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Es ist Donnerstagabend und schon dunkel, als Lilli nach Hause kommt.

Der Fahrstuhl im Haus ist wieder mal ausgefallen, und so muss sie die Treppe nehmen. Noch während sie die Stufen nach oben steigt, hört sie das Telefon in ihrer Wohnung schrillen. Obwohl sie sich beeilt, schafft sie es nicht mehr. Sie fragt sich, wer in letzter Zeit andauernd bei ihr anruft. Kai jedenfalls konnte es nicht sein. Er hatte ein Handy und schrieb ihr meist SMS oder rief sie vom Handy aus an.

Wie immer, wenn sie gerade nach Hause kommt, wirft sie ihr Schlüsselbund auf die Kommode im Flur, zieht ihre Jacke aus, hängt sie und die Handtasche an den Haken und streift sich während des Weiterlaufens die Schuhe ab, die sie achtlos liegen lässt. Sie geht in die Küche, öffnet die Kühlschranktür und sieht nach, was der Kühlschrank noch so hergibt. Lilli macht sich ein Brot und nimmt noch eine Flasche Apfelsaft mit und geht dann ins Wohnzimmer, nimmt sich eine Decke und rollt sich darin auf der Couch ein. Sie stellt den Fernseher an, nur um sich nicht so alleine zu fühlen, und beißt in ihr Brot. Wie Kai ihr doch fehlt.

Das Klingeln des Telefons lässt sie zusammenschrecken. Sie erhebt sich und eilt in den Flur. Vielleicht ist es ja doch etwas Dringendes, denkt sie bei sich. Immerhin klingelte das Telefon bereits das zweite Mal. Sie nimmt den Hörer ab und meldet sich mit ihrem Namen. Nichts. Sie hört am anderen Ende jemanden atmen. „Hallo. Wer ist denn da?“ Keine Antwort. Dann wird aufgelegt. Seltsam, denkt Lilli bei sich. Wahrscheinlich hatte sich der Andere nur verwählt und traute sich nicht, es zuzugeben. Sie legt sich wieder auf ihre Couch und kurze Zeit später hat sie den Vorfall bereits vergessen.

Sie schreckt auf, wieder ist es das Telefon, das klingelt. Sie muss wohl kurz eingeschlafen sein. Sie überlegt, soll sie besser gar nicht erst dran gehen? „Hallo. Hier ist Liliana Bellmann. Hallo. Warum melden Sie sich denn nicht? Worum geht es denn?“ Wieder keine Antwort, nur dieses Atmen. Langsam wird es Lilli unheimlich. Wieder wird aufgelegt. Sollte sie vielleicht doch mal mit Kai darüber reden? Andererseits würde er sich sicher über sie lustig machen, dass sie so ein Feigling ist.

Während sie die Namenwahl auf ihrem Handydisplay betätigt und „Kai“ auf dem Display ihres Handys erscheint, drückt sie auf Anrufen. Doch am anderen Ende tönt eine Frauenstimme: „…der von Ihnen gewählte Teilnehmer ist nicht erreichbar…“ Enttäuscht drückt sie die Option „Beenden“. Was er wohl jetzt macht? Ob er auch an sie denkt? Sie schlurft in ihr Schlafzimmer und legt sich ins Bett. Sie kann und kann nicht einschlafen, wälzt sich unruhig hin und her. Zum Glück, Morgen Abend ist Kai wieder da, denkt sie. Dann, irgendwann, ist sie eingeschlafen.

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Er beobachtet sie, wie sie nach Feierabend aus dem Firmenkomplex kommt und in ihr Auto steigt. Er weiß genau, wie lange sie für die Strecke braucht, um von ihrer Arbeit nach Hause zu fahren. Vorausgesetzt natürlich, dass sie die gleiche Strecke wie immer nimmt. Doch heute ist sie nicht allein, sie nimmt eine junge blonde Frau mit. Natürlich weiß er auch sonst nie, ob sie sofort nach Hause fährt oder sich noch verabredet oder einkaufen geht. Das war das unkalkulierbare Restrisiko für ihn, das blieb.

Seine Hand betätigt die Namenwahl seines Handys. Er lässt es dreimal klingeln. Dann, ohne abzuwarten, dass jemand den Hörer abnimmt, legt er auf, wartet genau eine Stunde und wählt erneut. Diesmal geht sie an den Apparat. Er hört ihre Stimme. Sie meldet sich mit ihrem Namen und fragt dann: „Hallo. Wer ist denn da?“ Ohne etwas zu sagen, legt er auf.

Erregt fingert er eine Zigarette aus der angebrochenen Packung, zündet sie an und zieht genüsslich an seiner Kippe. Es knistert, als der Tabak durch die eingezogene Luft Feuer fängt. Er sitzt im Halbdunkeln, während die Zigarettenspitze glimmt. Der Rauch verteilt sich im Zimmer. Er greift mit der Rechten vor sich auf den Tisch, wo die offene Flasche Single Malt steht, umklammert mit seiner Hand den Flaschenhals und führt sie an seine Lippen. Er setzt die Flasche an und trinkt in einem Zug ein Drittel des Whiskys aus. Er spürt die Schärfe, die sich von seinem Gaumen aus einen Weg die Speiseröhre hinunter in seinen Magen bahnt. Wohlige Wärme breitet sich in ihm aus.

Genau eine Stunde nach seinem zweiten Anruf, klingelt er wieder bei ihr an. Er atmet schwer. Diesmal hört er es aus ihrer Stimme heraus, dass sie Angst hat. Ihre Stimme klingt unsicher und schrill. Er denkt: Na Kleine, jetzt hast Du wohl Angst? Auch dieses Mal sagt er nichts und legt nach einer Weile wieder auf. Er legt sich auf sein Bett: Schlaf schön, Lilli.

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Endlich, Freitag! Lilli kann es kaum noch abwarten, bis Kai endlich wieder da ist. Sie haben sich eine ganze Woche nicht gesehen. In der Firma kann sie sich nur wenig auf ihre Arbeit konzentrieren, ständig schweifen ihre Gedanken ab. Sie muss an ihn denken.

Dann ist es soweit. Sie schließt ihn in die Arme. Er strahlt: „He, Süße. Hast du mich auch so sehr vermisst, wie ich dich?“ Sie küsst ihn. „Und“, fragt er sie „was hast du so gemacht ohne mich?“ Sie überlegt kurz, ob sie ihm von den seltsamen Anrufen erzählen soll, lässt es dann aber doch. Sie will sich beiden nicht die Stimmung verderben. Und außerdem vielleicht hatte das auch gar nichts zu bedeuten. „Wollen wir ins Kino gehen?“ fragt sie stattdessen. „Es läuft ein Action-Film. Meine Kollegin und ihr Mann haben ihn letzte Woche schon gesehen. Das soll wirklich ein Knaller sein. Und vorher könnten wir doch beim Italiener noch eine Kleinigkeit essen und uns erzählen, wie die Woche so gewesen ist.“

Zerrissen

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