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2.

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Es war ein sonderbares, fast gespenstisches Bild: der Verband von sechs prachtvoll ausgestatteten, vielfarbig leuchtenden und funkelnden Schiffen, die beigedreht mit aufgegeiten Segeln auf der Dünung schaukelten – und an ihrer Luvseite die ranke Galeone, schmucklos, aber mit ihren überlangen Masten und den ungewöhnlich flachen Linien so gefährlich wie ein Falke unter lauter Paradiesvögeln.

Jetzt, da die Tigerköpfe auf den Segeln nicht mehr zu erkennen waren, wirkte all der farbenprächtige Zierat noch lächerlicher. Trotzdem herrschte an Bord der „Isabella“ spürbare Spannung. Hinter den geschlossenen Stückpforten kauerten die Männer sprungbereit und konzentriert. Alle vier Drehbassen waren besetzt, um bei der ersten feindseligen Geste sofort einen Bleihagel auf die Reise zu schicken. Nur die beiden Bronzegestelle zum Abschießen der Brandsätze waren von der Kuhl auf die Back verlegt worden. Die brauchten fremde Augen nämlich nicht unbedingt zu sehen – und im Moment wurde an Bord des Viermasters gerade ein Beiboot abgefiert.

Und was für ein Beiboot!

„Heiliges Kanonenrohr“, murmelte Old O’Flynn, der auf seinen Krücken an die Schmuckbalustrade gehinkt war.

„Sieht aus wie’n Äppelkahn“, meinte Ferris Tucker kurz und bündig.

Damit hatte er den Nagel nur bedingt auf den Kopf getroffen. Tatsächlich hatte die Bauweise des Bootes Ähnlichkeit mit einem sehr flachen und breiten Lastkahn. Durch eine Brandung konnte man das Ding bestimmt nicht sicher steuern. Aber dafür hatte es achtern eine Art Zeltaufbau, einen seidenen, in Rot und Gold schimmernden Baldachin, reich geschmückt mit bunten Troddeln und allen möglichen Bändern und Bordüren. Ein Aufbau, der offenbar dem alleinigen Zweck diente, dem Mann im Bootsheck Schatten zu spenden. Nicht etwa demjenigen, der die Pinne bediente – der konnte sehen, wie er mit der versperrten Sicht klarkam –, sondern dem Burschen, der es sich unter dem Baldachin bequem gemacht hatte wie der große Chan persönlich in seiner Sänfte.

Nicht der behäbige Turbanmensch, wie Hasard mit einem Blick feststellte.

Der Kerl in dem Beiboot-Monstrum war klein, hager und habichtnasig. Was ihm an Größe fehlte, glich er durch arrogante Haltung aus. Seine Rudergasten pullten mit gesenkten Köpfen. Sie trugen Pluderhosen und nach Kefiah-Art geschlungene Kopftücher. Ihre Oberkörper waren nackt, jeder einzelne hatte an der rechten Schulter ein Brandzeichen, das an einen stilisierten Tiger-Kopf erinnerte.

„Der Obermacher von dem Verein scheint sich höllisch wild vorzukommen“, meinte Ben Brighton trocken.

Hasard verzog das Gesicht.

Gespannt beobachtete er, wie das Beiboot-Monstrum längsseits ging. Blakky und Matt Davies hatten etwas lahm die Jakobsleiter ausgebracht. Aufentern mußte der Habichtnasige schon selbst, eine Sänfte konnte niemand für ihn abfieren.

Auf die Kuhl hievte ihn auch niemand.

Sekundenlang stand er ziemlich unschlüssig da, während sich seine schwarzen Knopfaugen mit Wut füllten. Hasard hatte nicht im Traum daran gedacht, den Kerl an der Jakobsleiter zu empfangen. Seine Begleitung blieb unten. Die Knopfaugen glitten in die Runde – und weiteten sich etwas, da die volle Gefechtsbereitschaft der „Isabella“ nicht zu übersehen war.

Er faßte sich schnell wieder.

„Ich wünsche den Kapitän dieses Schiffs zu sprechen“, erklärte er in fließendem Spanisch.

Es klang unglaublich arrogant. Edwin Carberry holte Luft und stemmte die Fäuste in die Hüften. Sein wüstes Narbengesicht rötete sich, das Rammkinn schob er auf eine Art vor, die der Selbstherrlichkeit des Besuchers sichtlich einen Dämpfer aufsetzte.

„Ah!“ knurrte er. „Und wer will den Kapitän dieses Schiffs sprechen?“

Der kleine Mann straffte sich. „Bej Kinoshan, im Auftrag des ehrwürdigen Moguls von Annampar, Abu Bashri.“

Na denn, dachte Hasard.

Er enterte bereits den Niedergang hinunter. Der gute Bej Kinoshan sollte getrost auf der Kuhl bleiben, um sein Sprüchlein aufzusagen. Dort fühlte er sich nämlich sichtlich unwohl, was an der Versammlung wilder Gestalten lag, die einen Halbkreis um ihn bildeten.

Matt Davies polierte angelegentlich den scharfen Stahlhaken der Prothese, die ihm die rechte Hand ersetzte. Ferris Tucker streichelte liebevoll den Griff seiner riesigen Zimmermannsaxt. Blacky betrachtete seine Fäuste, Ed Carberry brauchte nur dazustehen, um bedrohlicher zu wirken als alle zusammen. Der Anblick der Zwillinge war zwar nicht besonders einschüchternd, aber recht verwirrend, und zu allem Überfluß mischte sich jetzt auch noch der karmesinrote Ara-Papagei Sir John ins Geschehen.

„Hijo de puta!“ krähte er auf spanisch, da er soeben ein paar Worte in dieser Sprache gehört hatte. „Bastardo! Hijo de perro!“

Was sonst noch folgte, klang zwar etwas wirr, aber ausgesprochen blutrünstig. Der Besucher mußte den Eindruck gewinnen, daß man auf diesem Schiff ausgesprochen schnell mit Kielholen, An-die-Rahnock knüpfen, Hautabziehen und ähnlich unerfreulichen Gesten bei der Hand war. Bej Kinoshan wurde etwas blaß um die Habichtnase und sah Hasard mit einem gar nicht mehr so arroganten Blick entgegen.

„Philip Hasard Killigrew“, stellte sich der Seewolf vor. „Ich bin der Kapitän der ‚Isabella‘. Sie haben versucht, uns in die Zange zu nehmen, und Sie haben uns mit einer Kugel vor den Bug gestoppt. Ich bin verdammt gespannt auf Ihre Erklärung.“

Weißer Strand säumte die blaue, tief eingeschnittene Bucht.

Im Sonnenlicht schimmerte das Wasser makellos blau, umspülte den roh gezimmerten Bootssteg und ließ die Karavelle mit den aufgegeiten Segeln sacht um die Ankertrosse schwojen. Jenseits des Strandstreifens stieg das Gelände an. Struppige, hüfthohe Sandheide wucherte zwischen den Klippen, weiter oben ragten ein paar einzelne Eukalyptusbäume in den Himmel. Zum Landinneren hin schloß sich eine kleine grasbewachsene Hochfläche an, auf der ein Dutzend weidender Ziegen wie helle Flecken wirkten.

Ein paar einfache Pfahlhütten schmiegten sich in den Schutz der Felsen.

Wasserrinnen aus ausgehöhlten Baumstämmen führten von der Süßwasserquelle zu den Behausungen. Am Strand waren Holzgerüste aufgebaut, auf denen Fisch trocknete. Über einer großen Feuergrube drehten sich Fleischstücke am Spieß. Die beiden Männer, die daneben auf den Fersen kauerten, beschäftigten sich damit, Fischreusen zu reparieren.

In einer der Hütten prüften drei weitere Männer ihre Musketen, weil sie einen Streifzug ins Landesinnere planten, um ihr Jagdglück zu versuchen.

Erland Surraj hing sich die Waffe über die Schulter und befestigte den Riemen der Wasserhaut an seinem Gürtel. Er war ein großer Mann, sehnig und muskulös, bekleidet mit Hose und Hemd aus weichem Ziegenleder, die ihn unterwegs vor dem Dornengestrüpp schützen sollten. Struppiges Haar und ein dichter, schon ergrauter Bart umgaben ein noch junges Gesicht, in dem die malaiischen Züge mit den wasserhellen Augen einen sonderbaren Kontrast bildeten. Erland Surraj hatte asiatische, spanische und skandinavische Vorfahren, und so abenteuerlich wie seine Ahnenreihe war auch sein Lebensweg gewesen, der ihn hierher an den äußersten Nordwest-Zipfel Australiens verschlagen hatte.

Seine Begleiter, ein knappes Dutzend kräftiger jüngerer Männer, waren Malaien, Inder und Polynesier. Einfache Menschen, denen das karge, harte Leben hier nichts ausmachte. Sie hätten auch größere Strapazen in Kauf genommen, denn alles erschien ihnen besser als das, was hinter ihnen lag. Die Narben der Peitschenstriemen auf ihren Rücken und die Brandzeichen an ihren Schultern zeigten, was sie gewesen waren: Sklaven eines grausamen Tyrannen, der Menschen wie Vieh behandelte.

Erland Surraj verließ die Hütte und atmete tief die frische, salzige Luft ein.

Seine Augen leuchteten auf, als sein Blick auf die beiden Kinder fiel, die gerade ihre kleinen, selbstgefertigten Schleppnetze in eins der Boote packten. Braunhäutige, blauäugige Kinder mit lachenden Gesichtern. Der zehnjährige Yabu trug nur ein weißes Lendentuch. Das blauschwarze Haar fiel ihm frei über die Schultern. Seine achtjährige Schwester Yessa hatte sich aus den Resten ihres alten Sari ein höchst praktisches Kleidungsstück genäht, das nur über den Kopf gezogen und in der Taille mit einer Lederschnur gehalten wurde. Beide waren vergnügt und gesund, kräftig, zäh und geschickt, und nichts erinnerte mehr daran, daß sie sich einmal in perlenbestickten Prunkgewändern in einem Palast gelangweilt hatten.

Mit geübtem Schwung schoben sie die Piroge ins Wasser und richteten den Mast auf. Erland Surraj winkte ihnen zu. Die Kinder winkten fröhlich zurück.

„Wir gehen fischen!“ schrie der kleine Yabu.

„In Ordnung! Aber seid vorsichtig und fahrt nicht zu weit hinaus!“

„Wir passen schon auf …“

Yabu wandte sich dem Segel zu. Yessa übernahm die Ruderpinne. Geschickt steuerten die beiden das Boot aus der Bucht, und Erland Surraj sah ihnen nach, bis sie hinter der vorspringenden Landzunge verschwanden.

Mit einem tiefen Atemzug wandte er sich ab und begann, zusammen mit seinen Begleitern, den steilen Trampelpfad zum Plateau hinaufzusteigen.

Bej Kinoshan, sichtlich eingeschüchtert von der furchtlosen Haltung der Seewölfe, brachte sein Anliegen ganz manierlich und bescheiden vor.

„Der ehrwürdige Mogul Abu Bashri, Herrscher von Annampar, hat zwei Enkelkinder“, erklärte er auf Spanisch.

„Wie schön für ihn“, sagte Hasard trocken.

Bej Kinoshan blinzelte irritiert.

„Die Kinder seiner verstorbenen Tochter Rhana, der Freude seines Herzens, die schön wie ein Stern war und allzufrüh dahingerafft wurde“, fuhr der kleine Mann fort. „Der junge Prinz ist des ehrwürdigen Moguls einziger Erbe, die kleine Prinzessin der Trost seines Alters und die Freude seiner Seele. Ruchlose Schurken haben die Kinder aus ihrem heimatlichen Palast entführt. Seit Monaten ist der ehrwürdige Mogul auf der Suche nach ihnen – vergeblich …“

Der Seewolf fuhr sich mit dem Handrücken über das Kinn.

Das klang zwar alles etwas geschraubt und albern, aber an der Tatsache als solcher war durchaus nichts lächerliches. Hasard fühlte eine gewisse Sympathie für den dicken Turbanträger, der vermutlich die gleichen bitteren Erfahrungen durchlebte, die auch der Seewolf hatte sammeln müssen. Er dachte daran, wie er den Entführern seiner Söhne durch das ganze Mittelmeer nachgejagt war und schließlich von einem widerlichen, gewissenlosen Halunken erfahren hatte, daß sie angeblich tot seien.

„Ich verstehe“, sagte er ruhig. „Aber ich sehe nicht, wie wir dem ehrwürdigen Mogul in dieser Sache helfen können.“

„Sie können!“ versicherte der kleine Mann. „Sie können es bestimmt. Der Entführer, dieser Hund, treibt sich mit seiner Karavelle in dieser Gegend herum. Der ehrwürdige Mogul war ihm dicht auf den Fersen, aber der Schurke ist entwischt. Ihr müßt ihm begegnet sein, irgendwo an diesen Küsten.“

Hasard sah die zwingende Logik dieses Gedankengangs nicht ganz ein. Aber grundsätzlich war er durchaus bereit, dem ehrwürdigen Mogul zu helfen.

„Wir haben eine lange Fahrt hinter uns und sind unterwegs einer Menge Gesindel begegnet“, sagte er. „Wer ist dieser Entführer?“

„Er heißt Erland Surraj. Ein großer Eurasier mit dem Gesicht eines Malaien und blauen Augen. Seiner Karavelle gab er den Namen ‚Candia‘. Er spricht viele Sprachen und versteht es, den Ahnungslosen zu täuschen. Ein hinterlistiger Schurke, der es verdient, tausend Tode zu sterben.“

Hasard zuckte mit den Schultern. „Es tut mir leid, daß ihr euch umsonst bemüht habt. Wir sind weder der ‚Candia‘ noch einem Mann begegnet, auf den die Beschreibung zutrifft.“

Bej Kinoshan kriegte schmale Augen.

„Wirklich nicht?“ fragte er gedehnt.

Hasard hob nur die Brauen.

In der überflüssigen Frage klang Mißtrauen mit – und schon wieder jene aggressive Überheblichkeit, die der Seewolf nur zu gut von gewissen englischen Höflingen kannte, die sich ebenfalls einbildeten, daß alle anderen nur Schachfiguren seien, die nach ihrer Flöte zu tanzen hätten.

Der kleine Mann mit der Hakennase schien der Auskunft nicht zu trauen und preßte die Lippen zusammen. Ärger und vielleicht auch Enttäuschung über die Erfolglosigkeit seiner Bemühungen ließen ihn die Vorsicht vergessen.

„Ich warne euch!“ stieß er durch die Zähne. „Der ehrwürdige Mogul will die Wahrheit hören.“

„Der ehrwürdige Mogul hat die Wahrheit gehört“, sagte Hasard kühl. „Beziehungsweise er wird sie hören, wenn Sie ihm Bericht erstatten. Sonst noch irgendwelche Fragen?“

Bej Kinoshans schwarze Knopfaugen funkelten.

Der Teufel mochte wissen, was in seinem Kopf vorging. Vielleicht hatte er Angst, daß ihn der ehrwürdige Mogul zu Hackfleisch verarbeiten würde, wenn er eine negative Auskunft brachte. Auf jeden Fall war er nicht bereit, sich mit dem Mißerfolg seiner Mission abzufinden.

„Ich glaube euch nicht!“ zischte er. „Ich rate euch dringend, die Wahrheit zu sagen, sonst …“

„Sonst?“ fragte der Seewolf.

Seine Stimme klang sanft. Gefährlich sanft. Selbst jemand, der ihn nicht kannte, hätte das bemerken müssen. Aber der kleine Mann mit der Habichtnase war nicht zu bremsen.

„Sonst werdet ihr es bereuen!“ fauchte er. „Weil wir euch nämlich in Fetzen schießen und versenken!“

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 199

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