst mal. In der Zeit setzte ich einen Kaffee auf. Dann stopfte ich uns jedem eine Zigarette und fragte, was los sei. Ihr würde der Dicke fehlen. Na ja, klar. Weil sie nichts brachte. Und mit Geld konnte sie gleich gar nicht umgehen. „Frau Herfurth. Sie stopfen doch nun schon. Da müssten Sie doch eigentlich was sparen.“ Sie wüsste auch nicht, was sie verkehrt machen würde. „Das kann ich Ihnen sagen. Sie gehen einkaufen und gucken, was es gibt. Und das jeden Tag. Machen Sie sich doch mal einen Zettel.“ „Mache ich ja auch.“ „Ja für den Tag. Und dann gucken Sie trotzdem noch, was es Schönes gibt. … Ich gehe im Gedanken durch, was wir früh und abends essen. Und was ich mittags koche. Und fertig aus, der Lack.“ „Ist doch aber alles so teuer heutzutage.“ „Erzählen Sie nicht solchen Scheiß. Fischstäbchen kosten eins neunundzwanzig. Und der Beutel Kartoffeln eins neunundfünfzig. Da bleiben noch welche für den anderen Tag. Können Sie saure Eier machen.“ „Isst mein Kind nicht. Sally isst auch nicht gern Kartoffeln.“ Also jetzt schlug ich gleich lang hin. „Also Frau Herfurth. Dann machen Sie eben Reis und Wurstgulasch. Was kostet denn so eine große Wurst? Zwei neunundneunzig im Angebot. Und die Hälfte können Sie einfrieren. Ein anderes Mal gibt es einen Hähnchenschenkel zum Reis. Sally wird ja kaum die ganze Packung essen.“ „Nein.“ „Eben. Können Sie die anderen einfrieren.“ „Wo denn?“ Die drei Fächer in ihrer Gefrierkombination wären voll. Mit Pizza und so. Das war ja auch wichtig. Aber davon abgesehen, so teuer war die auch nicht als Mahlzeit. Ich machte ihr einen Vorschlag. „Wir gehen jetzt mal runter in den Keller.“

Dort stand unsere Gefriertruhe. Ich räumte fix das Schnellfrosterfach leer und noch zwei Körbe. „Wir werden uns ja wohl gegenseitig nichts wegnehmen.“ Außerdem aß mein Mann keine gekaufte Pizza. Falls sie vorhatte, die hier zu deponieren. „Bei Lidl haben sie so oft Brot gesenkt. Wenn Sie gleich früh um acht gehen. Und beim Fleisch ist auch immer mal was.“ Sie fiel mir um den Hals. „Schon gut.“, sprach ich.

Die Fächer füllten sich schneller, wie ich dachte. Aber mit irgendwelchem Rotz. Klar. Jetzt konnte sie noch ein bisschen mehr kaufen, wenn sie Geld hatte. Und ein Napf mit Reissuppe stand drin. Weil sich Reis auch so gut einfrieren ließ. Ich sagte nichts.

Sie fing von selber an, wie wir uns im Haus begegneten. Sidney wäre dagewesen. Den einen Tag hätte sie Fischstäbchen gemacht und den anderen Reissuppe. „Schön mit Kaisergemüse.“ Bei dem Wort kringelten sich mir die Fußnägel. Das war nämlich das einzige Gemüse, was Tusnelda kannte. Und das kaufte sie immer bei Edeka, wenn sie in der Stadt zu tun hatte. Na jedenfalls hätte er nichts davon essen wollen. Logisch. Fleisch war keins drin. Und zudem war es immer ein und dasselbe. Und eben abends Pizza. „Frau Herfurth. Machen Sie doch mal paar Salate.“ „Essen meine Kinder nicht.“ „Weil sie es nicht kennen.“ „Aber nur Pizza geht auch nicht.“ „Isst er ja auch nicht. Ansonsten Toastbrot und Salami.“ „Sonst nichts?“ „Nee.“ „Weil er nichts weiter kennt.“ Ich merkte, es hatte keinen Sinn.

Vor unserer Wohnung angekommen, sagte ich: „Moment.“ Und dann holte ich schnell meinen Sandwichmaker. Die Anleitung war noch im Karton. „Lesen Sie es sich mal durch. So schwer ist es nicht. Zwei Sandwichscheiben. Bisschen Butter drauf.“ „Will er nicht.“ „Ist aber wichtig. Zieht doch auch ein. Und ansonsten können Sie das belegen, wie Sie wollen. Vielleicht ist das ja mal eine Alternative.“ „Danke.“ „Schon gut.“

Anderntags stand sie mit einem Brot, welches sie vom Bäcker geschenkt gekriegt hatte, vor meiner Tür. Nur als kleine Anmerkung. Unser Bäcker und der Fleischer waren zusammen in einem Laden. Und der Fleischer führte auch andere Sachen. Wegen Wurst und Brötchen ging Tusnelda bestimmt nicht hin. Sondern wegen der Kümmerlinge. Ich fand es bloß erstaunlich, dass sie ihr immer was für umsonst mitgaben. Weil sie angeblich so schlecht dran wäre. „Frau Herfurth. Ich mag kein Hefebrot.“ „Und was soll ich jetzt damit machen? Sally isst doch nun mal kein Weltmeisterbrot.“ „Dann hätten Sie doch gesagt, dass Sie das nicht brauchen.“ „Ich kann doch die Frau nicht vor den Kopf stoßen.“ „Ach. Und das finden Sie besser? … Die Frau hat es gut gemeint. Die hätte Ihnen vielleicht auch ein anderes gegeben. Und das hier zur Tafel.“ „Und was soll nun damit werden?“ „Dann frieren Sie es doch ein. Vielleicht sind Sie noch mal froh.“ „Ja, stimmt.“

Wie ich mir was aus der Truhe holen wollte, sah ich ein ganzes, komplettes Brot drin liegen. Also die Frau war wirklich zum Scheißen zu blöd. Normalerweise hätte ich es ignorieren müssen. Oder sollen. Aber mich regte es nun mal auf, wenn jemand nicht sein Gehirn benutzte.

Sie ließ eh nicht lange auf sich warten, weil sie was gefaxt haben wollte. Ich erledigte es erst mal. Anschließend sprach ich sie auf das andere an. „Warum tun Sie denn das nicht portionsweise einfrieren?“ Da guckte sie wieder, wie sie guckte. „Also Frau Herfurth.“ „Ich habe auch den Kopf voll.“ Auf das hatte ich gerade noch gewartet. „Was Sie nicht brauchen, geben Sie mir runtergeben. Das bringe zu der einen Frau. Die nimmt es mit auf den Pferdehof.“ Weil ich nicht auf den Namen kam, beschrieb ich ihr, wo sie wohnte. Und wie sie aussah. Für Tusnelda war alles klar. „Die säuft doch.“ „Kann ich Ihnen nicht sagen.“ „Aber natürlich.“ Und dann erzählte sie mir, wie sie mal mit dem Dicken vom Feiern aus dem Bootshaus gekommen wäre und die das Schlüsselloch nicht gefunden hätte. So besoffen wäre sie gewesen. Sie hätten einen Stress gehabt. Auch mit der ihrem Alten. Ich unterbrach Tusnelda. „Legen Sie es einfach draußen ins Regal, was Sie nicht brauchen. … Und ein Bäcker hat auch eine Maschine. Lassen Sie es sich das nächste Mal schneiden.“ „Kann ich doch nicht verlangen, wenn ich das schon geschenkt kriege.“ „Wieso denn nicht? Was ist, wenn Sie keine Maschine daheim haben?“ „Habe ich auch nicht.“ „Soll ich noch was sagen?“ Sie kniff die Lippen zusammen und guckte wie so ein Drops. Jetzt bekam sie doch bestimmt wieder einen Depri.

Dachte ich. Es wäre auch nicht schlecht gewesen. Abends stand sie heulend vor der Tür. „Was haben Sie denn?“ Sie stammelte irgendwas zusammen. „Na kommen Sie erst mal rein.“ Ich bot ihr eine Zigarette an. Dann sollte sie mir sagen, was los sei. Für sie war wieder mal das ganze Leben schlimm. Sie sah keinen Inhalt mehr darin. „Aber Sie haben doch zwei Kinder. Ich hätte mir welche gewünscht. Hat nun mal leider nicht geklappt.“ Sie sah mich mit großen Augen an und fragte mich, wie ich das immer machen würde. „Sie sind doch auch nicht ganz gesund.“ „Gibt Schlimmeres.“, entgegnete ich. „Ja schon.“ „Das Leben ist nun mal kein Ponyhof. Man muss immer das Beste draus machen. Ich kann mich natürlich auch gleich eine Etage tiefer begeben. … Mensch, Frau Herfurth. Sie sind doch eine hübsche Frau.“ „Das glaube ich eher weniger.“ „Wenn Sie mit so einem Gesicht draußen rumlaufen, guckt auch keiner.“ „Ich will gar keinen haben.“ „Dann eben nicht. Aber man macht doch auch manches für sich selber.“ „Ja, ich weiß. Ich müsste mich mal wieder rasieren.“ „Unter anderem. … Ist doch auch für Sally nicht schön anzusehen.“ Sie senkte den Kopf. „Frau Herfurth. Es kann keiner für zu viel Testosteron. Aber man kann was dagegen machen. Und dass die Haare grau werden, ist nun mal auch so. Aber wir leben doch nicht mehr in den sechziger Jahren.“ „Hat immer der Dicke gemacht.“ „Mensch. Das machen sich die meisten Frauen alleine. Das werden Sie wohl auch können.“ Sie guckte wie so ein Toast. „Frau Herfurth. Tun Sie mal was für sich.“ „Ja.“ „Nee. Wirklich. Da ist man gleich ein ganz anderer Mensch. … Und jetzt gehe ich mit dem Kleenen raus.“ „Komme ich mit. Ich muss mal an die Luft.“ Das hatte mir gerade noch gefehlt. „Machen Sie hin.“ Die brauchte nämlich immer Stunden.

Vor der Tür fragte Sie, ob sie Timmy führen dürfte. Ich drückte ihr die Leine in die Hand. „Bitte.“ Nach ein paar Metern holte sie zwei Zigaretten aus der Tasche. „Aber nicht auf der Straße.“, sprach ich. Nach der Kurve in der Seitengasse hatte ich nichts dagegen. Obwohl? Dann konnte auch noch einer kommen, den ich kannte. Dass Tusnelda aber auch immer und überall mit der Zigarette herumlaufen musste. „Lebt denn mein Stopfer noch?“ Der wäre ihr mal runtergefallen. Aber Sidney hätte ihn geklebt. Dann hatte sich das eh erübrigt. Ich hatte einen Puls. Das ging gar nicht. „Und was ist mit dem ganzen Zeug vom Einzug?“ Sie konnte mir nicht folgen. „Na die Salate, Würstchen und Getränke.“ „Ich weiß. Bin ich Ihnen ja auch sehr dankbar für.“ Davon merkte ich nichts. Ich wollte sie gerade auf das Geld ansprechen, da fing sie an. Diesen Monat wäre es ganz ungünstig. Das war es doch jeden. „Sehen Sie mal zu, dass Sie einen kleinen Job kriegen. Sie dürfen doch hundertfünfundsechzig dazuverdienen.“ „Davon ziehen die Schweine aber noch was ab.“ „Das möchte ich nicht hören. Sie wollen doch auch nicht, dass über Sie so gesprochen wird.“ „Das ist trotzdem eine Schweinerei. Hundertzwanzig darf man bloß behalten.“ „Sie verkennen ein bisschen was. Rechnen Sie mal zusammen, was Sie alles kriegen. Oder wofür Sie nichts bezahlen brauchen. Wie für die GEZ. Mit den Hundertzwanzig oben drauf haben Sie mehr wie mancher, der auf Arbeit geht. Der muss noch ein Auto unterhalten.“ Das wollte sie nicht hören. Jetzt fing sie wieder von ihrem Lohn von früher an. Da hätte sie dreitausend verdient. Wenn sie ehrlich gewesen wäre, hätte sie gesagt, Mark. Oder wollte sie mich verarschen? Die Babber ging weiter. Und was sie sich davon hätten alles leisten können. Dann kam wieder ihr Wochenendgrundstück. Sie sollte doch endlich mal die Vergangenheit ruhen lassen. Ich hatte früher auch dies und das gehabt. „Haben Sie eine Uhr dran?“ Sie drehte ihren Arm. Da ging es ihr genauso wie mir. Viertel neun kam doch mein Sendung. Jetzt aber nichts wie heim.

An meiner Wohnungstür hielt sie inne. Ich dachte, sie will mit rein. „Kann Timmy mit hoch? … Ihr Mann ist doch nicht da.“ Vielleicht hätte ich ihn auch gern gehabt, damit ich nicht so allein war. „Sie wollen doch Film gucken.“, plapperte sie. Ich holte tief Luft. „Wenn er will.“ Na klar wollte er, der kleine Verräter. „Ich habe aber morgen einen Termin auf dem Amt.“ „Wann müssen Sie denn los?“ „Um neun muss ich da sein.“ „Sie wissen doch, dass ich um sechs aufstehe.“ „Ich gehe aber noch Gassi vorher.“ Das wollte ich doch wohl meinen.

Wie sie ihn brachte, war sie nicht gewesen. Sie hätte Durchfall, erzählte sie mir. Also hieß das, dass sie wieder nicht ihrem Termin nachkam. Was anderes hätte mich auch gewundert. „Ich gehe gleich mit ihm.“

Nachmittags klingelte es. Sie hätte bei Lidl Haarfarbe gekriegt. Ob ich ihr helfen würde. „Was denn? Jetzt gleich?“ „Wie Sie Zeit haben.“ Ich lief in die Küche und sah zur Uhr. „Na ja, gut.“

Oben angekommen, meinte sie: „Rauchen wir erst mal eine.“ Die immer mit ihrem Rauchen. Das konnten wir auch machen, wenn sie die Farbe auf dem Kopf hatte. Ich erklärte ihr, was sie von dem Set zusammenzumischen hätte. Sie bräuchte nur die Tube in die Flasche zu drücken. Die kleine Tüte wäre für hinterher zur Pflege. Und jetzt sollte sie sich mal bisschen die Haare anfeuchten. „Haben Sie einen groben Kamm?“ Da musste sie erst mal suchen. Sie sollte auch gleich noch ein altes Handtuch mitbringen. Nach einer ganzen Weile kam sie mit einem neuen an. Egal. Es war nicht meins. „Und wo ist der Kamm?“ Jetzt stiefelte die noch mal los. Und ehe die mal auf dem Stuhl saß. Und vor allem, wie. Die hatte doch eindeutig einen in der Krone. Das Nassmachen war nicht das Problem. Aber die Farbe. Weil sie den Kopf nicht ruhighalten konnte. Ich kriegte gleich einen zu viel.

Irgendwann hatte ich es. Ich erklärte ihr, dass sie die eine halbe Stunde drauflassen und anschließend abspülen sollte. „Jetzt rauchen wir erst mal eine.“, meinte sie. Na gut. Aber danach ging ich runter. Ich hatte ja schließlich unten auch noch bisschen was zu tun. Sie wollte wissen, was. Meine Wohnung wäre doch fertig. „Rico kommt dann. Ich möchte Abendbrot vorbereiten.“ „Um die Zeit?“ Wir hatten es immerhin schon um fünf. „Er war doch Mittag nicht da. Der Kerl hat vielleicht Hunger.“ Sie schaukelte hin und her und plapperte: „Aha. … Ich kriege das doch aber nicht allein runter.“ „Frau Herfurth. Kopf über die Wanne und mit der Brause abspülen.“ „Können Sie das nicht?“ Ich merkte schon. Wenn ich nicht blieb, ging sie mit der Farbe ins Bett. Morgen früh hatte sie vielleicht keine Haare mehr auf der Rübe. „Na gut.“ Sie bot mir ein Bier an. „Danke.“ Aber ich trank nie vor achtzehn Uhr. „Sie können gerne.“ „Nein. Ich habe das nämlich auch etwas reduziert.“, entgegnete sie. Sicher. Das Bier vielleicht. Aber den Schnaps nicht. Ich war froh, wie die halbe Stunde um war.

Nachdem ich ihr die Farbe rausgespült hatte, dachte ich, ich könnte gehen. „Und was ist mit der Tüte?“ Die Pflegeemulsion konnte sie sich doch auch allein einmassieren. „Nee.“, sprach sie. „Or.“ Das durfte doch wohl nicht wahr sein. Während ich ihr das Zeug auf der Kopfhaut verrieb, gab sie ein paar Töne von sich. „Ist fast wie Sex.“, stöhnte sie. Meine Fresse. Die zwei Minuten fühlten sich wie eine Stunde an. „Machen Sie mal noch ein bisschen.“ So was hätte sie lange nicht gehabt. Ich kriegte gleich einen zu viel. „Jetzt ist aber Schluss. Frau Herfurth. Sie wissen …“ „Ja. Sie müssen Abendbrot machen. … Aber schön war es trotzdem. Danke.“

Am nächsten Tag fragte sie mich, ob ich ihr und Sally nicht die Spitzen verschneiden könnte. Ich war vollkommen perplex. „Sie bringen doch so viel. Und gestern das haben Sie doch auch schön gemacht.“ Ich ahnte nur nicht, worauf ich mich da einließ. Ihre Tochter hatte derart dicke Haare. Normalerweise wären die nur mit einer Heckenschere zu bändigen gewesen. Und dann wollte sie die auch noch zwanzig Zentimeter gekürzt haben. Ich schwitzte Blut und Wasser. Eigentlich war ich mit mir und der Welt schon fertig. Aber dann kam Tusnelda dran. Die wieder nicht den Kopf ruhighalten konnte. „Frau Herfurth. So wird das nichts. Ich schneide doch schief und schräg.“ „Schräg ist Inn.“ Der zeigte ich gleich noch was anderes. Wenn sie nicht bald ihr dämliches Maul hielt. Ich ärgerte mich hinterher, dass ich mich wieder hatte breitschlagen lassen. Das war nun mal meine dumm gute Art. Aber haben tat ich davon auch bloß nichts.

Ich hatte es immer schon vorher satt. Jedes Mal, wenn ich eine Mülltonne aufmachte, lag irgendwas verkehrt. So blöd konnte man doch nicht sein. „Mann, oh Mann.“ Ich angelte die Hackfleischverpackung und diverse andere Teile aus der Biotonne und schmiss sie in die gelbe. Wenn mir Tusnelda jetzt übern Weg lief. Besser, sie tat es nicht. Womöglich machte ich sie kalt. Obwohl? Es konnte ja auch Ileen gewesen sein. „Nee.“ Die trennte ja gar nichts. Bei der flog alles in einen blauen Sack, den sie in die gelbe Tonne krachte.

Ich schnappte mir erst mal die eine. Die lachte auch noch ganz hämisch. „Du. Ich melde dich mal für vierzehn Tage in der Müllsortierung an.“ „Nee.“ „Natürlich. … Vielleicht bringst du es dann hinterher.“ Es klappte und die andere lief mir auch noch übern Weg. „Frau Herfurth. Hatten Sie manchmal Hackfleisch?“ „Wieso?“ „Na weil die Verpackung in der Biotonne gelegen hat.“ „Das kann nicht sein.“ „Soll ich sie wieder zurücktun?“ „Immer bin ich alles.“ „Stimmt doch gar nicht. … Ich möchte Sie bloß bitten, mal bisschen beim Trennen aufzupassen.“ „Mache ich an und für sich.“ „Frau Herfurth. Sonst bleiben die Tonnen stehen. Dann haben wir keine.“ „Sie können aber auch mal Ileen ansprechen. Und nicht immer nur mich.“ „Wie kommen Sie denn da drauf? Mit ihr habe ich vielleicht vor Ihnen gesprochen.“ Sie kniff die Lippen aufeinander und machte auf dem Absatz kehrt. Jetzt war sie wieder mit dem Arsch rum. Dann hatte ich vielleicht mal meine Ruhe.

Sie ließ sich auch paar Tage nicht sehen. Dafür stand andauernd ein anderer Margarinebecher voller Nudeln oder Reissuppe mit Gemüse im Regal. Oben drauf lag ein abgetrenntes Stück von einer Hülsenverpackung. Auf der stand: „Für Timmy.“ Immer diese Mengen. Und dann erzählte sie mir wieder, dass sie wegen Sally aufs Essen verzichten würde. Damit die was hätte. Von der Hucke hier wurde sie auch mit satt. Und vor allem, Timmy rührte der ihren Mist ja gar nicht an. Die Frau kochte aber auch einen Stiefel zusammen. Mein Mann hätte mich gelyncht. Von wegen Suppe ohne Fleisch.

Der Teufel wollte es und sie kam gerade die Treppe runter, wie wir uns fürs Gassi fertigmachten. „In welche Richtung gehen Sie denn?“ Na ja, gut. Dann liefen wir eben mit bis zu Lidl. Ich erklärte ihr aber gleich, dass ich nicht warten würde. „Bei Ihnen dauert es doch Stunden.“ „Ich habe nur ein was.“ „Na!“ „Na ja. Zwei was. Mehr Geld habe ich auch gar nicht.“ Aber für den Getränkeladen hinterher schien es, noch zu langen.

Anderntags bat sie um eine Rolle Toilettenpapier. „Ich weiß auch nicht, was Sally damit macht. Die muss das essen.“ Eine Milch bräuchte sie auch. Und wenn ich vielleicht noch bisschen Tabak hätte. Ich war eh das blanke Warenhaus. Ob es eine Kopfschmerztablette, ein Pflaster, ein Ei oder ein Umschlag waren. Sie konnte doch nun schon unsere Gefriertruhe mitbenutzen. Das Telefon konnte sie haben, wenn sie es brauchte. Briefmarken sparte sie sich auch. „Ich hätte da noch was zu faxen.“ „Machen Sie hin.“

Die Nummer vom Jobcenter kannte ich mittlerweile auswendig. Wahrscheinlich hatte sie wieder mal eine Ausrede, um nicht dorthin zu müssen. Wie ich ihr das Schreiben und den Sendebericht gab, erzählte sie mir von dem Widerspruch. Weil sie zu wenig Geld gekriegt hätte. „Frau Herfurth. Sie wissen, dass ich nichts lese. Aber, dass es eine komplette Seite war, war ja nicht zu übersehen. … Das können Sie nicht machen. Einen Widerspruch begründet man nicht. Wenn Sie dort ein was falsch schreiben, ist das Ganze hinfällig. Widerspruch zu der Sache. Angenommen Leistungsbescheid vom so und so Vielten. Und Sie bitten um Neuberechnung.“ Das wollte einfach nicht in der ihren Kopf. Ihre ehemalige Kollegin, die sie immer mal besuchen kam, hätte gesagt, sie würde ganz toll schreiben. „Das haben auch schon andere bemerkt.“ „Aber ein Amt will keinen Roman. Wenn das jeder machen würde, würden die gar nicht fertigwerden. Vielleicht ist das manchmal der Grund, warum bei Ihnen nichts klargeht.“

Es traf mich komischerweise immer gegen Abend. Egal, ob ich halb sechs, um sechs oder später Gassi lief. Irgendwie wollte sie da auch gerade los. Ein paar Tage konnte ich ihr einreden, dass wir schon nachmittags in die Richtung gelaufen wären. Weil Timmy hinter der Tankstelle an diesen Bahndamm gewollt hätte. „Wer weiß, was er gerochen hat. Vielleicht war ja eine läufige Hündin dort gewesen.“ Toll. Er hing ihr schwanzwedelnd am Bein. Und sie fragte ihn, ob er mitkommen will. Ich antwortete statt seiner: „Jetzt gehen wir an die Elbe. Sie können sich ihn dann holen.“

Rico meckerte natürlich, wie er heimkam. „Was wollte ich denn machen?“ „Na nein sagen. Vielleicht will ich auch mal was von meinem Hund haben.“ „Gehst du ihn dir eben holen.“ „Das mache ich jetzt auch.“ „Und? Was hat sie gemeint?“, fragte ich hinterher.“ „Na eine Schnauze gezogen. Was denn sonst? … In Zukunft sprichst du das mit mir vorher ab.“ „Ja.“

Ich kam wiedermal nicht drum herum. Also liefen wir wieder mit ihr bis zu Lidl. Sie jammerte den ganzen Weg nur. „Ich kann nicht mal den Termin auf dem Jobcenter wahrnehmen, weil ich kein Fahrgeld habe.“ „Sie kriegen doch aber das Ticket fürs nächste Mal. Das haben Sie wohl schon aufgebraucht?“ „Wenn man anders kommt, gibt` s keins.“ „Das wusste ich nicht.“ „Spielt auch keine Rolle.“ Der Termin wäre nicht so wichtig. Aber der beim Psychologen am nächsten Tag. „Ach. Gehen Sie nun doch?“ „Muss ich ja. Sonst kriege ich Sidney nicht wieder. Wir haben doch bald Verhandlung. … Ich sehe da zwar keinen Sinn drin.“ Ich sagte nur, sie sollte es einfach machen. Die eine Stunde würde sie schon mal überleben. Außerdem würden die auf dem Gesundheitsamt nicht so in der Vergangenheit herumbohren. Weil es eben nur begleitende Psychotherapie war. Sie hätte sich woanders einen Termin geholt. Bei einem richtigen Psychologen. Der wäre auch etwas näher dran. „Auch gut.“ „Ich weiß bloß nicht, wie ich hinkommen soll.“ Ich gab ihr fünf Euro. Mehr hatte ich nicht in bar. Dann musste sie sich eben auf dem Amt einen neuen Termin geben lassen. „Entschuldigen Sie sich aber vorher, nicht dass sie wieder gekürzt kriegen.“

Am anderen Morgen stand sie mit einem Zettel da, den ich bitte faxen sollte. Hinterher käste sie mich voll, weil sie wieder die halbe Nacht nicht geschlafen hätte. „Dann dürfen Sie eben mal nachmittags nicht so lange. Vier Stunden ist zu viel. Da schläft kein Mensch noch acht nachts.“ Das ging links rein und rechts wieder raus. Jede Nacht halb zwei würde sie munterwerden. Und dann ginge sie eine rauchen. „Sie haben also auf die Uhr gesehen? Das ist der größte Fehler. Das Gehirn speichert das ab. Wir hatten nämlich einen Vortrag zum Thema Schlaf bei der Reha gehabt. … Wenn ich munter werde, trinke ich einen Schluck Wasser und drehe mich auf die andere Seite.“ „Fahren Sie in nächster Zeit in die Stadt?“ „Nein.“ Sie kniff die Lippen aufeinander. „Was brauchen Sie denn?“ „Ich dachte, dass Sie manchmal auf die Bank kommen. Sie holen doch immer mal Auszüge.“ „Frau Herfurth. Ich fahre doch nicht extra rein wegen so was. Da tut mir das Geld leid.“ „Vorn steht doch der Sparkassenautomat.“ „Ja. Das kostet fünf Euro.“ „Da kriegen Sie die eben von mir.“ Was so viel hieß, als dass sie Geld haben wollte. „Sie kommen so schon nicht klar und dann noch fünf Euro extra.“ Jetzt fing sie an, dass sie nichts mehr zu essen hätten. Und Sidney käme doch übers Wochenende. Mann. Ich hatte doch auch bloß einen begrenzten Wert zur Verfügung. Den Dispo hatte ich ausgeschlossen. „Wissen Sie, was das an Zinsen kostet, wenn ich mein Konto überziehe?“ Sie guckte nur, wie sie guckte. „Dann kommen Sie eben mit, wenn ich einkaufen gehe. Muss ich ihrs mit Karte bezahlen.“

Sonntagmittag stand sie wie so ein armes Würstchen vor der Tür. Ihre Kinder würden Essensstreik machen. „Da wundern Sie sich noch. Immer ein und dasselbe. Reissuppe. … Wenn ich das schon höre.“ Sie hätte es beim Einkaufen nicht übertreiben wollen. „Frau Herfurth. Zum einen ist unten noch welche eingefroren. Und zum anderen, Linsen und Bauchspeck kosten auch nicht viel. Oder mal eine schöne Kartoffelsuppe. … Ich mach mal eine.“

Mitte der Woche brachte sie mir das Geld vom Einkaufen. Es war abgezählt auf Heller und Pfennig. Fand ich auch schön. Sie hätte wenigstens mal fragen können, ob mein Konto noch im grünen Bereich gewesen war.

Am Samstag hatte mein Mann Dienst. Ich kochte trotzdem. Das tat ich immer schon. Weil ich mittags was Warmes brauchte. Ich machte nur nicht so viel Ruß. Mir langten Kartoffeln mit Quark. Oder Butterbohnen. Heute war es eben Kartoffelsuppe.

Halb eins hatte ich mit der obendrüber ausgemacht. Ich stieg mit dem Topf und einer kleinen Schüssel gewürfelter und gebratener Zwiebeln hoch. Tusnelda holte Teller aus ihrem Schrank und rief nach Sally. Ich tat beiden erst mal nicht so viel drauf. In die Mitte kam ein Löffel voll Zwiebeln. „Irgendwas muss rein. Und das ist die preiswerte Alternative. So haben wir das früher gegessen. Wenn Mutti keine Wiener gekriegt hatte.“ Es schien, beiden zu schmecken. Anders hatte ich das auch nicht erwartet. Wenn ich was konnte, dann war es kochen.

Sally verschwand anschließend wieder in ihrem Zimmer. Vorher hätte ich es auch nicht angesprochen. „Und? Ist so eine Suppe teuer?“ „Nein.“, entgegnete Tusnelda. „Na also.“ „Schreiben Sie mir mal das Rezept auf.“ Die versaubeutelte den Zettel doch sowieso bloß. Das sagte ich auch auf den Kopf zu. „Nein. Den lege ich mit ins Kochbuch.“ „Also haben Sie eins. Und warum gucken Sie nicht rein?“ „Mache ich doch.“ „Dann weiß ich nicht, warum es nicht funktioniert.“ „Sally isst nicht gern Kartoffeln. Die isst lieber Reis.“ „Deswegen muss man doch nicht immer nur Reissuppe kochen. Machen Sie mal Reis mit Wurstgulasch.“ „Was will ich denn mit so einer großen Jagdwurst.“ „Also Frau Herfurth. Sie können doch die Hälfte einfrieren. Oder machen einen schönen Topf Soljanka von.“ „Das wäre auch mal was.“ „Sehen Sie.“ Und jetzt ging ich runter und machte eine gepflegte Mittagsruhe. Das wöllte sie auch tun. „Aber nicht wieder so lange.“, sprach ich. „Nein. … Wann gehen Sie denn Gassi?“ „Halb vier.“ „Stelle ich mir den Wecker.“ Ich war vielleicht begeistert.

Die kam doch nie aus der Hüfte. Weil sie immer noch eine rauchen musste. Und aufs Klo. Und was anderes anziehen. „Menschenskinder.“ Das konnte sie lange gemacht haben. „Mit Ihnen gewinnt man auch keinen Krieg.“, sprach ich. Nach ein paar Metern merkte ich, dass sie eine Fahne hatte. Alles klar. Sie redete auch bloß Dünnschiss. Wieder im Haus angekommen, fragte sie, ob ich ein Bier für sie hätte. Ich gab ihr zweie. Damit sie mir heute Abend nicht noch mal auf den Beutel ging. Das tat sie unweigerlich mit ihrer lauten Musik. Keine Ahnung, was die wieder geritten hatte.

Anderntags begegnete ich ihr im Hausflur. Ich wollte gerade rüber ins Büro. Und sie war von unten aus dem Keller gekommen. Weil sie einen Plastiknapf in der Hand hielt. Endlich brauchte sie mal ihre komische Reissuppe auf. Das wurde ja auch Zeit. Sie hatte einen ganz komischen Gesichtsausdruck. Dann war wieder Gott und die Welt schlecht. „Guten Tag.“ Ich bekam keine Antwort. Vielleicht sollte ich mal die Gefriertruhe zuschließen. Die vergaß anscheinend, was die alles an Gutem bei uns hatte.

Ihre ehemalige Kollegin, die sie öfter mal besuchen kam, traf ich zufällig beim Gassi. Weil wir mal anders langgegangen waren. Unsere beiden Hunde mochten sich. Während die sich beschnüffelten, meinte Anja: „Das mit dem Sie finde ich albern. Ihr wohnt doch nun schon so lange in einem Haus.“ „Manchmal ist das besser. Frau Herfurth ist nämlich nicht ganz ohne.“ „Die hat ja auch schon einiges durch. Vor allem mit ihrem Dicken.“ „Vielleicht nicht ganz unberechtigt.“ Sie sah mich mit großen Augen an. „Na viel bringt sie nicht. Und an die Hand nehmen musst du sie auch ständig.“ „Die hat doch ihren Umzug auch allein geregelt bekommen.“ „Allein? Ich weiß gar nicht, wie oft ich mit in ihre alte Wohnung bin. Und gemessen und gemacht habe. Ich habe ihr erklärt, wie sie die Möbel für die Umzugsfirma beschriften soll. Damit das auch klargeht. Und Essen und Kaffee habe ich auch gemacht.“ Sie sah mich ganz entsetzt an. Nach kurzem Überlegen sagte sie: „Es hat doch aber jeder Mensch eine zweite Chance verdient.“ „Wie viel denn nun noch?“ „Trotzdem finde ich das albern mit dem Sie.“ „Das ist auch mit zu ihrem Schutz. Die macht so viel Mist. Wenn wir per du wären, wäre ich manchmal nicht mehr so höflich.“ Anja guckte ganz entsetzt. Am liebsten hätte ich ihr noch was anderes erzählt. Die Frau meinte es immer gut. Wenn sie Tusnelda besuchte, brachte sie Kuchen und Süßes mit. Was grundsätzlich bei mir landete. Weil es keiner essen würde. Eigentlich war es schade ums Geld.

Obendrüber war eine heillose Ruhe. Bloß einmal schepperte es ganz laut. Dann hatte es die vielleicht hin geledert. Von mir aus konnte sie sich die Rübe aufschlagen. Die war doch eh nicht mehr glatt in ihrem Oberstübchen.

Nach einer Woche trafen wir uns im Hausflur. Sie war wie umgewandelt. Als wäre nie was gewesen. Sie grüßte, setzte sich auf die Treppe und streichelte unseren Hund. Nebenbei erzählte sie mir, dass Sidney über Ostern heimkommen würde. „Na ist doch schön.“ Sie meinte, sie würde uns zum Essen einladen. Ich hätte ja schließlich auch schon genug für sie getan. „Danke, aber Rico hat Dienst.“ „Dann kommen Sie wenigstens.“ Darauf war ich ja ganz erpicht. Wahrscheinlich bekam ich hunderttausend Ekelblasen. Aber ich musste ihr schon die Chance geben.

Es war die blanke Katastrophe. Das Essen war schon auf den Tellern, wie ich hochkam. Trotzdem musste noch eine geraucht werden. Damit es ja auch kalt wurde. Sally benahm sich wie so ein kleines Kind. Sidney nicht minder. Alles, was er nicht mochte, legte er seiner Mutter auf den Teller. Selbst, wenn er es schon halb durchgekaut hatte. Furchtbar.

Die Kinder verschwanden nach dem Essen jeweils auf ihr Zimmer. Dort waren sie eh bloß. Dass wir am Tisch gesessen hatten, war eine Ausnahme gewesen. Sie brachte ihnen das Essen ans Bett. Wo sie den ganzen Tag herumlagen. So viel zum Thema Familienleben. Aber ich hatte keinen Bock mehr, ihr was zu sagen. Es kam doch sowieso nicht an.

Das Verdauungszigarettchen konnte ich natürlich nicht verweigern. Währendem meinte sie, dass sie wieder mit Farbe dran wäre. „Ich habe es Ihnen doch gezeigt.“ „Habe ich mir nicht gemerkt.“ Da ich wenigstens einen ruhigen Sonntag haben wollte, schlug ich ihr heute Nachmittag vor. Nach dem Kaffeetrinken. Und nach dem Gassi. Hauptsache, sie wollte dort nicht noch mitlatschen. Da wäre ich nämlich schon vor dem Färben reif für die Insel gewesen. Sie sagte nichts in der Richtung. Gott sei Dank auch.

Wie ich hochkam, wollte sie erst mal wieder eine rauchen. Musste ich ihr denn jedes Mal dasselbe sagen, dass sie das auch dann tun konnte. „Erst die Arbeit.“ Kein Wunder, dass die mit nichts fertig wurde. Hier sah es aus. Ich musste aber die Brille aufsetzen, damit ich es auch richtig machte. Während sie mit der Farbe auf dem Kopf dahockte, rauchten wir eine. Danach stand ich auf. „Und Abspülen?“, fragte sie. „Das werden Sie doch wohl allein bringen.“ „Ich weiß doch gar nicht, wann es gut ist.“ „Wenn keine Farbe mehr kommt.“ „Machen Sie das mal. Das ist mir sicherer.“ Ich stöhnte. Weil ich ja nun auch die Emulsion einmassieren durfte. Wenn sie wenigstens ihre sexuellen Äußerungen sein lassen hätte. Mann, oh Mann. Dann sollte sie sich einen suchen. Oder es sich selber machen. Ich war froh, wie ich wieder runterkonnte.

Für Tusnelda schien damit, die Welt wieder in Ordnung zu sein. Also konnte man dem anderen bisschen auf den Beutel gehen. Sie kam jeden Tag mindestens drei Mal. Wegen irgendwelchem Schotter. Ich konnte ihr noch so viel sagen, dass ich am Schreiben war. Und sie mich ständig rausbrachte. „Machen Sie doch ein Bürozeitenschild an die Tür.“, sprach sie. „Wir sind doch hier nicht bei der Wohnungsbaugenossenschaft. Aber wir können das gerne machen. Die haben nämlich nur dienstags Sprechzeit.“ Jetzt guckte sie wieder wie so ein Quarknapf.

Freitag kam sie geschlagene vier Mal wegen der Eierlikörcreme für die Torte. Ich hatte ihr mal Stück hochgegeben. Und das Rezept hatte ich ihr auch aufgeschrieben. Es war eigentlich Pillepalle, die paar Zutaten zusammen zu rühren. Die bekam es trotzdem nicht gebacken. Mein Gott, nein. Ich bekam heute Besuch bis Sonntag und hatte noch so viel zu tun.

Abends war wieder Highlight im Kettenkasten obendrüber. Vielleicht hatte sie ja schon die ganze Torte gefressen. Obwohl? Von sechs Gläsern Eierlikör konnte man nicht so besoffen sein.

Anderntags lud sie mich zum Kaffee ein. Ich erklärte ihr, dass meine Freundin da wäre. Die könnte ich mitbringen, meinte sie. „Was war denn gestern Abend los?“ Zur Feier des Tages hätte sie sich einen genehmigt. „Haben Sie im Lotto gewonnen oder was?“ „Ich spiele doch überhaupt nicht. … Nein. War bloß, weil mir der Kuchen so gut gelungen ist.“ „Das wissen Sie doch noch gar nicht. Oder haben Sie schon gekostet?“ „Mm.“

Ein Viertel war echt weg. Ich hatte mit meinem einen Stück schon zu tun. „Was haben Sie denn hier gemacht?“ „Wieso?“ Ich trank ja gerne Eierlikör. Aber das hier war mir ein bisschen zu viel des Guten. Da waren doch niemals bloß sechs kleine Schnapsgläser voll drin. „Wenn, muss man das schon richtig merken.“ Sie hätte das Doppelte genommen. Dass die sich auch nie an was halten konnte. „Sie müssen sich immer selber kreieren. Und dann kommt Rotz raus.“ „Wieso? Schmeckt doch gut.“ „Wenn man was noch nie gemacht hat, hält man sich erst mal ans Rezept. Beim nächsten Mal kann man sich dann bisschen ausprobieren.“ „Da muss ich erst mal eine neue Flasche kaufen.“ Ich zog den Kopf in den Nacken. Bei sechs Gläsern fehlte oben nicht viel. Und sie mit dem Doppelten, da war vielleicht ein Viertel weg. „Was haben Sie denn mit dem Rest gemacht?“ „Na getrunken.“ „Da klebt es einem doch die Gusche zu.“ Dafür hätte sie Bier gehabt.

Unten ließ ich mich erst mal über Tusnelda aus. Was sie sich wieder so in letzter Zeit alles geleistet hatte. Gabi lachte bloß. „Du hast das ja nicht.“, sprach ich. „Gott sei Dank auch.“ Es klingelte. Ich sagte stöhnend: „Wenn man vom Teufel spricht.“

Was Tusnelda wollte, wusste sie selber nicht. Wahrscheinlich die Neugierde. Oder, weil sie kaum jemand besuchte. „Frau Herfurth. Rico kommt dann gleich. Ich möchte bisschen was an Essen vorbereiten. Sie wissen, bei mir gibt es nicht nur nackte Bemmen.“ „Die gibt es bei mir auch nicht.“ Ich wollte erst sagen: „Wann haben Sie schon mal einen Salat gemacht?“ Die wusste doch gar nicht, wie das ging. „Wo ist denn Timmy überhaupt?“, fragte sie. Es war interessant, dass der das auch schon auffiel. „Na mit Vati mit.“ „Hätten Sie mal eine Milch? … Sonst muss ich noch mal los.“ Ich holte ihr eine. „Bringe ich am Montag wieder mit. Und hätten Sie vielleicht noch zwei Bier?“ „Muss ich noch mal runter.“ „Kann ich auch machen. Ich weiß doch, wo es steht.“ Na ja, gut. Schließlich hatte sie noch was weggenommen.

Montagvormittag stand eine Milch im Regal. Dienstag die zwei Flaschen Bier. Nachmittags bettelte sie um Tabak. So langsam ging mir das auf die Ketten. „Ich habe doch noch kein Geld gekriegt.“, meinte sie kleinlaut. „Sie leben immer nur von der Hand in den Mund. Das tät mich verrücktmachen.“ „Macht es mich ja auch.“ Und wann gedachte sie, mal was dran zu ändern? „Ein kleiner Nebenjob?“ Sie wäre auf der Suche. Das glaubte sie doch selber nicht. „Stehen so viele Annoncen mit zwei, drei Stunden Saubermachen in der Zeitung.“ Dann ging ich meine Ersatzdose holen. „Sobald ich das Kindergeld habe, kriegen Sie die wieder.“ „Gibt es das nicht am fünfzehnten?“ Sie hätte keins drauf gehabt. „Und könnte ich mal was anrufen?“, fragte sie noch. „Sicher.“ Das hatte ich ihr ja am Anfang angeboten. „Aber keine Handynummer.“ „Ich weiß.“ „Na hoffentlich.“ Hinterher brachte sie mir noch ein Schreiben zum Faxen. Und kaute mir wieder ein Ohr ab, wegen Geld.

Abends, wie ich mit Timmy zur Haustür raustrat, sah ich Tusnelda, mit dem Rucksack auf dem Rücken, Richtung Lidl laufen. „Ich denke, sie hat nichts.“ Wie wir von der Elbe zurückkamen, marschierte sie in die andere Richtung. Das hieß, zu dem privaten Getränkeladen.

Anderntags kam sie wieder wegen einer Milch. „Was ist denn bei ihnen da oben los?“ Die Enkelin wäre gekommen, erklärte sie mir. „Hören Sie das?“ Sie gab selber zu, dass das schlimm klingen würde. Aber die Kleine wäre nun mal sehr sportlich. Hatte die eine Macke? „Kann doch runter auf dem Hof.“ „Da hat sie doch nichts weiter.“ „Muss Ihre Tochter mal was mitgeben.“ „Hat sie doch. Ein Malheft und Bastelzeug.“ „Und warum setzen Sie sich nicht mit ihr hin?“ Sie guckte bloß blöde. Und sowas nannte sich Erzieherin. Die konnte nur kleinen Kindern den Arsch abwischen. Mehr nicht.

Es traf sich wieder mal, dass ich gerade Gassi wollte und sie zu Lidl. Gut gingen wir eben dort lang. Unterwegs fragte ich sie, wann denn ihr Sohn nun einziehen würde. „Keine Ahnung.“ „Hatten Sie nicht Gerichtsverhandlung?“ „Ja.“ „Und?“ „Die haben mich gefragt, ob ich beim Psychologen gewesen wäre.“ Dann flog auch schon ihre Hand über die Schulter. „Pf. … Habe ich doch nicht nötig.“ Ich sah sie ganz entsetzt an. „Haben Sie das dort auch so gemacht?“ „Na klar.“ „Frau Herfurth. Ich habe Ihnen sogar das Fahrgeld dafür gegeben, weil sie nichts mehr hatten.“ „Ach so ja. Den Termin musste ich leider absagen.“ Ihr wäre es nicht gut gegangen. „Sie hatten Schiss. Geben Sie es zu.“ „Ich muss doch nicht jedem meine Lebensgeschichte erzählen. Das geht doch keinem was an.“ „So kriegen Sie Ihren Jungen nicht wieder.“ „Das werden wir noch sehen.“ „Sie denken schon an den Tabak?“ „Steht auf dem Zettel.“ Ich nahm an, der Einkaufszettel. Es stellte sich heraus, dass es einer in ihrer Küche war. Damit sie es nicht vergaß. Jetzt hätte sie nicht mehr so viel. Sie könnte nur das Nötigste einkaufen. „Finde ich nicht schön, dass man Sie immer dran erinnern muss.“ Normalerweise hätte sie auf einen zuzukommen. „Ja.“, machte sie bloß.

Zwei Tage später stand sie bettelnd vor meiner Tür. Ihr Junge käme doch. Sie wüsste gar nicht, was sie ihm auf den Tisch stellen soll. Ich hatte aber nichts im Portemonnaie. Sie versprach mir, auch die Kosten fürs Abheben am Fremdautomaten zu übernehmen. Wenn ich der das Geld so gab, kaufte sie bloß wieder Kümmerlinge davon. Ich war am überlegen. Bis Lidl war es mir bisschen weit. Meine Muskeln wollten heute nicht so wie ich. „Muss es gleich sein?“ „Nein. Aber vor um acht tät ich schon noch ganz gern.“ Dann machten wir das halt so. Gassi musste ich eh noch mal gegen Abend. Und einkaufen mochte ich auch irgendwann die Woche. „Gehen wir um sechs.“

Natürlich stand ich wieder da und wartete. Während sich mein Hund draußen einen Wolf bellte. „Na endlich.“, dachte ich. Wie die liebe Sonne kam sie angeschlendert. Ein Blick nach links, einer nach rechts. „Meine Fresse.“ Auf der Seite war die Tiernahrung. Die brauchte sie nun wirklich nicht. Ehe die mich mal so wahrnahm. Ich machte eine Handbewegung. Das interessierte die überhaupt nicht. Jetzt ging sie noch an den Zeitungsständer. Anschließend guckte sie, was vor der Kasse stand. Nachdem ich ihrs bezahlt hatte, sagte ich: „Das geht wohl nicht ein bisschen schneller?“ „Ich muss doch mal gucken.“ „Ja. Damit man dann wieder mehr im Wagen hat.“ „Ein bisschen was zu naschen möchte ich schon mitnehmen für meinen Prinzen.“ Und Sally wäre so bescheiden. Da hätte sie sich die eine Zeitschrift verdient. Das war ja soweit okay.

Auf dem Rückweg erzählte sie mir, dass sie diesmal Hähnchenschenkel machen wollte. „Aber so wie Sie. … Müssen Sie mir mal aufschreiben.“ Da gab es eigentlich nichts weiter groß aufzuschreiben. Ich kochte die zirka eine Stunde. Kam auf die Größe an. „Das merken Sie beim reinstechen. … Und nicht bloß in Wasser.“ Da musste Geflügelbrühe rein. „Und wieviel?“ „Da können Sie schon etliche Teelöffel auf die Menge Wasser. Wenn Sie sich nicht sicher sind, kosten Sie. Muss schon nach Brühe schmecken, sonst zieht das nicht ins Fleisch.“ „Ihre sind so saftig.“ „Ja eben. Weil ich sie vorkoche. … Hören Sie mir zu?“ „Ja.“ „Und dann kommen sie aufs Blech. Dort müssen Sie sie aber richtig würzen. Damit auch die Haut schmeckt. … Am besten mit Geflügelwürzer. Da ist auch Muskatblüte drin. … Die hat so was.“ „Habe ich nicht.“ Notfalls ginge es auch mit Paprika. Aber Salz bräuchte sie keins mehr. Weil da genügend durch die Brühe drin war. „Müssen Sie mir dann mal aufschreiben.“ Also glaubte man es denn. Kochen in Brühe. Und backen im Herd. „Bisschen Brühe mit aufs Blech. Damit sie nicht anbacken.“ Ich sollte es ihr trotzdem aufschreiben. Dann machten wir das gleich noch. Damit ich es hinter mir hatte.

Ich stopfte uns eine Zigarette. Während wir rauchten, schrieb und erklärte ich es gleichzeitig. Bevor sie ging, drückte ich ihr meinen Gewürzstreuer in die Hand. „Kriegen Sie wieder.“ „Das will ich doch wohl hoffen. Das Zeug ist nämlich nicht billig.“

Freitag stand sie fünf Mal auf der Matte. Sie bekam es einfach nicht gebacken, die Dinger in einen Topf mit Wasser und Brühe zu tun. Beim letzten Mal schob ich sie zur Seite, rannte nach oben und klopfte bei Sidney an. Dann hatte ich auch schon die Tür in der Hand. „Grüß dich. Kommst du mal bitte mit in die Küche.“ Er stand von seinem Bett auf. Drüben sagte ich: „Gibst du mir bitte mal einen größeren Topf.“ „Ist der richtig?“ „Ja. … Und jetzt die Hähnchenschenkel.“ Er sah sich suchend um. „Im Kühlschrank.“, sprach ich. „Ach so.“ „Messer.“ „Vor dir.“ Ich zog die Schublade auf, nahm mir eins und schnitt in die Verpackung. „Fleisch immer abwaschen. Das fliegt nämlich gerne mal in den Dreck.“ Dann legte ich die Schenkel in den Topf und ließ Wasser dazu. „Wo ist die Geflügelbrühe?“ Die fand er zufällig mal gleich. „Jetzt nimmst du dir einen Löffel.“ „Und wie viel?“ „So viel, dass es nicht nach Wasser schmeckt.“ Ich staunte. Er stellte sich gar nicht mal so dumm an. „Das lässt du jetzt eine Stunde kochen. Nach einer halben wendest du die Dinger. Und schmeißt schon mal die Röhre an. Stellst sie auf zweihundert Grad. … Und wenn du sie aufs Blech tust, erst mal mit der Unterseite nach oben. … Ach ja. Und bisschen Brühe aufs Blech. Sonst backt das an. … Hast du eine Kelle?“ „Hier.“ Ich sah mich suchend um und fand auch mein Gewürz. „Das streust du drauf. Nach einer Viertelstunde wendest du die Dinger. Machst auch noch mal was drauf. … Hast du das soweit verstanden?“ „Ja.“ Seine Mutter hatte sich in der Zwischenzeit auf den Stuhl gehockt. Ihr Kopf hing schief. Die Augen standen auf null. Die war doch besoffen. „Und jetzt möchte ich nicht mehr gestört werden.“ Freitags guckte ich nämlich immer einen Katastrophenfilm.

Er lief vielleicht zehn Minuten, da klopfte es. Also jetzt schlug ich gleich lang hin. Es war aber nicht Tusnelda sondern Sidney. Er stand mit Zettel und Stift da. „Die Mutter schickt mich.“ „Ach. Hat sich wohl nicht getraut?“ „Nee. … Bei wie viel Grad?“ Aufgrund des Filmes dachte ich im ersten Moment an Längen- und Breitengrade. Ich wusste nur nicht, was er damit vorhatte. Er sagte: „Na hier. Die Schenkel. Bei wieviel Grad sollte ich die reintun?“ „Zweihundert. Und tu bissel Brühe mit aufs Blech.“ „Danke.“ Ich konnte mich nur ganz schwer auf meinen Film konzentrieren. Weil ich immer damit rechnete, dass der wiederkam. Was er nicht tat.

Am nächsten Tag brachte mir Tusnelda mein Gewürz zurück. Die Schenkel hätten gut geschmeckt, meinte sie. „Und die Brühe frieren Sie sich ein. Sind doch Knochen mit ausgekocht. Wenn einer mal erkältet ist, haben Sie was. Ist besser wie jedes Antibiotika.“

Mein Geld bekam ich Montagabend. Das war ja nett. Aber unpassend in dem Moment. Ich hatte nämlich diesmal schon beizeiten mit dem Pulver angefangen. Sie wollte irgendwas sagen. „Frau Herfurth. Ich habe morgen wieder Darmspiegelung.“ Und jetzt musste ich aufs Klo.

Von dem kalten Gesöff bekam ich natürlich einen Verschlag. So hatte das meine Oma immer genannt, wenn man sich durch zu kaltes Trinken erkältet hatte. Mein Immunsystem war seit der Chemo nun mal nicht mehr das Beste. Außerdem war ich knülle. Weil ich bis halb zwei aufs Klo gerannt und halb fünf schon wieder aufgestanden war. Wegen dem vierten und letztem Liter. Ich war froh, dass ich meinen Haushalt soweit geregelt bekommen hatte und mit dem Hund Gassi gewesen war. Und jetzt legte ich mich erst mal auf die Couch.

Paar Minuten später klingelte es. Timmy lief mit an die Tür. Ich kam gar nicht dazu, was zu sagen. Tusnelda schob ihre Enkelin rein und sagte: „Wir machen heute mal Tausch. Sie Kind und ich Hund.“ Und dann war sie auch schon weg. Ich dachte, ich spinne. Da ich nun einmal stand, konnte ich auch Essen kochen. Nicht für Mittag. Da kam Rico nicht heim. Für abends. Und der Kleinen holte ich die Spielkiste aus dem Gästezimmer. Dort war alles Mögliche an Kleinkram drin. Das fand sie interessant. Ich fragte sie mal nebenbei. „Bei der Oma ist es langweilig. Oder?“ Sie nickte. Alles klar.

Wie Tusnelda die Kleine nach zwei Stunden abholte, bat sie um zwei Milch. „Haben Sie Glück.“ Rico holte nämlich immer gleich einen Karton. „Bringe ich Ihnen morgen neue mit.“

Aber da hätte man sie ja schleppen müssen. Sie stand mit einer Handvoll kleiner Münzen vor der Tür. „Was kostet denn so eine Milch?“, fragte ich spaßeshalber. Sie hob die Schultern. Also Preise konnte die sich auch keine merken. Und zwei was zusammenrechnen konnte sie noch weniger. Ich half ihr nicht. Logisch, dass ich sie dazu reinbitten musste. Aber die Zeit nahm ich mir mal. Ich gab ihr Zettel und Stift. In der Hoffnung, dass sie das ablehnte. „Also Frau Herfurth. Bitte.“ „Ich habe den Kopf voll.“ „Da sind Sie nicht die Einzige. Und trotzdem kann man sich mal paar Preise merken. Wie kaufen Sie denn ein? … Ich nehme die Bons mit heim.“ „Ich auch.“ „Bloß lesen tun Sie sie nicht. Wie wollen Sie denn dann haushalten? Also ich schreibe mir einen Zettel.“ „Ich auch.“ „Ja für den Tag. Weil Sie jeden rennen.“ „Ich überlege mir, was wir in der Woche essen und gehe gedanklich durch, was wir dazu brauchen.“ „Das mache ich auch.“ „Das glaube ich Ihnen nicht. Sonst würden Sie ja mit dem Geld klarkommen.“ Das hätte ich auch der Chinesischen Mauer erzählen können. „Und jetzt möchte ich noch ein bisschen schreiben, Frau Herfurth.“ „Ich gehe ja schon.“ An der Türe meinte sie: „Dann versuche ich das mal mit einem Zettel. … Wie machen Sie das?“ „Ich gehe das Frühstück durch. Man weiß doch, was jeder isst. Dann kommt das Mittag dran. Und falls Sie keinen Plan haben, schlagen Sie das Kochbuch auf.“ „Und was ist mit Waschpulver?“ „Na sicher muss man solche Sachen auch noch durchgehen. Das ist doch aber nicht jede Woche.“

Bei ihr schon. Ich hatte noch nie jemanden erlebt, der so viel wusch. Sollte sie. Meinetwegen. Das Leidliche daran war nur, dass ich ihr immer im Haus begegnete, wenn sie mit dem Wäschekorb nach unten stieg oder wieder zurückkam. Und wie es da unten baumelte. Die Shirts wurden so breit gezogen, dass sie nach dem Trocknen wie ein Kleid aussahen. Furchtbar. Im Winter hatte ich es gar nicht so mitbekommen. Nur durch die Unwucht von ihrer Maschine, weil die nicht gerade stand. Aber wir hatten Frühling und da hing sie wieder unten auf. Die Frau brachte es auf vier bis fünf Maschinen pro Tag. Sah auf alle Fälle nach Arbeit aus. Ansonsten geschah nicht viel da oben. Ich hörte ja, wenn sich jemand bewegte.

Abends stand sie mit einem Blatt Papier vor meiner Tür. Sie wollte wissen, wie ich das mit dem Einkaufszettel gemeint hätte. „Fangen Sie erst mal mit dem Frühstück an. Sie werden wohl wissen, was Ihre Tochter isst. Sidney ist ja die Woche über nicht da.“ „Das Brot wird doch aber hart.“ „Hat doch keiner gesagt, dass Sie alles mit einmal kaufen müssen. Sie sollen sich aber an den Zettel halten. Und nicht gucken, was könnte ich denn gleich mal?“ „Mache ich überhaupt nicht.“ „Hören Sie doch auf. Dann würden Sie ja mit dem Geld klarkommen. … Mehr wie hundert verbraucht man nicht in der Woche. Und das ist schon hochgegriffen. Also wir haben um die sechzig. Und da ist auch mein Tabak mit drin.“

Sie kam noch dreimal. Wegen dem fürs Frühstück. Ich sagte ihr, sie sollte morgen weitermachen. Und hoffentlich belästigte sie mich heute nicht mehr?

Beim Abendbrot erzählte ich Rico, dass ich mal wieder eine Auszeit bräuchte. „Haust du ab.“ Damit meinte er in unsere Ferienwohnung. „Und Timmy?“ „Ach. Mach dir da mal keine Gedanken. Notfalls nehme ich ihn mit.“ Er liebte ja die Nachtschichten mit Vati. Und mein Mann mochte es umgedreht auch. Weil unser Hund aufpasste wie Sau. Und da konnte Rico auch mal fünf Minuten die Augen schließen. Bloß nicht nach drei. Da wollte Junior grundsätzlich ins Bett. „Überlege ich mir.“, sprach ich.

Tags drauf war alles klar. Ich hatte der nun oft genug gesagt, soll mal ins Kochbuch gucken. Die Frau war ja nicht tragbar. Die gehörte in betreutes Wohnen. Eigentlich in die Klapsmühle. Hier musste ich raus. Ich googelte nach einer Verbindung und fing an, meine Tasche zu packen.

Wie sie anderntags kam, schnitt ich ihr das Wort ab. Sie hatte eine Dreiraumwohnung und bekam nur für zwei Personen das Geld vom Amt. Beziehungsweise wir. „Wann klären Sie das denn nun mal endlich? Ihr Sohn braucht ein eigenes Zimmer. Irgendwann kommt er ja schließlich für immer. … Sie müssen doch mal einen Leistungsbescheid gekriegt haben.“

Daraufhin rannte sie nach oben und kam mit einem Pamphlet zurück. Alles durcheinander. Die bestimmte Seite war natürlich nicht dabei. „Warum ist denn das nicht ordentlich abgeheftet?“ „Weil ich das Donnerstag brauche.“ „Ach, nee.“ Schlampe. Dann wollte sie mir wieder die ganzen Jobcentersachen erzählen. „Frau Herfurth. Ich will heute auch noch mal fertigwerden.“ „Und nun?“ „Können wir es doch eh nicht mehr ändern. Kriegen Sie eben eine Nachzahlung in der Betriebskostenabrechnung.“ „Und wovon soll ich das bezahlen?“ „Das übernimmt doch das Amt. Und Sie klären mal bitte, dass das monatlich in der richtigen Höhe kommt.“

Um zwei war ein Krach oben. Als ob einer Möbel rücken würde. Ich hatte mich erst halb zwei hingelegt. Eigentlich schlief ich immer eine Stunde. Weil das meine Muskeln brauchten. Das war es dann mal wieder. Ich stand genervt auf. Während der Kaffee lief, machte ich mich frisch. So richtig munter wurde ich von beidem nicht. Aber vielleicht an der frischen Luft. „Na komm. Gehen wir Gassi.“

Wieder zurück, leinte ich Timmy im Hausflur ab. Nach hinten zum Hof stand die Tür offen. Mein Hund startete natürlich durch. Ich eilte ihm hinterher. Tusnelda kehrte auf Rollerblades den Hof. Hilfe. Ich konnte gar nicht hingucken. „Frau Herfurth. Lassen Sie den Scheiß. Sie sind doch überhaupt nicht fit.“ „Wieso denn? Ich habe es doch in der Wohnung ausprobiert.“ Jetzt war mir einiges klar. „Aber doch nicht auf dem Laminat.“ „Ist nichts passiert.“ „Wissen Sie, was das für ein Krach gewesen ist?“ „Das hätte ich nicht gedacht.“ „Mit den Rollen auf dem Laminat, das hört man gar nicht.“ „Ich musste es doch aber mal ausprobieren.“ „Wo haben Sie denn die überhaupt her?“ „Das sind Sally ihre. Die lagen auf dem Boden.“ „Ziehen Sie die Dinger aus.“ „Wieso denn?“ „Dazu muss man bisschen geübt sein. Und überhaupt auch sportlich wegen der Balance. Vom Rauchen und Biertrinken hat man die nicht. … Ach.“ Ich drehte mich um und lief nach oben.

Kurz drauf klingelte es. Sie stand jammernd vor mir und hielt sich die rechte Hand. „Hätten Sie mal eine Binde?“ Ich sah gleich, dass da was gebrochen war. „Die nützt Ihnen auch bloß nichts.“ „Ich soll mich ja bewegen. Haben Sie doch auch gesagt.“ Dafür hätte ich ihr eine klatschen können. Ich gab ihr die Binde, obwohl ich wusste, dass es keinen Sinn machte.

Wie Rico kam, erzählte ich ihm davon. Er lief hoch gucken. Anschließend erklärte er mir, dass das gebrochen wäre. „Habe ich mir schon gedacht. … Und nun?“, sprach ich. „Fahre ich sie in die Notaufnahme. … Du gehst hoch und hilfst ihr anziehen.“

Das war vielleicht ein Akt. Weil sie erst mal noch eine rauchen musste. Und ehe sie mal geregelt bekam, mit welchem Bein sie in die Hose steigen soll. Warum half eigentlich Sally nicht? Das sagte ja wohl alles. Ich hatte es vielleicht satt. Von unterhalb der Treppe rief mein Mann. Der hatte die Zeit nun auch nicht gepachtet. „Ja doch.“

Geschlagene vier Stunden waren die beiden weg. Ich hörte das Auto kommen und wartete an der Wohnungstür. Sie kam jammernd die Treppe hoch. „Sie tun mir überhaupt nicht leid. Ihnen müsste man den Arsch versohlen.“ Und damit ließ ich sie abtraben. Wer mir leid tat, war mein Mann. Der hatte nun weiß Gott genug um die Ohren. „In der Zeit hättest du einiges im Büro erledigen können.“, sprach ich. „Was sollte ich denn machen?“

Wie wir dann in der Küche saßen, sagte ich: „Ist doch nicht die einzige Alleinstehende. Wie machen denn das die anderen in so einem Fall?“ „Den Krankenwagen rufen. … Habe ich nicht dran gedacht.“ Na ja. Das war halt in der Aufregung passiert. Er meinte nur, ich sollte ihm einen Gefallen tun. „Egal, was es ist. Der hilfst du nicht. Soll sie sehen, wie sie klarkommt. Sie hat ja eine große Tochter.“ „Ja.“ „Na. Ich kenne dich.“ „Nein.“ „Sollte ich dich einmal oben erwischen, gibt es Ärger.“ „Ja.“ „Na!“ „Wirklich.“ Ich hatte so schon genug mit mir zu tun. Und der Infekt hing mir auch noch an.

Anderntags klingelte sie. Dort hagelte es erst mal einen Anschiss für die Unvernunft. Sie lachte noch. „Da gibt es nichts zu lachen. Sie sind ja schlimmer wie ein kleines Kind. Das haben Sie mit Absicht gemacht.“ Daraufhin guckte sie blöd. „Na klar. Sie hätten heute im SFC anfangen müssen.“ Auf den Nebenjob hatte ich sie nämlich aufmerksam gemacht. Weil sie ja keinen Generalanzeiger las. „Ich will gar nichts hören.“, sprach ich noch. Und dann schloss ich die Tür. Es dauerte nicht lange und sie stand wieder auf der Matte. Insgesamt war es bestimmt zehn Mal an den Tag.

Am nächsten Tag hätte sie einen Termin beim Jobcenter gehabt. Ich speicherte nämlich alles ab. Mir war es aber früh zu ruhig oben drüber. „Na. … Da wird sie wohl wieder abgesagt haben.“

Nachmittags lief sie mir übern Weg. Ich fragte sie, ob sie gewesen wäre. Natürlich nicht. Wegen der Gips Hand. Das war ein Grund, aber kein Hindernis. Sie fragte, warum ich nicht mal mit Timmy hochkäme. Wo sie doch solche Schmerzen hätte. „Da fragt mich auch keiner. … Eins ist Phase, Ihre Tochter ist faul. Ihre Erziehung.“ „Kann ich denn wenigstens Timmy kriegen? Zum Trösten.“ „Wenn er will.“ Er wollte. Weil er dort ja stundenlang auf dem Sofa den Bauch gegrault bekam. Und auch lauter Essen, was ihm eigentlich nicht gut tat. Da er eh schon die Treppe hochgerannt war, sagte ich nur: „Keine Hühnerhaut.“ Weil sie in letzter Zeit gern Hühnersuppe mit Reis kochte. „Davon kriegt er Durchfall. … Und keine Knochen.“ „Ja.“

Rico passte das nicht. „Hast du dich wieder breitschlagen lassen?“ „Ja.“ „Aber morgen früh kommt er mir runter.“ „Hat sie doch gesagt.“ „Und abends gibt es nichts. Den Zahn kannst du ihr gleich ziehen.“

Nur leider kam niemand. Ich lief nach oben und klingelte Sturm. Es tat sich nichts. Weil sie anscheinend hinten im Bett lagen und sämtliche Türen zuhatten. Bloß Mensch. Der Kerl musste doch mal.

Ich machte mich den ganzen Vormittag verrückt. Gegen Mittag öffneten sie mir beide. Ich bückte mich zu meinem Jungen runter. Sie erklärte mir, dass sie früh draußen gewesen wären. Nachdem Sally in die Schule gefahren wäre. Sie hätten sich bloß noch mal hingelegt. Gut. Ein Hund schlief vormittags. Und das noch lieber im Bett. War ja klar. Trotzdem war ich froh, dass ich ihn wieder hatte. „Sidney hat meine ganzen Piefchen aufgeraucht. Der weiß doch, dass ich nicht stopfen kann.“, sprach sie. „Ach. Ist er da?“ „Na ja. … Darf er zwar nicht außer der Reihe. Aber die haben heute keine Schule.“ „Dann wecken Sie ihn eben. Was muss denn der auch noch um die Uhrzeit im Nest liegen?“

Es war unbeschreiblich, wie ich in dem Zug nach Emden saß. Zwei Wochen mal keine Tusnelda. Als Erstes kurierte ich meine Grippe aus. Mit viel Schlafen. Es wurde aber immer mehr, was ich spazieren ging. In der zweiten Woche genau beim Mittagessen schoss eine Knolle über dem einen Backenzahn heraus. Na super. Ich putzte mir die Zähne und suchte den Zahnarzt auf, den ich mal unterwegs gelesen hatte. Die Haustür war zugeschlossen. Es stand aber auch nichts weiter draußen dran. Wie Urlaub oder so. Nachmittags ging ich noch mal hin. Und wieder hatte ich kein Glück. Was sollte hier weiter werden? Ich begann, die Wohnung aufzuräumen. Zwischendrin ging ich in die Apotheke, um notfalls was dazuhaben.

Anderntags wollte ich an und für sich heim. Ich befand mich auf dem Weg zum Taxistand, wie Rico anrief. „Hast Du Schmerzen?“ Noch hatte ich keine. Aber wusste man`s? „Wenn es geht, erst morgen.“, meinte er. Er hätte noch so viel zu tun. „Na gut. Aber dann so, wie heute. Um zwölf.“ „Und wann kommst du an?“ „Viertel vor fünf.“ „Geht es nicht einen später?“ „Bin ich ja erst Viertel vor neun da.“ „Na und.“ „Und wenn dann was ist?“ „Meinetwegen.“

Es war eine Scheiß Nacht. Weil ich immer mit Schmerzen rechnete. Gut. Da hätte ich hier wahrscheinlich auch in die Notaufnahme gehen können. Bloß dann fing einer eine Behandlung an und ein anderer musste sie zu Ende bringen.

Wie ich in unserem Auto saß, rechnete ich mit dem Schlimmsten. Nicht mit Zahnschmerzen, sondern Tusnelda. Aber anscheinend hatte sie nicht mitgekriegt, dass ich schon wieder daheim war. Komischerweise hatte ich auch die nächsten Tage meine Ruhe. Dann schob sie wieder einen Depri. Das war mehr als gut. Weil sie mir ja grundsätzlich im Haus begegnete. Und ich nun zusätzlich noch jeden Tag zum Zahnarzt musste wegen Einpinseln.

Der sechzigste Geburtstag meines Vaters stand an. In Emden hatte ich an meinem Buch weitergeschrieben. Hier kam ich ja zu nichts. Aber jetzt mochte ich mir langsam mal Gedanken machen. Ich wollte ihm nicht nur nacktes Geld schenken. Irgendwas musste noch mit dazu. Einen Spruch oder ein Gedicht konnte ich unabhängig davon zur Feier vortragen. In dem Moment schoss mir was in den Kopf. Auf ein paar meiner Fotos war er nämlich zu sehen. Obwohl er das immer vermieden hatte. Wenn ich nun zu jedem ein paar Zeilen schrieb?

Ich graste die Alben durch. Viele waren es wirklich nicht. Aber meine Geschwister und Mutti hatten auch bloß nichts weiter. Letzt endlich rief ich ihn selber an. „Sag mal. … Hast du manchmal ein Bild von Eurer Hochzeit?“ „Für was brauchst d` n das?“ „Ist mir gerade eingefallen. Ich habe ja gar nichts weiter von euch. Und hast du noch eins von dir? Damit ich dich mal in jungen Jahren sehe.“ Er lachte erst mal hämisch. Dann sagte er: „Du kommst auf Gedanken.“ „Na ja. … Hast du nun was?“ „Muss ich mal gucken.“ „Schickst du` s Rico auf den Rechner. Können wir uns selber ausdrucken.“ „Erst mal sehen, ob ich was finde.“ „Ach. Wirst du schon.“ So was schmiss er doch nicht weg.

Ich begann, mit dem zu arbeiten, was ich hatte. Es wollte nicht so laufen mit einem Spruch. Weil es eigentlich auch Kacke war. Zu jedem Anlass in der Familie gestaltete mein Vater eine Zeitung. Das musste ich ja nun nicht nachmachen. Wenn ich nun Lieder nahm? Meine Leute guckten doch gerne solchen Volksmist. Was die Sendungen mit Volksmusik waren. Aber so richtig gefiel mir nichts davon.

Wenn ich eine Gusche zog, das konnte Rico gar nicht leiden. Ich war aber nun mal frustriert. Vielleicht hätte ich ja sollen mal bisschen mehr das Radio anmachen. Dann wäre mir auch aufgefallen, dass es noch bisschen was anderes gab. Aber ich war froh, wenn ich meine Ruhe hatte.

Paar Tage später drückte er mir eine gebrannte CD in die Hand. „Hier. … Na horch es dir doch erst mal an.“ Es handelte sich um annähernd hundert Popsongs mit deutschem Text. Bei dem einen musste ich so lachen. Gisela. Von Horst Schlämmer. Meine Mutter hieß so. Es passte rundherum. Weil sie so bisschen verschämt war. Und ich hatte auch das Bild dazu. Mit ihr und dem Gesicht meines Vaters, wie er sich wieder über sie aufregte.

Na jedenfalls gab mir das Lied so einen Spaß, dass ich es mir noch paar Mal anhören musste. Und das auch etwas lauter. Es klingelte. Ich dachte, Tusnelda meckert. Im Gegenteil. Sie war einfach nur neugierig geworden. „Dann kommen Sie mal rein.“ Ich spielte das eine noch mal von vorne. Sie musste lachen. Anschließend zeigte ich ihr, was ich bis jetzt geschafft hatte. Sie guckte ganz erstaunt. Mit Computer hatte sie nämlich nichts am Hut. „Machen Sie doch mal einen Kurs an der Volkshochschule.“ So viel kostete der nun auch nicht. „Ach nee.“ Aber man musste doch mal bisschen mit der Zeit gehen. Und sich auch mal bisschen bilden. Sie las ja nicht mal das Gratisblatt, was mittwochs und samstags kam. „Dort sind so viele Tipps drin. Ist ja kein Wunder, dass bei Ihnen alles schiefgeht. … Ich werde wohl mal dort anrufen und sagen, sollen es sein lassen. Schade ums Papier. Und die Mühe und die Zeit.“ „Ich nehme mir doch immer welche mit hoch.“ „Ja. Für den Biomüll.“ Sie griente. „Habe ich also doch Recht. … Kann ich nicht verstehen. In der Gesellschaft müssen Sie was wissen.“ Klar war es schwierig. Heutzutage mochte man Doktor, Rechtsanwalt, Finanzexperte und überhaupt alles sein. Aber wenn man gar nichts wusste, war man doch völlig angearscht. Ich erklärte ihr, dass sie über das Kabelfernsehen für einen guten Preis ins Internet könnte. Natürlich mit einem Gerät, was nun nicht umsonst war. Aber sie sollte mal die Arschbacken zusammenkneifen. Ihre Tochter brauchte das Internet doch schließlich auch für die Schule. Da gab sie mir Recht. „Na also.“ Und wenn sie sich einen kleinen Nebenjob suchte, war doch das kein Problem. Und das Internet plus einer Festnetzflatrate würde sie neunzehn Euro im Monat kosten. „Sie haben so viele Anrufe zu Ämtern. Das machen Sie alles über Ihr Handy. Und was bezahlen Sie dort?“ „Na ich hole mir eine Karte für fünfzehn Euro. Da komme ich nicht mal weit. Manchmal muss ich mir noch eine holen. Und Sally braucht auch eine.“ „Da sind wir schon bei fünfundvierzig.“ Entweder redete ich chinesisch oder die Frau konnte nicht denken. Sie sollte es sich durch den Kopf gehenlassen. Und jetzt wollte ich noch bisschen was tun. „Ach so, ja. Fahren Sie manchmal in die Stadt?“ Sie hätte einen Termin beim Jobcenter, erklärte sie mir. Dort war doch gleich das Kaufland. Da konnte sie mir mal eine kleine Sojasoße für neunundneunzig Cent mitbringen. „Muss ich mir gleich aufschreiben.“ „Tun Sie das.“ „Könnte ich bitte das Telefon haben? … Und wenn Sie noch die Nummer von Kabel Deutschland hätten.“ Draußen hing das Schreiben. „Habe doch keine Brille auf.“ Sie sollte es sich abmachen und es dann mit dem Telefon wieder runterbringen.

Am nächsten Tag hörte ich nichts von ihr. Es fand keinerlei Bewegung obendrüber statt. Dann lag sie wieder hinten bei sich im Nest. Na ja. Ich musste eh anderntags zum Doc. Auf dem Rückweg sprang ich bei Norma raus. Dort gab es so einiges, was sie bei Lidl nicht hatten. Und sogar meine Sojasoße. Womit ich nun gar nicht gerechnet hatte.

Zwei Tage später stand Tusnelda auf der Matte und überreichte mir freudestrahlend eine Flasche. Sie wäre extra zum Chinesen gegangen. Darüber konnte ich nicht lachen. Weil es dort hundert pro anders kostete. Sie meinte zwei neunundneunzig. „Was hatte ich gesagt?“ „Ich habe es doch nur gut gemeint.“, entgegnete sie. „Halten Sie sich doch einfach an das, was Ihnen jemand sagt. Oder lassen Sie es sein. Das sind zwei Euro mehr. Zwei Euro sind zwei Euro. Wenn Sie das bei sich immer so machen, ist es ja kein Wunder.“ „Ich gucke schon. Und bei Edeka hole ich nur das Nötigste. Aber, wenn ich einmal in der Nähe bin.“ „Sie wissen schon, dass der ein bisschen teurer ist. Das käme bei mir niemals in die Tüte. … Frau Herfurth. Sie sind daheim. Sie haben den lieben langen Tag Zeit. Und wenn Sie aus der Stadt kommen, können Sie bei Aldi rausspringen und bei Norma. Die haben übrigens öfter mal Fleisch gesenkt.“ „Kann ich mir trotzdem nicht leisten.“ „Wieso denn das nicht?“ Sie kaufte so viel anderen Rotz. Zum Beispiel Champignons erste Wahl und das bei Edeka. Ich sah doch, was unten an Glas Zeug stand. „Die muss ich doch in das Gulasch machen. Weil die Sally so gerne isst.“ „Denken Sie, dass das jemanden interessiert, ob es erste oder dritte Wahl ist. Das Gulasch bestimmt nicht. Und ihre Tochter?“ „Auch nicht.“ „Na also. … Und jetzt möchte ich noch bisschen an dem Buch für meinen Vati weiterarbeiten.“ Inzwischen hatte sich Timmy bei ihr eingeschleimt. Nein. Heute nicht. Rico kam dann vom Dienst. Wie spät lebten wir denn überhaupt? „Mensch.“ „Ich gehe ja schon.“ „Moment.“ Hier hatte sie die drei Euro. Der eine Cent war fürs Glück.

Anderntags gab sie mir zwei Euro zurück. „Wenn ich zu blöde bin.“ Also hatte sie die Nacht doch mal übergelegt. Ich sagte nur: „Das nächste Mal bringen Sie genau das mit oder gar nichts. Rumgedreht wöllten Sie das doch auch nicht.“ „Stimmt.“ „Mal was anderes.“ Dadurch, dass die eine Wohnung im Erdgeschoss noch nicht ausgebaut war, hatte ich ihr die Möglichkeit gegeben, dort Glas Zeug zu sammeln. Ich spielte aber hier nicht den Alleinunterhalter. Vor allem, weil wir kaum Gläser hatten. Und wenn die einer wegbrachte, war ich es. Wie sah es denn mal anders herum aus? Sie käme kaum dort lang, wo ein Container stünde, meinte sie. „Ach nee. Was denken Sie denn, was ich mache?“ Ich musste nämlich auch einen Riesen Umweg laufen, bis ich zur Elbe kam. „Mache ich nächste Woche.“, sprach sie daraufhin. „Das haben Sie sich immer noch nicht abgewöhnt mit Ihrem Edeka.“ „Doch. Das meiste hole ich jetzt von Lidl.“ „Und wieso haben Sie dann so einen Haufen Gläser? Champignons dritte Wahl kosten neunundvierzig Cent bei Lidl. Aber die sind eben in der Dose. Draußen stehen gelbe Tonnen. Haben Sie es doch viel einfacher. … Apropos Tonne. Kommen Sie mal bitte mit.“ Treppensteigen war zwar nicht mein Ding. Das fehlte mir dann wieder auf anderer Seite an Kraft. Aber irgendwo musste sie es ja mal raffen.

„Wir haben doch alle Sorten an Tonnen. Und so schwer dürfte es nun auch nicht sein. … Was ist denn das hier? Gehört das in die blaue Tonne?“ „Ist nicht von mir.“ „Frau Herfurth. Ich weiß, wer hier was isst. Also wir sind es schon mal nicht gewesen.“ „Ileen macht keine Hausordnung.“ Sie sollte nicht ablenken. „Die macht trotzdem keine Treppe. Ich sehe doch nicht ein, dass ich die immer machen muss.“ „Dann müssen Sie es ihr eben sagen.“ „Ist doch Ihre Aufgabe. Müssen Sie eben einen Plan schreiben.“ Ich dachte, ich stehe im Wald. „Wenn Sie nun bei der Wohnungsbaugesellschaft angemietet hätten. Denken Sie, dass die das interessieren würde. Die würden gar nicht fertigwerden, wenn sie für jeden Treppenabsatz in so einen Zehngeschosser einen Reinigungsplan erstellen sollten. Da müssen sich schon die zwei Parteien einigen, die dort wohnen.“ Und was wurde jetzt aus dem Müll? Ich erklärte ihr, dass sie Kinder hätte. Und eine Mutter eigentlich nichts anderes wöllte, als dass die noch bis zu ihrem seligen Ende auf diesem Planeten leben könnten. Aber, wenn wir alle noch eine Weile so weiter machten, würde eher damit Schluss sein. Daraufhin fing sie an, auszusortieren. „Sally hat bestimmt auch noch nie Müll runtergebracht.“, sprach ich. „Wann denn? Sie muss halb sieben in die Schule.“ „Da kann sie ihn doch mit runternehmen.“ Das war vielleicht eine Erzieherin. Hilfe. Ich konnte kaum hingucken. „Frau Herfurth. Ist denn das so schwer? … Das ist Verpackungsmittel. …. Ich schicke Sie vierzehn Tage in die Müllsortierung. Das habe ich schon anderen angeboten.“ „Nein.“ „Na dann. … Das ist Biomüll. Aber nicht im Plastikbeutel. … Sie hatten doch mal einen Garten.“ Jetzt jammerte sie wieder rum. Wie schön es dort gewesen wäre. Und was sie alles gehabt hätten. Dann kam noch der Dicke. Das ging mir derart auf dem Keks. Ich unterbrach sie. „Hätten Sie das in einem Plastikbeutel auf Ihren Kompost getan?“ „Nein.“ „Und wieso dann hier?“ Sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Ich kriegte gleich einen zu viel. Das war nämlich alles meine Zeit. Und wenn wir schon einmal so schön dabei waren. „Ich bin hier nicht das Mädchen für alles. Ich schaffe die Tonnen raus, hole sie rein.“ „Ich weiß doch gar nicht, wann welche dran sind.“ „Weil Sie auch keinen Plan kriegen. Den Abfallkalender hatte jeder im Kasten. … Also wir machen hier schon alles Mögliche. Sie können doch wenigstens mal die von draußen mit reinnehmen. Oder brechen Sie sich da einen Zacken aus der Krone?“ „Nein.“ „Na also. … Ich meine, ich mache schon. Aber es wäre auch ganz nett, wenn ein anderer mal bisschen mit dazu tun würde.“ „Ileen macht gar nichts.“ „Mein Vater hat mir ein was beigebracht. Und zwar, dass man sich nicht an Schlechteren orientiert. Sie kommen mal nie zu was.“ Und ich war das jetzt auch leid. „Was ist denn mit den zwanzig Euro für Ihren Umzug?“ Sie sah mich an, als hätte ich ihr irgendwas vom Pferd erzählt. „Na fürs Essen und die Getränke. Und den Stopfer hatte ich Ihnen auch bloß geborgt.“ Im Moment wäre es ganz ungünstig. Aber sie hätte sich das aufgeschrieben, meinte sie. „Frau Herfurth. Wann sind Sie eingezogen?“ „Jaaah. Das wird noch.“ „Wir brauchen auch unser Geld. Oder denken Sie, dass ich so viel Rente kriege?“ „Ihr Mann verdient doch. Ich habe keinen.“ Die Frau hätte man gleich in die Tonne stopfen müssen. „Was denken Sie denn, was er verdient?“ „Woher soll ich denn das wissen?“ „Dann erlauben Sie sich kein Urteil. … Ich habe oben zu tun.“ „Ich auch.“ Das glaubte sie doch selber nicht. „Ich muss Fenster putzen.“, sprach ich. Das sollte eine kleine Gedankenstütze sein. Auf ihre konnte man nämlich Sau schreiben. Na bald sah ich es für eine Weile nicht.

Gegen Mittag klingelte sie. Das Gerät wäre gekommen, meinte sie. „Was? So schnell.“ „Ob mir das Ihr Mann mal anschließen könnte?“ „Ich frage ihn, wenn er kommt.“ „Und könnte ich bitte das Telefon haben?“ „Von mir aus.“ Sie wusste ja, wo sie es hinzulegen hatte. Und heute sollte sie mich möglichst nicht mehr stören. Ich hatte nämlich noch ein Haufen zu tun. „Fahre doch wieder zu meiner Schulfreundin.“ „Kommt Timmy mit?“ „Rico hat gemeint, dass er das schaffen würde. Außerdem wollte er ihn mit auf Nachtschicht nehmen.“ „Ich bin ja auch noch da.“ „Danke. Aber jetzt möchte ich wirklich.“

Abends stand sie wie so ein Häufchen Elend vor meiner Tür. „Kann ich Timmy bitte mit hochnehmen?“ „Ich sage mal, ja. … Sollte mein Mann anders entscheiden. Das werden Sie ja merken.

Rico wunderte sich, weil ihn niemand begrüßte. Also unser Hund nicht. Ich schon. „Ist oben.“, sprach ich. „Vielleicht will ich auch mal was von ihm haben.“ „Dann musst du ihn dir eben holen.“ „Mache ich jetzt auch.“ „Das Gerät ist da.“, rief ich ihm hinterher.

Er kam ohne Timmy wieder. „Hoi?“ „Na bevor sie wieder einen Depri schiebt.“, entgegnete er. „Und was ist mit dem Gerät?“ Er griff sich an den Kopf. „Vielleicht schließe ich das an. Gehe ich ja in Gewährleistung. Und was ist, wenn es kaputt ist? Darf ich ein neues kaufen oder wie. Da kommt doch einer. Kostet nicht mal was.“ „Hast du ihr das gesagt?“ „Ja. … Hat ihn aber abbestellt.“ Ich schüttelte nur mit dem Kopf. „Und nun?“ „Kann sie bloß anrufen und fragen, ob sie noch mal einen schicken.“ „Die macht aber auch nur Mist.“ „Das habe ich auch gesagt.“ „Na dann gute Luft.“ Es war aber ruhig obendrüber.

Am nächsten Morgen auch. Gut. Wir waren erst um sieben aufgestanden. Sie konnte auch gerade Gassi sein. Trotzdem machte mich das nervös. Auf einmal klingelte einer. „Wäh. … Wäh, wäh.“ Ich rannte zur Tür. Tusnelda war noch am Treppe hochsteigen und schniefte was zusammen. „Haben wir auch schon mal schneller gesehen.“ Sie hätte es im Kreuz, meinte sie. „Wenn es hinten weh tut, sollte man vorne …“ „Ja, ja. … Ich dachte, er kommt mit hoch.“ „Frau Herfurth. Sie hatten ihn doch schon die ganze Nacht. Und wenn Sie sich nicht betun können, hat es doch auch keinen Sinn. … Hauen Sie sich erst mal in die Wanne. Vielleicht hilft das ja.“ Sie hätte Wäsche zu machen. Dann tat sie eben das.

Jetzt hätte sie glattweg mal zu Lidl latschen können. Das Tomatenmark war alle. Und ich musste doch noch Bolognese kochen. Mein Mann brauchte schließlich was zu essen, wenn ich nicht da war. „Ach.“ Dann machte ich das erst mal soweit fertig. Liefen wir mittags dort vorbei. Vielleicht fiel mir ja bis dahin noch mehr ein.

Mein Mann rief von unterwegs aus an und fragte, ob ich was bräuchte. Da konnten wir gleich mal zusammen. Insofern er Zeit hatte. Am Freitag bekamen wir doch Besuch aus der Heimat. „Siehst du.“ Kuchen backen musste ich auch noch.

Ich wusste wiedermal nicht, wo ich zuerst anfangen sollte. Aber jedes Ding hatte nun mal seine zwei Seiten. So konnte Jana schon bisschen was zu meiner Schulfreundin mitnehmen. Die musste ich überhaupt anrufen und fragen, ob sie Sonntagnachmittag daheim waren.

Ausgerechnet an dem Tag hatte mein Mann Security Dienst. Von früh bis Nachmittag. Jana und Justin drängelte nichts. „Können wir uns wenigstens verabschieden. … Und noch schön Kaffee trinken.“, meinte sie. Da ich mir vorstellen konnte, dass Rico ausgehungert war, hob ich ihm was vom Mittag auf. Und wollte er lieber Kuchen essen, war es auch okay.

Halb vier fingen wir mit Kaffee an. Länger wollte ich nicht warten. Die beiden hatten immerhin noch zwei Stunden Fahrt vor sich. Und Justin musste zeitig ins Bett, weil er früh um drei auf Montage fuhr. Wir waren kaum fertig, klingelte Tusnelda. Sie müsste mal telefonieren. Die Station stand im Flur. Ich drückte ihr den Hörer in die Hand. Jeder andere wäre damit verschwunden. Weil er ungestört sein wollte. Sie lief mir hinterher.

Wahrscheinlich hatte sie gerade mal einen Gedankenblitz, ging zwei Meter zurück und quatschte im Flur. Danach hätte sich eigentlich gehört, dass sie sich bedankt und geht. Stattdessen machte sie es sich in der Küche gemütlich. Vor allem, wie sie auf dem Stuhl saß. Sie konnte nicht dafür, dass ihr der liebe Gott zu viel Testosteron mitgegeben hatte. Aber da zog man kein Minikleid an. Die Beine. Hilfe. Wie bei so einem Affen. Und dann hatte sie eins davon auch noch auf die Verstrebung gestellt. Damit man es auch ja richtig sah. Im Gesicht hatte sie sich auch nicht rasiert. Das war ja so was von ekelig, wenn der Bart schon über die Oberlippe hing. Dann hatte sie auch noch den einen Arm über die Lehne von dem anderen Stuhl gebaumelt. „Äh.“ Der Busch unter ihrer Achsel war schätzungsweise sieben bis acht Zentimeter lang. Hatte die keinen Spiegel? Die Frau sollte besser im Müllsack rumlaufen. Oder im Ganzkörperkondom. Ich sah zu Jana. Die guckte, als würde sie gleich auf den Tisch kotzen. Ich nahm die Brille runter. Das war vielleicht besser. „Rico kommt jeden Moment vom Dienst. … Frau Herfurth.“ „Sie haben immer Besuch. Bei mir kommt keiner.“ Das war doch trotzdem kein Grund. Ich versuchte es nach allen Regeln der Kunst. Die Frau begriff es nicht.

Die machte nicht mal Anstalten, zu gehen, wie mein Mann kam. Wir hatten nur vier Stühle. Vielleicht hätte ich mich auch gern gesetzt. Rico zog sich nicht mal sein weißes Hemd aus. Er hatte einfach nur Hunger. „Was willst du denn haben? Mittag oder Kuchen?“ „Was gab es denn?“ „Hähnchen.“ Das Leuchten in seinen Augen sagte alles. Und er schaufelte auch rein, als hätte er drei Tage lang nichts gekriegt. Nachdem er fertig war, meinte sie: „Dann will ich mal hochgehen.“ Wie sie zur Tür raus war, sprach Jana ganz entsetzt zu Rico: „Dass du bei dem Anblick essen konntest.“ „Ich hatte Hunger.“ „Na trotzdem.“

Danach machten die beiden los. Wir gingen alle mit runter. Ich wollte eh Gassi. Auf einmal kam Tusnelda. Sie müsste mal an die Luft. Ob sie Timmy mitnehmen könnte. „Von mir aus.“ Der Kleine ging auch anstandslos mit. Dann hatte er Druck auf der Düse. Während wir alle noch bisschen schnatterten, sah ich den beiden kurz hinterher. Na. Die hatte doch Schlagseite. Ich tippte Rico an. „Guck mal. … Soll ich nicht besser?“ „So kommt sie wenigstens wieder heim.“ Da hatte er Recht. Unser Junge kannte ja den Weg.

Sie waren ewig weg. Zumindest in meinen Augen. Ich hatte schon einen Puls. Plötzlich hörte ich was im Hausflur. Ich riss die Wohnungstür auf. Da kam mir auch schon Timmy entgegen. „Sag mal. Dein Ding ist doch ganz verdreht.“ Damit meinte ich sein Geschirr. Wie hatte er denn damit laufen können? Das lange Teil auf dem Rücken und das kurze am Bauch. „Mein armer Junge.“ Das musste den doch gedrückt haben. Tusnelda hatte bisschen Probleme mit der Treppe. Wie sie es endlich bis zu uns in den ersten Stock geschafft hatte, nuschelte sie: „Is … aus `m … Ge … schirr ge…rutschschscht.“ Sie wären nämlich noch an der Tankstelle gewesen, erfuhr ich nach gefühlten zehn Minuten. Die musste doch spinnen. „Der rutscht nicht so einfach raus.“ „Doooch. Da waaar … so en … Rad … fahrer.“ Das war das Einzige, was er nicht abkonnte. „Und was habe ich Ihnen gesagt? Dass Sie die Leine kurznehmen sollen, wenn so was ist und dass Sie ihn aber vor sich lassen. Wenn Sie ihn hinter sich nehmen, kann er den Kopf rausziehen. … Ach.“ Die kapierte doch eh nichts mehr. „Schönen Abend.“ Und dann machte ich die Tür von drinnen zu.

Die nächsten zwei Tage ward sie nicht gesehen. Entweder hatte sie wieder ihre Saufphase oder einen Depri. „Und nun?“, fragte ich Rico. „Wir werden schon klarkommen. Zur Not habe ich noch Ela.“ Dort ging Timmy gerne hin. Und von der wusste ich auch, dass sie sich rührend um ihn kümmerte. Die wäre auch zum Tierarzt gefahren, wenn er irgendwas gehabt hätte. Aber in den Nachtschichten fuhr unser Kind eh lieber mit Vati mit. Und der wiederum freute sich, dass er noch einen Aufpasser mit dabei hatte. Timmy schlug hundert pro an. Und der hatte ein Organ, dass man dachte, es sei ein Riesenhund.

Anderntags ging ich auf Reise. Rico hätte mich auch gefahren. Aber das wollte ich ihm nicht antun. Das wären vier Stunden gewesen. Mit der Rückfahrt. Und das war Zeit, die er nicht hatte. Aber ich fuhr eh gern Zug. Da sah ich raus und träumte vor mich hin. Ich schaltete also völlig ab.

In den zweieinhalb Wochen dachte ich nicht einmal an unser Haus und Tusnelda. Ich genoss einfach nur die Ruhe. Kein Großstadtlärm, keine Beutelstände. Zudem war schönes Wetter, wo ich draußen sitzen konnte. Bei meiner Freundin musste ich mich nicht totmachen. Es sollte einfach nur jemand da sein, wenn sie im Urlaub waren.

Aber alles hatte nun mal ein Ende. Kaum war ich wieder daheim, klingelte Tusnelda. Hatten wir eine Wanze? Sie wollte wissen, wie es so gewesen wäre. Natürlich bat ich sie auf eine Zigarette herein. Anschließend erklärte ich ihr, dass ich jetzt aber gern meine Taschen ausgepackt hätte. Wie ich das erledigt hatte, lief ich zu Lidl. Im Kühlschrank sah es etwas traurig aus. Und wenn traf ich dort? Meine liebe Obermieterin. Nun musste ich mit der auch noch zurücklaufen.

Eigentlich hatte sie schon fast alles erfahren. Sie musste abends trotzdem noch mal klingeln. Meine Fresse, nein. „Was haben Sie denn?“ Ehe sie mal auf dem Punkt kam. Sie hätte sich mit um Timmy gekümmert, während ich nicht dagewesen wäre. Das hieß dann, dass sie Geld brauchte. Na ja. Es war wieder Monatssende. Und ehe ich mir was nachsagen ließ. Ich gab ihr dreißig Euro. „Will ich nicht wieder. Ist fürs Kümmern. … Würden Sie Timmy morgen nehmen? Wir wollen mal in die Sauna. Rico hat Geburtstag.“ „Na sicher. Ihr Mann braucht auch mal eine Auszeit. Der arbeitet ja nur.“ „Danke.“ „Wann kommt er hoch?“ „So gegen zehn.“ „In Ordnung.“

Wie ich Timmy gegen sechs abholte, war sie relativ normal. Sie erzählte mir, was sie für eine große Runde gedreht hätten. Und dass er mittags mit in ihrem Bett geschlafen hätte. „Hat sich ganz schön breit gemacht. Ich hatte kaum Platz.“ „Was nehmen Sie denn den auch mit rein.“ „Na ja. … So hatte ich wenigstens mal was zum Kuscheln. Habe ihm auch schön den Bauch gegrault.“ „Ist mir klar, dass ihm das gefällt.“

Am nächsten Tag bettelte sie wieder nach Geld. „Sie wollen mir doch nicht erzählen, dass Sie in zwei Tagen dreißig Euro verkloppt haben?“ „Zweimal Frühstück. Mittag. Und Abendbrot.“ „Sie essen schon mal gar nichts. Das erzählen Sie mir ja immer. Und Sally …“ „Sidney war doch da.“ „Und der ist nur Toastbrot und Salami. Und mittags Fischstäbchen. Was anderes habe ich doch noch nie von Ihnen gehört. Gut. Reissuppe oder Möhrensuppe ohne Fleisch. Und jetzt wollen Sie mir einreden, dass das Geld alle ist.“ „Meine Kinder brauchen doch aber was zu Essen.“ Geld hatte ich echt keins mehr im Portemonnaie. Davon abgesehen, hätte sie es eh für was anderes ausgegeben. Kartoffelsalat hatte ich genug gemacht. „Eier haben Sie?“ „Ja.“ Und Linsen waren auch noch übrig von gestern. „Hier.“ „Danke.“

Eine Stunde später musste sie mir erzählen, dass Sally happy gewesen wäre über die Linsen. Klar. Weil bei mir auch Fleisch drin war. „Frau Herfurth. Zwei Scheiben Bauchspeck kosten eins neunundfünfzig. Und so, wie Sie mir immer erzählen, isst Ihre Tochter nicht viel. Also brauchen Sie bloß eine. Und was kostet die dann?“ Sie guckte wie so ein Toastbrot. „Oder Sie machen alles und frieren was ein.“ „Wo denn?“ „Also Frau Herfurth.“ „Die drei Körbe unten sind aber voll.“ „Ich denke, Sie haben nichts zu Essen.“ Sie lenkte gleich vom Thema ab. „Sally war jedenfalls happy, wo sie gehört hat, dass Sie die Linsen gekocht haben.“ Das sollte der Frau doch eigentlich zu denken geben.

Ich bot ihr einen Platz an und stopfte uns eine Zigarette. Nebenbei fragte ich sie, ob denn mein Stopfer noch leben würde. „Ja.“ „Der war nur geborgt.“ „Ich weiß.“ „Bei TEDi gibt es welche für zwei Euro. Da können Sie sich doch wohl mal einen holen.“ „Wollte ich ja schon laufend. Vergesse ich bloß immer.“ „Mal auf den Zettel schreiben.“ „Mache ich dann auch gleich.“ „Frau Herfurth. Um noch mal aufs Essen zurückzukommen. Es kann doch nicht so schwer sein. Sie haben doch ein Kochbuch.“ Ihre Gusche ging. Ich musste sie unterbrechen. „Frau Herfurth. Es gibt so viele einfache Gerichte. Und die kosten nicht viel Geld. Fangen Sie endlich an, sich einen Essensplan zu machen. Und nach dem machen Sie Ihren Einkaufszettel. … Sie sind doch noch alte Garde. Wie war es denn zu Ostzeiten? Die Frau hat hundert Mark in der Woche gehabt. Und damit musste sie auskommen. Wenn sie gut gewesen ist, konnte sie sich noch eine Strumpfhose für vierzehn fünfzig kaufen oder zum Friseur gehen.“ „Da war aber auch das Fleisch nicht so teuer.“ „Erzählen Sie doch nicht solchen Kack. Dafür hat die Butter zwei Mark vierzig gekostet. Und was kam der Kaffee?“ „Trinke ich ja gar nicht. Weil ich keine Maschine habe.“ Also die schaffte mich auch noch mal. „Ist doch nun egal. Dann trinken Sie eben keinen. Auf alle Fälle können Sie heutzutage viel preiswerter einkaufen. Und gerade Sie. Sie haben doch alle Zeit der Welt. Sie können früh zu Lidl gehen. Da gibt es Brot zum halben Preis. Frieren Sie es sich portionsweise ein.“ „Ich habe jetzt andere Sorgen.“ „Und was?“ Sie hätte ein Schreiben von Kabel Deutschland gekriegt und vom Anwalt zwecks Vollstreckung. „Sie haben wohl nicht bezahlt?“ „Wenn ich es nicht nutzen kann.“ „Das hat doch damit nichts zu tun. Wenn Sie einen Handyvertrag haben und nicht anrufen, ist es doch auch Ihr Problem.“ „Ihr Mann wollte mir ja das Gerät anschließen.“ Also jetzt war es gut. „Das hat er nie gesagt und würde das auch nicht tun. Weil er damit in Gewährleistung geht. Und was ist, wenn das Gerät von vorn herein eine Macke hat? Dann heißt es, er hat es kaputt gemacht. Ist doch umsonst, dass einer von denen kommt. Also warum sollte man das nicht nutzen?“ Darauf konnte sie mir keine Antwort geben. Die Frau hatte einfach kein Gehirn. „Das müssen Sie klären. Sie können doch hier nicht einfach den Kopf in den Sand stecken.“ „Das Geld habe ich nicht.“ „Das können Sie trotzdem nicht ignorieren. Man kann doch mit allen reden. Zahlt man es eben scheibchenweise ab. Und hätten Sie nicht solchen Mist gemacht, dann wüssten Sie wenigstens wofür. Dann hätte Ihre Tochter nämlich Internet und Sie ein Telefon. … Also Frau Herfurth. Sie können die ganze Scheiße bringen, wenn Sie allein sind. Aber nicht, wenn Sie Kinder haben. … Sie wollen doch auch irgendwann mal Ihren Sidney wiederhaben.“

Das hätte ich nicht sagen sollen. Jetzt ging die Leier los. Sie wüsste gar nicht, warum sie ihr den überhaupt weggenommen hätten. „Ja das Jugendamt. Da kommen sie einfach an. Haben überhaupt keine Ahnung.“ Sie sollte nicht immer so urteilen. In letzter Zeit hatten sie genügend in den Nachrichten gebracht, wo irgendein Jugendamt was übersehen hatte. „Die meinen es doch nur gut. Und solange Sie sich nicht geregelt bekommen.“ Sie hätte alles im Griff, meinte sie. Und jetzt war es besser, sie ging. Nicht dass ich hier eine Handlung im Affekt vollzog. „Ist denn Sidney morgen da?“ „Der kommt heute Abend.“ Was hatte ich denn noch im Kühlschrank? Aber ich hatte ja Verschiedenes eingefroren.

„Das dürfte wohl reichen?“, sprach ich, nachdem ich einige Näpfchen aus dem Keller geholt hatte. „Haben Sie Brot?“ „Ja.“ „Butter?“ „Ist keiner bei uns.“ „Kartoffeln?“ „Sally isst eh lieber Reis.“ „Haben Sie da noch welchen?“ „Ja.“ „Na dann haben Sie doch.“ Geld wäre ihr wahrscheinlich lieber gewesen. Dann hätte Sie sich Kümmerlinge holen können. „Frau Herfurth. Mal was anderes. Haben Sie morgen schon was vor?“ „Nein. Geht wohl um Timmy?“ „Ja. Mein Vater hat doch seinen siebzigsten.“ „Sind wohl in einer Gaststätte? Na ja. Da kann er nicht mit.“ „Nein. Wir machen eine Fahrt ins Blaue mit Mittag und Kaffeetrinken.“ „Und wohin?“ „Keine Ahnung.“ Deswegen war sie ja blau. „Die ist jedenfalls Sonnabend. Rico will das aber gleich mit etwas verbinden, wenn wir einmal unten sind.“ „Ist ja auch richtig so.“ „Na jedenfalls hat er dort zu tun. Und da er Freitag schon um sieben anfangen will, will er Donnerstag schon runter. Fahren wir vorher bei meiner Schulfreundin vorbei. Und dann wie gesagt, weiter.“ „Die mit den Möpsen?“ „Mm.“ „Die mag ich nicht leiden. Die schnarchen immer so.“ Sie brauchte doch auch keinen nehmen. „Kann ich mich drauf verlassen?“ „Wann wollen Sie denn los?“ „Um drei.“ „Stelle ich mir den Wecker.“ Besser war es. Sonst schlief sie nämlich den ganzen Nachmittag. Und dann wunderte sie sich wieder, dass sie nachts nicht pennen kann. Aber jetzt mochte ich gar nichts weiter sagen. Sonst nahm sie ihn nicht. Obwohl? Wir hatten immer noch Ela.

Ich kochte bisschen was Schnuckeliges. Was ich den anderen Morgen nach oben brachte. Sonst gab es doch dort wieder nur Schmatz Pams. Tusnelda freute sich auch. „Ich hätte da noch was zu faxen.“, sprach sie. „Geben Sie her.“ „Habe ich doch noch gar nicht geschrieben.“ Ich hätte schon gleich wieder blöde werden können. „Machen Sie hin.“

Kurz vor Mittag, ich war mit allem soweit durch, lief ich hoch. Sie hatte immer noch nichts. Das durfte doch wohl nicht wahr sein. „Was haben Sie denn den ganzen Vormittag getrieben?“ „Sauber gemacht.“ Wer es glaubte, wurde selig. Es hatte sich doch gar nichts oben drüber bewegt. Da hatte sie bestimmt wieder im Nest gelegen. „Worum geht`s?“ Sie hielt mir die Schreiben von Kabel Deutschland und dem Anwalt vor die Nase. Letzterer wollte die Leistungsbescheide sehen. Die konnte sie schon längst kopiert haben. „Mann, oh Mann. … Her hier.“

Ich eilte nach unten und schaltete meinen Laptop an. Sie war mir hinterher gerannt und machte es sich mir gegenüber am Küchentisch gemütlich. Die Babber ging. „Also Frau Herfurth. Wenn Sie so weiterquatschen, schreibe ich noch Rotz.“ „Bin ja schon ruhig. … Was schreiben Sie denn überhaupt?“ „Bloß ein kleines Anschreiben. Oder wollen Sie die Bescheide so nackt in den Umschlag tun.“ „Gehört sich nicht.“ „Eben.“ Inzwischen war ich fertig. Ich tippte auf drucken und lief nach nebenan ins Büro. Anschließend ließ ich Tusnelda unterschreiben. „Und was ist mit dem anderen?“, fragte sie. Ich nahm es ihr aus der Hand. Ehe sie hier ein Langes und ein Breites gemacht hätte. Dafür hatte ich keine Zeit. Nachdem ich es mir durchgelesen hatte, erzählte ich ihr, was ich schreiben wollte. Sie fand es okay. Und schon hatten wir auch das erledigt.

Schon war gut. Mittlerweile war es um eins. Und gegessen hatte ich auch noch nicht. Halb zwei kam ich dann endlich ins Bett. Eine halbe Stunde später war ich munter. Ich hatte irgendwie keine Ruhe. Weil ich mich ja auch noch frischmachen und Gassi gehen musste.

Punkt drei standen die Taschen im Flur. Ich lauerte auf einen Anruf von meinem Mann. Es passierte nichts. Gut. Rauchten wir eben noch eine. Danach bimmelte ich ihn an. Er rief nicht zurück. Ich wartete und wartete. Kurz vor vier kam er. „Mal Bescheid geben.“, plapperte ich. „Du weißt doch, dass ich beim Kunden nicht so einfach telefonieren kann. … Und wenn du mich jetzt noch weiter abhältst, kommen heute nie hier weg.“ Nun war ich wohl wieder schuld?

Keine Ahnung, ob meine Freundin Kuchen geholt hatte. Eigentlich war ja Kaffeetrinken ausgemacht gewesen. Zumindest zum Grillen waren wir pünktlich. Anschließend ging es in die Pension. Bei Carola hätten wir getrennt schlafen können. Einer im Wohnzimmer auf der Couch und der andere im Arbeitszimmer. So nun durfte ich mir die ganze Nacht Rico sein Schnarchen anhören. Na ja gut. Ich konnte mich mittags hinlegen.

Aber in der Folgenacht war es wieder nichts anderes. Ich war wie gerädert am nächsten Morgen. Und dann kam auch noch der falsche Bus. Wie es auch immer passiert war. Normalerweise benutzte man bei so was einen Reisebus. Wir hatten einen Schlenker. Von der rasanten Fahrweise auf dieser kurvenreichen Strecke abgesehen, besaß dieses Ding nicht mal funktionstüchtige Lautsprecher. Demzufolge konnte auch meine CD nicht abgespielt werden. Es war bisschen schade. Ich drückte meinem Vati das Buch in die Hand. Sollte er sich das derweilen angucken. Vielleicht bot sich ja in der Gaststätte eine Gelegenheit. Ich fragte die Bedienung. Die das bedauerte. Aber sie hätten nur eine Anlage und nebenan wäre eine Hochzeit. Sicher hatte das Vorrang. Aber die verdienten ja an uns auch nicht gerade wenig Geld. Die Bootsfahrt war auch, wie sie war. Die Umgebung war noch Kitze grau vom Hochwasser. Na ja.

Gegen Abend waren wir wieder zurück. Normalerweise wollten Rico und ich noch jemanden besuchen. Mutti meinte, dass wir dableiben sollen. „Wir sehen uns doch so selten.“ Na. Wenn Vati das mal nicht zu viel wurde. Ich kannte ihn doch. Irgendwann brauchte er seine Ruhe.

Mutti wollte das Abendbrot im Garten machen. Weil wir ja auch in der Datsche schliefen. Es war den ganzen Tag schon kühl und regnerisch gewesen. Lange hielten wir es nicht auf der Terrasse aus. Vatis Nachbarn, die mit zur Ausfahrt gewesen waren, meinten, dass wir zu ihnen rüberkommen sollten. In ihrer Laube wäre es warm. Und eine Anlage hätten sie auch. Na einwandfrei. Dann konnten wir ja endlich die CD abspielen.

Alles amüsierte sich. Nur mein Vater nicht. Er nahm jedes Textstück, was ich unter die Fotos gesetzt hatte, akribisch unter die Lupe. Besonders das auf der letzten Seite. Er hätte mich zu dem gemacht, was ich jetzt bin. „Wie ist denn das gemeint?“, sprach er ganz verächtlich. Rosi schnappte sich das Buch und las sich die Widmung, sowie die Danksagung durch. Für sie war es eindeutig. Das hätte ich richtig schön geschrieben.

Wahrscheinlich war er mit allem etwas überfordert gewesen. Aber dafür konnte ich nichts. Mich fragte auch keiner, wie ich was machte. Trotz fehlender Muskelkraft. Jedenfalls sagte ich ihm am nächsten Morgen beim Frühstück in der Wohnung, dass das in der Kneipe nicht okay gewesen wäre. „Hotel.“, betonte er. Das war ja noch schlimmer. Aber jetzt erst mal egal. „Für den Umsatz kann man schon ein bisschen was erwarten.“ Er wollte wissen, was. Ich erklärte ihm, dass die Bedienung mit einer Kanne Kaffee angekommen wäre. „Der Rest musste warten, bis die wieder durchgelaufen ist.“ Die hätten halt noch so ihre Schwierigkeiten nach dem Hochwasser. Es wäre Vieles abgesoffen gewesen, erklärte er mir. „Dann kann man aber keine zwei Gesellschaften reinnehmen.“ „Die brauchen aber den Umsatz, damit es weitergeht.“ „Das dürfen doch aber die Gäste nicht merken. Und wenn die Mitarbeiter ihre Kaffeemaschinen von daheim mitgebracht hätten.“ Da er mich gestern Abend verletzt hatte, zählte ich natürlich weiter auf. Mittags hätten wir wählen können zwischen Fisch und Fleisch. Die Soße, die auf dem Tisch gestanden hätte, wäre aber weder Fisch noch Fleisch gewesen. Sie hätte zu beidem gepasst. Beim Kaffee hätten zwar zehn verschiedene Sorten Kuchen dagestanden. Aber alle wären sie nur mit Quark gewesen. Da hätten sie ja gleich nur eine Sorte backen lassen brauchen. „Und keine Musik.“ Er war stinksauer. „Du bist wie deine Mutter. Die lässt sich auch nichts sagen. Weiß alles besser.“ Ich dachte bloß: „Wären wir mal zu Jana gefahren.“ Dann stand ich auch schon auf. „Wir machen los. Jana und Justin werden warten.“ Das war auch wieder nicht richtig. Meine Mutter hätte sich Freitag extra hingestellt, um Rouladen zu machen, erklärte er mir. „Menschenskinder noch mal. Ich habe keinen Ton am Telefon davon gesagt, dass wir hier schlafen, geschweige essen. Im Gegenteil. Mutti hat gewusst, dass wir zu Jana wollen.“ Jetzt guckte die wieder, wie sie guckte.

Es war sehr still am Tisch. Das einzig Gute war nur, dass sie immer zeitig aßen. Sonst hätten wir gar nicht mehr zu den beiden hinfahren brauchen. Weil wir zum Kaffee bereits bei einem anderen Freund eingeladen waren. Dieser hatte nämlich Geburtstag. Und wir waren schon ein paar Jahre nicht bei ihm gewesen durch Rico seine komischen Dienste.

Damit sich Michael seine Eltern und Schwiegereltern nicht allzu lange aufhielten, wurde im Garten gefeiert. Welcher ebenfalls erst vor kurzem vom Hochwasser heimgesucht worden war. Es war alles nur grau ringsherum. Wo man auch hinsah. Super Ambiente. Beim Essen war sich auch nicht gerade einer ausgerissen worden. In einen sogenannten Fleischtopf gehörte an und für sich Fleisch rein und nicht Hackfleisch. Bloß, weil es billiger war. Toast aß ich auch nicht gern. Schon gar nicht, wenn es so labbrig aus der Tüte kam. Und wenn es dann nicht mal Butter oder wenigstens Margarine drauf gab. Um acht setzten wir uns in Bewegung. Wir hatten schließlich noch Stückchen Weg vor uns. Rico war so geladen, dass wir diesmal nur eine anderthalb Stunde brauchten. Statt zwei.

Halb zehn waren wir daheim. Timmy kam uns auf der Treppe entgegen. Er kannte doch Vatis Auto. Tusnelda rannte ihm hinterher. Und in die Küche. Ich hatte den Stapel Post mithochgebracht. Der lag auf dem Tisch. Der AB blinkte. Und zig Beutel standen im Weg herum. Weil wir trotz alledem ein Haufen Zeug von meinen Eltern mitbekommen hatten. Selbstgemachte Marmelade und frisches und eingefrostetes Gemüse. Ich musste ihr echt sagen, dass ich noch zu tun hatte. Bevor sie ging, griff ich in den einen Beutel. Mutti hatte mir ja eh wieder zu viel an Kosmetika von Avon mitgegeben. Es war nun mal ihr kleines Steckenpferd. Ich gab Tusnelda bisschen was als Dankeschön.

In der Nacht fiel mir was ein. Was ich bei Michael im Garten nur unterschwellig wahrgenommen hatte. Er hätte ab 15. Urlaub. Da kämen sie an dem Samstag hochgefahren und würden mich Dienstag mit runternehmen. Ich unterhielt mich mit Rico beim Frühstück drüber. Er meinte, das hätte er gar nicht richtig mitgekriegt. Na klar. Es hatte ja auch alles durcheinander geschnattert.

In dem Moment klingelte es. Tusnelda fehlte mir auch noch mit ihrem Gejammer. Sie hätte am Sonnabend Post vom Jobcenter gekriegt. Und sie hätte es so mit dem Kreislauf. Dann sollte man vielleicht auch mal was essen und nicht immer nur trinken. Meine Fresse. „Frau Herfurth. Wir sind noch übern Frühstück. Ist mal ein Tag, wo Rico nicht so zeitig los muss.“ „Komme ich dann noch mal.“ „Or.“, dachte ich bloß.

Tusnelda

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