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Kapitel 6

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August 2015

Heute ist Abreisetag. Ich verlasse Lloret mit einem weinenden und einem lachenden Auge.

Die Zeit mit Toni war bereichernd und erholsam. Dennoch freue ich mich sehr auf das Wiedersehen mit Liam. Es fiel mir sichtlich schwer, die letzten Tage zu genießen. Immer wieder schlich Liams Nachricht, in der stand, dass er mit mir reden möchte, wenn ich zurück bin, in meinen Kopf.

Bis dato habe ich nicht erfahren, worüber er mit mir reden möchte. Unser Schriftwechsel endete nach der Rückfahrt von Barcelona, da mein Datenvolumen aufgebraucht war. Umso aufgeregter bin ich, wenn ich den deutschen Boden betrete und wieder Netz habe.

Der Rückflug verläuft entspannt, ohne Komplikationen. Als Toni und ich die Flughalle verlassen, kommt mir mein Dad entgegen, der uns netterweise aus Bremen abholt und zurück nach Hamburg bringt. Perfektes Timing!

Toni und er unterhalten sich rege, während ich auf dem Beifahrersitz sitze, bei leicht geöffnetem Fenster, und mir den Fahrtwind um den Kopf wehen lasse. Mein Handy liegt in meiner Hand. Die Neugierde ist groß und dennoch hemmt mich etwas, nachzugucken, ob Liam mir geschrieben hat. Wahrscheinlich ist es die Angst vor der Enttäuschung, dass er es nicht getan hat.

Aber irgendwann muss ich nachschauen. Ich atme auf. Nicht nur Erleichterung macht sich in mir breit, sondern auch Freude.

Hi, Mel. Ich hoffe, du bist gut gelandet. Bist du schon in Hamburg? Hast du vielleicht Lust, mich heute Abend auf eine Fetischparty im Catonium zu begleiten? Das Motto lautet Strict Maledom. Die Regeln kannst du dir auf darkroom.com durchlesen. ;)

Er scheint es wirklich ernst mit mir zu meinen. Allerdings frage ich mich gerade, ob er vergessen hat, dass er mit mir reden wollte … Da wäre ein neutraler Boden sicher passender. Warum muss diese Party unbedingt heute stattfinden?

Ich habe nur drei Stunden geschlafen und leichte Erkältungsmerkmale sind immer noch vorhanden.

Ich besuche den Veranstaltungskalender und lese mir die Beschreibung zu der heutigen Party durch.

Die niveauvolle Maledom Party mit festen Regeln

Einlass ab 20:00 Uhr

Die Regeln gelten ab 21:00 Uhr

Eröffnung des Abends mit Ansprache: gegen 21:30 Uhr

- Strikt und Streng -

- erotische Leiden(-schaft) -

- Spiel und Spaß zu zweit und mit anderen -

Der Genuss und das Vergnügen der Male-Doms steht im Mittelpunkt. Hierzu tragen die weiblichen Subs in ihrem bezaubernden Outfits bei. Sie sind nackt unter ihrem Umhang, nur mit Strümpfen und High Heels bekleidet, manche tragen ein O-Kleid, das jeden Zugriff erlaubt, wieder andere tragen Haremskleidung oder andere leichte Stoffe, die ihre Reize kaum verbergen. Wenn die Subs nicht ohnehin in einem O-Kleid, oder aber nackt mit einem Umhang erscheinen, haben sie ihre Kleidung so zu wählen, dass ihr nackter Po zu sehen ist, auch, wenn gegebenenfalls ein durchsichtiger Stoff diesen noch leicht verbirgt. Selbstverständlich muss auch das O-Kleid oder auch der Umhang so gerafft oder hochgesteckt werden, dass das Hinterteil der Sub entblößt ist.

Daneben tragen die Subs ein Halsband, an dem sie eine mit einer persönlichen Nummer versehenen Marke tragen.

Die Herren präsentieren sich gegenseitig ihre Subs – manch einer stellt sie anderen Herren zur Verfügung; wenn ihnen danach ist, so binden sie ihre Sub an, mit einem Schild versehen, auf dem zu lesen steht, wie sich jeder vorbeikommende Herr mit ihr vergnügen kann.

Teils mit verbundenen Augen – festgemachte Sklavinnen werden den anderen Herren zur Benutzung, zum SM-Spiel und insbesondere auch zur Züchtigung zur Verfügung gestellt. Neben oder an den Sklavinnen angebrachte Schilder sind ebenso zu beachten wie der Profil-Zettel, der ausliegt und den einige Subs in einem vom Catonium ausgegebenen roten Satin-Beutelchen zusätzlich mit sich führen.

Wächter des Catoniums werden nicht nur über die Einhaltung der Regeln wachen, sie haben das Recht und die Pflicht bei Verstößen gegen diese Ordnung dafür zu sorgen, dass der dazugehörige Dom eine nach seinem Ermessen gestellte Strafe verhängt. Sei es, dass sich die Sub in besonderer Weise zu präsentieren hat oder sei es, dass eine Züchtigung vorgenommen werden soll. Hierfür stehen die Wächter gerne zur Verfügung, wenn der Herr sich selbst nicht die Mühe machen möchte und dieses für angemessen hält.

Die Wächter werden darüber hinaus jedes Vergehen zusätzlich auf dem Profilzettel der Sub vermerken. Sollten sie dabei feststellen, dass 3 Punkte erreicht worden sind, wird der Herr darüber informiert, dass die Sub unverzüglich dem Schnellgericht zugeführt wird.

Bis zur Verhandlung wird sie am Gerichtsplatz so festgemacht, dass ihr gänzlich entblößtes Hinterteil den herbeiströmenden Zuschauern präsentiert wird. Dreimal wird der Gong laut erschallen, bevor das Schnellgericht mit seiner Befragung beginnt.

Hier wird eine dem Profil entsprechende Strafe verhängt, die nach kurzer Verhandlung, welche die Sub in angemessener Haltung – in der Regel auf den Knien oder auch festgemacht – erleben wird. In jedem Fall dabei den nackten Po präsentierend.

Neben meist verhängten körperlichen Züchtigungen, kann unter Berücksichtigung des Profils und in Absprache mit den Doms als Zusatzstrafe auch eine bestimmte Form der Überlassung zur Benutzung durch alle interessierten Zuschauer verhängt werden.

Die Sub wird sich für die Strafe zu bedanken haben. Wenn sie dieses unterlässt, hat sie das Recht auf Gnade verwirkt, um die sie ansonsten bitten darf. Hierüber entscheidet dann ihr Herr, der berechtigt ist, die Strafe umzuwandeln, abzumildern oder aber in besonderen Fällen sogar aufzuheben.

Die Strafpunkte können, außer von den Wächtern, auch von dem jeweiligen Herrn eingetragen und gemeldet werden. Vielleicht wird der ein oder andere Herr aufgrund zuvor begangener Verfehlungen oder weil er es für richtig hält, den Profilzettel von Anfang an mit Strafpunkten versehen.

Es steht den Herren frei, ihre Subs in diverse Spielrunden einzubringen oder sie als Preis beim Poker auszuloben. (Ein Pokertisch wird in der Red Hall aufgebaut.)

Es ist sicherlich auch aufregend zu sehen, ob sich der Kartengeber und die Spieler wirklich noch konzentrieren können, wenn der ein oder andere Herr seine Sub mit einem bestimmten Auftrag unter den Pokertisch schicken sollte. Grundsätzlich bestimmen immer die Herren, ob und was geschehen soll.

Bestimmte Grundregeln sind gleichwohl einzuhalten, da sich dieser Abend von einem üblichen Playabend, an dem zwischen den Spielen manchmal nicht mehr ersichtlich ist, wer Sub und wer Top ist, doch deutlich unterscheiden soll.

Vom Betreten bis zum Verlassen des Catoniums haben die Subs der von ihnen – wenigstens für diesen Abend - akzeptierten Rolle gerecht zu werden. Nach der Eröffnungsansprache wird es dann ernst, denn dann werden die Wächter ihre Tätigkeit aufnehmen.

Okay. Das ist krass. Mich lässt der Einführungstext schon zweifeln, ob ich bereit für eine derartige Veranstaltung bin. Vor allem, da ich Liam seit fast drei Monaten nicht mehr gesehen habe. Ich kann mich an das Gefühl zwischen uns kaum noch erinnern. Und ich bin mir unsicher, ob ich ihm so weit vertrauen kann. Er müsste wissen, dass ich nicht mit irgendwelchen fremden Männern intim werden möchte. Diese Party klingt nach einem sehr frivolen Abendverlauf und mehr nach Polyamorie als nach meinem Bedürfnis nach Monogamie. Ich fahre mit den Regeln fort. Vielleicht lösen sie ein besseres Gefühl in mir aus. Was ich jedoch sehr stark bezweifle …

Die nachfolgenden Regeln sind einzuhalten:

Regel 1: Die Männer sind ihrem Status entsprechend angemessen gekleidet, ob Abendgarderobe, LLL, Uniform oder anderes.

Regel 2: Die Frauen haben ihren Status mindestens durch ein Halsband kenntlich zu machen und ihrem Bestimmungszweck entsprechend gekleidet zu sein. Z. B. nackt unter ihrem Umhang, nur mit Strümpfen und High Heels bekleidet, manche tragen ein O-Kleid, das jeden Zugriff erlaubt, wieder andere tragen nur leichte Stoffe, die ihre Reize kaum verbergen. Wenn die Subs nicht ohnehin in einem O-Kleid oder aber nackt mit einem Umhang erscheinen, haben sie ihre Kleidung so zu wählen, dass ihr nackter Po zu sehen ist, auch wenn gegebenenfalls ein durchsichtiger Stoff diesen noch leicht verbirgt.

Regel 3: Die Rollenverteilung ist für dieses Event klar: Male-Dom und Fem-Sub; die Männer sind die Herren, die Frauen sind die Sklavinnen, Dienerinnen, Mägde und haben sich zu unterwerfen.

Regel 4: Kein Einlass für Fem-Doms (es sei denn, sie wollen sich den anwesenden Herren als Sub zur Verfügung stellen).

Regel 5: Die Sklavinnen und anderen Subs haben, auch wenn es ihnen sicherlich schwerfallen wird, nur zu reden, wenn sie angesprochen werden oder ihnen die Erlaubnis dazu gegeben wird (paradiesische Zeiten für die Männer).

Regel 6: Jeder Herr hat das Recht, die nicht in Gegenwart ihres Herrn befindlichen Sklavinnen und Subs im Rahmen der Vorgaben des mitgeführten oder ausgelegten Profil-Textes, gegebenenfalls eines angebrachten Schildes, nach freiem Ermessen zu berühren, zu benutzen oder zu züchtigen.

Regel 7: Eine Sklavin oder Sub kann von ihrem Herrn nur beschützt werden, solange dieser in der unmittelbaren Nähe seiner Sub ist.

Regel 8: Die Sklavinnen und Subs haben den roten Teppich nicht zu betreten – außer über den Zebrastreifen – und nicht auf Stühlen, Bänken, Sesseln oder Sofas zu sitzen.

Sie haben auf dem Boden zu knien oder zu sitzen. Wenn es ihnen erlaubt sein sollte, können sie die Annehmlichkeiten von Kissen, Schafsfellen oder Decken, Stufen und Schemel nutzen.

Regel 9: Eine Sklavin oder Sub hat ihren Herrn zu bedienen und mit Getränken zu versorgen; sie selbst hat aus Tonbechern zu trinken.

Regel 10: Ausgenommen von den vorstehenden Regelungen Nummern 5, 6, 7 und 8 ist der Bereich der Gotischen Halle, in der auch gegessen wird. Selbstverständlich bleibt es jedem einzelnen Herrn vorbehalten, auch hier die gleichen Regeln anzuwenden. Von der Regel 8 ist auch das Pagodenzelt, der Raucherbereich ausgenommen.

Regel 11: Spaß haben.

Liam wird es noch nicht wissen: Ich habe immer noch kein Halsband. Dementsprechend kann ich ihn gar nicht begleiten. Des Weiteren wüsste ich auch nicht, was ich anziehen sollte. Mein Kleiderschrank bietet nichts dergleichen, was gewünscht wird.

Das ist mir für heute definitiv zu viel. Generell reizt mich solch eine Party schon. Nur wäre ich mit Sicherheit keine aufregende Begleitung für ihn, weil ich mich strikt an Regel 7 halten würde. Ich würde ihm nicht von der Seite weichen. Der Gedanke, dass er mich präsentieren will, gefällt mir. Wie eine Art Schmuckstück. Würde er mich allerdings an einen anderen abgeben wollen, würde ich nicht mitspielen.

Diesen Bogen, der erwähnt wurde, habe ich mir angeschaut. Viel ist mit mir nicht möglich … Zu gerne würde ich in seinen Kopf hineinschauen können, um zu erfahren, wie er sich einen Partyverlauf mit mir vorstellt. Ich könnte ihn fragen, aber das werde ich erst tun, wenn er noch einmal vorschlagen sollte, ihn zu begleiten.

Ja, ich bin gut gelandet. Sitze gerade im Auto auf dem Weg nach Hause. Brauchen noch ungefähr eine halbe Stunde. Ich habe mir eben alles genau angeschaut. Findest du das nicht etwas sehr spontan? Ich habe noch kein Halsband und auch keine passende Kleidung. Außerdem bin ich wirklich total kaputt von der Reise. Vielleicht besteht die Möglichkeit, dich beim nächsten Mal zu begleiten.

Okay, schade. Wäre sehr gerne mit dir hingegangen. Dann ein andermal. Und bis dahin solltest du dir auch ein Halsband besorgt haben, Fräulein. ;)

Wird gemacht, Sir. ;)

Antonella haben wir erfolgreich zu Hause abgesetzt. Es wird komisch sein, sie jetzt nicht jeden Tag zu sehen und mit ihr Zeit zu verbringen. Ich habe mich sehr schnell an ihre Anwesenheit gewöhnt.

Zu Hause angekommen, packe ich als erstes meine Tasche aus. Mir war gar nicht bewusst, wie viel spanischen Sand ich mitgenommen habe.

Als ich die Tasche entleert und den Boden gesaugt habe, setze ich mich an meinen PC und suche nach einem Halsband und einem heißen Outfit für eine Party. Nächstes Mal möchte ich vorbereitet sein. Liam ist nun mal sehr spontan …

Nach einer einstündigen Suche gebe ich auf. Die Kleider sind mir zu teuer und die Halsbänder zu massiv oder einfach nicht schön genug; ein zartes, schlichtes wäre nach meinem Geschmack. Ich bin nicht davon ausgegangen, dass es so schwer sein wird, etwas Passendes für mich zu finden, was auch bezahlbar ist.

Eigentlich muss ich noch Analplugs in verschiedenen Größen kaufen und einen Rohrstock, wie er es vor einigen Wochen verlangte. Aber er weiß, dass ich wesentlich weniger Geld zur Verfügung habe als er. Obwohl … gerade scheint es so, als könne er sich nichts leisten. Jedoch wird er wohl von dem Verdienst in Österreich Geld übrig haben. Immerhin hatte er keine Kosten zu tragen und den Eintritt für die Party scheint er sich leisten zu können. Ich werde ihn mal fragen, ob er jetzt überhaupt einen Schlafplatz hat.

Wo schläfst du jetzt eigentlich? Hat Fabian dich aufgenommen?

Nein. Ich schlafe bei einem anderen Freund in einer WG auf seinem Sofa. Mit ihm zusammen im Zimmer. Nicht optimal. Ich versuche schnellstens eine eigene Wohnung zu finden. Aber erstmal brauche ich feste Arbeit.

Oh. Aber besser als obdachlos zu sein. Was ist denn mit dem Job im Krankenhaus?

Werde wohl nächste Woche den Vertrag unterschreiben. Den Job sollte ich in der Tasche haben. Daher wäre es perfekt, würde ich in der Nähe eine Wohnung finden, damit ich nicht immer durch die halbe Stadt fahren muss.

Ich arbeite jetzt auch noch in einer Bar auf dem Kiez. Mein Kumpel hat mir den Job besorgt. Ich hoffe, das wird ausreichen, um eine Wohnung bezahlen zu können.

Das klingt doch gar nicht schlecht. Du hast gute Perspektiven. Dafür, dass du erst eine Woche zurück in der Stadt bist …

Das stimmt. Hast du morgen Zeit? Hab tagsüber frei. Abends muss ich dann in die Bar. Würde dich gerne treffen.

Morgen habe ich noch nichts geplant.

Super. Ich bin erst noch beim Training. Willst mich von dort abholen? So gegen 14 Uhr?

Kann ich machen. Ja, passt.

Dann sehen wir uns morgen. :-*

Bis morgen! :-*

Krass. Ich bin nicht davon ausgegangen, dass wir uns doch so schnell wiedersehen werden. Ob er morgen das Gespräch mit mir sucht? Dann hätte ich endlich Klarheit.

Dieses verdammte Lampenfieber sucht mich wieder heim; das habe ich nicht vermisst.

Ob es sich anders anfühlen wird, wenn wir uns morgen gegenüber stehen werden? Immerhin waren die letzten Monate sehr intim zwischen uns. Hoffentlich will er mich nicht für meine ganzen Fehltritte bestrafen. Dass mir starker Schmerz nicht gefällt, scheint er nicht sonderlich zu respektieren. Nun habe ich zwar mein Safeword, trotzdem vertraue ich ihm nicht gänzlich.

In der ersten Nacht hätte mir ein Safeword nichts gebracht, als er mich anal mit einem Plug entjungferte. Konnte nichts sehen, wusste nicht, was er vorhat und nach meinen Tabus hatte er auch nicht gefragt.

Hm. Nur mag ich ihm das nicht verübeln. Denn, als er mir seinen Finger in den Po steckte, habe ich mich nicht gegen diese Handlung gewehrt.

Trotzdem hätte er nicht davon ausgehen sollen, dass ich Analsex mag und haben möchte. Ich war viel zu überrascht, überfordert … Hatte den Mut nicht, ihm zu sagen, dass der Finger im Po mir mehr wehtut, als mich zu erregen. Was mich in diesem Moment erregt hat, war die Situation. Das Drumherum; nicht der Finger in meinem Arsch. Aber wie sollte er das wissen? Auch wenn ich oft das Gefühle habe, er könne Gedanken lesen, kann er es gewiss nicht.

Ich wollte zwar irgendwo, dass er aufhört, aber eigentlich wollte ich es nicht.

Ich genoss diesen außergewöhnlichen Moment viel zu sehr.

Mit einem mulmigen Gefühl in meinem Magen sitze ich in der Bahn auf dem Weg zu Liam.

Toni habe ich von dem Treffen nichts erzählt. Ich weiß, dass mich das nur noch nervöser gemacht hätte, mich mit ihr darüber auszutauschen.

Obwohl es nicht dieses Lampenfieber ist, welches ich bei dem Treffen empfand, als wir uns im Juni vor Planten un Blomen getroffen haben. Da hatte ich Schmetterlinge in meinem Bauch und Angst, weil ich ihm sagen wollte, was in mir vorgeht.

Jetzt habe ich eher Angst vor dem ersten Moment des Wiedersehens. Ich weiß nicht, wie ich mich verhalten soll. Weiß nicht, wie es sich anfühlen wird, ihn vor mir stehen zu haben.

Die Aufregung ist kleiner, da nicht ich diejenige bin, die mit ihm reden will, sondern er mit mir und es klang nicht danach, als würde es sich um etwas Negatives handeln.

Mit seinen niedergeschriebenen Worten vor einigen Tagen hat er in mir eine Hoffnung geweckt, die schon gestorben war.

In den letzten Tagen am Meer habe ich viel darüber nachgedacht. Habe mir die unterschiedlichsten Situationen ausgemalt. Mein Bedürfnis nach Kontrolle war anwesend wie schon lange nicht mehr. Ich bin nun auf jegliche Situation vorbereitet. Obwohl es erfahrungsgemäß so ist, dass genau das eintrifft, woran man nicht gedacht hat.

Wie damals in der WG, als ich dermaßen in meinen Gedanken vertieft war und mich seine Aufforderung, etwas über mich zu erzählen, total aus dem Konzept brachte und ich keine Antwort parat hatte.

Diese Erfahrung, die ein Schamgefühl in mir auslöste, ist in mir hängen geblieben und möchte ich nicht wiederholen.

Wenn der schlimmste Fall eintreten sollte und er den Kontakt zu mir doch abbrechen möchte, dann kann ich total cool bleiben. Ich habe mich emotional darauf eingelassen. Wahrscheinlich habe ich mich sogar zu sehr auf das Negative fokussiert. Denn der Gedanke, sollte er mich fragen, ob ich ihn näher kennenlernen möchte, mit Aussicht auf eine feste Partnerschaft, lässt keine kleinen Schmetterlinge in meinem Bauch herumfliegen.

Mel, vielleicht willst du ihn nicht mehr … schon mal an die Option gedacht?

Da ist wohl etwas dran. Meine Happy-End-Traumblase mit Liam ist schon längst geplatzt und wahrscheinlich war ich auch nie ehrlich in ihn verliebt.

Es war bloß eine Illusion. Ich war nur in eine schöne Fantasie mit ihm als Hauptrolle verliebt. Die Realität sieht anders aus.

Nur ist da mein Bedürfnis nach Sicherheit, was sich immer noch nach einer Beziehung sehnt. Es ist ein innerer Kampf. Denn sie lässt mich hoffen, dass die Worte, die Liam heute an mich richten wird, eine Veränderung mit sich bringen und ich demnächst vielleicht nicht mehr alleine stark sein brauche.

Jemand da ist, der mir den Rücken stärkt, wenn ich einen schwachen Moment habe. Ich loslassen kann, durchatmen kann. Aber mein Engelchen in mir will ihn nicht brauchen.

Vor allem nicht Liam. Generell keinen Mann. Aber ihre Meinung zu diesem sadistischen, dominanten Mann, der gleichzeitig auch masochistisch und devot ist, ist alles andere als gut. Regelmäßig flüstert sie mir ins Ohr, wie er zu mir sagte, dass er nicht mal einen Blick auf seine eigenen Gefühle werfen kann, ohne in eine Depression zu verfallen.

Ihr passt es gar nicht, dass meine Hoffnung von den Toten auferstanden ist. Dafür ist der Teufel, dieser kleine Dämon in mir, verantwortlich, der mich die Sehnsucht schmerzhaft spüren lässt. Sehnsucht lässt sich schwer unterdrücken. Sie aufzulösen, ist nicht möglich. Denn der tiefe Wunsch der Seele ist ein Teil von einem, den man sich nicht aussuchen oder umtauschen kann. Was mir sehr missfällt. Mein Engelchen kämpft trotzdem dagegen an. Mit all ihrer Macht.

Nur ist der Teufel mit seinen unfairen Mitteln einfach stärker. Jedes Mal, wenn in meinen Gedanken die Tatsache widerhallt, dass Liam Probleme mit sich hat, drückt er meinen Helfersyndrom-Knopf. Schon habe ich das Bedürfnis, dafür verantwortlich zu sein, dass es Liam besser geht. Er glücklich und zufrieden ist.

Trotz seines Egoismus, der mich stark an David erinnert, fühle ich in meinem Herzen, dass er kein schlechter Mensch ist. Er hat es definitiv verdient, geliebt zu werden und ein glückliches Leben zu führen.

Dieses Chaos in mir ist kaum zu ertragen. Nun hoffe ich, dass es sich gleich ordnen wird.

Es ist ein warmer, sonniger Tag; obwohl es für einen Augusttag wärmer sein könnte. Ich trage meine durchlöcherte Jeans und ein Top, welches an den Seiten tief ausgeschnitten ist, aber dafür das komplette Dekolleté bedeckt.

Ich wünsche mir, dass er vor dem Gym bereits auf mich wartet, werde jedoch enttäuscht. Ich muss warten und ich weiß nicht mal, wo genau hier der Eingang beziehungsweise der Ausgang ist. Daher bleibe ich auf der gegenüberliegenden Straßenseite stehen. Den Smart scheint er woanders geparkt zu haben, denn ich konnte ihn nicht entdecken.

Ich schaue auf mein Handy, um zu prüfen, ob er mir geschrieben hat, dass er ein wenig länger braucht. Nichts. Nach zehn Minuten werde ich hibbelig.

Vielleicht hat er mich vergessen?, meldet sich meine Unsicherheit. Das wäre eine dieser Situationen, die ich nicht mit eingeplant habe.

Doch im nächsten Moment wird dieser Gedanke verworfen. Ich erblicke Liam. Neben ihm geht ein tätowierter Typ mit Bart, der alles andere als Männlichkeit ausstrahlt. Er wirkt eher mollig als breit und trainiert. Hat ein rundes Gesicht, mit weichen Augen, die ihn leicht naiv und dümmlich wirken lassen.

Die beiden nebeneinander zu sehen, fühlt sich für mich überhaupt nicht harmonisch an. Kontrastreiche Erscheinung. Aber Gegensätze ziehen sich vielleicht auch in Freundschaften an. Wenn das der Freund ist, der ihm den Job besorgt hat und bei dem er übernachten darf, dann nutzt Liam ihn möglicherweise nur aus? Würde ich ihm zutrauen.

„Hey, Brownie! Wie geht’s?“, begrüßt er mich und umarmt mich. Es fühlt sich freundschaftlich an. Wenn ich ehrlich bin, bin ich enttäuscht, denn ich habe auf einen Begrüßungskuss gehofft. Ich korrigiere: Mein Dämon in mir hat darauf gehofft …

Bis zu dem Zeitpunkt, als ich seinen Kumpel entdeckt habe, habe ich fest damit gerechnet, dass es einen Kuss geben wird.

„Gut, gut und selbst?“

„Auch. Training war hart. Du bist echt richtig braun geworden im Urlaub. Das ist übrigens Lars“, stellt er uns höflicherweise vor.

Wir geben uns die Hand. Es macht den Eindruck, als wusste Lars nicht, dass sein Freund mit einer Frau verabredet ist. Er schaut mich zwar freundlich an, aber sein Blick verrät mir, dass er gerne weiterhin alleine Zeit mit Liam verbracht hätte. Ich hoffe stark, dass wir den Tag nicht zu dritt miteinander verbringen!

Liam verabschiedet sich von ihm, als wir die Hauptstrasse erreichen und mir fällt ein Stein vom Herzen. Eine weitere Situation, die ich nicht mit eingeplant habe, löst sich in Luft auf.

„Und? Wie war der Urlaub? Erzähl mal!“, fragt er mich, während ich ihm folge, weil ich keine Ahnung habe, wo wir nun hingehen.

„Sehr schön und entspannt. Bin allerdings immer noch ein wenig angeschlagen. Wäre schon gewesen, wenigstens im Urlaub gesund zu werden.“

„So ist das, wenn man nicht auf mich hört und einfach feiern geht“, sagt er streng, aber mit einem Grinsen im Gesicht.

Darauf antworte ich mit meiner Zunge, die ich ihm frech entgegenstrecke. Da wir in der Öffentlichkeit sind, fühle ich mich sicher. Sein Blick verrät mir, was er gerade denkt. Wäre er nicht so vergesslich, würde ich meine Antwort später definitiv sehr bereuen.

Wir gehen am Dammtor Bahnhof entlang und überqueren die große Kreuzung. Als wir vor der Jet-Tankstelle stehen, wechseln wir noch einmal die Straßenseite, gehen ein paar Meter hoch und dann bleibt Liam abrupt stehen. Denn dort steht sein Smart geparkt. Das Autofahren mit ihm habe ich sehr vermisst.

Er begibt sich nicht auf die Fahrerseite, sondern durchdringt mich mit einem finsteren Blick.

Ich schaue ihn fragend an. Woraufhin er sich vor mich stellt, auf mich zutritt und erst stoppt, als ich mit meinem Rücken gegen die Beifahrertür des Smartes gepresst werde.

Nur wenige Zentimeter trennen unsere Gesichter und dementsprechend unsere Lippen voneinander.

Mein kompletter Körper steht unter Hochspannung. Ich muss mich konzentrieren, zu atmen.

Das sind genau die Situationen, die ich liebe … die ich bei David vermisst habe. Dieses Feuer zu entfachen, darin ist Liam wirklich gut. Seine Selbstsicherheit ist sexy.

Ich erwarte, dass er jeden Augenblick beginnt mich zu küssen. Die Glut in unseren Augen lässt uns mit vollkommener Hitze umgeben. Leidenschaft entflammt in meinem Schoß, breitet sich langsam in meinen Adern aus, vermischt sich mit meinem unter Strom stehenden Blut.

Körper und Geist stehen bereit, in Flammen aufzugehen. Doch es kommt anders als erhofft.

Gerade noch schmückte ein leichtes Lächeln seinen finsteren Gesichtsausdruck; von der einen auf die andere Sekunde entweicht es ihm. Auf seinen harten, kalten Blick folgt eine noch härtere Handlung.

Ich spüre, wie sich seine große, kräftige Hand fest um meinen Hals schlingt und mir die Luft zum Atmen nimmt.

Im ersten Moment blicke ich mich reflexartig um. Wir sind mitten in der Stadt! Etwas weiter hinten kommt ein Mann auf uns zu. Ob er kommentarlos an uns vorbeigehen wird?

Mein Fokus schweift dann aber zu Liams Gesicht hin. Meine Augen beißen sich an seinen fest; böse schaue ich ihn an. Mein Ego ist zu stolz, um Schwäche zuzulassen. Ich will mich nicht ergeben, auch wenn ich in diesem Moment offensichtlich total machtlos bin.

Alles um mich herum wird schwammig, nehme ich plötzlich kaum noch wahr. Als wären wir völlig alleine. Die Wirklichkeit verblasst immer mehr, umso weniger Sauerstoff durch meine Lungen fließt.

Leichte Panik kommt in mir auf und ich versuche, mich aus seinem Griff zu befreien. Meine Hand packt sein Handgelenk.

„Sofort loslassen!“, sagt er nicht laut, aber bestimmend. Ich reagiere schlagartig, denn er drückt fester zu als zuvor. Meine Kehle schmerzt. Ich kann nichts sagen. Selbst wenn ich wollte, könnte ich nicht um Hilfe rufen.

Ich spüre, wie sich meine Mimik verändert und die harte Schale langsam beginnt zu pellen. Flehend suche ich nach Gnade in seinen Augen.

Er lockert seinen Griff, sodass ich wieder atmen kann. Tief sauge ich die mit Abgasen erfüllte Luft ein. Versuche schnellstmöglich mein Organ mit genügend Sauerstoff zu füllen, da ich befürchte, dass er jeden Moment wieder fest zupacken wird. Liam presst mich mit seinem Körpergewicht dichter an den Wagen.

„Du weißt, warum ich das gerade tue?“, will er von mir wissen.

Mein Verstand ruft mir zu: Nicke! Nicke! Verdammt nochmal! Aber was tue ich? Ich schüttle den Kopf. Mein Ego ist unvernünftig und lässt sich leider nichts sagen. Und wer darf darunter leiden? Ich. Sofort wird mir das Atmen verwehrt.

„Falsche Antwort“, gibt Liam angesäuert von sich.

Ich bin mir gerade tatsächlich nicht sicher, ob er wirklich sauer ist oder ob ihm mein Widerstand eigentlich doch gefällt. Jedoch hat die Vergangenheit gezeigt, dass er wohl nicht so sehr auf Herausforderungen steht. Er wünscht sich eine Sub, die durch und durch devot ist.

Die wird er in mir nur nie finden. Eine weitere Unsicherheit sucht mich heim, obwohl ich gerade andere Sorgen haben sollte.

Doch ich bilde mir ein, dass es gar nicht allein mein Stolz ist, den ich da gerade spüre. Es ist eher etwas anderes. Nur kann ich nicht deuten, welches Gefühl es ist.

Liam lässt mir kurz Zeit, um Luft zu holen und zu antworten, aber da ich wissen möchte, welche Emotion er noch in mir auslöst, schweige ich.

„Wir können das Spiel gerne so lange spielen, bis ich zur Arbeit muss. Nur werden dann mit Sicherheit sichtbare Spuren an deinem Hals zu sehen sein. Keine Ahnung, wie du das zu Hause erklären willst“, versucht er mich aus meiner Reserve zu locken.

Die Emotion, die mir eben noch Kraft gegeben hat, schwindet.

Sie wird ersetzt durch das Gefühl der Wehrlosigkeit, was mir erschreckenderweise die Nässe in meinen Schritt schießen lässt.

Mein Hals schmerzt zunehmend. Wieder lockert er seinen Griff und ich nicke heftig mit meinem Kopf.

„Falsche Antwort“, sagt er und in meinem Verstand ploppen die Fragezeichen auf.

Meine Augen beginnen, sich mit Wasser zu füllen. Ich kämpfe dagegen an, weil ich nicht weinen und mich nicht schwach zeigen will, aber ich muss mir eingestehen, dass diese Wehrlosigkeit in mir eine Lust ausgelöst hat, die ich zuvor noch nicht kannte.

Nur schmerzt es mich zu sehen, dass wirklich kein Fünkchen Mitgefühl in Liams Blick zu finden ist.

Von wegen ihm ist meine Gesundheit wichtig! Ungefährlich ist das mit Sicherheit nicht, was er hier gerade mit mir veranstaltet. Aber unsagbar heiß!, erwidert meine Lust.

Mir rinnt eine einzelne Träne die Wange herunter. Liam gibt mir Zeit, um zu antworten. Ich schlucke schwer und versuche, ihm mit meinem Blick flehentlich verstehen zu geben, dass ich nicht weiß, was er von mir erwartet. Er deutet meinen Blick richtig.

„Sprich mit mir und schüttle nicht wie eine Irre deinen Kopf! Ich will es hören!“

Da mein Hals brennt, bin ich nicht sicher, ob ich überhaupt noch einen Ton herausbekommen kann.

„Ja, weiß ich“, krächze ich.

„Ja, und? Warum?“ Bevor ich antworten kann, drückt er wieder zu. „Und wie sollst du mich ansprechen? Hast du so schnell deine Manieren verlernt? So lange war ich nun auch nicht weg.“ Ich darf antworten.

„Weil ich Euch meine Zunge herausgestreckt habe, Sir.“ Diese Worte auszusprechen, hat mich totale Überwindung gekostet. Dass ich ihn real »Sir« genannt habe, ist schon einige Monate her und auch damals ist es mir nicht leicht über die Lippen gegangen.

Vor allem dachte ich, wir hätten unsere D/s-Bindung aufgelöst. Wir haben uns beim Schreiben nur noch geduzt … Ich habe keine Ahnung, woran ich bei Liam bin.

Will er darüber mit mir reden? Will er die D/s-Beziehung weiterführen? Ich warte es ab.

„Geht doch.“ Und da ist es wieder. Ein sanftes Lächeln spielt sich um seine Lippen, die sich langsam auf meine zubewegen.

Mein Slip trieft vor Nässe. Als sein Mund meine Lippen berührt, die vor Aufregung total ausgetrocknet sind – im Gegensatz zu meinen Lippen im unteren Bereich meines Körpers –, schnürt er mir wieder die Luft ab. Doch diesmal drückt er nicht zu fest zu, sodass ich diesen Moment des Ausgeliefertseins total genießen kann und mich darin verliere.

Ich erinnere mich an unseren ersten Kuss in der Bar und vergleiche ihn mit dem jetzigen. Ich dachte, die Erfahrung sei kaum zu übertreffen, aber mein sexuelles Verlangen ist in diesem Augenblick erheblich größer, als es damals der Fall war.

Er löst sich von meinen Lippen. Schade. Ich hätte ihn gerne noch länger geküsst, obwohl mir die Luft doch ziemlich knapp wurde.

„Steig ein“, befiehlt er mir mit einem Lächeln, während er sich auf die Fahrerseite begibt.

Ich setze mich in meine eigene Pfütze. Ich kann mich tatsächlich nicht daran erinnern, jemals so erregt gewesen zu sein, ohne dass ich intim berührt worden bin. Mich stimmt es ein wenig traurig, da ich mir bewusst bin, dass genau solche Situationen etwas Besonderes sind. Sie sind nicht erzwingbar, nicht wiederholbar. Würde ich einem Mann in Zukunft diese Erfahrung als Beispiel dafür nennen, wie meine Lust wirklich in Fahrt zu bringen ist, wie sie über das Körperliche hinausgeht, dann wäre die Magie bereits erloschen, weil seine Bemühungen bloß Bemühungen bleiben würden. Es verliert den Reiz, wenn man jemandem erläutern muss, worauf die eigene Lust reagiert.

Ich würde mich bei jeglichen Handlungen fragen, ob er nun versucht, eine derartige Situation zu erschaffen. In dem Augenblick, in dem er dies versucht, wäre es nicht authentisch.

Die Absicht, die hinter diesen Handlungen steckt, würde mir nicht entgehen und mich sogar abtörnen.

Die wenigsten Männer verstehen, dass wahre Leidenschaft aus der Anziehungskraft heraus entsteht und nicht aus dem, was man sich in seinem Kopf zusammenbastelt, wie man es sich in seiner Fantasie vorstellt und diese dann krampfhaft versucht, real werden zu lassen …

Das Schöne an der Fantasie ist doch, dass ihr keine Grenzen gesetzt werden können. Sie ist unendlich. Sex endet. Hat moralische Grenzen. Jedenfalls für mich.

Warum sollte ich also das, was ich mit meiner Vorstellungskraft erschaffe, Realität werden lassen wollen, wenn es sich doch rein imaginär gut anfühlt? Vor allem, weil sich ein Großteil meiner damaligen Fantasien in der Realität mit Sicherheit nicht erregend angefühlt hätten.

Entführt zu werden, für sexuelle Zwecke, steht jedenfalls nicht auf meiner Bucket List.

Jegliche Szenarien, die aus dem Kopf heraus nachgestellt werden, sind für mich bloß unauthentisch und stehen in keinem Zusammenhang mit Leidenschaft. Leidenschaft ist ein Gefühl. Wie Liebe. Sie kann nicht erzwungen werden. Es geschieht oder eben nicht.

Für Kopfmenschen mag das alles vielleicht funktionieren. Für sie fühlt es sich vielleicht gut an, wenn sie ihre sexuellen Fantasien umsetzen. Ihre Gedanken lösen ihre Gefühle aus. Das klappt bei mir nur sehr begrenzt. Denn ich bin immer auf der Suche nach der Wahrheit. Gedanken kann ich mir so zurechtlegen, wie ich sie will. Mit ihnen bin ich in der Lage, mir bewusst meine eigene Realität zu erschaffen.

Wahr ist für mich das Gefühl, welches mich heimsucht und erst im Nachhinein zu einem Gedanken in meinem Verstand wird.

Dass Liam mir eben die Luft in der Öffentlichkeit abgeschnitten hat … ein Moment, den ich nie wieder erleben werde. Genau, wie den Kuss in der Bar.

Er ist einzigartig. Seine Selbstsicherheit fasziniert mich und dennoch spüre ich, dass auch sie ihre Risse hat, die wesentlich tiefer liegen.

Ist er mutig, weil er Dinge mit mir tut, für die er von anderen Frauen mit Sicherheit eine geklatscht bekommen hätte? Oder ist er schlichtweg naiv und geht unbewusst diese Risiken ein, weil er nur dem nachgeht, worauf er gerade Lust hat? Geht es ihm gar nicht um mich, um uns, sondern bloß um sich selbst?

Vielleicht basiert seine Selbstsicherheit, was seine Dominanz anbelangt, nur auf seinen bisherigen Erfahrungen. Möglicherweise kam seine Art bei allen Frauen gut an, sodass dort gar kein Platz für Zweifel sind.

„Öffne das Handschuhfach“, reißt Liam mich aus meiner Analyse.

Ich öffne es und sehe die Krokodilsklemmen aka. Teufelsklemmen darin liegen. Fragend schaue ich ihn an.

Er wirft mir nur einen kurzen Blick von der Seite zu, der mir suggeriert, dass ich wohl wissen sollte, was jetzt kommt.

„Willst du, dass ich die jetzt anlege?“, frage ich naiv.

„Kluges Mädchen“, grinst er frech vor sich hin, während er durch die Stadt fährt. Wohin es genau geht, weiß ich nicht.

„Aber wie soll ich das machen? Ich kann mich doch schlecht mitten am Tag in deinem Auto entblößen. Es ist viel zu viel los auf den Straßen“, widerspreche ich.

„Ganz einfach. Du streifst dir die Träger deines BHs runter und ziehst den unter deinem Top etwas nach unten. Dein Oberteil ist doch blickdicht.“ Liam lässt keine Diskussion zu.

Widerwillig tue ich, was er sagt. Als wir jedoch an einer Ampel halten, halte ich inne. Die Klemmen liegen in meinem Schoß. Ich brauche nur noch meine Brüste von den Körbchen befreien. Verlegen schaue ich in das Auto neben uns. Der Fahrer guckt zu mir und schenkt mir ein Lächeln. Ich grinse verkrampft zurück.

„Los jetzt!“, befiehlt Liam, als die Ampel auf Grün schaltet.

Ich ziehe mir den BH bis zu meinem Bauchnabel herunter. Das Gefühl, dass meine Brüste unter meinem Oberteil entblößt sind, kann ich nicht leiden. Es kostet mich Überwindung, die Klemmen an meinen Nippeln zu befestigen, da ich das noch nie selbst getan habe. Ich weiß, wie sehr es schmerzt; was das Ganze nicht gerade vereinfacht. Eigentlich sollte ich geübt darin sein, mich selbst zu quälen, aber ich denke, dass diese Hürde immer bestehen wird und immer wieder aufs Neue gemeistert werden muss.

Kurz nachdem ich sie mir angelegt habe, ziehe ich scharf Luft ein. Allerdings stelle ich sehr schnell fest, dass der Schmerz meine Geilheit nicht wie sonst eindämmt, sondern das Gegenteil bewirkt. Ja, es kickt mich, in Liams Auto zu sitzen, ohne BH, und seine Nippelklemmen zu tragen. Aber noch mehr reizt mich überraschenderweise das Brennen meiner Brustwarzen.

Ich genieße die Autofahrt in vollen Zügen. Ab und zu wendet Liam sich zu mir und schnipst mir gegen meine Mamillen. Statt zu fluchen, lächle ich.

Indem er mir nicht verraten hat, wo es hingeht, regt er mein Kopfkino an. Diese Art von Fantasieren mag ich durchaus. Es ist für mich nicht gleichzusetzen mit den sexuellen Fantasien, die man hegt, wenn man sich alleine liebt. Das sind Fantasien, die sexuelle Wünsche schaffen; neue Ideen für die Kopfmenschen.

Das Kopfkino, welches durch die Gegenwart eines Mannes in die Gänge gebracht wird, hängt mit der Realität zusammen, ist bezogen auf die gesamte Situation. Das, was ich mir vorstelle, kann eintreffen, ohne dass ich ihm mitteile, was ich mir wünschen würde. Natürlich gibt es keine Garantie dafür, dass das, was in meiner Vorstellung lebt, eintrifft und nicht immer geht man von etwas Gutem aus … Man hofft, dass es anders kommt, als man denkt. Diese Ungewissheit macht einen großen Reiz aus.

Liam hat noch keine eigene Wohnung. Also schließe ich aus, dass wir heute gemeinsam in einem Bett miteinander vögeln werden, obwohl es genau das wäre, wonach ich mich gerade total sehne. Wie gerne würde ich diese neue Lust, die mit unbeschreiblicher Intensität anwesend ist, jetzt unbändig mit ihm ausleben.

Für ein Hotelzimmer hat er keine Kohle … und ich auch nicht. Meine Kreativität stößt schnell an ihre Grenzen. Mir fällt nichts weiter ein. Gerade im BDSM spielt das Kopfkino eine große Rolle. Ich erinnere mich daran, wie Liam in unserer ersten gemeinsamen Nacht mehrmals an dieser Wundertüte zugange war und ich mich durchgehend gefragt habe, was wohl als nächstes passieren wird … Und ich bin durchaus nicht nur von schönen Dingen ausgegangen.

Die Aufregung löste ein begieriges Prickeln aus. Wie auch in diesem Moment. Fünf Monate später. Ich bin damals nicht davon ausgegangen, dass wir über diesen Zeitraum in Kontakt bleiben werden. Das Leben ist nicht vorhersehbar.

Ob Liam und ich irgendwann an eine Mauer stoßen werden und ich durch ihn nichts Neues mehr erleben kann? Wer weiß …

Ich lasse den weiteren Tag auf mich zukommen.

Wir befinden uns im Stadtteil St.Pauli. Er biegt in die Glacischaussee ab und reduziert die Geschwindigkeit.

„Willst du hier parken?“, frage ich, um nun endlich herauszufinden, wie sein Plan ausschaut.

„Genau.“

„Aber der Hamburger Dom hat noch zu …“, merke ich an.

„Ich weiß. Da das Wetter gut ist, dachte ich, wir könnten in Planten un Blomen etwas spazieren gehen.“

„Schöne Idee. Darf ich die Klemmen abnehmen?“ Liam nickt kurz. Konzentriert schaut er nach einem freien Parkplatz.

Ein Spaziergang ist eine gute Möglichkeit, um mit mir das Gespräch zu führen, auf das ich schon viel zu lange gespannt warte.

Nachdem wir einen Parkplatz gefunden haben, gehen wir stillschweigend nebeneinander her. Erst, als wir den Eingang des Parks ein paar Meter hinter uns gelassen haben, ergreift Liam das Wort.

„Möchtest du ein Eis?“ Links vor uns steht ein Kiosk.

„Da sage ich nicht Nein“, bejahe ich seine Frage.

Ich wähle ein günstiges Eis aus. Den Flutschfinger. Obwohl ich eher Lust auf ein Magnum Mandel habe. Aber ich finde es süß genug, dass er mich einlädt, obwohl es ihm finanziell nicht gut geht. Erst, als er bezahlt, sehe ich, welches Eis er genommen hat … Magnum White. Ich verkneife mir jeglichen Kommentar und nehme dankbar mein Eis an.

„Lass uns mal eine Sitzmöglichkeit suchen.“ Liam geht voran, ich folge.

„Ich weiß auch schon wohin. Ich bin echt gerne hier. In der Zeit, als ich noch in der Bar getanzt habe, war ich oft in diesem Park. Ich mag die Anlage, die Natur. Da kann man wunderbar in Ruhe seinen Gedanken nachgehen.“

Ich erinnere mich an ein Foto, welches er auf Facebook gepostet hatte. Da saß er auf einer Bank in der Sonne. Ich verdammte Stalkerin habe sein Profil so weit heruntergesrcollt, bis ich bei seiner Anmeldung angelangt war. Hätte ja sein können, dass ich aufschlussreiche Informationen über ihn finde …

„Ich finds auch schön hier. Vor allem, dass so eine riesige Grünanlage mitten in der Stadt liegt …“, bemühe ich mich, die Unterhaltung aufrechtzuerhalten.

„Das stimmt. Das ist wirklich cool.“

Meine letzte Erinnerung an diesen Park ist allerdings nicht sonderlich positiv. Auf der anderen Seite der Anlage teilte er mir vor ein paar Monaten mit, dass er Hamburg verlassen wird …

Und nun spazieren wir hier wieder nebeneinander her. Wieder ohne körperliche Nähe. Aber wir verspeisen auch gerade unser Eis. Ich bin gut damit beschäftigt, da es sehr schnell schmilzt und ich mich nicht vollkleckern möchte.

Mein Eis droht in den nächsten Sekunden das Zeitliche zu suchen, daher schiebe ich mir den ganzen Rest in meinen Mund. Was verdammt kalt ist! Dementsprechend verzerrt muss mein Gesichtsausdruck aussehen.

„Hahaha! Da nimmt sie den Mund mal wieder zu voll!“, macht Liam sich über mich lustig.

Ich bleibe stehen, wedle wild mit meiner Hand vor meinem Mund herum, den ich leicht geöffnet habe, damit die kalte Luft entweichen kann. Gleichzeitig versuche ich, das aufgelöste Eis herunterzuschlucken, ohne mich zu verschlucken.

„Du bist echt ne Marke“, kommentiert Liam meine Gestiken und Mimiken und wuschelt mir einmal über den Kopf.

„Geht’s wieder?“, erkundigt er sich.

„Ja, das war doch etwas zu viel Eis … aber ich wollte nicht, dass es auf den Boden fällt. Das schmolz einfach zu schnell.“ Während ich mich rechtfertige, versuche ich, mit einer Hand meine Haare wieder herzurichten, denn in der anderen Hand halte ich noch den klebrigen Eisstiel.

Als wir an einem Mülleimer vorbeikommen, nimmt Liam mir diesen ab und wirft ihn mit seinem Stil vorbildlich in den Abfallbehälter. Er wischt sich seine Hand an seinem Hosenbein sauber und ergreift dann meine nicht schmierige Hand. Endlich.

Händchen haltend führt er uns zu der Bank, die er im Sinn hat.

Ich spüre, wie mein Engelchen versucht, sich an die Oberfläche zu drängeln, um mich daran zu erinnern, dass ich gefälligst keine Nähe brauche und dem Händchenhalten mit Gleichgültigkeit begegnen soll.

Doch fühlt es sich einfach viel zu gut an, wenn Liam meine Hand in seiner hält. Ich schenke dem Blondkopf keinerlei Beachtung. Obwohl ein tief verborgener Teil in mir weiß, dass es besser wäre, auf sie zu hören und ihr mehr Aufmerksamkeit zu widmen.

Die Schmetterlinge in meinem Bauch bleiben fern. Das sollte ihr genügen. Sie sollte darauf vertrauen, dass ich die richtigen Entscheidungen treffe und mir ein wenig Zweisamkeit und Glück gönnen. Auch wenn Liam nicht der Mann fürs Leben ist …

Was spricht dagegen, weitere Erfahrungen mit ihm zu sammeln? Darf ich das nur mit einem Mann, von dem ich denke, dass er der Richtige für mich ist und es auch ernst mit mir meint? Dann kann ich ja lange warten …

Und welcher Mann möchte sich auf eine Frau festlegen, die kaum Erfahrungen in ihrem Leben gesammelt hat?

Ich bin mir sicher, dass mein Engelchen spätestens jetzt Ruhe geben würde, wenn es überhaupt zu Wort gekommen wäre.

Und wer weiß … vielleicht ist er ja doch der Mann, der an deiner Seite sein wird …, flüstert mir mein Teufelchen ganz beiläufig ins Ohr.

Es hält den Funken an Hoffnung am Leben. Mein Verstand fand allerdings einige Argumente, die dagegen sprechen und dennoch fängt er an, sich plötzlich nur auf das Positive zu fokussieren. Das sah in den letzten Tagen ganz anders aus …

Liam wird das zwischen uns, was auch immer es sein mag, nicht beenden. Ansonsten hätte er es direkt getan, hätte uns kein Eis gekauft und wir würden auch nicht Hand in Hand nebeneinander herlaufen. Die Zeichen sind eindeutig.

Entweder will er die D/s-Beziehung weiterführen oder er will mehr als das. Wovon ich ausgehe, da man – wenn die negative Möglichkeit auszuschließen ist – einem nicht schreibt, dass man reden muss. Würde er nur die D/s-Bindung aufrechterhalten wollen, hätte er mir das mit Sicherheit über WhatsApp geschrieben.

Wir verlassen den gepflasterten Weg und betreten einen Steg, der zu einer kleinen Plattform auf einem Teich führt.

Dort befinden sich parallel gegenüber zwei Sitzmöglichkeiten. Links und rechts stehen jeweils zwei Steinpflöcke im Wasser, auf denen ein marodes Stück Holz liegt. Als eine richtige Bank kann man das nicht bezeichnen.

Wir setzen uns auf die Holzplatte, hinter der sich hinter dem Teich nur eine Hecke befindet. So haben wir alles im Überblick, obwohl ich mir eine schönere Aussicht hätte vorstellen können. Rechts vor uns steht ein kleines altes verglastes Häuschen auf Stelzen. Man fühlt sich zwar geschützt, weil wir abseits des Hauptweges sind, aber unbeobachtet ist man hier definitiv nicht. Ein wenig ruhiger hätte ich es mir schon gewünscht.

„Setz dich auf meinen Schoß“, unterbricht Liam unser kurzes Schweigen.

Ich setze mich auf ihn und lasse meine Beine übers Wasser baumeln. Wir sind uns ganz nah. Keiner sagt etwas. Wir schauen uns bloß in die Augen. So tief gehend war unser Blickaustausch noch nie. Meine Lust, die kurz ein Nickerchen machte, ist nun wieder hellwach. Das Feuer, welches zwischen uns entflammt, breitet sich in meinem gesamten Körper aus. Mir wird schlagartig heiß. Ich fühle mich allerdings nicht wie vorhin. Vorhin habe ich mich hilflos gefühlt. Ihm ausgeliefert. Ergeben. Wir begegnen uns gerade auf Augenhöhe. Meine Dominanz – sollte sich so Dominanz anfühlen – trifft auf seine. Zwischen uns beginnt die Energie zu brodeln, zu blitzen und zu donnern.

„Angst?“, fragt er, obwohl dieser Ausdruck definitiv nicht in meinen Augen zu lesen ist.

„Sollte ich Angst haben?“

„Solltest du.“

„Hm … wieso?“ Meine Angst befindet sich eindeutig in Abwesenheit. Ich habe mich schon lange nicht mehr so selbstsicher gefühlt.

„Ich könnte dir wieder die Luft abschnüren. Oder …“ Er spricht nicht weiter.

„Oder?“, hake ich nach, ohne den Augenkontakt abzubrechen.

„Ich könnte von dir verlangen, nackt in den Teich zu springen.“

Mir gefällt unser Spiel. Endlich spüre ich Emotionen, die meine Lust füttern. Ich lasse Liam in meinen Augen sehen, was er sehen will. Furcht. Unsicherheit. Respekt ihm gegenüber.

„Wie ich sehe, gefällt dir der Gedanke ganz und gar nicht“, springt er direkt darauf an.

Ich schüttle ganz unschuldig mit meinem Kopf.

Das, was ich gerade am intensivsten spüre, ist Überlegenheit. Liam hängt an meiner Angel. Von der selbstsicheren Frau zur hingebungsvollen Sub binnen weniger Sekunden und er kauft es mir ab.

Ob ich unauthentisch bin? Eine Schauspielerin? Möglicherweise bin ich das.

Liam bekommt das, was er braucht und mir gibt es ein gutes Gefühl, dass ich diejenige bin, die es ihm bewusst gibt. Er bekommt es nicht, weil er es sich nimmt oder weil er eine Macht über mich ausübt, die dafür sorgt, dass ich es ihm freiwillig geben will. Es ist meine freie, eigene Entscheidung. Ich hätte genauso den anderen Weg gehen können …

Die Kontrolle, die ich über die Situation und mich ausübe und die in mir herrschende Ambivalenz, sorgen dafür, dass ich mich nicht fallen lassen kann.

Somit sind meiner Lust Grenzen gesetzt, obwohl ich spüre, dass da noch mehr geht.

Plötzlich löst Liam meine Arme, die ich in der Zwischenzeit um seinen Hals gelegt habe.

„Zeig mal, was du kannst. Zwanzig Sit-ups. Lass dich nach hinten fallen und dann kommst du wieder hoch.“ Doofe Idee.

„Ich traue mich nicht. Was ist, wenn ich nicht mehr hochkomme oder mit dem Kopf auf den Boden aufkomme?“

„Dann lass ich dich halt los. Und du wirst dir den Kopf schon nicht aufschlagen. Mel, sei nicht so ein Angsthase. Du hast doch vor ein paar Tagen auf Instagram ein Bild von deinem Sixpack hochgeladen … dann kannst du auch zeigen, was deine Muskeln so können“, provoziert er mich.

Durch meine Erkältung bin ich noch nicht fit. Der Schleim hängt mir zwischen Nase und Rachen. Als Liam mir vorhin die Luft abgeschnürt hat, war ich froh, dass ich keinen Hustenanfall bekommen habe …

Dass er meine Bilder auf Instagram wahrnimmt, überrascht mich. Ich bin stark davon ausgegangen, dass er sich nicht dafür interessiert. Mit dem Foto hab ich mir wohl selbst ins Knie geschossen.

Da meinte er letztens noch, dass ihm meine Gesundheit wichtig ist und jetzt verlangt er, dass ich mich sportlich betätige. Leider siegt mein Ehrgeiz und nicht die Vernunft.

„Geht doch! Geh aber nicht ganz so weit runter, sonst verlierst du die Spannung“, korrigiert er mich.

Nach fünf Stück spüre ich schon das Brennen in meinen Bauchmuskeln und mein Kopf beginnt zu pochen.

„Ich kann nicht mehr! Ich bin noch erkältet“, jammere ich.

„Noch mal fünf Stück. Los, für mich.“

Und wieder soll ich ihm zeigen, dass ich für ihn über meine Grenzen gehe …

Ich bemühe mich und werde im Gegenzug von ihm belohnt. Jedes Mal, wenn ich oben ankomme, schenkt er mir einen Kuss.

Nach dem letzten Sit-up komme ich nicht mehr hoch und lasse mich sanft auf den Boden fallen. Da liege ich nun, wie ein Lappen. Liam lässt meine Beine los.

„Und jetzt noch Liegestütze.“

„Du spinnst!“, sage ich und lache dabei.

„Willst du direkt eine Abkühlung im Teich nehmen?“, äußert er streng.

„Nein … ich dachte, meine Gesundheit sei dir wichtig …“ Er geht nicht darauf ein.

„In zwei Wochen wirst du fünfzig Sit-ups können und Squats mindestens mit deinem eigenen Körpergewicht ausführen.“

„Ja, ist gut.“ Die Bauchaufzüge schaffe ich. Innerhalb von zwei Wochen zwanzig Kilo mehr zu drücken, wohl eher nicht.

„Zieh dein Oberteil aus. Und auch deine Schuhe. Inklusive Socken.“ Ich gucke ihn verdutzt an.

„Hier können Menschen vorbeikommen …“, gebe ich zu bedenken.

„Na und? Du sonnst dich eben. Los, ausziehen und dann legst du dich mit dem Rücken auf die Bank, Beine zu mir.“

„Darf ich meinen Kopf nicht bequem in deinen Schoß legen?“ Ich lege dabei meinen unschuldigen und bedürftigen Blick auf, in der Hoffnung, dass er sieht, dass ich ihm nah sein möchte, er sich dadurch geschmeichelt fühlt und mir deshalb den Wunsch erfüllt. Aber er bleibt hart.

„Nein. Du legst dich so hin, wie ich sage.“

Ich ziehe mein Oberteil aus und fühle mich plötzlich wirklich nackt. Obwohl ein BH sich grundsätzlich nicht sonderlich von einem Bikinioberteil unterscheidet.

Nur ähneln meine Bikinioberteile keinem Schalen-BH. Ich trage diese nicht, weil man meine Brüste sehen kann, wenn ich liege oder mich nach vorne beuge.

Wohl fühle ich mich nicht, aber auf der anderen Seite ist es mir auch egal, was andere Menschen von mir denken könnten. Es sind und bleiben ihre Gedanken. Die nackten Füße sollen wohl den Eindruck verstärken, dass ich mich bloß sonne, falls jemand vorbeikommen sollte.

Ich kann mich nicht daran erinnern, jemals so unbequem gelegen zu haben.

Da war selbst mein Zimmerfußboden gemütlicher. Eine falsche Bewegung zur linken Seite und ich falle ins Wasser.

„Schließe deine Augen“, gibt Liam in einem flüsternden Ton von sich.

Die Sonne wärmt meine Haut. Ich spüre, wie mein Körper die Energie aufsaugt. Wirklich genießen kann ich es nicht, da mein Rücken schmerzt und ich mich frage, was Liam für einen Plan schmiedet. Soll ich mich jetzt wirklich nur halbnackt sonnen? Vor allem ist es wenig erniedrigend, mich vor den Besuchern des Parks bloßzustellen – falls das seine Intention ist –, wenn ich die Augen geschlossen halte. Ohne die Reaktion der anderen Leute zu sehen, ist es mir noch egaler, halbnackt hier zu liegen …

Plötzlich ergreift er jedoch meine Hand und ich merke, wie er meinen Hosenknopf öffnet. Er schiebt meine rechte Hand langsam in meinen Schritt. Mit meinem Oberteil versteckt er die Hand, die zwischen meinen Schenkeln liegt.

„Mach es dir selbst. Aber nur, während du die Luft anhältst. In dem Moment, in dem du beginnst zu atmen, hörst du auf.“

Ich habe eine kleine Lunge. Lange werde ich nicht anhalten können. Was das soll, verstehe ich nicht.

Ich atme tief ein, höre auf zu atmen und beginne, meinen Kitzler zu massieren. Obwohl ich vorhin übermäßig erregt war, spüre ich meine Berührung kaum. Ich bin viel zu sehr damit beschäftigt, die Kontrolle zu behalten. Über meine Atmung, über die gesamte Situation … Mein Gehör ist geschärft. Sollte ich jemanden kommen hören, breche ich diese Aufgabe ab. Hier sind einige Kinder unterwegs …

Nach wenigen Sekunden stoppt meine Hand das Reiben, weil der Sauerstoff in meinen Lungen knapp wird.

„Versuche, länger anzuhalten.“

Ich huste und stütze mich mit den Ellenbogen auf, um Liam besser sehen zu können.

„Ich habe kein großes Lungenvolumen und mein Hals wird langsam trocken. Ich möchte mir ungern meine Lungenflügel aushusten müssen …“, rechtfertige ich mich und hoffe, dass Liam mich erlöst.

„Dann mache kurz eine Pause.“ Nicht die Antwort, die ich hören wollte …

Ich lege mich wieder hin. Die Sonnenstrahlen bringen meine Haut zum Glühen, was man von der Aktivität meiner Finger im unteren Bereich meines Körpers nicht behaupten kann. Abermals halte ich die Luft an, berühre mich an einer meiner intimsten Stellen in der Öffentlichkeit und dennoch fühle ich nichts.

Die Kontrolle in mir lässt nicht zu, dass ich loslasse und mich entspanne.

Bedauerlich, da dies ein weiterer unvergesslicher Moment sein könnte. Einen Orgasmus am helllichten Tag in der Öffentlichkeit zu bekommen, wäre eine Premiere. Würde er an mir spielen, wäre klar, dass es unmöglich ist, einen Höhepunkt zu erlangen. Doch jetzt fasse ich mich selbst an und schaffe es einfach nicht, mich in die Lust hineinfallen zu lassen.

Dieser Ärger, der in mir hochkommt, macht die Situation nicht besser. Spiele ich ihm einfach einen Orgasmus vor oder warte ich, bis er das Ganze abbricht?

Das Schicksal nimmt mir diese Entscheidung ab.

„Hör auf“, warnt Liam mich. Ich ziehe sofort meine Hand aus meiner Hose zurück und lege sie mir auf den Bauch. Tue so, als wäre nichts gewesen und würde mich ganz entspannt sonnen. Im nächsten Augenblick kommt eine Mutter mit ihren beiden kleinen Kindern an uns vorbei. Liam grüßt höflich, die Kinder grüßen grinsend zurück, die Mutter lächelt uns bloß zu.

Liam erwartet glücklicherweise nicht, dass ich da weitermache, wo ich aufgehört habe, nachdem die kleine Familie aus unserem Blickfeld verschwunden ist.

Die Stimmung ist endgültig erloschen.

„Wollen wir weitergehen?“, fragt er, obwohl es klar ist, dass ich ihm nicht widersprechen werde.

„Gerne“, antworte ich knapp. Als ich mich aufsetze und nach meinem Oberteil greifen will, zieht er es an sich.

„Nein, du wirst so gehen. Das Top bekommst du später wieder.“

„Darf ich wenigstens meine Schuhe anziehen?“

„Natürlich nicht.“ Er schüttelt den Kopf.

„Aber hier könnten Scherben liegen“, versuche ich ihn umzustimmen.

„Dann richtest du deinen Blick besser auf den Boden. So, wie es sich gehört.“ Er grinst mich frech an.

Wir gehen los; er greift nach meiner freien Hand. In der anderen halte ich meine Schuhe. Mein Top behält er. Die Blicke der Leute stören mich überhaupt nicht, da Liam an meiner Seite ist. Bei seinen bisherigen Aufgaben, die etwas mit Nacktheit in der Öffentlichkeit zu tun hatten, habe ich ihn immer vermisst. Seine Anwesenheit schenkt mir Sicherheit.

„Autsch!“, fluche ich. Die kleinen, spitzen Steinchen des Schotterbodens bohren sich in meine Fußsohlen.

Ich bin dankbar, dass Liam sich meiner Geh-Geschwindigkeit anpasst. Die Menschen um uns herum nehme ich kaum noch wahr, da mein Blick auf den Boden fokussiert ist. Ich möchte mir auf keinen Fall die Haut aufschneiden oder in irgendetwas Widerliches treten; wie zum Beispiel in heruntergefallenes Dönerfleisch. Allein die Vorstellung, wie es sich anfühlen würde, lässt mein Gesicht zu einer angeekelten Grimasse verziehen.

Die Sonne versteckt sich hinter einer großen grauen Wolke. Ich bin kurz davor, das Frieren anzufangen.

„Hast du Lust, über den Dom mit mir zu gehen?“

„Total gerne!“, strahle ich den Mann an, dem ich meine nächste Erkältung zu verdanken haben werde. Aber die Kälte, die gerade dabei war sich auf meiner Haut auszubreiten, ist schlagartig vergessen.

Die Freude wird jedoch getrübt, als kleine kühle Tropfen auf meine nackte Haut treffen.

„Oh nein! Es regnet“, stelle ich enttäuscht fest.

„Ist bestimmt nur ein kurzer Schauer. Ziehe deine Schuhe an und das Top“, gibt Liam optimistisch und fürsorglich von sich.

Schön zu wissen, dass ihm meine Gesundheit wohl doch ein wenig am Herzen liegt.

Als wir kurz vor dem Ausgang des Parks sind, bleibt er stehen und beginnt, mein Top hochzuschieben.

„Was tust du da?“, frage ich irritiert nach.

„Ich kremple dir das Top hoch. Du hast zu viel an.“

Seiner Vorstellung nach …

Er klemmt den überschüssigen Stoff unter meinen BH fest. Es hält und sieht gar nicht so scheiße aus, wie ich erst gedacht habe.

Er nimmt wieder meine Hand, als er weitergeht.

„In Zukunft wirst du dich aufreizender anziehen. Turnschuhe sind tabu. Nur noch hohe Schuhe“, sagt er in einem trockenen Ton.

„Ich habe aber nur ein paar Stiefeletten“, entgegne ich und hoffe, dieser Regel zu entkommen.

„Dann ziehst du eben die an oder kaufst dir was Neues.“ Ausreden funktionieren bei Liam einfach nicht.

„Hättest du dich bei diesem sommerlichen Wetter weiblicher angezogen, ein Kleid oder einen Rock, hätte ich dich schon längst gefickt. Irgendwo im Gebüsch. Also … in Zukunft keine Hosen mehr. Kleider, Röcke und hohe Schuhe. Verstanden?“

Da ich keine Lust auf eine Diskussion habe, stimme ich mit dem Wissen, dass ich dem eh nicht gerecht werde, zu. Ich bin mir ziemlich sicher, dass er es sowieso vergessen wird. Von daher muss ich die Stimmung nicht vermiesen.

Liam hat recht behalten. Der Regen hört auf und die Sonne kommt wieder hinter den Wolken hervor.

Es fühlt sich unglaublich gut an, mit ihm Hand in Hand über den Dom zu schlendern. Allein wegen der Gerüche gehe ich schon gerne die Runde übers Heiligengeistfeld. Es ist noch kaum etwas los, sodass wir niemandem ausweichen müssen und die Eindrücke gelassen auf uns wirken lassen können.

Die verschiedene Musik aus den etlichen Fahrgeschäften gibt sich einen endlosen Kampf.

An den Ständen mit den Losen brüllen Männer aus ihrer Kehle, was es alles Tolles zu gewinnen gibt.

An den Bratwurstständen schleicht sich der Duft von Fleisch, Champignons und Pommes in meine Nase.

Von Stand zu Stand kommen mehr Duftnoten hinzu.

Gebrannte Mandeln, Zuckerwatte, Schmalzgebäck, Pizza und Crêpes. Dort bleibt Liam stehen.

„Möchtest du einen Crêpe?“

„Sehr gerne! Mit Apfelmus, bitte.“ Mir läuft das Wasser im Mund zusammen. „Alles klar.“

Heute scheint er die Spendierhosen anzuhaben. Finanziell geht es ihm anscheinend nicht so schlecht …

„Danke schön!“ Er reicht mir die heiße Teigware.

„Nicht dafür, Süße.“

Genüsslich verspeisen wir unser Essen; wobei er es eher verschlingt. Ich klimpere nur einmal mit den Augen und zack, ist Liam bereits fertig.

Wir gehen langsam weiter. Während ich esse, erzählt er mir von Österreich.

„Ich habe zehn Kilo zugenommen. Hab mein Ziel erreicht. Lars war ganz neidisch auf mich. Am meisten habe ich am Bizeps und an der Brust zugelegt. Fabian ist auch beeindruckt. Als er mich gesehen hat, ist ihm das direkt aufgefallen“, prahlt er.

Mir ist es tatsächlich nicht entgangen, dass er ordentlich an Muskelmasse zugelegt hat. Steht ihm. Er wirkt erwachsener und männlicher. Seine Kinnpartie ist kantiger als vor seinem Österreichaufenthalt. Seine Haut strahlt in einem gold-braunen Ton.

Ja, er ist in der Zeit definitiv attraktiver geworden. Jedoch tue ich mich immer noch schwer damit, Komplimente zu machen. Sein Ego will wohl gestreichelt werden. Würde er keine Bestätigung von mir brauchen, würde er nicht ausgiebig über seinen Erfolg reden.

„Ja, ist auf jeden Fall nicht zu übersehen. Sieht gut aus“, zwinkere ich ihm zu.

„Danke.“ Süß lächelt er mich an.

„Du bist echt krass braun geworden in deinem Urlaub. Gefällt mir gut.“

„Ja, aber neben dir fühle ich mich immer noch wie ein Käse“, sage ich lachend.

„Ich habe Glück. Werde schnell braun. In einem schönen goldenen Ton.“

„Dem ist wohl so.“ Ich würde ihm gerne widersprechen, weil ich es nicht leiden kann, wenn man dermaßen selbstüberzeugt von sich spricht, aber ich kann es nicht. Es trifft nun mal zu.

Komisch, dass Liam es nötig hat, sich so aufzuplustern. Ein Außenstehender würde wahrscheinlich denken, dass er total selbstsicher ist. Jedoch ist das „fishing for compliments“, was er hier macht und jemand, der wirklich im Reinen mit sich ist, hat das nicht nötig.

Er ist stark von der Meinung von außen abhängig. Eine Sache, die dafür sorgt, dass ich ihn weniger als Mann und mehr als Jungen wahrnehme.

Nachdem meine Süßspeise vollständig in meinem Magen gelandet ist, habe ich das Bedürfnis, mir die Hände zu waschen. Dank des Apfelmus sind sie ziemlich klebrig. Liam stört das nicht, denn er greift nach meiner Hand und lässt sie nicht direkt wieder los. Er macht vor einer Geisterbahn halt und schaut mich erwartungsvoll an. Ich schüttle instinktiv mit dem Kopf. Ich hasse es, erschreckt zu werden!

„Komm schon, Mel. Seine keine Spielverderberin“, überredet er mich.

„Hm. Na gut. Aber ich warne dich vor. Ich bin schreckhaft!“

„Ach, so schlimm wird das schon nicht sein. Da fahren immerhin Kinder mit.“

„Das hat nichts zu sagen …“

Er zieht mich zum Schalter mit, um dort zwei Tickets für uns zu kaufen. Eine Fahrt kostet sage und schreibe fünf Euro! Eigentlich ist das der perfekte Pärchentag; so fühlt es sich jedenfalls an. Na ja, fast perfekt. Die Sache, dass er versucht, mich optisch so hinzubiegen, wie er mich gerne hätte, geht mir gegen den Strich. Klar, er hat mich in Rock und Stiefeln kennengelernt, aber es war wohl offensichtlich, dass das nicht mein Alltagskleidungsstil ist. Vor Österreich war es ihm egal, was ich trage.

Er hat sich noch nicht mal über meine schlichte Unterwäsche beschwert …

Ich werde mich auf jeden Fall nicht für ihn verstellen. Ich kann mich sexy kleiden, aber dann mache ich das für mich und weil ich darauf Lust habe; ansonsten fühle ich mich nicht wohl. Ach, man kann sich auch mal für einen Mann sexy kleiden, bringt sich mein Teufelchen ein. Der Versuch, mir das einzureden, gelingt nicht. In der Hinsicht bin ich stur.

Entweder ein Mann findet mich aufgrund meines Wesens sexy oder eben nicht. Ich will meine Weiblichkeit nicht provokant nach außen hin präsentieren, um den Mann zu manipulieren und so von mir zu überzeugen. Es fühlt sich falsch an, mit reiner Oberflächlichkeit zu punkten und zu blenden … Diese Fassade aufrechtzuerhalten, wäre mir viel zu anstrengend. Wenn man mit mir auf entsprechende Veranstaltungen geht, kann ich mich wie eine Lady kleiden und verhalten, aber privat mag ich es gemütlich und locker. Wenn man nicht mal vor seinem Partner rülpsen oder mal pupsen kann, weil das ja nicht ladylike ist, würde ich verrückt werden. Damit würde ich mir mein eigenes Gefängnis erbauen. Nein. Ein Mann muss mich für das lieben, was er in mir sieht und fühlt und nicht für das, was er oberflächlich mit seinen Augen erfasst. Schön, wenn er das dann auch tut, aber es sollte zweitrangig sein.

Liam sieht mich nicht. Dabei habe ich ihm schon einige Möglichkeiten gegeben, hinter meine Maske zu blicken.

Aber was erwarte ich von jemandem, der sich selbst über die Meinung anderer definiert. Obwohl er dem total widersprechen würde … Er tut auch krampfhaft das Gegenteil von dem, was man von ihm erwarten würde. Damit er sich als etwas Besonderes fühlt. Damit er anders ist als andere. Dafür will er anerkannt werden. Er spielt eigentlich in einer Tour eine Rolle.

Noch habe ich die Hoffnung aber nicht aufgegeben, dass er sich mir zeigt und ich sein wahres Ich kennenlernen darf.

Ohne diese ganze Show. Ohne diese widersprüchlichen Aussagen zu seiner Person.

Er hasst es angeblich im Mittelpunkt zu stehen, strippt aber und legt viel Wert darauf, wie er aussieht. Ich kann mich noch genau an seine Worte erinnern, als ich im Freibad war und ihm schrieb, dass dort alle Augen auf ihn gerichtet wären.

Vielleicht werde ich es aber auch nie zu sehen bekommen, weil er selbst nicht weiß, wer er in Wahrheit ist. Ein Mensch, der sein Leben von außen nach innen richtet und nicht von innen nach außen lebt, kann nur unbewusst sein. Er definiert seine Persönlichkeit über das, was er glaubt, sein zu müssen, um von anderen anerkannt, geschätzt und im besten Fall geliebt zu werden.

Wir setzen uns in den Achterbahnwagen. Die Vorkehrungen zu unserer Sicherheit werden getroffen. Von Sekunde zu Sekunde finde ich diese Idee immer schlechter. Ich umklammere die Stange, die fest in unseren Schoß gedrückt wird und schmiege mich mit meiner rechten Schulter an Liam an.

„Angst?“, fragt er cool.

„Jetzt definitiv!“, gebe ich zu.

Liam lächelt. Er sieht zufrieden aus. Seinem Lächeln schließe ich mich für einen kurzen Moment an, bis sich unser Wagen in Bewegung setzt und auch noch beginnt, sich nach links und rechts zu drehen. Am liebsten würde ich wieder aussteigen.

Die erste Tür öffnet sich. Wir fahren nach oben, Richtung Tageslicht. Noch ist nichts zum Gruseln. Ein paar Puppen stehen zur Dekoration an den Seiten und werden mit rotem Licht angeleuchtet. Als wir um die Kurve fahren, erschrecke ich mich aber beinahe zu Tode!

„Ahhh!“, kreische ich Liam laut ins Ohr und kralle mich an seinem Arm fest.

Einer der Darsteller hielt sich dort versteckt und kam genau in dem Moment hervor, als wir die Kurve passierten … Mit einem Schläger in der Hand. Er hat noch nicht mal einen Ton von sich gegeben …

„Musst du so schreien?“, fragt Liam, der versucht, weiterhin cool zu wirken, aber ich sehe ihm an, dass er sich über mich amüsiert.

„Das ist ein Reflex. Ich kann da nichts für“, rechtfertige ich mein Geschrei.

„Dann versuch den zu unterdrücken. Ich möchte am Ende dieser Fahrt nicht gehörlos sein.“ Ich muss lachen.

„Ich gebe mir Mühe, in die andere Richtung zu schreien.“

Vor jeder Kurve habe ich Angst, wieder erschreckt zu werden.

Ich löse meinen Griff von Liams Arm, als wir oben angekommen sind, um eine kurze Strecke den Ausblick genießen zu können, obwohl dieser nicht sonderlich besonders ist.

„Wuahhh!!!“, schreie ich und fahre zusammen. Natürlich musste direkt hinter der Tür, die wieder ins Dunkle führt, eine Frau stehen, die auf mich zukommt und mich anschreit.

Liam schüttelt mit dem Kopf, aber kann sich ein Lachen nicht verkneifen. Ich habe gespürt, dass er gezuckt hat. Aber wahrscheinlich hat ihn mein Losschreien mehr erschreckt als der Schrei der Schauspielerin. Auf jeden Fall scheint er Spaß mit mir zu haben.

Den Weg hoch fahren wir nun wieder herunter. Dass ich nichts sehen kann, macht mich fertig. Ich mag Dunkelheit nicht. Es nimmt mir die Kontrolle. Und alles, was ich nicht kontrollieren kann, finde ich doof. Na ja. Fast alles …

Links und rechts springen Puppen laut aus ihren Kästen oder fallen von der Decke; werden begleitet von Licht- und Soundeffekten. Ein paar lautere Töne verliere ich auf der restlichen Fahrt noch, aber nicht in dem Frequenzbereich, in dem Liams Gehör einen Schaden davon tragen könnte.

„Das war doch ganz witzig“, sage ich, als wir das Fahrgeschäft verlassen und er wieder meine Hand ergreift.

„War es, du Schreihals.“ Er festigt dabei impulsartig seinen Griff. Ich grinse ihn an.

„So, ich muss mir jetzt noch etwas zu essen kaufen. Muss genügend futtern, damit die Muskeln weiter wachsen.“

Am nächsten Stand kauft er sich ein Burgunder Brötchen.

„Wie viel willst du denn noch zulegen? Dachte, du hättest dein Ziel jetzt erreicht …“, hake ich nach.

„Da kann noch gut was drauf. Das war ja bloß mein Ziel für Österreich.“

„Oh. Okay. Aber verlierst du dadurch nicht deine Beweglichkeit?“

„Ja, das schon. Daher werde ich es nicht übertreiben. Aber in dem Business bekommt man mehr Angebote, wenn man ordentlich Muskeln hat. Und so lange werde ich diesen Job bestimmt nicht mehr machen können. Seitdem ich wieder hier bin, hab ich Schmerzen im Knie.“

„Das ist nicht gut …“, sage ich besorgt.

„Nein. Kommt wohl daher, dass ich von Österreich nach Hamburg durchgefahren bin und nur Tank- und Klopausen gemacht habe.“

„Du bist ja verrückt!“

„Ich wollte halt nach Hause.“

„Das kann ich natürlich verstehen.“

Nachdem er aufgegessen hat, nimmt er erneut meine Hand und wir verlassen schlendernd den Hamburger Dom. Ich weiß nicht, wo er als nächstes hin möchte, frage aber auch nicht nach. Wir überqueren die Ampel, die zum Kiez führt. Die entgegengesetzte Richtung zu seinem Auto. Ich bin doch zu neugierig …

„Was machen wir jetzt?“

„Wir gehen in die Alm, in der Lars und ich arbeiten. Ich hole den Wohnungsschlüssel ab“, zwinkert er mir zu.

„Okay. Warum wohnst du eigentlich nicht bei Fabian?“

„Fabian wohnt zu weit weg. Das mit Lars geht aber auch nicht auf längere Sicht. Das Zimmer ist für uns zwei zu klein und er selbst muss demnächst eine neue Wohnung finden, da sein WG-Kollege keine Lust mehr auf ihn hat. Für mich ist das auch kein Zustand. Die haben nicht mal eine anständige Küche. Kaum Geschirr. Lars erhofft sich leider, dass ich mit ihm zusammen eine WG gründe, aber darauf habe ich gar keinen Bock. Der ist wirklich sehr anhänglich. Bin froh, dass er arbeiten muss und ich jetzt Zeit mit dir verbringen kann. Nachher hab ich ihn dann nur ein paar Stunden an der Backe.“

Mein Herz erfreut sich über die Tatsache, dass er anscheinend wirklich gerne mit mir Zeit verbringt. Obwohl neben meinem Herzen bestimmt das Teufelchen sitzt und irgendwelche Knöpfe drückt …

„Also seid ihr gar keine dicken Freunde?“, fahre ich mit meiner Ausfragerei fort.

„Er ist an sich voll in Ordnung. Bin ihm auch dankbar, dass er mir den Job vermittelt hat. Aber er ist halt nicht das hellste Licht. Du hast ihn ja gesehen … Er stofft, trainiert nicht anständig und frisst nur Scheiße. Da frage ich mich, wieso er überhaupt stofft. Er steht in der Umkleide immer vor dem Spiegel, post und feiert sich selber. Seine Körperhaltung ist total für den Arsch, weil er meint, sich aufplustern zu müssen, um breiter auszusehen. Dadurch, dass er die Schultern so hochzieht, ragt sein Kopf viel zu sehr nach vorn.“

„Hast du ihm das mal gesagt, dass das nicht gut aussieht? Mir ist vorhin direkt aufgefallen, dass er gerne wie ein richtiger Kerl wirken möchte, aber das tut er nicht. Dadurch, dass er sich Gedanken darüber macht, wie er in der Außenwirkung cool wirkt, passiert das Gegenteil.“

„Nein, ich muss keinen Stress mit ihm anfangen. Er würde das eh nicht einsehen. Er meint ja auch, dass er mehr Glück bei den Frauen hat als ich. Was ganz offensichtlich nicht der Fall ist.“ Liam rollt mit den Augen.

„Da hat es wohl jemand nötig, sein Ego mit Lügen zu stärken.“

„Sieht ganz so aus. Der wird gleich doof gucken, wenn ich mit dir da antanze und den Schlüssel abhole.“ Er grinst schelmisch. Das scheint ihm zu gefallen.

„Die anderen Leute glotzen uns beide auch sehr neidisch an“, sagt er stolz. Ich runzle die Stirn.

„Ja, wahrscheinlich, weil ich halbnackt über den Kiez laufe mit einem braungebrannten, muskulösen Typen … Die denken bestimmt, dass ich hier arbeite und du mein Zuhälterfreund bist“, ziehe ich das Ganze ins Lächerliche.

Wie er darauf kommt, dass die anderen Menschen neidisch auf uns sind, verstehe ich nicht. Eigentlich ist er in der Hinsicht nicht besser als Lars. Er redet sich Dinge ebenfalls gerne schön, um sein Ego zu pushen.

„Haha. Kann auch sein. Aber wir sehen schon gut zusammen aus. Dein Bauch lässt sich eben wunderbar präsentieren.“

Oh! Ein Kompliment.

„Danke“, sage ich trocken, aber mit einem Grinsen.

Er sagt nichts, was wahrscheinlich daran liegt, dass sein Fokus auf die Boutique Bizarre gefallen ist.

„Wollen wir mal reinschauen?“, fragt er mich in einem Ton, der keine andere Antwort als ein Ja akzeptiert. Eigentlich hätte er mich gar nicht fragen brauchen. Vor allem, da ich selbstverständlich mit ihm in dieses Geschäft möchte!

Als wir die Treppen in die Fetischabteilung heruntergehen, begleitet mich eine unglaubliche Vorfreude. Ich erwarte nicht, dass wir etwas Neues kaufen. Für mich reicht schon die Tatsache, dass wir uns gemeinsam Dinge anschauen, die wir benutzen könnten. Zukünftig.

Wir bleiben direkt in dem kleinen Flur stehen, von dem der Raum zu den Dessous abgeht, wie auch der Raum, in dem sich die extremeren Toys, Filme, Latex- und Lederbekleidungen befinden.

Zwischen den beiden Bereichen ist eine Vitrine in die dunkelgraue Wand eingebaut, in der besonders teure Dinge ausgestellt sind.

Liams Blick fällt auf eine Gerte mit einem Diamanten besetzten Griff.

„Ich wüsste, wem das gut gefallen würde. Sie steht total auf alles, was glitzert“, kommentiert er das edle Toy.

Für einen kurzen Moment sucht mich ein merkwürdiges Gefühl heim. Hat er eine andere? Hat er eine in Österreich kennengelernt? Sofort verbanne ich diese Gedanken, denn immerhin würde er den Tag sonst nicht mit mir verbringen und vor allem würde er nicht Händchen mit mir halten. Bestimmt denkt er dabei an eine Freundin, die in der SM-Branche arbeitet. Nur war in seinen Worten keine Gleichgültigkeit zu spüren; es war nicht einfach bloß dahergeredet. In seiner Stimme lag ein Hauch von Emotion. Dennoch kann ich mich täuschen.

Wir gehen weiter zu den Schlagwerkzeugen. Den Floggern, Paddeln und Gerten. Als ich die Stränge eines der Flogger über meine Handfläche fahren lasse, steht Liam dicht hinter mir. Sehr dicht. Ich spüre seinen Oberkörper an meinem Rücken.

„Gefällt dir das?“, flüstert er mir leise von hinten ins Ohr. Ich nicke.

„Das dachte ich mir.“ Meine Armhärchen richten sich auf. Er weiß einfach, wie man eine erotische Spannung aufbaut.

„Hattest du hier nach Halsbändern geschaut?“

Ich richte meinen Blick nach oben. Diese hängen über den Peitschen an einer Stange.

„Ja. Genau. Damals hatte ich dir ein Bild von einem geschickt, was für mich in Ordnung gewesen wäre, aber eben nicht wirklich meinen Geschmack traf.“

„Die Auswahl ist wirklich nicht rosig. Du hast noch immer keines?“

„Nein, leider nicht“, sage ich kleinlaut.

„Dann suche weiter. Du wirst schon eines finden, was dir gefällt“, ermutigt er mich.

„Und, was dir gefällt“, ergänze ich.

„Es wird mir schon gefallen, wenn du dich damit wohl fühlst.“ Schöne Antwort.

„Was ist das?“ Ich habe mich vor einen Schrank gehockt. Eine Glasscheibe trennt mich von den skurrilen Dingen, die dort hell beleuchtet liegen. Er beugt sich zu mir und legt mir seine Hand auf meinen Rücken. Mir gefällt es, dass er den Körperkontakt zu mir sucht. Das gibt mir ein sicheres Gefühl.

„Das sind Stäbe, die sich der Mann in die Eichel einführen kann. Die gibt es in verschiedenen Größen“, erklärt er.

„Autsch. Tut das nicht weh?“, frage ich nach.

„Haha. Na sicher doch. Das ist ja der Sinn der Sache. Obwohl die dünneren bloß drücken und nicht wirklich wehtun. Ist schon ein geiles Gefühl. Also es geht in die Richtung Lustschmerz“, amüsiert er sich über mich. Ich habe den Eindruck, dass es ihm gefällt, wenn ich Fragen stelle, die er mir beantworten kann und wenn ich naiv bin. Manchmal sage ich Sachen, da frage ich mich, warum ich das gerade gesagt habe. Denn ich weiß ganz genau, dass meine Frage oder Aussage dumm ist.

Als würde ein Teil von mir wollen, dass Liam mich nicht als intelligente, selbstsichere Frau wahrnimmt, sondern als ein unwissendes, unsicheres Mädchen. Damit er sich überlegen fühlt? Damit ich mich ihm unterlegen fühle und somit zu ihm als dominanten Mann aufblicken kann? Ich habe keine Ahnung, wieso ich das tue. Wieso ich mein Licht unter den Scheffel stelle …

Liam klärt mich noch über ein paar der Werkzeuge auf. Zeigt mir überdimensionale Plugs, wirft mir einen frechen Blick zu, den ich mit einem „Komm-nicht-auf-dumme-Ideen-Blick“ erwidere.

„Keine Sorge. Du weißt, dass ich es nicht übertreibe mit dir.“

„Ja, ich weiß.“

Ich schmiege mich an seinen starken Oberarm.

„Gut. Die Plugs und den Rohrstock hast du noch nicht gekauft, oder?“

„Nein. Ich dachte ja, dass du später wiederkommst …“, begründe ich den Nichtkauf.

„Passt schon. Aber du wirst das noch besorgen.“

„Ja, werde ich.“ Ich habe nicht wirklich vor, mir diese Sachen zu kaufen …

Das wäre beinahe so, als würde ein zum Tode Verurteilter seine eigene Todesspritze vorbereiten. Ja, der Vergleich ist extrem. Dennoch fände ich es schöner, wenn er diese Dinge besorgen würde …

Wir verlassen das Geschäft, ohne etwas gekauft zu haben. Immerhin hat er überwiegend meine Hand gehalten und wir waren uns nahe. Mir hat der kurze Abstecher gefallen.

Ein paar Meter vor der Bar, lässt er meine Hand allerdings los. Was mir zeigt, dass er definitiv nicht will, dass sein Freund denkt, dass zwischen uns mehr läuft als Sex.

Diese Tatsache sorgt dafür, dass ich mich ein wenig wie ein Flittchen fühle.

Wir betreten die dunkle Bar, in der nur wenige Gäste sitzen. Um genau zu sein: ein Gast. Schlagermusik läuft, die einen Fluchtinstinkt in mir auslöst. Hoffentlich bleiben wir nicht zu lange.

Liam begrüßt seinen Kollegen und setzt sich auf einen der hölzernen Hocker an der Theke. Ich setze mich neben ihn und begrüße Lars mit einem kurzen „Hallo“.

Ich habe es zur Kenntnis genommen, dass sein Blick direkt auf meine nackte Haut fiel, als wir den Laden betreten haben. Das Gefühl, ein Flittchen zu sein, wurde dadurch verstärkt.

Liam hält einen kurzen Small Talk mit ihm und verabschiedet sich dann aufs Klo.

Lass uns bitte nicht alleine! Dieser unangenehme Moment des Schweigens. Ich rede nicht mit Lars. Er nicht mit mir. Verlegen schaut er auf den Fernseher, der sich hinter der Bar an der Wand befindet. Es läuft ein Fußballspiel. Ich krame in der Zeit mein Handy aus der Handtasche und tue so, als würde ich meine Nachrichten checken. Dabei habe ich keine einzige empfangen …

Liam braucht viel zu lange. Wahrscheinlich muss er groß. Das ist wieder klar, dass ich mir über so was Gedanken machen muss. Innerlich verdrehe ich die Augen und versuche, das Bild von Liam, auf dem Klo sitzend und sein großes Geschäft verrichtend, loszuwerden. Als er wiederkommt, kann ich mir ein Grinsen nicht verkneifen. Glücklicherweise merkt er es nicht und fragt somit nicht, was ich so lustig finde.

„Wollen wir?“ Er legt seine Hand auf meinen unteren Rücken.

„Sofort. Ich muss auch eben auf die Toilette.“

Besser hier als bei Lars in der Wohnung …

Während ich meine Blase entleere, frage ich mich, ob er und Lars gerade über mich sprechen. Das werde ich wohl nie erfahren …

Als ich die Treppen hochkomme, sehe ich, wie die beiden auf den Bildschirm starren.

Dabei kann Liam eigentlich nichts mit Fußball anfangen. Möglicherweise hatten sie keinen Gesprächsstoff.

„Wir sehen uns dann später, Diggi!“, verabschiedet er sich von Lars.

„Tschau und viel Spaß euch beiden!“

Unangenehmes Gefühl, zu wissen, dass er ahnt, was Liam und ich nun vorhaben. In seinem Zimmer.

„Wir fahren mit dem Auto hin. Ansonsten müsste ich es später holen und darauf habe ich keine Lust. Außerdem muss ich dringend tanken“, sagt er, nachdem wir die Alm verlassen haben.

„Okay.“

Ein paar Meter hinter der Bar nimmt er meine Hand. Dadurch fühle ich mich ein wenig besser.

Die Touristen, die draußen sitzen und ein kühles Astra genießen, scannen uns von oben bis unten ab. Es ist so auffällig, dass selbst mir das nicht entgeht.

Ich versuche, die Blicke auszublenden. Im Gegensatz zu Liam möchte ich nicht auffallen.

Als wir im Auto sitzen, erwarte ich, dass ich irgendetwas tun muss, um meine Lust in Fahrt zu bringen, aber Liam fährt direkt zur Tankstelle, fragt mich, ob ich etwas aus dem Shop haben möchte, was ich dankend ablehne, bringt sich selbst die obligatorischen Energydrinks mit und fährt uns dann zu Lars Wohnung, die wir nur wenige Minuten später erreichen.

Wir befinden uns in der Nähe der S-Bahn Königsstraße. Hier kenne ich mich nicht aus. Aber es ist grüner, als ich gedacht habe. Dafür, dass wir uns in der Nähe der Reeperbahn befinden, wirkt die Straße ziemlich ruhig.

Die WG liegt im Erdgeschoss. Endlich mal keine endlosen Stufen, die erklungen werden müssen …

Wir stehen in einem viereckigen Flur, von dem alle Zimmer abgehen. Liam geht direkt in Lars Zimmer. Eine Wohnungsführung gibt es nicht.

Ich folge ihm. Der Raum ist super klein. Rechteckig geschnitten. Am Zimmerende ist das Fenster. Davor steht ein hohes, großes Bett, rechts von uns ein kleines Sofa und links ein Fernseher auf einer niedrigen Kommode. Ich erblicke die Playstation.

„Zockt ihr gemeinsam?“, unterbreche ich die Stille.

„Ja, mehr kann man hier auch nicht machen. Wir verbringen für meinen Geschmack zu viel Zeit zusammen, da hat man kaum noch etwas, worüber man quatschen kann.“

„Und wo schläfst du hier? Ihr schlaft nicht zusammen in dem Bett, oder?“, frage ich naiv.

„Haha. Natürlich nicht! Hier. Auf dem Sofa.“ Er deutet mit seiner Hand auf die viel zu kurze Schlafgelegenheit.

„Da passt du aber nicht ganz drauf …“

„Gut erkannt. Daher will ich hier schnellstens raus. Das ist kein Zustand.“

„Kannst du so überhaupt schlafen?“

„Ich muss halt mit meinem Kopf am Bettende schlafen. Also sozusagen an seinen Füßen, damit meine Füße über den Rand zur Tür ragen können. Viel schlafen tue ich ja eh nicht.“

„Das klingt definitiv nicht angenehm“, sage ich mitfühlend.

Ich frage mich, ob wir nun in Lars Bett Sex haben werden und erhalte direkt eine Antwort.

„Ist es auch nicht. Lars ist nicht davon begeistert, dass du jetzt hier bist. Noch ein Grund, eine eigene Wohnung zu finden. Sein Bett ist tabu.“ Liam geht an eine Sporttasche, die hinter der Tür verstaut liegt, und holt ein Handtuch hervor, welches er auf seinem Schlafplatz auslegt.

Nun weiß ich, wo das Spektakel stattfinden wird. Leider ist die Erregung von vorhin längst verflogen. Ich bedaure es sehr, dass wir nicht direkt da weitermachen können, wo wir aufgehört haben.

Ich hätte gerne erfahren, wohin mich diese neu empfundene Lust geführt hätte.

In der Möglichkeitsform zu denken, ist reine Zeitverschwendung. Ich sollte mich auf das Jetzt konzentrieren und nicht den vergangenen Gefühlen hinterhertrauern.

„Hol mal aus dem Kofferraum die weiße Tüte. Die hab ich vergessen.“ Liam drückt mir den Autoschlüssel in die Hand.

„Warum gehst du nicht selbst?“ Ein Blick genügt …

„Okay, ich gehe eben“, sage ich schnell, bevor es Ärger gibt. „Klingel nicht, sondern klopf ans Fenster. Die Klingel funktioniert nämlich nicht.“

„Komme ich da denn an?“

„So klein bist du nicht. Los jetzt.“

Ohne etwas zu entgegnen, setze ich mich in Bewegung.

Natürlich bin ich mal wieder zu blond und habe Probleme, den Kofferraum aufzubekommen. Da ich nicht zu lange wegbleiben will, damit Liam nicht nachfragt, was ich getrieben habe, setzt mich das nur noch mehr unter Druck, aber ich bekomme das Schloß auf gut Glück entriegelt. Ich greife nach der weißen Tüte und bin mir sicher, dass es sich dabei um die altbekannte Wundertüte handeln muss.

Er will also nicht bloß mit mir vögeln …

Ich schließe das Auto wieder ab und gehe zurück zum Haus. Ohne Weiteres komme ich allerdings nicht an das Fenster. Liam hat meine Größe überschätzt. Ich stelle mich auf die Zehenspitzen und klopfe zweimal gegen das schmutzige Glas. Wenige Sekunden später ertönt der Türsummer.

Langsam bilden sich kleine Ameisen in meinem Bauch. Das Kribbeln der Vorfreude.

„Und? Alles geklappt?“, empfängt er mich im Flur. Leider noch vollkommen bekleidet. Sein T-Shirt hätte er gerne schon mal ablegen können.

„Klar!“ Ich überreiche ihm die Tüte und seinen Autoschlüssel.

„Prima.“ Er geht in Lars Zimmer. Ich folge. Er setzt sich auf das Sofa und legt die Tüte neben sich ab.

„Zieh dich aus.“ Der tiefe Klang, der aus seiner Kehle ertönt, durchdringt mich.

Schon damals habe ich keine Unsicherheit gefühlt, als ich mich in seiner WG in Harburg entkleiden sollte. Doch war damals eine unterbewusste Unsicherheit vorhanden. Jetzt fühle ich mich anders. Wesentlich sicherer. Was daran liegen mag, dass ich ihm Aufnahmen von mir geschickt habe, die mich nach meinem Empfinden nicht gerade vorteilhaft präsentiert haben und da er nun dort sitzt, mich lüstern anschaut, ist es ziemlich klar, dass ich mich definitiv für nichts schämen brauche.

Würde ihn etwas stören, wäre ich nicht hier.

Es sei denn, er ist total notgeil und bekommt nichts Besseres ab … Mein Engelchen gönnt mir Liams Interesse nicht. Ich bin eine gute Partie. Notgeil ist er, aber das heißt nicht, dass er mich nur für sexuelle Zwecke benutzt. Er muss mich mögen.

Bevor mich meine Gedanken wieder davon abhalten, Lust zu empfinden, stelle ich sie ab und konzentriere mich nur noch auf Liam und mich.

„Sehr schön“, kommentiert er meinen nackten Körper.

„Komm her. Beug dich vor.“ Seine Anweisungen gibt er von sich, während er mit der Tüte in der Hand aufsteht. Ich suche Halt an der Rückenlehne des Sofas.

„Die Nippelklemmen sind noch im Auto?“

„Ja, die hatte ich nicht mitgenommen. Die liegen noch vorne im Handschuhfach.“

„Hm. Ok. Egal.“ Ich bin froh, dass sie im Auto liegen. Meine Nippel sind bereits wund genug. Meine Pussy erhofft sich ein Wiedersehen mit dem großen schwarzen Gummidildo.

Eine G-Punkt Massage wäre jetzt genau das Richtige. Doch es kommt anders. Ganz anders.

„Ahhh!“, schreie ich laut auf und werde dann ganz leise. Mein Puls erhöht sich schlagartig. Meine Nägel vergraben sich im Material der Couch. Das ist definitiv nicht der Dildo, der in meiner Vagina steckt. Ich vermute, dass es sich dabei um den Analplug handelt. Es sei denn, Liam hat sich in der Zwischenzeit ein paar neue Toys zugelegt.

„Das tut verdammt weh!“, jammere ich.

„Stell dich nicht so an“, zeigt er keinerlei Mitgefühl.

„Ohne Spaß. Es tut echt weh.“ Dieses Druckgefühl ist mit das unangenehmste, was ich je gefühlt habe. Beinahe schlimmer als meine Analentjungferung. Beinahe? Definitiv ist es schlimmer! Das gleicht wahrscheinlich der Praktik Fisting. Ob es sich so anfühlt, wenn man ein Kind gebärt? Dann möchte ich noch weniger Kinder haben, als es jetzt schon der Fall ist.

„Fühlt es sich kein bisschen gut an, so ausgefüllt zu sein?“, fragt er nach; die Erregung in seiner Stimme ist kaum zu überhören.

„Nein. Überhaupt nicht. Kein Fünkchen.“

„Entspann dich und versuche, dich daran zu gewöhnen“, bleibt er stur.

Der Schmerz lässt tatsächlich ein wenig nach, aber der Druck bleibt. Wenn ich mich bewege, wird der Schmerz mit Sicherheit aufs Neue entfacht.

„Kannst du das Ding bitte rausnehmen? Bitte, Sir“, winsele ich.

„Wenn du feiern gehst, wirst du das Teil tragen, damit kein anderer Kerl dich ficken kann“, klingt es bestimmend aus seiner Kehle.

„Mit dem Teil kann ich mich kein Stück bewegen. Ich würde also direkt zu Hause bleiben“, argumentiere ich zickig.

„Noch besser.“ Erneut zeigt er mir ein eifersüchtiges Verhalten. Hör hin, Engelchen. Ich muss ihm etwas bedeuten. Ansonsten wäre es ihm total egal, ob ich mit einem anderen vögle.

Er will dich nicht teilen, weil du ihm so sehr am Herzen liegst, sondern weil du bloß sein Besitz bist. Sein Spielzeug. Kein Kind teilt sein Spielzeug gerne mit anderen, kontert es.

Ich will diesen Worten keinen Glauben schenken. Mein Verstand sagt mir, dass Liam Gefühle für mich hegt. Gleichzeitig sitzt jedoch ein tiefer Zweifel in meiner Seele.

Als er es entfernt, bekomme ich einen Schweißausbruch. Wenn ich dachte, das Einführen sei schlimm gewesen, bin ich jetzt eines Besseren belehrt worden.

„Jesus Maria!“, fluche ich. Ich lasse mich mit den Knien auf das Handtuch, was auf dem Sofa liegt, fallen und lege meine Stirn auf der Rückenlehne ab. Ich versuche, den Schmerz wegzuatmen.

Währenddessen scheint sich Liam zu entkleiden. Ich höre das Öffnen des Reißverschlusses seiner Jeanshose.

„So. Komm, hoch mit dir.“ Er packt meinen Arm und zieht mich in den Stand. Ich fühle mich vaginal unglaublich gedehnt. Der Gedanke gefällt mir nicht. Hoffentlich ist es nicht wie nach dem Analverkehr, dass man ein paar Tage danach noch Probleme beim Sitzen hat. Vaginal stelle ich mir das um einiges unangenehmer vor. Vor allem möchte ich nicht, dass meine Lusthöhle einer großen Grotte gleicht. Dann wäre es beim Sex mit ihm so, als würde man eine Salami in einen großen Flur werfen. Keine schöne Vorstellung.

Ich bin enttäuscht, weil sich keine richtige Lust bei mir bemerkbar macht. Aber wie auch? Ich bin nun mal nicht masochistisch. Und anstatt, dass er sich um mich kümmert, sitzt er wie King Lui mit seinem nackten Knackarsch auf dem Handtuch und sieht mich erwartungsvoll an.

„Blas mir einen, meine kleine Sklavin.“

Er macht seine Beine breit, damit ich mich zwischen sie setzen kann. Ich spüre eine kleine Flamme der Lust auflackern. Ich blase wirklich gerne. Vor allem sehe ich, dass sein Schwanz noch kaum durchblutet ist. Ich komme also in den Genuss, ihn in meinem Mund wachsen zu spüren. Auf der anderen Seite wundert mich das. Er meint doch, er sei sadistisch. Hätte meine Reaktion in ihm nicht etwas auslösen müssen? Vielleicht ist er nicht diese Art von Sadist …

Ich knie mich vor ihm hin. Der Boden ist hart und kalt. Ein Kissen wäre jetzt schön …

Ich umfasse seine Eichel und schiebe die Vorhaut langsam zurück. Ein wenig mehr Härte benötige ich noch, um ihn in meinem Mund in Empfang nehmen zu wollen.

Bevor er komplett steif ist, nehme ich ihn zwischen meine Lippen. Sie umschmeicheln seine weiche Haut. Ich spüre die Struktur seiner Adern. Er schmeckt ein wenig salzig. Wahrscheinlich ist es Schweiß. Erinnert mich an die Nordsee.

Riechen tut er nach purer Männlichkeit. Zwischen meinen Schenkel spüre ich die immer mehr werdende Nässe. Sein Phallus pulsiert an meiner Zunge. Um den Blowjob abwechslungsreicher zu gestalten, bewege ich mich mit meinen Lippen zu seinen Eiern. Und da erblicke ich es. Auf der Innenseite seines linken Oberschenkels. Ich versuche, mir den Schreck, den emotionalen Schock, nicht anmerken zu lassen. Mein Mund nimmt seinen linken Hoden auf und saugt nicht zaghaft an ihm, während mein Blick auf dem in seine Haut eingeritzten Herz liegt.

Die Fragen in meinem Kopf überwerfen sich. Hat er doch eine Frau in Österreich kennengelernt? Eine dominante Frau, die ihm dieses Herz verpasst hat? Mein Herz spürt ein Stechen. Meine Pussy zieht sich zusammen und sorgt nicht mehr für feuchten Nachschub.

Mel, ignoriere es. Verdränge es. Das tue ich. Den Mut, ihn zu fragen, wie dieses Herz auf sein Bein gekommen ist, habe ich nicht. Außerdem möchte ich die lusterfüllte Stimmung nicht kaputt machen. Na ja … seine Stimmung zumindest nicht.

„Ein bisschen sanfter, bitte“, stöhnt Liam. Wahrscheinlich mehr vor Schmerz als vor Lust. So masochistisch ist er wohl nicht. Ich lasse meinen Frust nicht weiter an seinen Hoden aus, sondern fahre mit seinem Penis fort. Ich sauge und sauge. Beiße und knabbere. Ich weiß, dass es ihn richtig in Fahrt bringen kann, wenn ich meine Zähne einsetze, aber heute scheint das nicht der Fall zu sein. Dabei spüre ich ein tiefes Verlangen danach. Ich möchte grob zu ihm sein. Ich zwicke ihm in seine Eichel.

Was das Fass zum Überlaufen bringt. Liam wendet sich von meinem Mund ab, steht auf und stellt sich hinter mich. Immerhin will er mich jetzt endlich ficken. Wird auch mal Zeit. Fast drei Monate habe ich darauf gewartet. Auf diesen Augenblick. Auf das Gefühl, ihn in mir zu haben. Meine Vagina erlebt heute ein auf und ab. Schon bin ich bereit, von ihm genommen zu werden.

Trotz des Schmerzes, ausgelöst durch den konischen Analplug von vorhin und der Entdeckung auf seinem Oberschenkel, bin ich total nass.

Es ist ein Genuss, als er schön langsam in mich eindringt. Es brennt ein wenig. Aber die Erregung überwiegt, sodass es ein süßlicher Schmerz ist, der meine Lust sogar fördert.

„Mache ein Hohlkreuz“, sagt er mit einer Strenge, die mich seine sehr präsente Autorität spüren lässt. Von hinten im Stehen ist nicht meine Position. Ich bin nicht so gelenkig, wie er mich gerne hätte. Ich versuche, ihm meinen Po entgegenzustrecken, sodass er besser in mir bleibt und nicht ständig aus mir herausfluppt. Aber es mag nicht gelingen. Glücklicherweise ist Liam nicht der Typ Mann, der einfach aufgibt. Trotzdem fühle ich mich ein wenig als Versagerin …

„Knie dich auf das Sofa.“

Diese Stellung gefällt mir um einiges besser. Ich suche Halt an der Rückenlehne. Von der Sanftheit, mit der er in mich eingedrungen ist, ist keine Spur mehr vorhanden. Er fickt mich hart. Hart und schnell. Seine Finger krallen sich in meiner Hüfte fest. So fest, dass ich glaube, dass seine Fingerkuppen ihre Spuren auf meiner Haut hinterlassen werden. Meine Begeisterung lässt leider schnell nach. Vielmehr sehne ich mich nach innigem Sex. Das, was hier gerade passiert, ist grob und oberflächlich. Als diene mein Loch nur, um seinen Trieb zu befriedigen. Da ist keinerlei Nähe. Keine Leidenschaft. Nur bloßes Ficken. Wie gerne hätte ich, dass er mich küsst. Wir uns in die Augen schauen, während wir eins miteinander werden. Ich mag es wild und unbändig. Nur jetzt gerade ist es nicht das, was ich brauche. Dieser Moment triggert die Situation von heute Nachmittag, in der ich mich wie ein Flittchen gefühlt habe; immerhin wie sein Flittchen. Aber ist es das, was ich will? Seine Bitch sein? Mein Ego will ganz eindeutig mehr. Und meine Seele gibt sich mit dem, was gerade passiert, überhaupt nicht zufrieden.

Die Enttäuschung bläht sich wie ein riesiger Ballon auf. Er darf nur nicht platzen! Nicht jetzt! Wie peinlich wäre es, würde ich losheulen, während er mich vögelt … Gut, ich könnte so tun, als würde ich den Orgasmus meines Lebens haben.

Doch ein physischer Schmerz, der jegliche bisherige Erfahrungen in den Schatten stellt, reißt mich aus der Enttäuschung heraus und schmeißt mich zurück in die Realität. Ins Hier und Jetzt.

„Scheiße!!! Verdammt!!!“, fluche ich. Eben noch hätte mich beinahe der emotionale Schmerz zum Weinen gebracht und nun kämpfe ich mit den Tränen, die der unsagbare Schmerz in meinem Anus auslöst.

Ich rutsche von der Couch und sinke auf dem Boden zusammen.

Liam ist am Ziel vorbeigeschossen. Mit voller Wucht hat er die Hintertür mit seinem Schwanz eingetreten. Schweiß dringt mir durch jegliche Poren. In meinem Kopf herrscht eine plötzliche Funkstille. Da ist nur ein plagender Druck. Ein quälendes Brennen. Er hat sich vor Schreck direkt wieder aus mir herausgezogen.

„Das war nicht meine Absicht“, entschuldigt er sich. Aber statt mich zu trösten, setzt er sich hin.

„Komm auf mich drauf.“ Ein wenig mehr Mitgefühl wäre schon angebracht …

„Ich brauche noch einen Moment. Ich kann mich nicht bewegen.“

„Steigere dich nicht zu sehr hinein. Lass direkt weitermachen. Dann wirst du sehen, dass es schnell besser wird“, redet er ruhig auf mich ein.

Er will mich also ablenken und meint, mir so zu helfen. Eine Umarmung hätte es auch getan.

Aber ich möchte keine Spaßbremse sein und raffe mich auf. Unter Schmerzen lasse ich mich auf seinem Schoß nieder. Der erste Schock ist überwunden, dennoch klingt dieses unangenehme Gefühl nicht so schnell ab wie erhofft. Liam stöhnt lauf auf, als ich seinen Phallus genüsslich in meiner Vagina aufnehme. Die Stellung ist immerhin ein Upgrade zu eben. Wir können uns ansehen und ich kann ihn berühren.

„Krass, wie er einfach so rein ging“, grinst er mich frech an, während ich ihn langsam reite.

„Ja, das hat mich auch überrascht. Diesen Schmerz werde ich aber mit Sicherheit nie vergessen.“

„Fick mich, meine kleine Sklavin.“ Er senkt den Blick. Lust flackert in seinen Augen auf. Es ist schön, anzusehen. Seine Erregung weckt ein Gefühl in mir, das mir in irgendeiner Form Befriedigung schenkt.

Am liebsten würde ich seine Geilheit steigern, nur sitze ich nicht gerne oben beziehungsweise reite ich nicht gerne. Die Angst, ihm und mir wehzutun, ist anwesend. Einmal hatte ich David beim Reiten Schmerzen zugefügt. Ich war dabei immer behutsam vorgegangen und dennoch ist es passiert. Seitdem mag ich es noch weniger, die Aktive zu sein. Ich möchte nicht dafür verantwortlich sein, ihm seinen Stängel zu brechen.

„Mel! Fick mich!“, äußert er verlangend. Rein und wieder raus. Runter und wieder hoch. Ich erhöhe den Rhythmus um ein Minimum. Es genügt ihm nicht. Er braucht mehr. Er braucht es härter. Und so umschlingt er meine Taille mit seinen kräftigen Händen, hebt mich an und stößt sein Glied wie ein wildes Tier in mich hinein. Seine Schultern geben mir den nötigen Halt, um nicht durch die Decke zu fliegen. Wie eine Maschine stochert er in mich ein. Meine lackierten Nägel klammern sich tiefer in seine Haut.

Meine Pussy ist feucht und weit, obwohl ich alles andere bin als entspannt. Ich bin geil, aber gleichzeitig fühle ich nichts. Kein Fünkchen Lust. Ein Paradoxon.

Ich vergrabe meinen Kopf in seiner Halsbeuge. Keuche in sie hinein. Liam müsste jeden Moment in mir explodieren. Aber er tut es nicht. Stattdessen hebt er mich von sich und positioniert seinen Schwanz vor meinem Gesicht.

„Mund auf.“ Nach ein paar wenigen Stößen in meinen Mundraum, ergießt er sich in mir und ich schlucke die warme, klebrige Masse herunter.

Als Dank gibt er mir einen Kuss auf die Stirn, zieht sich direkt seine Boxershorts an, nimmt den Analplug und den Dildo von der Kommode und reicht sie mir. „Sauber machen“, sagt er bestimmend, gefolgt von einem kleinen Lächeln.

„Wo ist das Bad?“, frage ich.

„Wenn du im Flur stehst, wirst du es schon sehen.“

Tatsächlich ist es ziemlich eindeutig, wo ich hin muss. Das Badezimmer ist recht klein. Für eine Männer-WG ausreichend.

Während ich den Plug mit Seife und lauwarmen Wasser reinige, fällt mir auf, wie dick er wirklich ist. Kein Wunder, dass ich das Gefühl hatte, ein Kind zu gebären. Gut, das ist übertrieben. Nur frage ich mich, was das für Schmerzen sein müssen, wenn man ein Baby auf die Welt bringt … Trotz Adrenalin muss das die Hölle sein.

Nachdem ich fertig bin, überlege ich, ob ich auf Klo gehen sollte, um meine Blase zu entleeren, aber ich muss nicht und entscheide mich daher, nachher zu Hause zu gehen.

„Ich muss leider gleich zur Arbeit“, sagt er demotiviert.

Ich weiß nicht, ob er allgemein keinen Bock hat oder ob er lieber noch Zeit mit mir verbringen möchte …

Nachfragen tue ich nicht. Stattdessen kleide ich mich hurtig an, damit wir los können. Mein Oberteil stopfe ich wieder in die Seiten meines BHs.

Die weiße Tüte mit den Toys verstaut Liam im Kofferraum.

„Wir haben jetzt noch zwanzig Minuten. Ich würde gerne zu Fabian, um ihm Hallo zu sagen.“

„Geht klar.“ Und somit gehen wir Richtung Reeperbahn.

Fabian begrüßt Liam freudestrahlend, als wir den Fitnessstore betreten. Mich natürlich auch.

Die beiden unterhalten sich anregend. Aus diesem Laden geht man immer mit guter Laune heraus, weil seine Energie ansteckend ist und er einen tollen Humor hat.

Dank der vielen Lacher vergeht die Zeit jedoch noch schneller als gewöhnlich.

Kurz bevor Liam los will, treten Sophia und Josh über die Türschwelle. Was für ein Zufall!

„Was macht ihr denn hier?“ Beide schauen leicht überrascht, als sie Liam und mich entdecken.

„Ich brauche neues Whey“, beantwortet mein Bruder meine Frage.

„Kleine. Ich muss los jetzt. Wir schreiben.“ Liam verabschiedet sich mit einer festen, kurzen Umarmung bei mir. Und weg ist er.

„Cool, dann können wir ja gemeinsam nach Hause fahren“, wende ich mich den beiden zu.

Ich bin froh darüber, da ich ihnen, wenn wir in der Bahn sitzen, von meiner Entdeckung auf Liams Oberschenkel erzählen kann.

Wir verbringen eine gute Stunde bei Fabian, weil er so viel redet. Aber es ist verdammt interessant, was er uns erzählt.

So viel kostenloses Wissen über Gesundheit, Sport und Ernährung bekommt man sonst nirgendwo.

Mit neuen Erkenntnissen und neuen Supplements geht es zurück nach Hause.

„Und? Wie war’s mit Liam?“, stochert Sophia nach, nachdem wir uns in der U-Bahn niedergelassen haben.

„Aufregend, schön und zu kurz. Und verwirrend“, gebe ich nur preis.

„Hat er mit dir das Gespräch gesucht?“, hakt Joshi nach.

„Nein. Hat er leider nicht.“

„Dann weißt du also nicht, woran du bist?“

„Nein. Keine Ahnung, was das jetzt zwischen uns ist. Die Sache ist, dass ich auf seinem Oberschenkel auch noch ein kleines eingeritztes Herz entdeckt habe …“

„Was?!“, kommt es aus beiden Mündern im Chor gerufen.

„Ja. Keine Ahnung, ob er das selbst war oder ob es eine Frau bei ihm gemacht hat.“ Ich spüre, dass es mir nahe geht, obwohl ich nicht möchte, dass mich diese Tatsache verletzt.

„So krank wie der ist, kann er das auch selbst gemacht haben.“ Sophias Meinung über Liam ist nicht gerade positiv. Obwohl er ihr den einen Flogger für ihr Outfit für die Abi-Mottowoche geliehen hat … Sie ist als Domina gegangen und sah mit der Peitsche super authentisch aus. Ihre dunklen Haare zu einem glatten, strengen Zopf gebunden, ein schwarzes, freches Kleid, dazu schwarze, geschnürte Stiefel. Man hat ihr die Rolle total abgekauft.

Ihre Meinung über ihn fiel ins Negative, als sie mich bat, ihr seine Nummer zu geben, weil sie ihn etwas über Ernährung fragen wollte. Er beantwortete ihre Frage und fing dann aber an, mit ihr über andere Themen zu schreiben. Es ging natürlich in die sexuelle Richtung. Sophia ist aber sehr schlagfertig und hat das Ganze ins Lächerliche gezogen, was Liam nicht wirklich verstand. Ironie und Sarkasmus zu durchschauen, ist durchaus eine seiner Schwächen.

Ich habe dem Ganzen nicht viel Bedeutung beigemessen. Liam ist nun mal ein Mann, der offen mit seiner Sexualität umgeht und mit Sicherheit auch mit anderen Frauen flirtet.

Dabei fällt mir eine kurze schriftliche Konversation ein …

Ich hatte einen schlechten Tag und war genervt von ihm. Ich meinte zu ihm, dass er seinen anderen Frauen schreiben und nach Befehlen fragen soll. Er schrieb mir daraufhin, dass es nur mich gäbe. Das war vor seinem Österreichaufenthalt.

Ich kann ihm das nicht so recht glauben. Vor allem, wenn er selbst mit Sophia über Intimes schreibt, obwohl er weiß, dass sie mit meinem Bruder zusammen ist. Und jetzt dieses Herz …

In mir herrscht schon wieder ein Chaos. Es ist mir egal, sollte es neben mir andere Frauen geben. Auf der anderen Seite gefällt es mir ganz und gar nicht.

„Aber warum sollte er sich ein Herz selbst ritzen?“, wendet Josh ein.

„Liebeskummer?“, äußere ich eine intuitive Vermutung. Beide nicken.

„Ich werde später Antonella fragen, was sie über die ganze Sache denkt. Lasst uns über was anderes sprechen.“

Denn ich merke, wie meine Laune immer schlechter wird, was schade ist, da der Tag bisher grundsätzlich schön war.

Gegen Abend bekomme ich eine Nachricht von Liam, die mein Teufelchen freut und mein Engelchen in Zorn versetzt.

Ich hätte wirklich gerne noch länger Zeit mit dir verbracht!

Das freut mich. Ich auch mit dir. Aber es ist ja auch gut, dass du so schnell einen Job bekommen hast.

Das stimmt. Trotzdem wäre es wesentlich reizvoller gewesen, mich noch intensiver mit dir zu beschäftigen. ;)

Das hoffe ich doch. ;)

Bist du denn gut nach Hause gekommen?

Ja, wir waren noch eine Stunde bei Fabian …

Haha. Bei ihm kommt man immer nicht weg.

Das ist wahr. Aber macht immer Spaß bei ihm.

Ja, er ist fast wie ein Vater für mich. Er sagt auch selbst bei anderen, ich sei wie sein Sohn.

Das ist süß. Dann habt ihr echt ein enges Verhältnis.

Definitiv. Wir gehen sonntags auch immer gemeinsam in die Sauna. Ich schick dir mal ein Video, das ich von ihm gemacht habe. Mit ihm ist man echt nur am Lachen.

Er schickt mir ein Video von Fabian, in dem er einen Sumoringer imitiert. Er hat sich sämtliche Handtücher als eine Art Windel gebunden und die Körperhaltung eines Sumoringers eingenommen. Es ist herrlich, zu sehen, dass ein erwachsener Mann sein inneres Kind nicht verloren hat. Seiner Männlichkeit tut das keinen Abbruch. So viel Herzlichkeit und Lebensfreude wünsche ich mir von einem Mann. Liam hat für mein Gefühl zu wenig davon. Aber er sagt ja selbst von sich, dass er unter Depressionen leidet …

Mit ihm wird es echt nicht langweilig! :D

Würde mich nicht wundern, wenn wir irgendwann Hausverbot bekommen würden.

Gibt ja noch andere Thermen.

Die ist nur besonders günstig …

Gut, dass wäre dann schon ärgerlich.

Und damit ist unsere Unterhaltung vorerst beendet. Liam antwortet nicht mehr.

Ich muss Antonella noch beichten, dass ich heute ein Treffen mit ihm hatte … Wenn ich ihr erst morgen davon erzähle, wird sie mir das bestimmt vorwerfen.

Hey, Toni!

Alles gut bei dir?

Hey, Süße.

Alles super. Was geht bei dir?

Ich habe gehofft, dass du online bist. Ich hatte heute mein erstes Wiedersehen mit Liam.

Was? Und warum erfahre ich erst jetzt davon?

Weil ich nicht das Bedürfnis hatte, es schon im Vorwege zu erwähnen … Ich wollte es erst mal hinter mich bringen.

Hm. Na gut. Und? Was habt ihr gemacht? Wie lief es? Gab es das Gespräch, worauf du nun sehnlichst gewartet hast?

Das Gespräch gab es nicht … An sich war es ein schöner Tag. Wir waren im Planten un Blomen Park spazieren und sind danach über den Dom geschlendert. Er hatte heute seine Spendierhosen an. Es gab ein Eis, ein Crêpe und eine Geisterbahnfahrt. Wir haben Händchen gehalten. Es hat sich gut angefühlt, aber irgendwie … so richtig genießen konnte ich es nicht.

Ich schicke das bisher Geschriebene ab und warte auf Tonis Antwort, die direkt folgt.

Ganz ehrlich: Ich habe erwartet, dass es das Gespräch nicht geben wird. Liam wird doch sehr stark von seinen Emotionen gelenkt. In dem Moment hatte er bestimmt das Bedürfnis mit dir zu reden und dir seine Gedanken mitzuteilen, aber es ist zu viel Zeit vergangen. Es ist ihm mittlerweile wohl wieder unwichtig geworden.

Dass dich das Händchenhalten nicht vollends erfüllt, ist logisch. Du kannst dich dem nicht hingeben und es nicht genießen, weil du dich emotional abgrenzt und schützt, weil es nicht klar ist, wo das zwischen euch noch hinführen kann.

Du hast recht. Mit allem. Unsere Situation verunsichert mich. Sein Verhalten sorgt dafür, dass ich mir Hoffnungen mache, aber auf der anderen Seite zeigt es mir auch, dass ich mein eigenes Ding machen sollte und das Ganze bloß als eine bereichernde Erfahrung sehen sollte …

Vielleicht sorgst du mal für Klarheit? Mein Bauchgefühl sagt mir, dass du dich auf dich konzentrieren solltest. Er beeinflusst dich emotional schon ziemlich. Vielleicht nicht mehr so wie vor einigen Wochen noch, aber so ganz losgelassen, hast du ihn nicht.

Ich lasse es einfach laufen. Es wird sich schon zeigen, was aus uns werden wird. Eine Sache wäre da noch … Die wird dein Bauchgefühl nur noch verstärken …

Oh je … das klingt nicht gerade gut.

Als ich zwischen seinen Beinen saß und ihm einen geblasen habe – wir waren in der Wohnung seines Freundes – , entdeckte ich ein eingeritztes kleines Herz auf seinem Oberschenkel … Ich habe keine Ahnung, was das zu bedeuten hat.

Und du hast ihn natürlich nicht direkt darauf angesprochen …

Natürlich nicht. Ich bin da nicht so cool wie du.

Wir können jetzt Spekulationen ins Leben rufen, aber die Wahrheit weiß nur Liam.

Ich hoffe darauf, dass es eine Domina war, die er bezahlt hat.

Vielleicht war er es auch selbst. Würde in mein Bild passen, dass er aus der Emotionalität heraus impulsiv handelt.

Hm … würde bedeuten, dass er Liebeskummer hat. Den Gedanken hatte ich schon. Wozu sich sonst ein Herz einritzen?

Ja, das würde es wohl heißen. Aufgrund dessen, dass er mit dir reden wollte, hätte man vermuten können, dass es dabei um dich geht, aber da er jetzt nicht mit dir geredet hat, geht es bestimmt um eine andere.

Du hast recht. Ich sollte mein Ding machen und es damit abtun, dass wir bloß Freunde sind.

Und selbst Freundschaft ist ein Begriff, hinter dem sich ein Wert versteckt, dem es gerecht zu werden gilt …

Wird sich zeigen. Ich halte dich auf dem Laufenden! Danke, dass du so ehrlich zu mir bist und ein offenes Ohr für mich hast!

Bis bald, Süße! Klar. Hab dich lieb.

Ich dich auch <3

Dass ich, als ich das Herz entdeckt habe, nicht daran gedacht habe, dass er es meinetwegen getan haben könnte, sollte mir zeigen, dass ich nicht daran glaube, dass sich zwischen uns eine Beziehung entwickeln wird.

Kurz vor dem Einschlafen meldet sich plötzlich meine Lüsternheit, die sich während des Treffens mit Liam angestaut hat.

Ich schalte den Fernseher und das Licht aus. Lege mich bequem hin und gleite dann mit meiner rechten Hand unter die Bettdecke. Sie findet den direkten Weg zu meiner Klitoris, die wesentlich empfindlicher ist als sonst. Die erste sanfte Berührung lässt mich zusammenzucken.

Ich genieße dieses intensive Gefühl. Lasse mich voll hineinfallen, schalte den Kopf aus. Es läuft kein Film ab, der meine Geilheit steigert und begleitet, denn er wäre in diesem Augenblick überflüssig. Die Erregung übernimmt die völlige Kontrolle über meinen Körper. Ich gebe mich ihr vollkommen hin.

Pure Leidenschaft durchfährt mich vom Haaransatz bis in die Zehen. Mit der anderen Hand kneife ich mir zaghaft in meine harten Nippel, aber die Intensität genügt mir nicht. Ich brauche mehr. Ich zwicke und zwirble beide Mamillen abwechselnd. Das starke Brennen schießt Impulse voller Lust in meine Pussy, die meine Erregung in völlige Ekstase steigert. Der Schmerz packt mich. Ich lasse von meinen Brüsten ab und widme mich den kleineren angeschwollenen Schamlippen, die bereits sehr benässt sind. Ich nehme sie zwischen meine Finger und drücke meine Nägel fest in sie hinein.

Der süßliche Schmerz lässt den Höhepunkt anbahnen. Die Geilheit überschwemmt mich wellenartig. Meine Klit reibe ich immer schneller. Meine freie Hand fährt zu meiner linken Brust hoch. Kneift wieder fest zu. Ich halte die Luft an. Und dann bricht es aus! Würde der Orgasmus einem Licht gleichen, was es schafft, die Dunkelheit zu durchbrechen, wäre nun mein ganzes Zimmer hell erleuchtet.

Die Erleuchtung hält mehrere Sekunden an und entfaltet sich nicht nur in meiner Quelle, sondern in meinen gesamten Gliedern. Als dieses intensive Gefühl langsam abebbt, schießen mir Tränen in die Augen. Diese Erfahrung überwältigt mich. Es sind Tränen voller Euphorie und Glücksgefühle, begleitet von Tränen voller Verwirrung.

Was zur Hölle war das?! Was habe ich da getan? Was ist mit mir passiert?

Obwohl ich mich gerade unglaublich losgelöst und befreit fühle, bin ich geschockt.

Brauche ich etwa doch Schmerzen, um tiefe Lust empfinden zu können? Und warum habe ich die Luft angehalten?

Das war intuitiv … Jetzt verstehe ich allerdings, warum Liam vorhin wollte, dass ich aufhöre zu atmen. Es sorgt für einen extra Kick. Davon wäre ich nie ausgegangen.

Langsam verabschiedet sich der Gefühlsausbruch und ich komme zur Ruhe. Erschöpft von den Tränen, den vielen Fragen und dem intensivsten Orgasmus meines Lebens, schlafe ich ein.

Am nächsten Morgen wache ich mit wirklich mieser Laune auf. Der gestrige Tag mit Liam muss einiges in mir getriggert haben. Ich sollte aufhören mir alles schön zu reden und die negativen Gefühle in die Tiefen meines Unterbewusstseins zu verbannen. Das macht sich eben doch bemerkbar; ich kann nicht vor ihnen davonlaufen.

Das Herz auf seinem Oberschenkel und die Tatsache, dass er nicht will, dass ich mit anderen Männern Sex habe, sind das Problem. Da brauche ich nicht graben und suchen. Es erinnert mich an David und mich. Er durfte seinen Spaß haben, während ich brav zu Hause sitzen sollte, um auf ihn zu warten. Er hat mir nie verboten, mich mit anderen Männern zu treffen, aber ich wusste, dass er es nicht wissen wollte, wenn ich es tue. Das reicht schon aus, um mich nicht frei mit einem anderen Mann verbinden zu können. Die Situation mit Liam ist zu ähnlich.

Gut, ich weiß nicht sicher, ob er mit einer anderen Sex hatte, aber ich kann es mir durchaus vorstellen. Während ich total monogam bin und jeden Kerl von mir stoße … wie damals bei David. So geht das nicht weiter.

Nachmittags flattert eine Nachricht von Liam herein. Normalerweise sollte das meine Stimmung ein wenig aufheitern. Tut es aber nicht.

Hey, hast du Lust, dich zu treffen? Nur zum Reden. Ohne SM.

Geht es jetzt um das Gespräch, welches er eigentlich mit mir führen wollte? Warum sollte er sonst betonen, dass es ihm um ein Treffen ohne Sex geht?

Ein klein wenig neugierig bin ich, aber ich bin zu schlecht drauf. Ich will ihn nicht sehen.

Hi. Ich bin nicht gut drauf heute …

Ok. Schade …

Mehr kommt nicht von ihm. Das ist mir zu blöd. Ich antworte nicht und wechsle in den Chat mit Toni, um ihr mitzuteilen, was Liam mir eben geschrieben hat. Eine halbe Stunde später erhalte ich ihre Reaktion.

Merkwürdiger Typ. Dass er nicht mal nachfragt, wieso du kacke drauf bist … Vielleicht befürchtet er, dass er dafür verantwortlich ist.

Na ja … wieso sollte es ihn auch interessieren? Als ich vor unserem Urlaub auf einem Geburtstag war und ihm auf dem Heimweg geschrieben habe, dass ich mich nicht gut fühle und vermute, krank zu werden, war es ihm auch egal. Da hatte ich ihm sogar noch geschrieben, dass ich etwas mehr Mitgefühl von ihm erwartet habe …

Das macht ja gar keinen Sinn! Im Urlaub hatte er dir doch verboten, feiern zu gehen, weil ihm deine Gesundheit angeblich so wichtig ist?!

Stimmt … ich werde nicht schlau aus ihm. Ich weiß nur, dass es mir nicht guttut, andere Männer auszublenden. Bei der nächsten Gelegenheit werde ich mit einem anderen schlafen. Die Waage muss stimmen. Und das tut sie bei uns nicht. Ich spüre, dass ich nicht die einzige Frau in seinem Leben bin. Wieso sollte er also der einzige Mann in meinem sein?

Ich glaube, er weiß einfach nicht, was er will …

Ja, macht stark den Eindruck …

Mach dir nicht so viele Gedanken. Ich weiß, ist leicht gesagt, wenn man nicht in der Haut des anderen steckt. Vielleicht würde dir ein anderer Typ echt mal guttun und dich von Liam abnabeln. Aber bitte nicht so ein Kerl wie auf der einen Party … der ging gar nicht :P

Ich versuche es. Hahaha :D Also ein paar Ansprüche habe ich dann schon. ;P

Das ist auch gut so.

Wie soll ich mir keine Gedanken machen? Ich bin total verwirrt. Es herrscht keine Klarheit. Nicht zwischen Liam und mir und ebenso wenig in mir. Ich weiß selber nicht, was ich will. Es ist, wie es ist …

Einen Tag später überrascht Liam mich doch noch. Aber nicht nur er, sondern auch meine Blase …

Zwei Tage nach unserem Treffen meint sie, mich bestrafen zu müssen. Wäre ich doch mal aufs Klo gegangen, bevor wir zu Fabian in den Laden gegangen sind. Jetzt habe ich den Salat. Anstatt sofort zum Arzt zu gehen, probiere ich aber etwas aus, an das meine Mom vor kurzem geraten ist. Keine Chemie, nur Natur. Kommt mir gelegen. Wieder Antibiotikum einzunehmen, muss wirklich nicht sein. Da andere Naturmittelchen bisher nicht geholfen haben, glaube ich nicht an eine positive Wirkung, aber ich habe nichts Großartiges zu verlieren. Vielleicht überrascht es mich, so, wie Liam mit seiner Nachricht.

Hey, Mel. Geht es dir besser heute?

Nein … ich bekomme jetzt auch noch eine Blasenentzündung.

Das tut mir leid! Ich hatte gehofft, dass es dir besser geht.

Meint er das ernst? Oder ist das reine Höflichkeit? Oder vielleicht purer Egoismus, weil ich ihm keine Gesellschaft leisten will und kann?

Ja, kann man nichts machen.

Sag mal, meinst du das eigentlich ernst? Oder sagst du das nur so?

Mel, ich schreibe nur Dinge, die ich so meine. Das solltest du auch wissen. Mir hat das Sonntag auch nicht gepasst, dass ich so früh weg musste …

Okay. Ich bin mir halt nicht sicher, weil du mir mal das Gefühl gegeben hast, dass es dir egal ist, wie es mir geht und jetzt ist es dir plötzlich nicht egal. Ich weiß halt nicht, ob du das schreibst, um mich zu manipulieren. Dass ich denken soll, dass ich dir etwas bedeute, um mich an dich zu binden. Ich verstehe ebenfalls nicht, was das am Sonntag sollte, als du meintest, dass du mich nur mit einem Plug feiern gehen lässt, damit mich keiner vögelt. Sagst du das aus Spaß oder bist du wirklich eifersüchtig?

Keine Antwort. Das war zu viel des Guten. Die meisten Männer mögen lange Nachrichten und Gefühlsausbrüche nicht. Damit stößt man sie von sich. Gut, dass ich das Herz auf seinem Oberschenkel nicht angesprochen habe …

Mit Sicherheit ist er jetzt überfordert, weil ich ihn mit seinen Gefühlen zu mir konfrontiert habe.

Aber er soll mal darüber nachdenken, ob ich ihm etwas bedeute oder ob ich bloß ein Spielzeug für ihn bin. Vielleicht lässt er mich dann frei und hört auf mit mir zu spielen, weil er erkennt, dass das scheiße ist.

Eigentlich bin ich es leid, wieder diejenige zu sein, die für Klarheit sorgen muss. Warum können Männer mit unklaren Verhältnissen leben? Gut, es ist möglich, dass für ihn alles super eindeutig ist und ich nur keine Ahnung habe, woran ich bei ihm bin. Warum halten Männer Händchen mit mir, wenn sie gar nicht mit mir zusammen sein wollen? Der Tindertyp hat das auch getan. Schon beim zweiten Date. Grinste mich dabei an und fragte, ob sich das gut anfühlt. Natürlich tat es das! Mein verdammter Ex-Freund hat ja nicht mal in der Öffentlichkeit meine Hand gehalten! Diese Geste verliert langsam an Bedeutung für mich …

Vermutlich interpretiere ich zu viel in Worte und Taten der Männer hinein. Für sie geht es in dem Moment nur um ihr Ego, das sich gut fühlt. Da steckt keinerlei Aufrichtigkeit hinter. Wenn ihr Ego genügend von einer Frau gestreichelt worden ist und sie anfängt, langweilig und lästig zu werden, wird sie fallen gelassen. Und sie selbst steht dann da und versteht die Welt nicht mehr.

Ich weiß, dass ich meine Werte, die mir wichtig sind, selbst nach außen hin leben muss. Ich kann nicht von den anderen erwarten, dass sie es tun. Aber die Angst vor Ablehnung steckt mir aus der Zeit mit David noch tief in den Knochen. Daher mag ich andere ebenso wenig ablehnen. Daher kann ich Liam nicht sagen, er soll meine Hand nicht ergreifen, weil wir nicht zusammen sind. Das wäre jedoch richtig gewesen. Ich bin selbst Schuld an dieser Situation.

Die Verantwortung liegt bei mir allein. Immerhin bin ich auch diejenige gewesen, die Liam in ihr Leben gelassen hat. Und ich war es auch, die gesagt hat, dass sie keine Beziehung will. Was ich auch immer noch nicht will. Nur irgendein Teil von mir will es irgendwie doch …

Ein Konflikt zwischen meinem Bedürfnis nach Freiheit und meinem Bedürfnis nach einer festen Bindung und Sicherheit. Ambivalenter geht es kaum. Und dann existiert da noch die Uneinigkeit zwischen meiner Dominanz und meiner Unterwürfigkeit. Am Sonntag habe ich beides gespürt. Es wird darauf hinaus laufen, dass ich eine Switcherin bin … Nur sollte es nicht so sein, dass man entweder das eine oder das andere ist? Beides bei ein und derselben Person zu fühlen, scheint ungewöhnlich zu sein.

Was mir noch mehr Kopfzerbrechen bereitet, ist die Tatsache, dass ich mir bei der Selbstbefriedigung Schmerzen zugefügt habe. Ein klein wenig masochistisch bin ich anscheinend doch …

Es fällt mir schwer, mich damit zu identifizieren, da ich solche Praktiken damals abgelehnt habe und nicht nachvollziehen konnte, wie man so etwas überhaupt toll finden kann.

Ich bin gespannt, wie ich mich weiterentwickeln werde, was weiterhin über mich und meine Sexualität herauszufinden ist. Die Reise ist noch lange nicht zu Ende.

Den restlichen Tag ruhe ich mich aus; verwende regelmäßig die neuen Wundermittel meiner Mom, die tatsächlich dafür sorgen, dass meine Blase zumindest nicht schlimmer wird. Hoffnung keimt in mir auf, dass ich nicht zum Arzt gehen muss.

Ein paar Stunden später bekomme ich eine Antwort von Liam, mit der ich mich zufriedengebe. Natürlich ist sie kurz gehalten …

Mach dir keine Sorgen. Ich manipuliere dich nicht. Halt nur im Spiel.

Okay, dann ist ja gut.

Und damit ist das Thema erst mal durch. Wenn ich ehrlich bin, habe ich Angst vor der Wahrheit, was es mit diesem Herz auf sich hat. Dementsprechend verschiebe ich diese Frage auf einen späteren Zeitpunkt.

Am darauffolgenden Tag fragt Liam, ob ich Lust habe, mich mit ihm im Schweinske zu treffen, da er soeben den Arbeitsvertrag im Krankenhaus unterschrieben hat. Nur sind Sophias Eltern zu Besuch und mit meiner Blasenentzündung möchte ich mich lieber ausruhen. Sie ist besser geworden – bilde ich mir zumindest ein. Es ist schon krass, dass ich nicht alle fünf Minuten zum Klo muss, sondern nur alle paar Stunden. Beinahe normal.

Er hat Verständnis für meine Absage und schreibt, dass er ab nächster Woche von Dienstag bis Freitag immer vormittags arbeitet und wir uns danach treffen könnten.

Eigentlich kann da keine andere Frau zwischen uns stehen, wenn er mich so oft sehen möchte … Dennoch bleibe ich skeptisch und antworte, dass wenn es mir passt, wir uns gerne treffen können. Fest zusagen tue ich da nichts.

Heute, am 27.08.15, schreibt Liam mir wieder und fragt nach einem Treffen. Da ich befürchte, dass er mich bald nicht mehr fragen wird, wenn ich ihn erneut versetze, sage ich zu.

Dann sei um 17 Uhr am Dammtor. Da sammle ich dich ein.

Alles klar.

Ich freu mich! Bis später.

Ich mich auch!

Ich gebe Toni Bescheid. Nicht, dass sie unsere Freundschaft irgendwann infrage stellt, wenn ich ihr immer erst hinterher schreibe, was bei mir so los war.

Sie wünscht mir viel Spaß. Ein wenig aufgeregt bin ich, weil ich überhaupt keine Ahnung habe, was ich heute mit ihm erleben werde.

Beim Parkplatz hinter dem Bahnhof, wartet er bereits auf mich. Ich brauche nur zusteigen.

„Hey, Kleine. Alles gut?“

„Hi, ja, alles ok. Bisschen habe ich noch mit meiner Blase zu kämpfen. Ich hoffe, ich muss gleich nicht plötzlich aufs Klo“, bereite ich ihn darauf vor, dass das definitiv passieren kann. Ich habe aber extra wenig getrunken.

„Haha. Wäre auch kein Ding. Dann würde ich eben irgendwo ranfahren. Ich hab eine gute und eine schlechte Nachricht.“

Ich schlucke schwer.

„Ok …“

„Welche willst du zuerst hören?“, überlässt er mir die Entscheidung.

„Die schlechte“, wähle ich.

Geht er doch bald wieder nach Österreich? Oder ganz woanders hin?

„Ich habe eben spontan einen Job reinbekommen. Wollte dir aber nicht absagen, weil du mit Sicherheit schon auf dem Weg warst. Habe jetzt nur so 45 Minuten Zeit und muss noch etwas in einem Baumarkt besorgen. Da es sich um einen Gefallen für einen Freund handelt, kann ich dich leider nicht mitnehmen. Hoffe, bist jetzt nicht zu sehr traurig …“ Er streichelt mir über meinen Kopf.

„Oh. Das ist schade. Aber lässt sich nun mal nicht ändern“, sage ich trocken, ohne mir meine kleine Enttäuschung anmerken zu lassen, die schnell verfliegt. Es ärgert mich eher, dass ich den langen Weg auf mich genommen habe und diesen gleich wieder antreten darf. Welche Zeitverschwendung! Aber nun gut. Jetzt bin ich hier. Ich könnte natürlich direkt aussteigen und zurückfahren, aber das finde ich unhöflich.

Außerdem hat Liam den Motor gestartet und fährt los.

„Nächstes Mal habe ich dann wieder mehr Zeit für dich“, beschwichtigt er mich.

„Alles gut. Und die andere Nachricht wäre dann?“

Immerhin geht er nicht wieder ins Ausland …

„Ich habe eine Wohnung! Ein WG Zimmer in einer leerstehenden Wohnung. Ab September. Nur für zwei Monate, aber in der Zeit kann ich mir was Eigenes suchen. Mit Lars geht das nicht mehr klar. Der terrorisiert mich auf WhatsApp. Schreibt mir ständig, dabei sehen wir uns ja jeden Tag.“

„Das ist klasse! Haha. Der markiert dich auch ziemlich oft auf Facebook in irgendwelchen Beiträgen.“

„Ja. Ich freue mich auch. Das stimmt … Schon krass, wie abhängig er von mir ist.“

„Na, das hat dann bald hoffentlich ein Ende“, lache ich.

„Mal sehen. Noch arbeiten wir zusammen …“

„Stimmt.“

Dann schweigen wir. Der nächste Baumarkt liegt nicht um die Ecke. Hauptsache, ich muss von dort nicht nach Hause fahren. Dann wäre ich echt sauer.

„Und sonst? Gibt es was Neues? Irgendwelche komischen Männer, die dir auf darkroom geschrieben haben?“, fängt er ein neues Gespräch an.

„Nein. Momentan hält es sich in Grenzen. Sind glücklicherweise auch Ausnahmen, was merkwürdige Nachrichten angeht.“

Was mich an eine wirklich unheimliche Unterhaltung mit einem Mann erinnert …

Er ist devot und hat bei mir ein offenes Ohr für seine Neigung und Wünsche gefunden. Wenn mir jemand höflich schreibt, dann kann ich nicht unfreundlich zu ihm sein. Vor allem nicht, wenn ich das Gefühl habe, derjenige fühlt sich einsam, weil er sich niemandem anvertrauen kann, ohne dass er direkt verurteilt wird. Natürlich ist das nicht mein Problem.

Aber es ist auch kein Beinbruch, mir die Geschichte eines anderen Menschen anzuhören und ihm ein paar interessierte Fragen zu stellen, ihm zu vermitteln, dass ich mich bemühe, ihn zu verstehen und ihn nicht bewerte.

Er war eine Herausforderung und hat mich an meine Grenzen gebracht. Als er anfing, sich zu wohl mit mir zu fühlen, sodass er mich treffen wollte, musste ich eine klare Grenze setzen. Ein Telefonat habe ich auch abgelehnt. Reicht man den kleinen Finger …

Ich wollte mich real auf keinen Fall mit seinen Energien umgeben. Sein Wunsch ist es, jemandem bis zum Tod zu dienen. Er möchte wie ein Haustier gehalten werden. Das allein ist schon sehr extrem. Aber es kommt noch krasser. Es gleicht beinahe einer Geschichte aus einem Horrorfilm.

Er wünscht sich jemanden, der ihm beide Arme und beide Beine amputiert, um jemandem völlig ausgeliefert zu sein. Er möchte wie Dreck behandelt werden. Erniedrigt, gedemütigt werden und elendig verrecken. Ich konnte nicht herausfinden, woher dieser Wunsch stammt. Er ist sich dessen selbst nicht bewusst.

Er meinte, dass er diese Sehnsucht einfach tief in sich trägt. Ich bin mir sicher, dass er etwas aus früheren Leben in dieses mitgebracht hat, was es aufzuarbeiten gilt. Nach einer gesunden Seele klang das für mich nicht. Mir läuft immer noch ein kalter Schauer den Rücken herunter, wenn ich daran denke. Mit BDSM hat das in meinen Augen überhaupt nichts mehr zu tun.

Und ich bin mir sicher, dass diese Sehnsucht unerfüllt bleiben wird. Ich hoffe es zumindest.

„Was gibt es bei dir sonst Neues? Oder weiß ich bereits alles?“, versuche ich, unser Gespräch am Laufen zu halten.

„Ach, nicht viel. Ab und zu treffe ich mich mit einer befreundeten Domina. Aber so interessant ist es auch nicht. War Anfang des Jahres bei ihr im Studio und hatte eine Session gebucht. Wir haben uns gut verstanden und sie vertraut mir. Ich durfte jetzt also auch zu ihr nach Hause. Aber Sex gibt es nicht. Ich räume nur auf, wasche ihre Wäsche … Fahr sie hin und wieder zu anderen Terminen. Dafür bekomme ich dann mal ein paar Schläge.“

Komischerweise lässt mich diese neue Information total kalt. Kein Fünkchen Eifersucht ist zu spüren. Hätte ich nun nicht erwartet. Vielleicht liegt es daran, dass sie eine Domina ist und keine Sub. Und sie auch keinen Sex haben …

Wahrscheinlich ist sie dann die Frau, der die funkelnde Gerte gut gefallen würde, von der Liam bei unserem Besuch in der Boutique sprach …

„Klingt, als seist du nicht sonderlich zufrieden …“, versuche ich, ihm mehr Informationen zu entlocken.

„Na ja. Ist jetzt nicht sonderlich erfüllend, ständig ihre Wäsche zu waschen“, lacht er.

„Willst du mehr? Ich dachte, um Sex geht es dir dabei gar nicht.“

„Sie ist wie die meisten Dominas privat devot im Bett. Also würden wir ein privates Verhältnis haben, müsste ich derjenige sein, der sie dominiert. Dabei will ich ja unterwürfig sein. Im Zusammenhang mit Sex ist es irgendwie nicht möglich. Die attraktiven Frauen sind alle unberührbare Herrinnen. Aber ich kann schon stolz sein, dass sie mich in ihre Wohnung lässt. Das zeigt, dass sie mich mag und mir vertraut.“

Er scheint sie ebenfalls sehr zu mögen … Wahrscheinlich, weil sie ihm durch den Zugang in ihre Privatsphäre das Gefühl gibt, etwas Besonderes zu sein. Nun sitze ich gerade also auf ihrem Platz. Oder sie saß auf meinem. Immerhin hab ich bereits mit meiner Körperflüssigkeit diesen Sitz markiert. Nur kennt er sie wohl länger als mich. Eigentlich komisch, dass er mir erst jetzt von ihr erzählt …

Wir fahren auf den leeren Parkplatz des Baumarkts.

„Ich kann eben im Auto warten“, schlage ich vor.

„Quatsch! Ich bin nicht David. Komm mit.“

„Okay“, sage ich leicht irritiert. Schön, dass er sich mit mir sehen lassen will. Dennoch ist es merkwürdig, dass er es derart betonen muss, dass er nicht wie mein Ex-Freund ist.

Er findet relativ schnell eine geeignete kleine Gartenschaufel. Ich frage mich, wofür er die braucht. Meinte er womöglich mit dem Freund seine befreundete Domina? Bestimmt muss er für sie einen Gefallen erledigen beziehungsweise eine Aufgabe erfüllen. Sieht ja beinahe nach Gartenarbeit aus. Oder es ist doch für einen Kumpel. Etwas Verbotenes.

Möglicherweise muss er Drogen oder etwas in der Art verstecken und vergräbt es irgendwo.

Logisch, dass er mich dann nicht mitnehmen kann. Ich wäre eine Augenzeugin. Er würde mich in Gefahr bringen.

Dieser Besuch im Baumarkt erinnert mich an eine Szene aus dem Film 50 Shades Of Grey. Hätte was, würde er neben der Schaufel noch Kabelbinder, Klebeband und Seile kaufen. Der Blick der Kassiererin wäre unbezahlbar.

Okay, ich gucke eindeutig zu viel Fernsehen …

Vor der Kasse steht eine Truhe mit Eis. Liam hat wieder seine Spendierhosen an. Ich nehme den Flutschfinger und er ein Magnum.

Als wir im Auto sitzen, essen wir in Ruhe unser Eis auf.

„Ich lasse dich dann am Hauptbahnhof raus. Ist das ok?“

„Ja, das ist super.“

„Wenn du willst, können wir ja nächste Woche nach der Arbeit immer was machen. Wir können ins Kino und zusammen essen gehen. Vielleicht kann ich ja auch ein oder zwei Nächte bei dir übernachten?“, schlägt er vor.

„Klar! Gerne“, antworte ich überrascht. Aus seinem Mund klingt es so selbstverständlich. Als sei es das Normalste der Welt, dass wir mehr Zeit miteinander verbringen und wie kommt er auf die Idee, bei mir zu übernachten? Will er doch mit mir zusammen sein beziehungsweise mich näher kennenlernen oder wieso macht er nun einen auf Beziehung? Mal sehen, was sich ergibt. Ich freue mich auf jeden Fall auf die nächste Woche! Das mit dem Übernachten muss ich allerdings mit meiner Familie abklären. Sollte aber kein Problem sein, denn immerhin durfte der fremde Tindertyp auch bei mir übernachten. Liam kenne ich wesentlich länger und für meine Eltern ist er kein Fremder.

Auf dem Rückweg schreibe ich Toni.

Du fährst schon nach Hause? Das war ja ein kurzes Treffen.

Ja, er hatte leider doch noch einen Termin. Ich vermute, dass er zu seiner Dominafreundin fährt, von der er mir heute erzählt hat.

Seiner was? Freundschaftlich oder geht da etwa mehr?

Er meint freundschaftlich. Sie hat ihm ihren Wohnungsschlüssel anvertraut. Er macht bei ihr sauber und wäscht ihre Wäsche. Und ab und an spielt er den Fahrservice …

Und im Gegenzug bekommt er Sex?

Nein, die beiden haben keinen Sex miteinander. Im Gegenzug bekommt er Schläge … Normalerweise müsste er sie bezahlen. Er darf ja schon die Vorzüge ihres tiefen Vertrauens zu ihm genießen.

Oh, da fühlt er sich bestimmt besonders. Was hat das in dir ausgelöst? Wie fühlst du dich? Auf das Herz hast du ihn nicht angesprochen, oder?

Nichts. Ich habe mich gefreut, dass er mir von ihr erzählt hat. Aber mehr habe ich nicht gefühlt. Es war etwas komisch, zu wissen, dass sie im Auto neben ihm saß … die Vorstellung ist einfach strange. Das mit dem Herzen spreche ich an, wenn ich ihn das nächste Mal nackt sehe.

Du stellst dir auch direkt alles bildlich vor … Aber freut mich, dass du nicht verletzt bist oder enttäuscht. Das zeigt, dass du definitiv nicht in ihn verknallt bist.

Schön, dass du es mir jetzt erst glaubst. :D

Na ja … er will nächste Woche viel Zeit mit mir verbringen nach seiner Arbeit. Und er möchte sogar bei mir übernachten … Schon komisch, oder?

Er scheint dich mehr zu mögen als sie, wenn er so viel Zeit für dich hat. Er hat dich in den letzten Tagen ja schon häufiger nach einem Treffen gefragt … Wollte mit dir auf diese Playparty gehen. Und jetzt will er zu dir nach Hause? Definitiv ist das merkwürdig.

Wahrscheinlich hat er die Nase voll vom Wäschewaschen. ;)

Mir schmeichelt es, dass er sich wohl an meiner Seite fühlt und ich verbringe gerne Zeit mit ihm.

Vielleicht werden wir sehr gute Freunde …

Freunde? Fickfreunde vielleicht, aber nur Freunde? Nein … Mel, das ist nicht möglich. Solltet ihr nicht fest zusammenkommen und er lernt – sollte ein Wunder geschehen – eine Frau kennen, bist du abgeschrieben. Glaube mir.

Ich weiß nicht … Kann gut möglich sein. Aber vielleicht bin ich ihm als Mensch wichtig geworden und es ist mehr als etwas Körperliches. Einen guten Kumpel würde ich mir mehr wünschen als einen Partner.

Wir warten mal die nächste Woche ab. Es bleibt spannend. Würdest du denn mit ihm zusammenkommen wollen, wenn er dich jetzt fragen sollte?

Ich glaube, ich würde nicht Nein sagen, obwohl ich nicht mehr verknallt in ihn bin und ich es mir auch nur schwer vorstellen kann, mit ihm fest zusammen zu sein.

Heißt, du würdest diese Erfahrung schlichtweg mitnehmen wollen?

Das heißt es. Ein „für immer“ gäbe es mit uns bestimmt nicht … Aber ich wüsste gerne, wie es sich anfühlt, mit ihm in einer Partnerschaft zu sein.

Jedes Wochenende bangen, dass er nicht fremdgeht. Klingt vielversprechend …

Ich dürfte ihn bestimmt oft begleiten. Das letzte Mal hat das total viel Spaß gemacht. War ein unvergesslicher Abend.

Ein paar coole Abenteuer würdest du mit ihm mit Sicherheit erleben, aber er würde dich nicht immer dabei haben wollen. Er ist ein Mann und selbst wenn er behauptet, nicht im Mittelpunkt stehen zu wollen … er will es. Er mag das Gefühl, begehrt zu werden. Und wenn du ihn dann siehst, wie er mit anderen flirtet, während du an der Seite stehst, in seinem Schatten, wird es dich triggern. Es wird dich an die Zeit mit David erinnern und du wirst dich scheiße fühlen.

Du bist ganz schön pessimistisch … aber du bist die Stimme, die mich davon abhält, mir alles wieder zu schön zu reden. Die Gefahr ist groß, dass ich manche Fehler erneut begehe. Ich handle in gewissen Momenten aus dem Gefühl heraus, ohne meinen Verstand zu benutzen …

Ich weiß. Obwohl ich dich noch nicht so lange kenne … Ich passe auf dich auf, aber letztendlich wirst du immer die für dich richtigen Entscheidungen treffen und egal, welche Konsequenzen das mit sich ziehen wird, ich bin für dich da!

Toni, ich hab dich verdammt lieb! Du weißt, dasselbe gilt auch für dich. Ich stehe immer hinter dir.

Ich weiß, Mel.

<3

Es ist Freitagabend. Liam hat dank Lars ein Problem und ich fühle mich verantwortlich, ihm zu helfen.

„Papa?“, frage ich mit dem Unterton, dem man sofort anhört, dass ich etwas möchte, von dem ich befürchte, dass er es nicht erlauben könnte.

„Was gibt’s?“ Er schaut von seinem Bildschirm hoch und man sieht in seinem Gesicht, dass er nichts Gutes ahnt. Zu doof, dass Mom das Wochenende über weg ist … Das erste Mal seit Jahren, ist sie alleine unterwegs. Auf einem Seminar. Im Süden Deutschlands. Gerade jetzt, wo ich ihre Unterstützung gebrauchen könnte.

„Liam hat für die Nacht keinen Schlafplatz. Kann er heute bei mir schlafen?“ Ich kenne meinen Vater und weiß, dass wenn er nicht gut drauf ist, er gerne Nein sagt. Und momentan ist eine dieser Phasen.

„Nein. Ich will ihn nicht hier haben.“ Als hätte ich es angezogen …

„Aber damals durfte der Typ, den ihr gar nicht kanntet, doch auch hier schlafen. Warum darf Liam jetzt nicht hier übernachten? Er muss die Nacht sonst im Auto verbringen …“ Ich gebe mir große Mühe, mein Temperament zu zügeln und nicht zu zickig zu klingen.

„Weil ich es nicht will. Ich mag seine Energie nicht.“

„Ich kann mich noch daran erinnern, wie du gesagt hast, dass du ihn magst und ihr habt euch total lange unterhalten …“, gebe ich nicht auf.

„Dennoch will ich nicht, dass er in meiner Wohnung schläft, auf meine Toilette geht und mein Wasser verbraucht!“ Diese Argumentation lässt Wut in mir hochkochen.

„Das ist doch albern. Morgen früh würde er wieder gehen. Du würdest gar nicht mitbekommen, dass er hier war.“

„Nein heißt Nein“, bleibt er stur.

Ohne noch etwas zu sagen, stampfe ich die Treppenstufen hinunter und mache meine Zimmertür so zu, dass man hört, wie scheiße ich das alles gerade finde. Ich fühle mich zurück in meine Pubertät versetzt.

Tut mir leid. Mein Vater will nicht, dass du hier schläfst. Mich pisst das gerade total an. Wird Zeit, dass ich ausziehe!

Hey, kein Ding! Ich will nicht, dass du wegen mir mit deiner Familie streitest. Ich penne dann halt im Auto. Passt schon. Sei froh, dass du nicht alleine bist und keine Mietkosten zu tragen hast.

Ich ertrage diese Negativität aber nicht mehr. Und dass ich nicht entscheiden darf, wer in meinem Bett schläft … Mein Vater freut sich bestimmt darüber, seine Macht ausspielen zu können. Vor allem kann ich seine Argumentation nicht nachvollziehen. Er lässt nur seine schlechte Laune an mir aus. Ich überlege mir was. Du musst nicht im Auto schlafen …

Ich finde das echt süß von dir … Lars ist ein Arschloch. Er war neidisch auf mich, dass wir beide am Sonntag bei ihm waren und Spaß hatten und jetzt hat er sich auf Krampf eine hässliche Alte ans Bein genagelt und da sie heute ein Date bei ihm haben, kann ich jetzt sehen, wo ich bleibe.

Ein Freund, der mit dir in den Konkurrenzkampf geht, ist kein wahrer Freund …

Mich nervt der Typ eh nur ab … aber bald hat das ja ein Ende. In ein paar Tagen habe ich mein eigenes Zimmer.

Ich überlege, wie ich Liam helfen kann. Ich will heute nicht hier bleiben. Ich muss raus. Und sei es, dass wir beide zusammen in seinem Auto pennen. Kurz überlege ich, Toni zu fragen, aber mein Bauchgefühl rät mir davon ab. Plötzlich fällt mir die Lösung ein! Davids Wohnung! Er und Alina sind vor ein paar Tagen ins Ausland gefahren, um ihre Verwandten zu besuchen.

Und den Wohnungsschlüssel, den ich nach unserer Trennung für den Notfall, dass er Hilfe braucht oder er seinen Schlüssel verliert, behalten durfte, habe ich Josh gegeben. David weiß, dass er der neue Besitzer des Schlüssels ist. Nun werde ich ihn mir ausborgen müssen. Ich klopfe an seiner Zimmertür.

„Jaaa?“, dringt es durch das Holz.

„Hey, Bruderherz. Ich hab da was vor …“, beginne ich, ihm mein Vorhaben durch den leicht geöffneten Türspalt zu erzählen.

„Das wäre?“, fragt er nach.

„Liam hat keinen Schlafplatz für die Nacht … und da David weg ist …“

„Das willst du nicht ernsthaft machen, Mel?“, unterbricht er mich mit einem großen Grinsen im Gesicht.

„Doch. Ich wollte dich fragen, ob du mir Davids Schlüssel geben kannst“, fahre ich fort.

„Du bist verrückt! Wenn er das herausfindet, hänge ich mit drin.“

„Quatsch! Die Verantwortung liegt bei mir. Außerdem wird er es nicht bemerken. Wenn man nicht davon ausgeht, dass jemand in der Zwischenzeit in der Wohnung ist, wird es auch nicht auffallen, wenn vielleicht ein wenig Klopapier fehlt. Ich sage sonst, dass ich ihn mir einfach genommen habe. Dann bist du aus dem Schneider.“

„Hm. Na gut. Ich finds irgendwie cool, dass du das machst! Er schuldet dir eh was. Von daher kann er dir unwissentlich diesen Gefallen tun.“

„Das sehe ich ganz genauso“, stimme ich meinem Bruder zu.

Joshi überreicht mir den Schlüssel und wünscht mir eine gute Nacht.

Ich habe einen Schlafplatz!

Ach, echt? Wo denn?

Bei David. Er und seine Freundin sind weg. Die Wohnung ist also leer.

Und du hast ihn gefragt?

Nein. Ich habe erst überlegt, ob ich ihn frage und vielleicht würde er sogar Ja sagen, aber er könnte es auch verbieten. Wenn wir es einfach tun, wird es definitiv nicht auffallen. Tun wir es, obwohl er es nicht will, fällt ihm vielleicht etwas auf, weil er davon weiß …

Da hast du wohl recht. Wie du magst. Also ich freue mich, wenn wir zusammen die Nacht verbringen und ich nicht im Smart schlafen muss. Wo muss ich denn hinfahren?

Ich nenne ihm die Adresse.

Prima. Und wie lautet die nächste Bahn Station? Ich sammle dich dort ein.

Lattenkamp. Ich packe ein paar Sachen zusammen und fahre dann direkt los.

Ich freue mich. Bis gleich.

Eigentlich hatte ich erwartet, dass er mich wenigstens abholt, wenn ich ihm schon einen Schlafplatz besorge …

Aber nun gut. Ich packe meine Zahnbürste und Zahnpasta ein, eine Haarbürste und die Produkte, die meine Blasenentzündung so gut wie weggezaubert haben. Noch fühle ich, dass sie nicht ganz weg ist, daher verwende ich sie weiter.

Das bedeutet, dass es heute leider keinen Sex im Bett meines Ex-Freundes mit einem dominant-devoten Stripper geben wird. Schade. Das wäre ein schöner Rachefeldzug. Vor allem hat er endlich ein großes Schlafsofa für zwei Personen, welches er sich besorgen wollte, als wir zusammen waren, es aber nie getan und deshalb immer bei mir übernachtet hat. Heißt, wir konnten selten ausgelassenen Sex haben. Gut, wäre eh nicht wesentlich besser gewesen. Scheiße kann man nicht polieren. Trotzdem hat es mich geärgert, dass wenn ich mal bei ihm übernachtet habe, auf einer harten, schmalen Matratze auf dem Boden schlafen durfte. In seinem Einzelbett war es zu zweit viel zu eng.

Als deren damaliger Sänger nach einer Partynacht mal bei ihm geschlafen hat, weil es zu ihm nach Hause keine gute Verbindung mehr gab, mussten wir uns in das kleine Bett zwängen, mit dem Resultat, keine ruhige Nacht gehabt zu haben. Man wachte ständig auf …

Es ist irgendwie ein Klischee, dass manche Dinge mit einem neuen Partner plötzlich möglich sind. Immerhin profitieren Liam und ich nun davon.

Als ich in der U-Bahn sitze, begleitet mich ein kleines schlechtes Gewissen. Mein Vater fand es gut, dass ich eine Lösung gefunden habe und hat mich nicht davon abhalten wollen, das durchzuziehen. Wenigstens haben wir uns nicht im Streit getrennt. Was ungünstig gewesen wäre, da ich morgen mit der Band meines Vaters unterwegs bin und wir somit den ganzen Tag zusammen verbringen werden.

Ich weiß, dass David kein schlechtes Herz hat und mir nie mit Absicht wehtun wollte, daher hat er es natürlich nicht verdient, dass ich ihn jetzt nicht um Erlaubnis frage, aber Liams Wohlbefinden ist mir gerade schlichtweg wichtiger.

Toni habe ich nichts erzählt, denn ich bin mir sicher, sie hätte mir davon abgeraten.

Nein, auf eine Moralpredigt kann ich getrost verzichten. David hat mich damals dermaßen angelogen … Dagegen ist diese Lüge, diese Aktion nichts. Es verletzt ihn nicht. Das Einzige, was er tun müsste, wäre sein Bett frisch zu beziehen. Ob er mir in Zukunft noch vertraut, wäre mir egal. Mein Vertrauen benötigt er nicht mehr und ich nicht seines.

Und würde er den Kontakt abbrechen, der eh kaum besteht, würde ich das definitiv verkraften können.

Kurz bevor ich meine Zielstation erreicht habe, macht sich ein wenig Aufregung in mir bemerkbar.

Auf meinen Handflächen bildet sich ein feuchter Film. Verstehen tue ich das nicht. Liam weiß, dass es keinen Sex geben wird. Wir übernachten bloß in der Wohnung meines Ex-Freundes.

Wieso bin ich jetzt nervös? Es ist noch nicht mal eine vorfreudige Aufregung. Ähnelt eher dem Gefühl, gleich einen Vortrag halten zu müssen, auf dem man schlecht vorbereitet ist.

Liam steht bereits am Ausgang und wartet auf mich. Schlagartig ist mein Lampenfieber verschwunden. Wirklich merkwürdig …

„Hey, Kleine“, begrüßt er mich mit einem Küsschen links und einem rechts.

Denkt er, dass eine Blasenentzündung ansteckend ist oder wieso bekomme ich keinen Kuss auf den Mund?!

„Hi“, antworte ich knapp.

„Mein Auto steht gleich da drüben.“

„Alles klar. Bis zu David ist es nicht weit. Müssen nur schauen, ob wir dort einen Parkplatz finden.“

„Mit einem Smart sollte das wohl möglich sein“, lacht er.

„Auch wieder wahr“, schließe ich mich seinem Lachen an.

Das erste Mal genieße ich den Vorteil eines Smartes. Normalerweise ärgere ich mich, wenn ich mit meiner Familie im Auto sitze und wir einen Parkplatz suchen … Immer kommt Freude auf, einen Parkplatz gefunden zu haben und im nächsten Moment folgt die Enttäuschung, weil ein Smart diesen belegt.

Wir haben Glück und finden fast vor der Haustür eine Parkgelegenheit. Es fühlt sich komisch an, als ich unten die Eingangstür öffne. Hoffentlich kommen uns keine Nachbarn entgegen …

Ungesehen huschen wir in Davids kleine Dachgeschosswohnung. Mir zieht ein gewohnter Geruch in die Nase. Muffige, verbrauchte Luft gemischt mit Männerdeo und Parfum.

„Als erstes sollten wir lüften“, schlage ich vor.

„Gute Idee!“ Liam schlüpft aus seinen Schuhen und geht in die Küche, als wäre er hier schon mal gewesen, um das Fenster zu öffnen. Ich widme mich dem Schlafzimmerfenster. Da es zu sehr zieht, schließt Liam das andere Fenster direkt und kommt zu mir. Mir fällt auf, dass er gar keine Sachen dabei hat …

Keine Zahnbürste, keine frische Unterwäsche. Hauptsache, er kommt nicht auf die Idee, Davids Zahnbürste zu missbrauchen, aber die sollte er wohl mitgenommen haben.

Ich lege eine einzelne Socke, die mitten auf dem Bett liegt, ans Bettende. Morgen früh muss ich daran denken, sie zurückzulegen. Obwohl ich ziemlich oft in dieser Wohnung war, fühle ich mich wie eine Einbrecherin.

Hier hat sich, bis auf das Schlafsofa, kaum etwas verändert. Selbst der Mülleimer hinter der Tür ist wie damals bis zum Rand mit verbrauchten Taschentüchern beziehungsweise Klopapier gefüllt. Auf seinen Wichstuchmülleimer habe ich ihn mal angesprochen, als wir mit der Band und ein paar weiteren Leuten Silvester bei ihm gefeiert haben. Der war selbst, als Besuch da war, bis oben hin voll.

Es war nicht in Ordnung von mir, ihn vorzuführen, aber ich fand es witzig damals.

Eigentlich geht er mit seiner Sexualität ziemlich offen um, daher weiß ich gar nicht, warum es ihm in dem Moment peinlich war. Vor allem wissen seine Jungs, dass er gerne Pornos guckt.

Liam setzt sich zu mir aufs Bett.

„Ich muss eben das Zäpfchen nehmen … wegen meiner Blasenentzündung. Dafür muss ich mich ungefähr dreißig Minuten auf den Bauch legen“, kläre ich ihn auf.

„Alles klar. Kein Problem. Ist es immer noch schlimm?“

„Nein, ist so gut wie weg. Ich nehme es aber vorsichtshalber weiter.“

Ich hätte vermutet, dass er enttäuscht ist, dass wir keinen Sex haben können. Den Eindruck macht er überhaupt nicht.

Ich gehe ins Bad und führe mir dort das Wunderzäpfchen ein. Mich durchfluten Glücksgefühle bei dem Gedanken, dass ich kein Antibiotikum mehr brauchen werde. Ich besprühe noch eben Blasen- und Nierengegend und gehe dann zurück zu Liam und lege mich neben ihn auf den Bauch. Er redet und erzählt mir Dinge, die mich nur mäßig interessieren. Lästert ein wenig über Lars … erzählt von seinem Training, von seinem Job in der Bar und seiner baldigen Tätigkeit im Krankenhaus. Währenddessen könnte er mir ruhig den Rücken kraulen, denke ich. Wäre ich nur besser darin, meine Bedürfnisse zu äußern …

Stattdessen hoffe ich darauf, dass Liam meine Gedanken lesen kann. Vergeblich. Er jedoch hat überhaupt keine Hemmung, seinem Bedürfnis nachzugehen. Nach einer kurzen Gesprächspause greift er sich in die Hose und massiert seinen Schwanz. Wie zum Teufel kann er einfach so geil sein? Unser Gespräch war in keiner Weise sexuell ausgelegt. Mein Po, der in die Höhe ragt, kann auch nicht dafür verantwortlich sein, denn seine Augen haben ihn bisher ignoriert. Es scheint schlichtweg an seinem ausgeprägten Triebgefühl zu liegen. Für mich kaum nachvollziehbar. Es ist in Ordnung für mich, wenn er sich jetzt hier neben mir einen runterholt. Zwar ist das ein wenig ungewöhnlich, dass ich daneben liege, ohne etwas beizusteuern, aber mit geschmolzenem Zäpfchen in mir drin und noch nicht gänzlich verflogener Entzündung, bleibt mir nichts übrig, als vernünftig zu sein. Dabei hätte ich schon Lust, mal wieder normalen Sex mit ihm zu haben. Sex im Bett meines Ex … Schon makaber genug, dass mein Liebhaber es sich gerade besorgt.

Jedenfalls war ich naiv, als ich dachte, ich bräuchte nichts beizusteuern.

„Würdest du mir einen blasen? Wenn du wieder gesund bist, revanchiere ich mich. Versprochen!“, bittet er mich.

„Na gut“, stimme ich zu, weiß aber, dass Liam sich mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht revanchieren wird. Das letzte Mal geleckt hat er mich im März …

Es spricht nichts dagegen, mich jetzt oral zu befriedigen. Meine Klit ist immerhin gesund. Sagen tue ich natürlich nichts.

Er zieht sich komplett nackt aus. Netter Anblick, bis auf sein unfertiges Tattoo …

Ich beuge mich vor und nehme seine Spitze sanft in meinem Mund auf, umspiele sie zärtlich mit meiner Zunge. Liam stöhnt. Ich spüre, wie seine Eichel praller wird. Heute schmeckt er besonders gut.

Leider kann ich nicht blasen, ohne selbst geil zu werden. Mir schießt die Nässe in meine Panty. Der Schwanz in meinem Mund wird zu einer süßlichen Qual. Wenn er später schläft, kann ich es mir selbst besorgen. Obwohl es mich leicht abturnt, dass wir in der Bettwäsche meines Ex und seiner Neuen schlafen werden. Vielleicht verschiebe ich es besser auf einen anderen Zeitpunkt.

Liams Erregung wächst. Sein Schwanz pulsiert in meinem Mund, während ich ihn weiterhin verwöhne.

„Würdest du mir deinen Finger in den Po stecken?“, fragt er mit einer gewissen Zurückhaltung nach.

Mich überrascht diese Frage, dennoch antworte ich ohne lange zu überlegen mit einem „Ja“.

Er geht auf alle Vieren und streckt mir seinen Hintern entgegen. Ich habe meinen Finger noch nie ins Arschloch eines Mannes gesteckt. Ob das ohne Gleitgel wohl gehen mag? Vor allem sind meine Nägel nicht ganz kurz. Aber er steht ja auf Schmerzen …

Liam besorgt es sich weiter. Ich bespucke meinen Zeigefinger und versuche, in sein dunkles Loch einzudringen, was tatsächlich nicht so leicht ist.

„Nimm bitte den Mittelfinger.“

Ich gehorche und lasse meinen Speichel auf den längeren Finger laufen, befeuchte seinen Eingang und spiele an ihm herum. Sein Anus zuckt.

Unerwarteterweise gefällt mir das. Mit Nachdruck schiebe ich ihm meinen Finger rein. Sein Schließmuskel umschlingt ihn. Langsam vor und zurück. Ich bin mir unsicher, ob Liam das gerade gut findet oder eher nicht. Mir macht es Spaß, aber er macht nicht den Eindruck, als sei er entspannt.

„Tiefer“, dringt es dunkel aus seiner Kehle.

Ist es unangenehm, wenn der Finger fast dabei ist, wieder herauszurutschen?

Vorsichtig schiebe ich ihn weiter hinein, aber das ist leichter gedacht als getan. Wesentlich tiefer dringe ich nicht vor.

Ein wenig hemmt mich auch die Befürchtung, auf etwas zu stoßen, auf das ich nicht stoßen möchte …

Er penetriert seinen Schwanz ziemlich brutal. Als würde er krampfhaft versuchen, Lust zu empfinden. Meine Empathie kann sich allerdings täuschen.

„Würdest du mir den Po lecken?“, fragt Liam voller Demut. Er ist sich dessen bewusst, dass er viel von mir verlangt. Ich denke überhaupt nicht darüber nach, ziehe meinen Finger aus ihm zurück, würde diesen am liebsten an Davids Decke abwischen, kann mich aber beherrschen und liebkose daraufhin seinen After zaghaft.

Als ich feststelle, dass es nicht schlimm schmeckt, wie eigentlich erwartet, gehe ich intensiver vor. Seine Entspannung spüre ich an meiner Zungenspitze. Jetzt genießt er es endlich und ich kann mich in diese Praktik fallen lassen. Dieser intime Moment löst starke Erregung in mir aus. Ein wenig ärgere ich mich, dass es wieder so ist, dass ich dieser tieferen Lust nicht nachgehen kann.

Liam verleiht seiner Geilheit immer mehr Ausdruck. Mich spornt es an, seinen Eingang noch intensiver zu verwöhnen. Kurz bevor er kommt, dreht er sich um. Wir brauchen keine Worte wechseln. Mein Mund schnappt nach seinem Schwanz und kurz darauf ergießt er sich in mir.

„Danke“, sagt er schnaufend.

„Gerne“, reagiere ich mit einem Lächeln auf seine kleine Geste der Dankbarkeit.

Ich gebe wirklich gerne. Dennoch kann ich nicht verleugnen, ein bisschen frustriert zu sein.

Im Badezimmer spüle ich mir den Mund aus und wasche mir die Hände. Nachdem ich sie am Handtuchende, welches an der Tür hängt, abgetrocknet habe, rieche ich an meinem rechten Mittelfinger. Diese Situation könnte als eine Szene in dem Buch Feuchtgebiete Platz finden … Aber hey, das ist menschlich. Ich muss überprüfen, ob die Seife ihre Arbeit verrichtet hat.

Er duftet nach Seife mit einem Hauch von Po. Geht in Ordnung.

Zurück im Zimmer geht Liam ins Bad. Als er wiederkommt, schlägt er vor, zu schlafen. Dabei ist es gerade mal kurz nach Mitternacht. Für meine Verhältnisse zu früh, um einschlafen zu können. Er legt sich unter die Bettdecke, doch vorher zieht er sich sein Shirt über und die Boxershorts an.

Ich wollte eigentlich alles liegen lassen und ohne Decke schlafen. Vor allem finde ich den Gedanken nicht schön, dass die beiden bereits darin geschlafen und geschwitzt haben …

Bevor ich doch das Frieren anfange, lege ich mich ebenfalls darunter. Ich trage nur meine Unterwäsche.

Keine fünf Minuten später schnarcht Liam neben mir. Irgendwie habe ich mir den Abend doch ein wenig anders vorgestellt …

Ungefähr eine Stunde später falle ich endlich in den Schlaf.

Auf meinem Arm und meinem Kopf nehme ich sanfte Küsse wahr. Gefolgt von einem leichten Streicheln, welches meinen Arm hoch und herunter fährt. Träume ich oder schenkt mir Liam Zuneigung, während ich schlafe? Durch meine geschlossenen Augen vernehme ich, dass es noch Nacht sein muss. Dieses Gefühl auf meiner Haut … Entspannt gleite ich zurück ins Land der Träume.

Am Morgen werde ich unsanft von Liams Handywecker aus dem Schlaf gerissen.

„Guten Morgen, Schlafmütze.“

Mehr als ein grummeliges Stöhnen bekomme ich nicht heraus. Wie er immer so gut drauf sein kann, direkt nach dem Aufwachen, bleibt mir ein Rätsel. Jedenfalls kennt er in der Sache keine Empathie. Er steht auf und reißt das Fenster auf.

„Los! Aufstehen! Ich muss gleich weiter“, verkündet er.

„Wie spät ist es?“ Meine Stimme klingt rau. Mit einem Räuspern versuche ich, das Kratzen loszuwerden.

„Halb Zehn.“

„Mh. Okay.“

Viel zu früh. Es enttäuscht mich, dass er direkt los will. Kein gemeinsames Frühstück. Möglicherweise sollte ich endlich aufhören, Erwartungen zu hegen. Oder ich sollte lernen, sie klar und deutlich zu äußern.

Ich stehe auf, ziehe mich an und putze mir die Zähne, im Gegensatz zu Liam, der ja nichts mitgenommen hat …

Danach versuche ich alles so herzurichten, wie wir es vorgefunden haben. Dass etwas Klopapier fehlt, wird David hoffentlich nicht auffallen.

Als wir vor Liams Auto stehen, drückt er mir einen Schmatzer auf meine Lippen, bedankt sich noch mal und düst davon. Hungrig und müde schlendere ich zur U-Bahn Station.

Den ganzen Tag über denke ich darüber nach, was das letzte Nacht für eine komische Situation war. Irgendwie feiere ich die Aktion, aber auf der anderen Seite hatte das Ganze viel mehr Potenzial. Liam hat sich zwar bedankt, aber trotzdem komme ich mir doof vor.

Wieder einmal ging es nur um ihn. Ich habe es ihm recht machen wollen und mich dabei vollkommen zurückgenommen. Warum tue ich das? Das muss aufhören! Als sei ich abhängig von ihm. Mein Teufelchen scheint mich gut im Griff zu haben. Liam wird mir nicht das geben können, was ich brauche. Früher oder später muss der Teil in mir, der immer noch hofft, dass sich etwas ändern wird, dass ich ihn vielleicht sogar so weit kriegen könnte, dass er mir das gibt, was ich haben will, akzeptieren, dass Liam sich nicht verändern wird.

Selbst wenn ich ihm ehrlich sagen würde, was ich mir von ihm wünsche … Er wäre viel zu egoistisch, dem wirklich nachzukommen. Vermutlich würde er anfangs so tun, als wolle er mich glücklich machen, aber letztendlich wäre es unaufrichtig. Denn in dem Moment würde sein Ego aus meiner Aufmerksamkeit schöpfen.

Durch diese heimlichen Anflüge von Zärtlichkeit mir gegenüber, füttert er meine Hoffnung weiterhin.

Damals, als ich bei ihm übernachtete und er mich berührte, war ich ebenso unsicher, ob das ein Traum ist … Das war gewiss keiner.

Ich verstehe nicht, was das soll, warum er das tut. Ich fühle mich ihm so nah und doch so fern. Es ist merkwürdig.

Der Auftritt der Band meines Vaters findet in Langenhagen auf einem kleinen Schützenfest statt. Immerhin gibt es einen Crêpe- und Pommesstand. Die Musik, die vorher vom DJ abgespielt wird, ist kaum zu ertragen. Per WhatsApp schicke ich Liam eine Kostprobe. Er amüsiert sich genauso wie ich darüber. In der Bar, in der er arbeitet, muss er die ganze Zeit Schlagermusik hören, was ihm die Arbeit erschwert … Ich würde durchdrehen.

Der Auftritt verläuft gut.

Nachdem wir alles abgebaut haben, stehen mein Vater, mein Bruder und zwei weitere Bandmitglieder an der Wurstbude. Dort bestelle ich mir noch eine Portion Pommes. Während ich esse, höre ich den anderen zu.

Bis mein Dad erzählt, dass ich einen neuen Freund hätte …

„Nein. Er ist nicht mein Freund“, korrigiere ich ihn.

„Aber ihr habt gestern Abend die Nacht zusammenverbracht und schreibt viel …“, entgegnet er.

„Es ist keine feste Beziehung. Nur was Lockeres“, stelle ich klar.

Einer der anderen lenkt das Gespräch auf ein neues Thema um, wofür ich dankbar bin.

Keine Ahnung, wie mein Dad nun darauf kommt, zu behaupten, Liam und ich seien ein Paar. Dabei wollte er ihn gestern nicht mal bei uns übernachten lassen …

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