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2.

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Die Sonne senkte sich im Westen, als die „Maria Mercedes“ die Insel Sala-y-Gomez erreichte.

Jetzt erst wurden die gefangenen Seewölfe von den Kanonenrohren losgebunden. Sämtliche Knochen taten ihnen weh, aber die Wut, die in ihnen wühlte, war wesentlich schlimmer. Ed Carberry fluchte mit dem Papagei Sir John um die Wette. Da einige der Spanier ein paar Brokken Englisch verstanden, bezog der gefesselte Profos eine schallende Ohrfeige.

„Ihr feigen Ratten!“ schrie Bill empört. „Ihr dreckigen Hundesöhne! Ihr verlausten Affen, ihr …“

„Halt den Mund, du Hammel!“ knurrte Carberry.

Von jetzt an mäßigte er sich. Nicht seinetwegen, durchaus nicht. Aber da Bill so offensichtlich bestrebt war, dem Profos nachzueifern, würde er auch von der entsprechenden Quittung seinen Teil empfangen.

Noch brachte er die Spanier nur zum Lachen mit seinem Gegifte, was bei Bill wiederum beinahe Tränen der Wut auslöste. Mit überschnappender Stimme schimpfte und fluchte er weiter, die Kerle lachten immer lauter, aber das war nach Carberrys Meinung noch das beste, was dem Jungen passieren konnte.

Vom Vorschiff her wurden Ben Brighton und Dan O’Flynn auf die Kuhl gestoßen. Matt Davies erhielt einen Fußtritt, der ihn ebenfalls in Bewegung brachte.

Er wußte so gut wie die anderen, daß es sinnlos war, die Spanier zu reizen, aber er konnte es sich nicht verkneifen, dem Kerl, der ihn getreten hatte, haarscharf vor die Zehenspitzen zu spucken.

Der Bursche revanchierte sich mit einem heimtückischen Hieb ins Genick, dann beeilte er sich, beim Abfieren der Boote zu helfen. Ein Teil der Spanier enterte ab. Die Gefangenen wurden einfach über das Schanzkleid ins Wasser geworfen.

Nacheinander klatschten sie ins Wasser und wurden brutal in die Boote gezerrt. Die Spanier beeilten sich nicht besonders.

Dan O’Flynn war der letzte, den sie am Kragen packten. Er fühlte sich wie eine halb ersäufte Katze, als er keuchend und Wasser spuckend zwischen den Duchten lag.

Minuten später knirschte Sand unter dem Bootskiel.

Wieder wurden die Gefangenen einfach hinausgeworfen, und diesmal überließen es die Spanier ihren gefesselten Opfern selbst, sich aus dem seichten Wasser herauszuarbeiten.

Dan O’Flynn soff fast ab. Erst als Carberry ihn lauthals einen „lausigen Schlappschwanz“ nannte, befähigte die Wut ihn, wenigstens Kopf und Oberkörper auf den sicheren Strand zu schieben. Weiter schaffte er es nicht. Den kleinen Rest seiner Puste brauchte er nämlich, um dem Profos zu sagen, wofür er ihn hielt: für den Sohn eines räudigen Ziegenbocks, dessen stinkenden Kadaver sogar die Haie ausspucken würden.

Ziemlich mühsam rappelten sich die Gefangenen auf.

Die Spanier halfen mit Fußtritten nach, wo es ihnen zu langsam ging. Ed Carberry kriegte den Lauf einer Muskete in den Rücken und stolperte vorwärts, auf den Weg zu, der durch die Klippen hinauf zum Hochplateau führte. Es war ein steiler Weg, manchmal von hohen, in den Stein gehauenen Stufen unterbrochen, und die Seewölfe stolperten immer wieder, obwohl man ihnen die Fußfesseln durchgeschnitten hatte.

Ben Brighton bildete den Schluß. Der Kerl hinter ihm trieb ihn mit dem Lauf der Muskete an, und der Bootsmann knirschte vor Wut mit den Zähnen. Er hatte gute Lust, einfach nach hinten auszutreten und den Spanier die Klippen hinunterzubefördern.

Aber Ben bezwang sich. Wenn der Bursche sich das Genick brach, würden die Spanier ein paar von den Gefangenen ebenfalls über die Kante jagen, soviel stand fest. Der Bootsmann war froh, daß er es war, der am Schluß ging, und nicht Matt Davies oder der hitzköpfige Dan O’Flynn.

Schließlich hatten sie es geschafft und stolperten keuchend durch das Buschwerk, das am Rand des Plateaus wucherte. Eine zerklüftete Felsenbarriere schirmte das Lager der Spanier zur See hin ab.

Ben Brightons Blick glitt über die primitiven Hütten, die Feuerstelle und blieb an dem Pfahl hängen, der mitten auf dem freien Platz in den Boden gerammt worden war.

Ben ahnte, wozu dieser Pfahl dienen sollte.

Er preßte die Lippen zusammen und wandte den Kopf. Hinter ihnen schleppten zwei Spanier Luana über den Weg. Sie hatte ihren Widerstand aufgegeben und ließ sich willenlos vorwärts treiben. Erst als die beiden Kerle versuchten, ihr die Kleider vom Leib zu reißen, bäumte sie sich verzweifelt auf.

Es war sinnlos.

Ein heftiger Schlag traf sie ins Gesicht, mit verdrehten Augen sackte sie in sich zusammen. Die Spanier schleiften sie über den Platz und begannen, sie völlig nackt an den Pfahl zu fesseln.

„Ihr Schweine!“ brüllte Carberry los. „Ihr verdammten Frauenschänder! Ihr elenden …“

Zum zweiten Mal an diesem Tag traf ein schmetternder Schlag sein Rammkinn.

Diesmal hatte der Spanier den Kolben seiner Muskete benutzt. Edwin Carberry flog fünf Schritte zurück und klappte zusammen.

Ben Brighton knirschte in ohnmächtiger Wut mit den Zähnen.

„Feige Ratten!“ fauchte Dan. „Ihr hinterhältigen …“

„Ruhig, Junge“, stieß Ben Brighton hervor. „Es ist sinnlos, unsere Kraft zu vergeuden. Reiß dich zusammen!“

Dans Augen funkelten, aber er sagte nichts mehr. Der Blick, mit dem er Carlos Ingarra durchbohrte, war allerdings mörderisch. Aber Blicke konnten nicht töten, und der selbsternannte Capitan verzog nur verächtlich die Lippen.

„Schön!“ sagte er auf spanisch. „Sehr schön! Zuerst einmal wird diese verdammte Hure die Peitsche zu spüren kriegen. Und später denke ich mir noch etwas anderes Hübsches aus.“ Er zog die Lippen von den Zähnen und zeigte ein grausames Lächeln. „Bringt die Engländer in eine der Hütten“, befahl er. „Und fesselt ihnen wieder die Füße. Aber gründlich, verstanden?“

Die Meuterer hatten sehr gut verstanden.

Sie gaben sich Mühe, ihre Opfer so zu verschnüren, daß sie kaum noch den kleinen Finger bewegen konnten. Anschließend wurden sie in eine der Hütten geschleift, durch die Tür gestoßen und auf den schmutzigen Boden geworfen.

Die Tür fiel zu.

Es war ein scharfer, endgültiger Laut, der die Seewölfe fatal an das Zuschlagen eines Sargdeckels erinnerte.

Die Dämmerung schien sich wie ein dunkles Tuch über den Pazifik zu senken.

Erste Sterne funkelten. Im Westen lag ein Streifen dunstigen Rots über der Kimm wie der Widerschein einer Feuersbrunst. Ein Rot, das immer düsterer und brennender wurde, bis die Schwärze der Nacht es schließlich verschluckte. Die Sichel des zunehmenden Mondes strahlte in reinem Silberglanz und warf ihren fahlen Schein über das Wasser.

Die „Isabella“ segelte unter Fock und Besan langsam in Richtung Nordost.

Die Seewölfe waren ein Stück vor dem Wind nach Westen gelaufen und dann umgekehrt. Jetzt näherten sie sich der Insel Sala-y-Gomez aus einer Richtung, von der sie hofften, daß die Meuterer sie dort nicht erwarten würden.

Im Schutz der Dunkelheit, so glaubten sie, konnten sie vielleicht in einer versteckten Bucht vor Anker gehen, und dann würde man ja sehen, welche Chancen sich ergaben.

Hasard stand an der Schmuckbalustrade des Achterkastells und starrte dorthin, wo die Insel aus der Schwärze auftauchen mußte.

Die Brise hatte etwas aufgefrischt und wehte gleichmäßig von Osten. Die „Isabella“ segelte über Backbordbug am Wind. Hasard hatte den Kurs so gelegt, daß er haargenau auf die Insel zuführen mußte, und später, wenn Sala-y-Gomez in Sichtweite kam, würden sie auch noch den Besan bergen, um so unsichtbar wie möglich zu werden.

Fragte sich nur, ob die Meuterer Posten aufgestellt hatten.

Grund genug dazu gab es für die Kerle. Sie hatten den Eingeborenen von der „Insel der Steinernen Riesen“ im Laufe der Zeit schon so viel angetan, daß sie mit einem Gegenschlag rechnen mußten. Sie würden vermutlich damit rechnen, daß sich die „Isabella“ nur zum Schein zurückgezogen hatte und die Engländer alles versuchen würden, um ihre Kameraden zu befreien.

Wenn das so war, brauchten die Seewölfe vor allem Glück. Vielleicht schlief einer der Wachtposten. Vielleicht erwischten sie eine Stelle, wo sie nicht gesehen werden konnten, vielleicht schafften sie es, unentdeckt zu bleiben.

„Land ho!“ tönte Sam Roskills Stimme aus dem Ausguck. „Genau Steuerbord voraus! Sala-y-Gomez!“

„Weg mit dem Besan!“ befahl Hasard.

Ferris Tucker und Batuti stürzten zum Besanmast und lösten das Fall. Die riesige Gaffelrute wurde abgefiert, das Segel geborgen. Alles ging schnell und präzise, obwohl kein Carberry da war, der die Männer anpurrte!

Die „Isabella“ verlor an Fahrt.

Nur wenig allerdings, denn der Ostwind hatte sich inzwischen zur frischen Brise entwickelt. Hasard spähte mit zusammengekniffenen Augen zum Himmel und prüfte die Wolkenbank, die sich über die östliche Kimm schob. Da lag etwas in der Luft. Es war zu riechen. Der Seewolf wußte, daß er sich in dieser Beziehung auf seinen Instinkt verlassen konnte.

Immerhin: die „Isabella“ gelangte verhältnismäßig rasch vorwärts, obwohl sie nur noch unter der Fock lief. Später würde Hasard auch dieses Segel an der Luvseite aufgeien lassen, die letzte Möglichkeit, die Segelfläche zu verkleinern, bevor das Schiff vor Topp und Takel trieb. Mit der geschwichteten Fock würde die „Isabella“ so gut wie unsichtbar sein und fast völlig mit der Dunkelheit verschmelzen. Ein Wachtposten, der sie dann noch entdecken wollte, mußte entweder ausgesprochen günstig stehen oder Augen wie ein Luchs haben.

Der dunkle Buckel der Insel glitt rasch heran.

Hasard hatte vor, an ihrer Westseite vorbeizusegeln und nach einer Bucht Ausschau zu halten. Wenn sie keine fanden, mußten sie über Stag gehen und es an der Nordseite versuchen.

Hasard winkte Ferris Tucker zu sich heran und befahl mit gedämpfter Stimme, die Fock zu schwichten, denn jetzt befanden sie sich bereits in Rufweite der Insel.

Lautlos glitt die „Isabella“ durch die Dunkelheit. Hasard suchte mit dem Spektiv die Klippen ab, genau wie Sam Roskill oben im Großmars. Aber vorerst blieben ihre Bemühungen vergeblich.

„Dieses Miststück!“ stöhnte Ed Carberry. „Diese stinkende Ratte! Dieser Nachkomme eines lausigen, triefäugigen Straßenköters!“

„Halt die Luft an, Ed“, sagte Ben Brighton trocken. „Laß uns lieber überlegen, was wir unternehmen können.“

„Was denn? Wie denn? Die Dreckskerle haben mich verschnürt wie einen gottverdammten Seesack. Und das ist solider Hanf, was sie benutzt haben. Da müßtest du dir erst mal die Zähne schleifen, bevor du diese Stricke durchbeißen kannst, du Hammel!“

„Selber Hammel“, ließ sich Matt Davies vernehmen. „Wozu, beim Teufel, habe ich meinen Haken?“

„Dir schlag ich gleich die Zähne ins Kleinhirn, du verdammtes Rüben …“

Der Profos stockte mitten im Wort. Erst jetzt war ihm aufgegangen, was Matt meinte. Carberry stieß einen Pfiff aus und grinste.

„Großartig! Ich werde nie mehr krummer Hund zu dir sagen!“

„Versprich bloß nichts, was du nicht halten kannst, du Schandmaul. Statt Volksreden zu schwingen, solltest du lieber mal ein Stück herumrollen.“

Der Profos brummelte finstere Drohungen vor sich hin, die sich auf Matts Achtersteven bezogen. Ächzend ließ er sich aus der sitzenden Stellung zur Seite fallen, rollte halb herum und versuchte, sich näher an Matt Davies heranzuschieben. Er schaffte es unter lästerlichen Flüchen, und Ben Brighton fragte sich gelegentlich, wo wohl Sir John geblieben sein mochte.

Der Papagei liebte es nicht besonders, sich in geschlossenen Räumen aufzuhalten. Vermutlich hatte er sich irgendwo ein ruhiges Plätzchen gesucht. Oder er ärgerte die Spanier, klaute ihnen Lebensmittel und beschimpfte sie aus sicherer Entfernung. Vielleicht, dachte Ben grinsend, würde er sich bei dieser Gelegenheit auch ein paar saftige spanische Flüche aneignen.

„Himmel Arsch!“ fluchte Ed Carberry. „Willst du mir die Haut abziehen, du Hammel?“

„Hab ich deinen verdammten Affenarsch gepiekt?“ fragte Matt unschuldig.

„Das hast du, du hirnrissiger Abkömmling einer Seekuh! Kannst du nicht aufpassen, was, wie? Dir mach ich Feuer unter dem Hintern, darauf kannst du Gift nehmen, du dämlicher – au, verflucht!“

Matt Davies grinste sich eins. Er konnte nichts dafür, daß der scharfgeschliffene Haken seiner Prothese manchmal von den Hanfstricken abrutschte. Die Haut an Carberrys Gelenken wurde lädiert und ab und zu auch seine Kehrseite in Mitleidenschaft gezogen.

Er fluchte in allen Tonlagen, drohte Matt sämtliche Höllenstrafen an und erging sich in abenteuerlichen Mutmaßungen über dessen Vorfahren. Für eine Weile gab Matt Davies sämtliche Schimpfworte ungerührt zurück, aber dann zog er es vor, seinen Atem zu sparen, da ihn das ganze Manöver wesentlich mehr Anstrengung kostete als den Profos, der nur still zu liegen brauchte, was ihm nicht gerade leichtfiel.

Er hatte den Verdacht, daß Matt gar nicht an den Stricken arbeitete, sondern nur mal ausprobieren wollte, ob sich sein Haken dazu eignete, jemandem die Haut abzuziehen.

Der Profos schilderte unermüdlich, was er alles mit seinem Peiniger anstellen wollte, wenn er nur die Hände frei hatte. Er hielt erst den Mund, als Matt ihm kurz und knapp erklärte, unter diesen Umständen müsse er dann eben gefesselt bleiben. Carberry schnaufte erbittert, und Matt Davies arbeitete grinsend und schwitzend weiter.

Fünf Minuten brauchte er, dann hatte er mit dem scharfgeschliffenen Haken die Stricke an Carberrys Gelenken zerrissen.

Der Profos schüttelte die Reste der Fesseln ab und besah sich seine verschrammten Gelenke. Ein Messer hatte er nicht, die fünf Männer waren von den Spaniern gründlich durchsucht worden.

In ziemlich mühseliger Arbeit knüpfte Carberry die Stricke an seinen Füßen auf. Danach machte er sich über Matts Fesseln her, und natürlich konnte er es nicht lassen, mal eben an dem Haken zu drehen, so daß sich das Opfer in den eigenen Hintern piekte.

Matt wollte zum Gegenangriff übergehen, kaum daß er die Stricke los war. Ben Brightons scharfe Stimme stoppte ihn. „Ruhe, zum Teufel! Seid ihr von allen guten Geistern verlassen, ihr Idioten?“

„Der Mistkerl hat mich gepiekt“, fauchte Matt.

„Du hast dich selbst gepiekt, du Affenarsch“, erwiderte Carberry, während er sich über den Bootsmann beugte, um dessen Fesseln aufzuknüpfen.

Mit Matts Haken ging das Knotenentwirren wesentlich leichter. Als der Profos Ben Brighton befreit hatte, waren auch Dan und Bill die Stricke los. Sie sprangen auf, rieben sich die Gelenke und bewegten prüfend die Glieder. Ihre Augen funkelten unternehmungslustig, und Bills Stimme kippte vor Aufregung fast über.

„Jetzt kriegen die Dons Zunder! Wir werden diese Kastanienfresser auseinandernehmen, daß es nur so raucht.“

Ben Brighton grinste freudlos.

Ja, sie würden versuchen, den Spaniern Zunder zu geben.

Aber der Bootsmann wußte nur zu genau, daß das ohne Waffen und gegen eine Übermacht eine ziemlich kitzlige Sache werden würde.

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 97

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