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2.

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Viel zu spät entdeckte der Ausguck der räuberischen Karavelle die beiden Galeonen, die von Süden her wie zornige Schwäne heranrauschten.

Ein schriller Alarmschrei ließ das Enterkommando auf der Kuhl des wrakken Spaniers innehalten. Tote lagen in ihrem Blut, die Überlebenden wehrten sich mit dem Mut der Verzweiflung, nachdem ihnen klargeworden war, daß sie von diesem Piratengesindel keine Schonung zu erwarten hatten. Auf der Karavelle eilten Männer an die Geschütze. Der stämmige schwarzbärtige Kapitän brüllte Befehle, aber er ahnte, daß er gegen die Angreifer nicht den Schimmer einer Chance hatte.

„Anluven!“ peitschte Jean Ribaults Stimme. „Bugdrehbasse Feuer!“

„Feuer!“ gab Hasard auf der „Isabella“ den gleichen Befehl – und dann krachte es schneller, als die Schnapphähne auf ihrer Karavelle denken konnten.

Im Bug der „Le Vengeur“ peilte Karl von Hutten über das schwere Eisenrohr.

Auf der „Isabella“ drückte Al Conroy die glimmende Lunte auf die Pulverpfanne.

Donnernd entluden sich die beiden Geschütze. Ein ausgezacktes Loch klaffte plötzlich knapp über der Wasserlinie der Karavelle. Al Conroy hatte den Fockmast getroffen, dessen obere Hälfte wie ein gebrochener Arm an Deck hing. Jetzt waren die Piraten am Zug. Sie konnten angesichts der Übermacht die Flagge streichen – aber sie fürchteten wohl, dann das gleiche Schicksal zu erleiden, das sie den wehrlosen Spaniern zugedacht hatten: massakriert zu werden.

Die Breitseite der Karavelle krachte.

Eisenkugeln klatschten wirkungslos ins Wasser, denn die „Le Vengeur“ hatte längst angeluvt, während die „Isabella“ abfiel. Die Piraten setzten fieberhaft Segel, um manövrieren zu können. Auf der spanischen Galeone ging der Kampf weiter, nachdem Schrecken und Überraschung für eine kurze Pause gesorgt hatten. Die Männer des schottischen Enterkommandos sahen ihr Schiff entschwinden und reagierten mit Panik und Wut. Die Spanier setzten sich doppelt verbissen zur Wehr, nachdem sie erst einmal begriffen hatten, daß ihre Gegner durchaus keine Verstärkung erhielten. Möglich, daß die Galeone und die Karacke der Karavelle lediglich die Beute wegschnappen wollten. Wahrscheinlich sogar, mußten sich die Spanier sagen. Aber es konnte ja immerhin sein, daß an Bord der beiden fremden Schiffe Männer waren, die Gegner, die sich ergaben, nicht einfach abschlachteten.

Die Karavelle mit den schwarzen Segeln ging über Stag, um die „Le Vengeur“ mit ihren Backbordgeschützen anzugreifen.

Die Karacke wich elegant aus, wieder klatschte der eiserne Segen ins Wasser. Die „Isabella“ schob sich im selben Augenblick dicht ans Steuerbord-Schanzkleid der spanischen Galeone. Hasard wußte, daß die „Le Vengeur“ mit Leichtigkeit mit der Karavelle fertigwerden würde. Das Gesicht des Seewolfs wirkte steinern. Die räubernden Engländer waren seine Landsleute. Er hatte sogar Verständnis dafür, daß sie nichts dabei fanden, die geschlagene Armada ein bißchen zu rupfen, auch wenn dieses Vorgehen tatsächlich an Leichenfledderei grenzte. Aber Wehrlose niederzumetzeln, über Männer herzufallen, die die Waffen streckten – da hörte alles Verständnis auf.

Hasard war der erste, der an der Spitze des Enterkommandos auf die Kuhl der spanischen Galeone sprang.

Ein vielstimmiger Wutschrei empfing sie.

Die schottischen Seeräuber ließen von den Spaniern ab, wandten sich den neuen Gegnern zu – und begriffen in den nächsten Sekunden, daß sie genausogut hätten versuchen können, die Hölle zu stürmen, um den Teufel am Schwanz zu ziehen.

Zwölf Mann von der Karavelle hatten die Galeone geentert.

Ed Carberry langte einmal kurz hin, da waren es nur noch zehn. Hasard packte sich den Kerl, von dem vorhin ein Spanier niedergeschossen worden war, der mit erhobenen Armen am Schanzkleid gestanden hatte. Der Pirat war ein rauher Kerl, breitschultrig und muskulös. Er grunzte nur, holte mit einer Spake aus, aber er gelangte nicht mehr dazu, sie niedersausen zu lassen.

Hasards Fausthieb lüftete ihn an und beförderte ihn im Überschlag rückwärts außenbords. Wasser spritzte, es klatschte laut. Dreimal hintereinander – denn inzwischen hatten auch Blacky und Matt Davies ihren Gegnern zu unfreiwilligen Luftreisen und einem kühlen Bad verholfen.

Das alles geschah so schnell, daß es die erschöpften, von Hunger und Durst geschwächten Spanier kaum richtig begriffen.

Sie waren ans Backbord-Schanzkleid zurückgewichen. Erst als ihnen einer der Piraten, von einem Kinnhaken in Bewegung gebracht, genau vor die Füße rollte, brach der Bann. Der Schotte rappelte sich auf, wurde aber im nächsten Moment von einem Dutzend Fäusten gepackt. Im hohen Bogen flog er über Bord, und jetzt stürzten sich auch die Spanier in den Kampf, obwohl nur noch wenige Gegner übrig waren.

Als die letzten Piraten im Wasser landeten, legte sich die Karavelle platt vor den Wind.

Ihr Achterkastell war nur noch ein Trümmerhaufen, viel Fahrt konnte sie mit dem halbierten Fockmast auch nicht mehr laufen. Ein Blick zeigte Hasard, daß die „Le Vengeur“ die Verfolgung aufnahm. Aber der Seewolf ahnte, daß Ribault und Hutten das nicht taten, um dem angeschlagenen Gegner den Fangschuß zu geben.

Die Karavelle drehte bei und strich die Flagge, als eine Kugel unmittelbar vor ihrem Bug ins Wasser klatschte.

Was Ribault dem schwarzbärtigen Oberhalunken zurief, konnte Hasard nicht verstehen, doch er sah die Auswirkung. Auf der Karavelle wurde das Beiboot abgefiert. Die im Wasser paddelnden Männer des schottischen Enterkommandos schwammen wie vom Teufel gejagt darauf zu, und wie vom Teufel gejagt segelte die Karavelle nach Nordwesten davon, kaum daß sie ihre Leute wieder an Bord genommen hatte.

Auf der Kuhl der Galeone stand ein gutes Dutzend Spanier ziemlich ratlos herum, wechselte Blicke und wußte offenbar nicht, was von der Sache zu halten war.

Diese Engländer, die die besiegte Karavelle nicht nur geschont, sondern auch noch gezwungen hatte, die eigenen Leute wieder aufzufischen, mußten von besonderem Kaliber sein. Waren sie wirklich auf das halbe Wrack scharf, das sie den schottischen Piraten entrissen hatten? Die Spanier starrten den großen schwarzhaarigen Mann mit den eisblauen Augen an, die rauhen Kerle, die mit dem Enterkommando der Karavelle regelrecht Ball gespielt hatten, und ließen dann ihre Blicke zum Achterkastell hinüberwandern.

Der spanische Capitan hatte nicht mitgekämpft.

Aus gutem Grund: er trug einen blutdurchtränkten Verband an der Schulter und konnte sich nur mit Mühe auf den Beinen halten, als er jetzt den Niedergang hinunterwankte. Sein Gesicht war bleich und eingefallen, die Augen brannten fiebrig.

„Wir sind in Ihrer Hand, Señor“, stellte er fest. „Trotzdem schulden wir Ihnen Dank. Ihre Landsleute von der Karavelle hätten niemanden am Leben gelassen.“

Hasard lächelte matt. „In jedem Land gibt es Verbrecher und Mörder. Für uns ist der Kampf gegen die Armada zu Ende. Sie haben den Anschluß an Ihren Verband verloren?“

„Wir sind nicht viel mehr als ein Wrack“, sagte der Capitan bitter. „Vielleicht hätten wir es noch bis nach Norwegen geschafft, um wenigstens das nackte Leben zu retten. Aber jetzt …“ Er schwieg und preßte die Lippen zusammen.

Hasard wußte, was in dem Mann vorging.

Der Kampf mit den Halsabschneidern von der Karavelle hatte weitere Tote und Verwundete gekostet. Die Spanier hatten keine Chance, die norwegische Küste zu erreichen. Nicht ohne Wasser und Proviant. Und nicht ohne Munition, um sich im Notfall verteidigen zu können.

Sie brauchten Hilfe.

Und für die Männer der „Isabella“ und der „Le Vengeur“ war es keine Frage, was sie in diesem Fall zu tun hatten.

In dem kleinen Hafen Widewall an der Westküste von South Ronaldshay, der südöstlichen der Orkney-Inseln, war der Teufel los.

Die Rückkehr der ausgeraubten, teils lecken, teils entmasteten Boote hatte fast die gesamte Bevölkerung an den Piers zusammenlaufen lassen. Stumm starrten die Menschen den Heimkehrern entgegen. Niemand konnte sich erklären, was da geschehen war – allenfalls gewisse Ahnungen gab es, die man sich zuflüsterte. Hatten nicht Bewohner der Ostküste behauptet, in den letzten Tagen immer wieder ziemlich abgetakelte Schiffe gesehen zu haben, die sich nordwärts quälten? Außerdem wußte man ja, daß sich Spanien und England seit langem nicht grün waren, und daraus konnte man folgern, daß es irgendwo unten im Süden ganz gehörig gerappelt hatte und daß es nicht die Engländer gewesen waren, die dabei gerupft wurden.

Bis zu diesem Punkt waren die geflüsterten Mutmaßungen gediehen, als die ersten Boote in die schmale Hafeneinfahrt liefen und an der Pier längsseits gingen.

Bewegung kam in die Wartenden. Besorgte Frauen drängten näher zum Wasser, wütende Männer, erschrockene Kinder. Dann öffnete sich eine Gasse in der Menge, um einen Mann durchzulassen, der alle anderen um Haupteslänge überragte und dessen Hünengestalt selbst unter den rauhen, urwüchsigen Bewohnern der Orkney-Inseln auffiel.

Arne Aasen konnte das Wikingerblut nicht verleugnen, das in seinen Adern floß.

Sein Großvater hatte noch drüben in Norwegen am Stavanger-Fjord in einem der uralten Langhäuser gelebt und war nach einem Schiffbruch auf den Orkney-Inseln hängengeblieben. Wer hier leben wollte, der mußte schon rauh und zäh sein – noch rauher als die karge, menschenfeindliche Landschaft. Der alte Thorbjörn Aasen war so ein Kerl gewesen. Sieben Söhne hatte er in die Welt gesetzt. Deren Nachkommen waren alle aus dem gleichen harten Wikinger-Holz, und Arne Aasen, der Anführer und härteste Brocken dieser Sippe, war der unumschränkte Herrscher auf South Ronaldshay.

Jetzt stand er breitbeinig am Pier, die mächtigen Fäuste in die Hüften gestemmt, und starrte unter buschigen, grimmig zusammengezogenen Brauen auf das Boot, dem offensichtlich eine schwere Eisenkugel die Bordwand durchschlagen und den Mast zerschmettert hatte.

Vorsichtig hoben ein paar Männer die schlaffe Gestalt eines Verletzten von Bord. Ein erstickter Schrei erklang, aus der Menge löste sich eine große blonde Frau und stürzte auf den Rand der Pier zu. Stumm sank sie neben dem Verwundeten auf die Knie. Aber ihre Augen blieben trokken. Auf den wilden Orkney-Inseln waren nicht nur die Männer aus hartem Holz. Das sah man schon den mageren, flachshaarigen Kindern an, die sich erschrocken hinter ihrer Mutter drängten.

Arne Aasens knorrige Gestalt ragte wie ein Baum auf.

Sein struppiger blonder Bart flatterte im Wind, ein tiefer, grollender Atemzug wölbte den breiten Brustkasten. Mit einem langen Blick aus meergrauen Augen erfaßte er die anderen Boote, die Männer, die fast alle irgendwelche Blessuren davongetragen hatten, dann starrte er wieder in das bleiche, eingefallene Gesicht des Schwerverletzten.

Duncan Finn war sein Schwager: ein zäher rothaariger Schotte, kein Riese wie Arne Aasen, aber ein Kerl aus Granit und Eisen, den so leicht nichts umwarf. Jetzt hatte es ihn schwer erwischt. Der notdürftige Verband um Brust und Schulter war blutdurchtränkt, sein Atem ging flach, und ab und zu stöhnte er dumpf, als fühle er selbst in der Tiefe der Ohnmacht den Schmerz von der Wunde.

„Bringt ihn ins Haus!“ Aasens Stimme klang rauh, seine Kiefermuskeln spielten. „Und holt Morrag her – die alte Hexe soll endlich mal zeigen, daß sie wirklich etwas von ihren verdammten Kräutern versteht. Komm, Ragnhild.“

Die letzten Worte waren an die Frau gerichtet. Der bärtige Hüne umfaßte ihre Schultern und zog sie hoch. Ragnhild Finn straffte sich und hob das Kinn, während sie zusah, wie die Männer den Verletzten vorsichtig zu einer der niedrigen steinernen Fischerkaten trugen.

Ein paar Halbwüchsige waren bereits losgelaufen, um Morrag, die alte Kräuterfrau zu holen.

Ein erregter, bedrückter Zug setzte sich in Bewegung. Die Fischer berichteten, was sich draußen im Pentland Firth ereignet hatte, aber sie berichteten im Flüsterton, als spürten sie die schweigengebietende Anwesenheit des Todes in ihrer Mitte. Arne Aasen stapfte in steinerner Ruhe voran. Er mußte den Kopf einziehen, als er die einfache Hütte betrat, und er blieb breitbeinig neben dem flakkernden Feuer auf dem Herdstein stehen, während der Verletzte auf das einfache Lager gebettet wurde.

Die blonde Frau, ihre Tochter und zwei Nachbarinnen entfalteten sofort eine stille, zielstrebige Aktivität, die verriet, daß sie sich nicht zum erstenmal um einen Verwundeten zu kümmern hatten.

Das Feuer wurde angefacht, der Wasserkessel ans Dreibein über dem Herdstein gehängt, saubere Leinentücher bereitgelegt, lange Verbandstreifen und Beutel mit Kräutern. Währenddessen standen die Männer an dem grobgezimmerten Holztisch zusammen, wo Arne Aasen Becher mit dem herben, berauschenden Getränk füllte, das aus Mullbeeren gebrannt wurde.

„Spanier?“ wiederholte der bärtige Hüne zweifelnd. „Tatsächlich Spanier? Mitten im Pentland Firth?“

„Der Teufel soll mich holen, wenn ich meine Haut darauf verwetten würde“, brummte einer der Fischer. „Von hier stammen die Kerle jedenfalls nicht. Und David sagt, es waren Spanier.“

Der Angesprochene nickte.

David Black war ein drahtiger schwarzhaariger Mann, ein düsterer Typ, in dessen Adern nicht das wilde Wikingerblut rumorte, sondern das uralte Erbe der Kelten. Was ihm an roher Kraft fehlte, glich er durch einen wachen Verstand aus, durch Phantasie, die der rauhen Aasen-Sippe abging, durch eine Begabung für die Kriegslist, den schlauen Winkelzug, die überraschende Aktion, mit der kein Gegner rechnete. Da sich Arne Aasen durchaus nicht auf sein Handwerk beschränkte, sondern ein lohnendes Geschäft daraus gemacht hatte, irische und englische Fischer bei den Neufundland-Bänken auszunehmen, brauchte er einen Burschen wie David Black und hatte ihn zu seinem Unterführer ernannt.

„Es waren Spanier“, bestätigte der Schwarzhaarige jetzt. „Ihre Schiffe führten Holzkreuze unter dem Bugspriet. Drei Zweimaster! Jämmerliche Wracks, genaugenommen. Verwundete an Bord, die Mannschaften ausgehungert und halb verdurstet.“

„Aber ihr habt euch übertölpeln lassen wie eine Bande vollgefressener Betbrüder“, knirschte Arne Aasen.

„Konnten wir so etwas ahnen?“ fragte Black gereizt. „Wir hatten keine einzige verdammte Schußwaffe an Bord! Duncan stürzte sich mit der Axt auf die Kerle, als sie ihm den Mast umgelegt hatten, und was daraus geworden ist, siehst du! Sie hatten schweres Geschütz, Arne! Dazu Musketen, Pistolen, Arkebusen …“

„Schon gut, verdammt! Und sie sind nach Westen durch den Pentland Firth auf und davon, sagst du?“

„So schnell sie konnten, diese Bastarde! Wahrscheinlch wollen sie an Irland vorbei nach Spanien zurücksegeln und …“

David Black verstummte, weil von neuem die dicke Bohlentür aufschwang.

Diesmal war es Morrag, die alte Kräuterfrau, die gebückt hereinhinkte. Der Widerschein des Feuers fiel auf ihr braunes, verrunzeltes Gesicht, das strähnige weiße Haar, den beängstigend dürren Körper. Niemand wußte genau, wie alt sie war. Fast hundert, behauptete sie selbst. Und so sah sie auch aus, jedenfalls solange man keinen Blick aus den runden, funkelnden Knopfaugen auffing, denen nichts entging und in denen Streitsucht und Spottlust manchmal wie Funken sprühten.

Jetzt blitzten diese Augen den riesigen Arne Aasen an.

„Na, Söhnchen?“ krächzte die dünne Greisinnen-Stimme. „Brauchst du die alte Morrag doch einmal? Die alte Hexe, die nichts versteht außer den Leuten die Köpfe zu verwirren? Das hast du doch von der alten Morrag gesagt, du dummer Klotz von einem Mannsbild, oder?“

Arne Aasen brummte etwas in seinen Bart, das niemand verstehen konnte.

Die Alte kicherte. Rasch hinkte sie zu dem einfachen Lager, warf einen Blick auf den Verletzten, und dann scheuchte sie die Männer einfach mit ein paar wedelnden Bewegungen ihrer dürren Klauenhände hinaus.

Sie räumten tatsächlich das Feld.

Was blieb ihnen auch übrig? Sie wären nicht die ersten gewesen, auf die dieses verhutzelte Weiblein mit ihrem Krückstock losging, und gegen eine alte Frau konnte man sich nicht gut wehren. Außerdem gab es – David Black vielleicht ausgenommen – kaum jemanden, der darauf geschworen hätte, daß sie sich nicht wohl doch auf gewisse dunkle Hexenkünste verstand. Deshalb konnte sich Morrag McDougal, die Kräuterfrau, selbst einem Arne Aasen gegenüber eine Menge herausnehmen.

Seine Stimmung hatte die Begegnung mit der Alten noch mehr verschlechtert.

Wut brodelte in ihm.

Eine mörderische Wut, die um so gefährlicher wurde, je eiserner er sie nach außen beherrschte. Arne Aasen brauste schnell auf, konnte wie ein Berserker rasen, doch in solchen Fällen beruhigte er sich genauso schnell wieder. Aber wer ihn so sah wie jetzt, finster vor sich hinbrütend, das kantige, wettergegerbte Gesicht wie aus Stein gehauen, der wußte, daß er ein Ventil brauchte, daß er zu Taten entschlossen war und es irgend jemandem sehr schlecht ergehen würde.

Die drei spanischen Schiffe hatten sich längst mit ihrer Beute durch den Pentland Firth verdrückt.

Sie konnte Arne Aasens Zorn nicht mehr treffen, sie waren uneinholbar für die einmastigen Schaluppen und Pinassen der Fischer. Aber da gab es die Gerüchte über die zerrauften, schwer angeschlagenen spanischen Schiffe, die sich in Gruppen an der Ostküste der Orkney-Inseln vorbei nach Norden geschleppt hatten. Irgendwo im Süden mußten sich Spanien und England einen Schlagabtausch zur See geliefert haben. Einen Schlagabtausch, der mehr gewesen war als ein Scharmützel. Das hieß, daß wahrscheinlich noch einige Nachzügler auftauchen würden, die es besonders schwer erwischt hatte.

Spanier sind Spanier, dachte Arne Aasen.

Das entbehrte zwar der Logik, aber es eröffnete ihm eine Möglichkeit, seinen wilden Grimm abzureagieren. Außerdem mochte es leicht sein, daß da ganz nebenbei eine schöne fette Beute abfiel. Das Risiko schien gering, warum also sollte man nicht dem einen oder anderen dieser abgetakelten Spanier das Fell über die Ohren ziehen?

Arne Aasens Blick wanderte zu der niedrigen Fischerkate, aus der er jetzt das Stöhnen seines Schwagers hören konnte.

Von neuem verdunkelte Wut seine grauen Augen. Als er sich den anderen zuwandte, traten seine Kiefermuskeln wie Stränge hervor.

„Die Kerle werden wir lehren, sich an ehrlichen Fischern zu vergreifen“, knirschte er, wobei er großzügig überging, daß zumindest die Aasen-Sippe eher der Gilde der Piraten zuzurechnen war, denn den ehrlichen Fischern. „Was meinst du, Dave? Sollten wir es nicht schaffen, eins von diesen spanischen Wracks in eine Falle zu locken?“

David Black zuckte mit den Schultern. „Klar, wenn sie alle so gerupft sind wie die drei, die über uns herfielen. Und wenn nicht, müssen wir uns eben etwas einfallen lassen, um sie auszumanövrieren. Sie segeln durch unbekanntes Fahrwasser. Wir dagegen kennen hier jede Untiefe und jede Klippe. Hört zu! Ich weiß schon, wie wir es anstellen.“

Mit funkelnden Augen erläuterte er den Plan, der soeben in seinem Kopf entstanden war.

Einen guten Plan, wie die anderen neidlos anerkennen mußten.

David Black konnte zwar nicht wie Arne Aasen eine Eisenstange mit bloßen Fäusten verbiegen, aber er hatte mehr Verstand als die meisten. Die Männer beratschlagten, debattierten, prüften Punkt für Punkt, doch sie konnten keinen Fehler an dem Vorschlag entdecken.

Arne Aasen holte tief Luft und reckte die mächtigen Schultern.

„Wir brechen sofort auf“, bestimmte er. „Jack, du suchst zwanzig Mann aus, die besten Kämpfer. Leif kümmert sich darum, die Schaluppe und zwei Pinassen auszurüsten. Und dann wird der nächste verdammte Spanier, der sich zeigt, sein blaues Wunder erleben.“

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 160

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