Читать книгу Seewölfe - Piraten der Weltmeere 146 - Kelly Kevin - Страница 5

2.

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Der Morgen graute bereits, als der zwölf Mann starke Spähtrupp von der „Isabella“ und der „Hoek van Holland“ Portugalete erreichte.

Noch lag der Außenhafen von Bilbao in tiefem Schlaf, das einzige Geräusch war das Schmatzen und Gurgeln des Rio Nervión, der seine lehmbraunen Fluten ins Meer ergoß. Die Männer, die an der Küste entlangmarschiert waren, vermieden es, die Stadt selbst zu betreten. Der Seewolf und seine kleine Gruppe hatten in die „Linterna Roja“ gewollt, eine Schenke, die als Stützpunkt der baskischen Rebellen galt. Und dort, so hatten sich Ed Carberry und Pieter Ameland geeinigt, wollten sie mit ihren Nachforschungen beginnen.

Aus schmalen Augen spähte der Profos zu der Landzunge hinüber.

Klotzig und drohend hoben sich die Umrisse der Festung im Morgengrauen ab. Ein schmaler Pfad verlief unterhalb der Außenmauer, zeichnete die Form der Bucht nach und führte schließlich aufwärts zu den wenigen verstreuten Häusern auf der Landspitze. Eins davon war die Schenke mit dem Namen „Rote Laterne“, und um sie zu erreichen, war es notwendig, den Fluß zu überqueren.

„Ganz schön frech, diese Basken“, stellte Dan O’Flynn fest. „So dicht vor der Nase der Spanier zu operieren.“

„Genau deshalb kommen die Spanier nicht darauf“, sagte Pieter Ameland. „Außerdem ist die Schenke nur ein Treffpunkt. Die Basken bemühen sich, nicht den geringsten Verdacht auf den Wirt fallen zu lassen. Denn irgendwann, wenn sie stark genug sind, wollen sie den unterirdischen Gang für einen Überraschungsangriff auf die Festung nutzen.“

„Hoffentlich schaffen sie’s.“ Dans Blick tastete die Bucht ab. „Was tun wir? Schwimmen?“

„Bleibt uns nichts anderes übrig, wenn wir nicht eine der bewachten Brükken stürmen wollen. Also los!“

Eilig kletterten die Männer zwischen den Felsen abwärts. Ein paar Stücke Treibholz, die ihre Waffen tragen konnten, waren schnell zusammengebunden. Nacheinander stiegen die Männer ins Wasser, Matt Davies und Ferris Tucker schleppten das behelfsmäßige Floß nach, und binnen weniger Minuten hatten sie die Bucht durchschwommen.

Sehr vorsichtig folgten sie dem Pfad, der bedrohlich nah an der Feste vorbeiführte.

Das letzte Stück mußten sie über roh in den Felsen gehauene Stufen aufsteigen. Ein Kiefernwäldchen schirmte die „Linterna Roja“ ab. Die Männer wollten gerade aus dem Schatten treten, als ihnen Ed Carberry ein Zeichen mit der Hand gab.

Deutlich war vor ihnen Hufschlag zu hören.

Das Geräusch erklang von der anderen Seite der Landzunge: zwei oder drei Reiter, die sich rasch näherten und zwischen Felsen und Gebüsch auftauchten. Sie saßen ab, bevor sie das freie Gelände um die Schenke erreichten. Eilig banden sie ihre Tiere mit den Zügeln an ein paar Äste, dann huschten sie geduckt auf die „Linterna Roja“ zu.

„Baskische Rebellen?“ fragte Dan halblaut.

„Ich weiß nicht“, sagte Pieter Ameland. „Auf jeden Fall erscheint mir die Sache merkwürdig.“

„Dann gehen wir doch hin und sehen nach“, knurrte Carberry. „Oder wollt ihr hier Wurzeln schlagen, was, wie?“

„Ich riskiere mal einen Blick.“

Dan O’Flynn hatte sich bereits aus dem Schatten der Kiefern gelöst, schlug einen Bogen und glitt von der Seite her auf die Tür der Schenke zu, durch die eben die drei Unbekannten verschwunden waren. Im Haus war alles still. Keine Spur von Hasard und seiner Gruppe, keine Spur von dem Wirt oder den restlichen Bewohnern. Man hätte annehmen sollen, daß sie um diese Zeit schliefen, doch die offene Tür sprach genauso dagegen wie die Selbstverständlichkeit, mit der die drei Männer den Schankraum betreten hatten.

Dan drückte sich neben einem der kleinen, tiefen Fenster gegen die Wand und spähte vorsichtig durch die Scheibe.

Eine Petroleumlampe brannte. An dem langen Schanktisch stand ein schwarzhaariges junges Mädchen mit dunklen Glutaugen im blassen, ernsten Gesicht. Sie preßte die Handflächen gegeneinander und redete auf die drei Männer ein. Laut genug, so daß Dan die Worte hätte verstehen können, doch sie benutzte eine Sprache, die dem jungen O’Flynn völlig unbekannt war.

Er fluchte in sich hinein.

Ob die Geusen das Kauderwelsch verstanden? Er wandte sich um und wollte den anderen ein Zeichen geben; doch da stand schon wie aus dem Boden gewachsen der blonde, helläugige Pieter Ameland neben ihm.

Er lächelte matt.

„Sie werden Baskisch sprechen, Eskuara“, flüsterte er. „Ich verstehe ein bißchen davon, seit wir einmal mit der ‘Hoek van Holland‘ ein paar Rebellen an Bord genommen haben, die vor den Spaniern auf der Flucht waren.“

„Und was, zum Teufel, erzählen sie sich?“

Ameland kniff die Augen zusammen und lauschte gespannt.

„Das Mädchen sagt etwas von Verwundeten“, murmelte er. „Sie hat sie im Weinkeller versteckt. Jetzt gehen sie hinunter.“

„Verdammt“, knirschte Dan.

Ameland warf ihm einen Blick zu. „Ich war schon einmal hier. Es gibt einen Einstieg auf der Rückseite des Hauses.“

„Auf was warten wir dann?“

Sie grinsten sich an.

Lautlos wandten sie sich ab und umrundeten das Gebäude. Inzwischen war es heller geworden, der rote Widerschein am Himmel im Osten zeigte, daß bald die Sonne über den Horizont steigen würde. Deutlich konnten die beiden Männer die schräge Holzklappe sehen, hinter der vermutlich eine Rutsche lag, die dem schnellen Transport von Holz oder Vorräten in den Keller diente.

Behutsam hob Dan O’Flynn die Luke.

Die Scharniere waren schlecht geölt, doch da er sie nur wenig bewegte, hielt sich das Knirschen in Grenzen. Tatsächlich fiel das graue Morgenlicht auf eine hölzerne Rutsche. In dem Kellerraum, in den sie führte, regte sich nichts. Dan schwang sich kurz entschlossen auf die Schräge.

Pieter Ameland folgte ihm.

Sekunden später standen sie in der Finsternis des Kellers und lauschten. Jetzt brauchten sie die drei Männer und das Mädchen nur noch zu finden.

Miranda Lleones hielt die blakende Öllampe hoch.

In ihrem Licht beugten sich die drei Basken über die Verwundeten, die auf einem provisorischen Dekkenlager zwischen zwei riesigen Weinfässern lagen. Sie hatten viel Blut verloren. Miranda, die ein wenig von der Wundbehandlung verstand, war der Ansicht gewesen, daß sie einen Transport auf den rumpelnden Wagen nicht überleben würden. Jetzt fühlten sie sich schon wesentlich besser, auf jeden Fall konnten sie bereits wieder kräftig fluchen.

„Schon gut, Dario.“ Der hagere Baske, der den kleinen Trupp anführte, grinste im Halbdunkel. „Wir wissen selbst, daß die Kerle wie die Teufel gekämpft haben, wir waren schließlich dabei. Dieser Seewolf hat sogar unterwegs noch einen Ausbruch versucht. Er sprengte die Fesseln, als ob es gar nichts wäre. Aber jetzt haben wir sie auf Nummer sicher. Und die Spanier werden unsere Leute sehr schnell freilassen, wenn wir ihnen Jan Joerdans und El Lobo del Mar zum. Tausch anbieten.“

„Ah! Hoffentlich! Und wie wollt ihr sie es wissen lassen?“

„Das wird Miranda übernehmen.“ Der Baske vollführte eine rasche Handbewegung, um den Protest des Verwundeten abzuschneiden. „Keine Angst, sie braucht sich nicht in Gefahr zu begeben. Sie geht zum Haus des Hafenkommandanten und schiebt einen Brief durch die Tür oder ein Fenster. Uvalde, dieser Hund, hält sich zwar fast nie in seinem Palacio auf, weil er sich vor Anschlägen fürchtet, aber seine Bediensteten werden schon dafür sorgen, daß die Nachricht in seine Hände gerät.“

„Gut. Und wann holt ihr uns hier heraus?“

„Später, mein Freund, wenn ihr euch etwas erholt habt. Wir reiten zunächst ins Lager zurück. Miranda?“

Das Mädchen griff nach dem zusammengerollten, versiegelten Pergament, das der Baske ihr hinhielt. Sie dachte an den Mann mit dem langen schwarzen Haar und den eisblauen Augen und an die beiden Geusen, die ihr vertraut hatten. Und an ihren Vater, der im Kerker der Festung schmachtete, vielleicht gefoltert wurde und nur eine Chance hatte, am Leben zu bleiben, wenn El Vascos Plan klappte.

Der Preis war Verrat.

Mit den englischen Freibeutern hatten die Basken nichts zu schaffen, wohl aber mit den Geusen. Hier in der „Linterna Roja“ hatten die Holländer schon mehr als einmal Vorräte übernommen. Und es war Jan Joerdans’ „Hoek van Holland“ gewesen, die damals in der Stiefelbucht Gian Malandrès und seiner Gruppe den Weg freigeschossen und die Männer an Bord genommen hatte, bevor die Spanier sie erwischen konnten. Und jetzt würde Gian Malandrès seine Freiheit Jan Joerdans’ Tod verdanken. Wollte er das? Und wollte es ihr, Vater? Miranda schluckte schwer und dachte daran, daß wohl jeder jeden Preis für die Freiheit zu zahlen bereit war, wenn die Spanier irgendwelches Wissen bei ihm vermuteten, das es ihm zu entreißen galt.

„Du weißt, was du zu tun hast?“ fragte der Baske mit einem scharfen Blick in das bleiche Gesicht des Mädchens.

Miranda nickte. „Ich weiß es, Manòs. Werdet ihr – versuchen, die Spanier zu täuschen?“

„Versuchen wohl. Aber ich bezweifle, daß sie sich täuschen lassen. Sie werden Zug um Zug vorgehen wollen, und ich fürchte, El Vasco bleibt nichts übrig, als sich den Bedingungen zu beugen.“

„Es ist nicht recht, Manòs. Es ist einfach nicht recht! Wenn wir nur eine andere Wahl hätten!“

„Wir haben keine. Los jetzt, Miranda!“

Schweigend wandten sie sich ab.

Das Mädchen hielt die Lampe und umklammerte mit der anderen Hand die Pergamentrolle. Ihre dunklen Augen wirkten wie erloschen, sie bemühte sich verzweifelt, nicht länger nachzudenken.

Dan O’Flynn hielt den Atem an.

Seine blauen Augen flammten vor Wut, in dem braungebrannten Gesicht bildeten die Lippen einen harten, blutleeren Strich. Er mußte an sich halten, um seinen kochenden Zorn nicht explodieren zu lassen, während sie sich lautlos von der schweren Bohlentür des Weinkellers zurückzogen.

Sekunden später glitten sie wieder durch die schräge Luke ins Freie.

Aus der Schenke drangen Gemurmel und ein leises Klirren. Offenbar tranken die drei Basken noch ein Glas Wein, bevor sie aufbrachen. Hastig entfernten sich Pieter Ameland und der junge O’Flynn von dem Haus und huschte im Bogen zurück zu dem Kieferwäldchen, wo ihre Kameraden warteten.

„Diese Schweine!“ knirschte Dan. „Diese heimtückischen, verräterischen Halunken! Die verdienen nichts anderes, als von den Spaniern massakriert zu werden, die …“

„Was ist denn mit dir los?“ fragte Ed Carberry flüsternd.

Dans Stimme zitterte vor hilfloser Wut. „Die verdammten Basken haben Hasard und die anderen überrumpelt und verschleppt. Sie wollen sie als Geiseln benutzen, um sie gegen baskische Gefangene auszutauschen. Sie wollen sie eiskalt den Spaniern ans Messer liefern, versteht ihr?“

Eds Narbengesicht erstarrte.

Er brauchte ein paar Sekunden, um die Bedeutung von Dans Worten zu erfassen. Dann rammte er sein Amboß-Kinn vor, lief dunkelrot an und holte tief Luft.

„Halt bloß deine große Klappe!“ zischte Ferris Tucker beschwörend.

Der Profos verschluckte sich fast. Sein Narbengesicht verfärbte sich noch dunkler, bevor er begriff, daß er hier wirklich nicht in gewohnter Weise herumbrüllen konnte.

„Dir ziehe ich die Haut ab, du rothaariger Affe!“ flüsterte er. „Soll ich vielleicht ruhig bleiben, wenn diese Mistböcke und Hurensöhne unseren Seewolf den Spaniern zum Fraß vorwerfen wollen, was, wie? Warum stehen wir hier noch herum wie die Ölgötzen? Wir schnappen uns diese dreckigen Verräter, brechen ihnen sämtliche Gräten.“

„Damit wissen wir aber noch nicht, wo sie Hasard und die anderen gefangenhalten“, sagte Dan.

„Ha!“ fauchte Matt Davis. „Die werden singen wie die Vögelchen, wenn ich sie mit meinem Haken kitzle!“

„Und wenn nicht?“ fragte Stenmark sachlich.

Schweigen.

Edwin Carberry hatte sich wieder gefaßt, auch wenn die Blicke, die er auf die Schenke schleuderte, immer noch mörderisch wirkten.

„Wir müssen die Halunken verfolgen“, knirschte er. „Und wir müssen dafür sorgen, daß dieser verdammte Brief nicht in die Hände des Hafenkommandanten fällt. Also teilen wir uns! Ameland, ihr übernehmt das Mädchen, während wir …“

„Zwei von uns sollten euch begleiten“, unterbrach ihn der Steuermann der „Hoek van Holland“. „Ihr versteht Spanisch, aber nicht die Sprache der Basken. Wir können wenigstens ein paar Brocken davon.“

„Ein vernünftiger Vorschlag. Verdammt, wir werden Pferde brauchen, wir können nicht zu Fuß hinter den Gäulen herrennen.“

„Die Schenke hat einen Stall“, sagte Dan O’Flynn.

„Hoffentlich stehen da nicht nur ein paar lahme Klepper drin. Zuerst müssen wir warten, bis die Basken verschwunden sind. Diese elenden Halsabschneider! Wenn ich könnte, würde ich ihnen die Haut in Streifen von ihren verdammten Affenärschen …“

Er verstummte.

Denn im selben Augenblick klirrte der Perlenvorhang in der Tür der Schenke, und die drei Basken traten ins Freie. Miranda Lleones folgte ihnen. Sie umklammerte eine versiegelte Pergamentrolle, und ihre Finger zitterten, als sie sorgfältig die Tür abschloß.

Die Worte, die sie noch mit den Basken wechselte, waren nicht zu verstehen.

Miranda wandte sich ab und schlug den Weg ein, der an dem Kiefernwäldchen vorbei zu dem Pfad führte, den auch die Seewölfe und die Geusen benutzt hatten. Die drei baskischen Rebellen umrundeten das Haus und gingen eilig auf das Gebüsch zu, wo sie ihre Pferde gelassen hatten. Wahrscheinlich lag ihr Versteck irgendwo in der wilden kantabrischen Bergwelt, aber allzu weit konnte der Weg dorthin eigentlich nicht sein.

Als der Hufschlag erklang, richtete sich Ed Carberry vorsichtig im Schatten der Kiefern auf. Seine Hände hatten sich geballt, und sein vorgeschobenes Kinn erinnerte mehr denn je an einen Amboß.

„Na wartet!“ flüsterte er. „Wenn wir erst wissen, wohin ihr unsere Leute verschleppt habt, werde ich euch irgendwann zwischen die Fäuste kriegen. Und dann könnt ihr euer Testament aufsetzen.“

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 146

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