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7. Kapitel

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Herbst 2012, Frankfurt am Main

«Und? Hat er's dir ordentlich besorgt?»

Es dauerte nur zwei Tage, bis mir klar wurde, dass meine Sorge berechtigt war.

Hallo Anna, kennst mich noch? Bald werden wir uns wiedersehen. Gruß, ein Freund von früher.

Ich starrte auf die SMS, während mir ein kalter Schauer über den Rücken kroch.

Natürlich konnte das ganz harmlos sein, ich kannte schließlich eine Menge Leute und war auch schon einige Jahre als Anna Stubbe unterwegs. Trotzdem glaubte ich nicht, dass diese SMS von einem Freund stammte – oder, dass ich mich über das Wiedersehen sonderlich freuen würde.

„Hallo? Anna?“

Alexa wedelte mit einer Eintrittskarte unter meiner Nase herum.

„Hast du jetzt Lust, mitzugehen, oder nicht?“

„Hmh?“

Sie ließ die Karte sinken.

„Ist etwas passiert? Schlechte Nachrichten?“

Ich steckte mein Handy weg.

„Nein, alles gut.

Und ich gehe gerne mit zum Konzert.“

Während ich eine Vorlesung, die mich eigentlich interessierte, teilnahmslos über meinen Kopf hinweg spülen ließ, versuchte ich, eine Entscheidung zu treffen.

Untertauchen, sagte die Vernunft. Wenn er es ist, den ich vermute, dann kommt er nicht allein. Und du, du bist schon seit ein paar Jahrhunderten ohne Rudel unterwegs. Also pack deine Sachen, besorg dir neue Papiere und verschwinde. Neuseeland kennst du noch nicht, und dein Englisch ist ganz passabel.

Das Herz hielt mit einem einzigen Gedanken dagegen: Sam!

Ich rief die SMS des "Freundes von früher" auf und drückte kurz entschlossen den grünen Knopf.

Keiner ging ran.

Nach dem fünften oder sechsten Freizeichen legte ich wieder auf.

Was hätte ich ihm auch sagen sollen? Wir waren uns irgendwann Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts zuletzt begegnet. Es hatte uns beide beinahe das Leben gekostet. Irgendwie war ich davon ausgegangen, dass einer der beiden Weltkriege ihn inzwischen erledigt hatte.

Aber vielleicht hatte ich mich auch nur zu gut versteckt. Ich war unvorsichtig geworden. Freundschaften, Facebook... ein normales Leben einer normalen jungen Frau, die ich nie gewesen war.

Ich packte das Handy weg. In meiner Tasche knisterte die Eintrittskarte. Eine junge Rockband, die in der Aula der Universität spielte.

Sam und Alexa gingen hin, und ich fand es süß von ihnen, dass sie mich mitnahmen.

Alexa war ein Problem. Ich mochte sie viel zu gerne, um ihr den Freund auszuspannen. Doch als mich zuletzt ein Mann so berührt hatte, hatte ich noch auf Stroh geschlafen und den Pferdefuhrwerken gelauscht, wie sie sich durch schlammige Straßen mühten.

Wollte ich wirklich verzichten?

Wie eingesperrte Tiere liefen die Gedanken in meinem Kopf im Kreis. Ich hielt durch, bis es dunkel war, dann nahm ich mir die einzige Freiheit, die mir immer blieb. Ich fuhr mit dem Porsche in den Taunus, dorthin, wo die Wälder still und dunkel sind, und ließ die Wölfin rennen.

~~~

Als ich am frühen Morgen nach Hause kam, war ich zu müde, um nachzudenken. Meine Sinne waren noch geschärft, und so roch ich Sams Anwesenheit in der Wohnung gegenüber. Ich roch seinen Schweiß, ein billiges Duschgel und Sex. Der Geruch schlang sich um Alexas Geruch, der mich immer ein wenig an Kaffee und Schokolade erinnerte. Sie passten gut zusammen, die beiden Gerüche.

Ich ging in meine leere, halb eingerichtete Wohnung und legte mich schlafen.

Als ich aufwachte, hatte ich eine SMS.

Ich weiß, wo du wohnst.

Ich starrte auf das Display.


Eigentlich wäre es an der Zeit, die Polizei zu rufen, aber wie ich die kannte, unternähme sie nichts, ehe ich nicht zu Schaden gekommen war, und meine gefälschten Papiere waren zwar gut, aber nicht unfehlbar. Zu viel Risiko also für zu wenig Rendite.

Umziehen?

Würde nicht genügen. Wenn, dann komplett untertauchen, und dazu war ich nicht bereit. Himmel noch mal, ich war gerade in diesem Leben angekommen, hatte noch nicht mal alle Kisten ausgepackt! Ich wollte mich nicht von einem Phantom ans andere Ende der Welt jagen lassen.

Ich duschte und ließ mir einen Kaffee aus meinem futuristischen, silbrig blinkenden Vollautomaten, in einen Becher ein. Ich konnte mich noch gut an meine allererste Tasse Kaffee erinnern. Irgendwann Ende des siebzehnten Jahrhunderts musste das gewesen sein. Was für eine fürchterliche Plörre im Vergleich zu dem, was meine Zaubermaschine heute ausspuckte, aber ich war von der ersten Sekunde an süchtig gewesen.

Ich verbrachte den Tag mit Kaffee, Fernsehtalkshows und ein paar Fachbüchern, die man uns Erstsemestern zur Lektüre dringend empfohlen hatte, doch nichts fesselte meine Aufmerksamkeit wirklich.

Gegen Abend begann ich, mich für das Konzert zurechtzumachen. Ich legte meine blonde Mähne in anmutige Wellen und schminkte mich dezent. Rosa Lippenstift und hellen Highlighter um die Augen. Zwar war mein Gesicht faltenlos wie das einer Zwanzigjährigen, trotzdem fehlte mir seit ein paar hundert Jahren die Ausstrahlung einer sehr jungen Frau.

Indem ich mir einen sehr mädchenhaften Look verpasste, konnte ich ein bisschen gegensteuern.

Ich probierte alle meine Jeans durch, bis ich eine fand, die lässig auf den Hüften saß und meine Vorzüge betonte, ohne zu sexy zu sein. Ein schlichtes weißes Männerhemd, am Kragen offen und mit aufgekrempelten Ärmeln, vervollständigte mein Outfit. Boots, Umhängetasche, und ich war fertig.

Ich klingelte gegenüber bei Alexa. Sam öffnete.

„Hi“, sagte er und lächelte flüchtig. „Ähm... Alexa wird nicht mitkommen. Es geht ihr nicht so besonders.“

Hinter ihm tauchte meine Lieblingsnachbarin auf, in einem ausgeleierten T-Shirt, im Gesicht blass wie eine Leiche.

„Magen-Darm-Grippe“, murmelte sie schwach. „Ihr zwei könnt einfach ohne mich gehen.“

„Und du bist sicher, dass ich nicht bei dir bleiben soll?“ Sam drehte sich zu Alexa um. Die lächelte müde.

„Nee, lass mal. Ich weiß doch, wie sehr du dich auf das Konzert gefreut hast. Und ich will einfach nur schlafen...“

Sam seufzte und nahm Alexa in den Arm. Ganz fürsorglich sah er aus, und sie schlang die Arme um ihn und versteckte das Gesicht an seiner Brust.

„Gute Besserung“, flüsterte er in ihre Haare. „Und wenn du was brauchst... ich hab den ganzen Abend das Handy an.“

„Viel Spaß“, murmelte sie. „Ich geh wieder ins Bett.“

Er brachte sie ins Schlafzimmer und blieb eine Weile verschwunden.

Ich wartete auf dem Fußabstreifer und versuchte, mich nicht zu schlecht zu fühlen, weil ich mich auf den Abend mit Sam so freute.

Ich plante nichts. Ich war nicht Bitch genug, um einer kranken Freundin den Kerl auszuspannen. Einfach nur seine ungeteilte Aufmerksamkeit genießen, das war es, was ich wollte.

Endlich kam er und schlüpfte in seine ausgelatschten roten Chucks.

„Wollen wir?“

„Bin bereit.“

„Was macht dein Auto? Fährt es wieder?“

„Ähm... ja. Ich kann fahren, wenn du möchtest.“

Wozu hatte ich den Porsche schließlich, wenn ich ihn als mein bestgehütetes Geheimnis behandelte?

Sam staunte nicht schlecht, als ausgerechnet das rote Geschoss auf dem Parkplatz meiner Fernbedienung antwortete.

„Alter! Was für eine geile Karre! Woher hast du die denn?“

„Mein Vater war sehr vermögend und hat mir eine Menge Geld hinterlassen.“

„Oh... er ist tot?“

„Schon seit ein paar Jahren. Das Auto ist die einzige Spielerei, die ich mir gegönnt habe – mein Vater hätte nicht gewollt, dass ich sein hart erarbeitetes Geld auf den Kopf haue.“

„Verstehe.“

Beinahe andächtig ließ er sich auf den lederbezogenen Beifahrersitz gleiten. Ich startete den Motor und genoss für einen Augenblick die mächtige Maschine unter dem Gaspedal. Dann ließ ich den Porsche sanft vom Parkplatz rollen.

„Was hat dein Vater so gemacht?“

„Er hatte eine Immobilienfirma in Bonn. Hat sein Geld gemacht, als die Bundesregierung noch dort war.“

Ich versorgte Sam mit Details aus meinem erfundenen Leben, während wir durch den abendlichen Stadtverkehr cruisten. Irgendwann, als ich ihm nicht noch mehr Lügen auftischen wollte, fragte ich nach der Band, die wir an diesem Abend hören würden. Ein Freund von ihm war der Schlagzeuger und hatte Sam mit den Karten versorgt.

„Sonst wäre ich nicht gegangen“, sagte Sam. „Ich meine, das ist eigentlich uncool, die Freundin daheim über der Kloschüssel zu lassen und selber rauszugehen und sich zu amüsieren.“

„Für sie war das aber okay, oder nicht?“

„Ja – nur für mich eigentlich nicht. Wir haben das besprochen, bevor du geklingelt hast. Ich bin nur mit, weil sie darauf bestanden hat.“

Spielerisch zog ich einen Schmollmund.

„Dann liegt dir also nichts an meiner Gesellschaft?“

Er grinste.

„Das nun auch wieder nicht. Immerhin werde ich heute Abend dort mit der schärfsten Blondine überhaupt aufkreuzen. Das ist gut fürs Ego.“

„Ihr Männer. Wann werdet ihr begreifen, dass Frauen nicht nur Schmuck und Zierde für euch sind?“

„Du darfst dich gerne auch mit mir schmücken, wenn dir das hilft.“

„Na, an Selbstbewusstsein fehlt es dir ja nicht.“

„Nö, warum auch?“

In der Nähe der Uni fand ich einen Parkplatz.

Wir beschlossen, auf die Vorgruppe zu verzichten und lieber noch einen Cocktail trinken zu gehen, ehe wir uns ins Gewühl der Party stürzten.

Die Mai Tais in der Studentenkneipe ums Eck reichten nicht an die im Roofgarden heran, aber sie lockerten die Stimmung und gaben unseren Händen etwas zu tun, während wir langsam miteinander warm wurden.

Zum ersten Mal, seit ich ihn kannte, war ich für längere Zeit mit ihm allein. Ich ließ ihn von der Uni erzählen und genoss inzwischen seinen Anblick: die kräftigen Finger, die mit dem Strohhalm spielten, die breiten Schultern in der Lederjacke. Das Shirt, das er darunter trug, hing ihm locker über die Hose, war aber eng genug, dass es seinen Sixpack erahnen ließ, wenn er sich bewegte. Ich stellte mir vor, wie ich meine Hände unter den verwaschenen Stoff gleiten ließ. Sein Körper musste warm und fest sein, das Spiel der Muskeln fühlbar unter der Haut. Ob er sich die Brust rasierte? Rasierte Männer waren meist sehr eitel, und Sam war zwar schön, machte aber keinen sonderlich eingebildeten Eindruck, er sah eher auf eine lässige, natürliche Art gut aus, die nur wenigen Männern gegeben ist.

Ich würde meine Finger unter seinen Hosenbund stecken und seinen Gürtel öffnen, dann würde ich die Hose langsam nach unten schieben...

„Anna? Hallo?“

Ich schrak auf.

„Oh, sorry, ich war mit den Gedanken... woanders.“

Da war wieder dieses jungenhafte Grinsen auf seinem Gesicht.

„Man hätte meinen können, du würdest mich mit Blicken ausziehen.“

„Was?! Nein! Ich meine... du hast schließlich eine Freundin.“

Er ließ seinen Blick an mir hinunterwandern, ganz langsam.

„Die Gedanken sind frei“, sagte er.

Ich stürzte meinen Mai Tai hinunter.

„Zeit für die Band, oder nicht?“

„Na klar.“ Er rutschte vom Barhocker. „Ich zahle.“

Es wurde nicht besser, als er in der überfüllten Aula seine Jacke an der Garderobe abgab. Er sah so wahnsinnig sexy aus in seinen abgenutzten Jeans und dem weichen Linkin-Park-Shirt mit den Tourdaten von 2009 auf dem Rücken. Zum Glück begann die Band gerade ihr Konzert. Wir stürzten uns ins Gewühl, tanzten und sangen die Lieder mit, die wir kannten – Coverversionen aus den letzten zehn Jahren, aber die waren mir viel lieber als die selbst-komponierten Versuche eines Nachwuchsmusikers.

Es war heiß und laut, und bald schwitzten wir beide. Zumindest tat ich so. Ich zog mein Hemd aus und knotete es mir um die Hüften. Darunter trug ich ein weißes Tanktop, unter dem mein BH hervor blitzte. Ziemlich gewagt, aber da war ich nicht die einzige. Eine schwarz gefärbte Cinderella mit weißen Brüsten in einer Spitzenauslage tanzte sich an Sam heran und versuchte, seinen Blick einzufangen. Er lächelte höflich, und sie nahm es als Aufforderung, ihn anzuquatschen. Sie war ziemlich pummelig, was in ihrem kurzen Rock unübersehbar war.

Provozierend reckte sie ihre Brüste heraus und stellte sich auf die Zehenspitzen, um ihm etwas ins Ohr zu rufen, und er nickte und suchte hilflos meinen Blick. Als Cinderella ihm die Hand auf den Arm legte, wurde es mir zu viel. Ich kam ran, schlang Sam einen Arm um die Taille und hauchte ihm einen Kuss auf den Mundwinkel.

Er roch unglaublich gut, nach Männerschweiß und Aftershave, und seine Haut unter dem T-Shirt war warm und verschwitzt. Meine Finger wollten sich dort festsaugen, und beinahe vergaß ich, Cinderella böse anzufunkeln. Als ich es nachholte, zog sie schleunigst Leine.

Mit Bedauern nahm ich meine Hand unter Sams

T-Shirt hervor und ging auf Abstand, so gut es auf der engen Tanzfläche möglich war.

„Danke“, rief er mir ins Ohr. „Ich hätte das aber auch selber hingekriegt.“

„Hätte aber länger gedauert“, rief ich zurück.

Wir tanzten, und ich sah, wie er mich unverhohlen musterte. Mein Tanktop war ein bisschen durchsichtig. Wenn seine Gedanken wirklich frei waren, wollte ich nur zu gerne wissen, wo die sich herumtrieben.

Ich zog das Tanktop aus der Hose und hob es ein wenig an, als wollte ich mir damit Luft zufächeln. Ein Vorteil meines Doppellebens ist, dass ich mir Sport und Fitness-Studio spare und immer perfekt in Form bin.

Seine Augen wurden riesig. Die Stirn abtupfend hob ich es noch etwas höher. Dann streifte ich es brav wieder herunter und tanzte weiter, als sei nichts gewesen.

Es dauerte nicht lange, bis mich ein fremder Typ von der Seite anbaggerte.

„Heiß hier, was?“, rief er mir zu und tränkte mich in seiner Bierfahne. Seine Hand landete auf meiner Hüfte, wo seine Finger sofort ein Stück nackte Haut fanden. Normalerweise hätte er sich binnen Sekunden winselnd auf dem Boden gewunden, aber ich wollte wissen, was Sam tat.

„Ja, gewaltig heiß!“, gab ich also zurück und ließ die Hand des Typen, wo sie war. Er tanzte sich dichter an mich heran und begann, auf Körperkontakt zu gehen. Er schob ein Bein zwischen meine Schenkel und versuchte, mich in seinen Tanzrhythmus zu ziehen. Mein Blick kreuzte den von Sam. Da war er auch schon an meiner Seite, legte den Arm um mich, zog mich von dem anderen weg und küsste mich voll auf den Mund.

Etwas in mir explodierte. Sterne tanzten vor meinen Augen. Ich spürte seine Zunge auf meinen Lippen und erwiderte den Kuss stürmisch. Ich spürte, wie er sich an mich krallte und unterdrückt stöhnte. Wir pressten uns aneinander, küssten uns weiter und schoben uns die Hände unter die Shirts, während rund um uns die Partygäste tanzten und die Musik dröhnte. Ein Zurück war nicht vorstellbar. Eng umschlungen drängten wir uns an den Rand der Tanzfläche, stolperten die Stufen hinauf und Richtung Ausgang.

Die Aula lag wie ein glitzerndes Ufo in der dunklen Uni. Wir bogen in einen dunklen Gang ein, weg von dem Licht und den Leuten. Die Seminarräume waren verschlossen. Wir blieben auf dem Gang stehen und küssten uns. Seine Hände schoben mein Shirt in die Höhe und fanden meine Brüste.

Schnell hatte er meinen BH aufgehakt und sie befreit. Ich stöhnte in seinen offenen Mund, während ich mit seinem Gürtel kämpfte. Er half mir und schob erst seine, dann meine Hose hinunter. Aus meinen Boots kam ich ganz leicht, indem ich sie mit den Fußspitzen an der Ferse lockerte, und aus ihnen ausstieg.

Wir rieben uns aneinander, streichelten und küssten uns, flüsterten Dinge wie „Sei leise“ und „Wir sollten aufhören“ und „Was, wenn jemand uns überrascht?“, bis wir dann aufhörten zu reden, weil es keinen Sinn hatte. Er legte seine Hände um meinen Hintern, hob mich hoch und drückte mich gegen die Wand. Mit dem Fuß streifte ich die Hose ab, die nun nur noch an einem Knöchel hing. Ich schlang die Beine um ihn, klammerte mich fest und spürte, wie er in mich eindrang.

Keine zwei Minuten später war alles vorbei. Der Rausch verging und ließ uns erschöpft, verschwitzt und mit Muskelkrämpfen zurück. Wir lösten uns voneinander und zogen uns wieder an. Hand in Hand gingen wir zurück in Richtung Party, und hinaus aufs dunkle Uni-Gelände.

Die Nacht war kühl und erinnerte uns daran, dass wir unsere Jacken an der Garderobe abgegeben hatten. Wir setzten uns auf eine steinerne Beetumrandung und schwiegen.

„Das darf nicht mehr passieren“, sagte Sam irgendwann. „Ich fühle mich schrecklich.“

„Kann ich verstehen. Deine Freundin krank daheim, und du betrügst sie auf einer Uni-Party...“

„Genau. Super. Vielen Dank.“

Er kickte einen Stein weg, der klickernd in der Dunkelheit verschwand.

„Tut mir leid“, flüsterte ich.

„Mir nicht. Und das ist das Problem. Anna, ich habe das Gefühl, ich hätte mein Leben lang nur auf dich gewartet.“

„Machst du Schluss?“

Er seufzte und presste die Fäuste gegen die Stirn.

„Ich weiß nicht. Ich muss nachdenken.“

„Tu es nicht“, sagte ich. „Mach nicht Schluss. Du würdest es bereuen. Nicht wegen eines One-Night-Stand – der noch nicht mal eine ganze Nacht gedauert hat. Du weißt überhaupt nichts über mich... und ich kann im Augenblick keine feste Beziehung eingehen.“

„Warum nicht?“

Ich kramte mein Handy aus der Tasche, rief die SMS auf und gab es ihm.

Ich weiß, wo du wohnst.

„Scheiße“, sagte er. „Was soll das sein? Eine Drohung?“

„Danach sieht's aus, oder?“

„Aber warum? Und wer? Ein ehemaliger Lover?“

„Nein. Jemand, mit dem ich Stress hatte... früher. Ich dachte, er hätte mich aus den Augen verloren, aber scheinbar doch nicht.“

„Und was machst du? Gehst du zur Polizei?“

„Nein. Simsen ist nicht strafbar. Aber es kann sein, dass ich aus Frankfurt weggehe. Ich will nicht, aber vielleicht ist es besser. Für alle.“

„Das ist ein bisschen verfrüht, wegen einer SMS, findest du nicht?“

Ich atmete tief die kühle Nachtluft.

„Ich weiß es nicht. Wenn es der Typ ist, an den ich denke, kann ich nicht früh genug weit weggehen. Andererseits wird er mich überall finden.“

„Und was will er von dir?“

„Ich weiß es doch nicht, Sam. Vielleicht reicht es ihm, mir Angst einzujagen.“

Sein Blick haftete auf mir.

„Du erzählst mir nicht die Hälfte von dem, was du weißt, oder?“

„Ja. Und das ist auch richtig so. Ich kann dich unmöglich da hinein ziehen.“

„Aber...“

„Nein!“

Ich bellte ihn geradezu an, und er zuckte zurück.

„Ist ja gut. Denk nur bitte daran – wenn du Hilfe brauchst, bin ich da.“

„Ja. Danke.“

Wir schwiegen und starrten in die Dunkelheit. Wir hatten beide keine Lust mehr auf die Party. Als uns kalt wurde, holten wir unsere Jacken, gingen zum Auto und fuhren heim.

Die nächste SMS kam, als Sam gerade Alexas Tür leise hinter sich geschlossen hatte.

Und? Hat er's dir ordentlich besorgt?

Kuss der Wölfin - Die Ankunft (Band 1)

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