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Safari nach Suez
ОглавлениеDie Idee, einen Kanal zwischen dem Roten und dem Mittelmeer zu bauen, ist nicht neu. Bereits in der Antike hatte man Kanäle von den östlichen Armen des Nils bis zum Roten Meer ausgehoben. So hatte Pharao Sesostris III. im 19. Jahrhundert v. Chr. einen Kanal vom Nil zu den heute zum Suezkanal gehörenden Bitterseen bauen lassen. Der Durchstich erlaubte es, Waren statt über Land über das Wasser zu transportieren. Irgendwann versandete der Kanal; sowohl die Perser wie auch die Römer, die Ägypten besetzt hielten, setzten ihn zwar wieder instand, doch hielten auch diese Arbeiten nur kurzfristig vor. Auch in der islamischen Zeit wurden neue Kanäle ausgehoben. Sie trugen dazu bei, Ägypten seinen Beinamen Bilâd el-Tidjârat („Land des Handels“) zu verschaffen. Zugleich war Ägypten wichtige Durchgangsstation für die zahllosen Pilger aus dem Maghreb, die mit der Hadsch, der Reise nach Mekka, eine ihrer religiösen Pflichten erfüllen wollten.
Doch der Traum von einem Wasserweg zwischen Mittelmeer und Rotem Meer bleibt weiterhin unerfüllt. 1574 diskutieren venezianische Kaufleute ein entsprechendes Projekt, schrecken aber vor den Kosten zurück. 1672 schlägt der osmanische Schriftsteller und Reisende Evliya Çelebi in seinem Tagebuch über seine ägyptische Reise vor, die beiden Meere durch einen Kanal zu verbinden. Umsetzen mochten diesen Plan aber weder der Sultan in Konstantinopel noch seine Statthalter in Kairo. So blieb es den Europäern vorbehalten, den Gedanken einer künstlichen Wasserstraße von einem Meer zum anderen durchzuspielen und schließlich in die Tat umzusetzen.
Mit der Eroberung Indiens war diese Idee vor allem aus britischer und französischer Sicht immer dringlicher geworden. Ägypten wurde zum Drehkreuz der Welt, zum Schnittpunkt zwischen Europa, Afrika und Asien. Bereits 1835 hatten die Franzosen eine Dampfschifflinie zwischen Marseille und Alexandria eingerichtet. Dort nahm sie auch einen Teil der von den Briten aus Indien transportierten Waren auf, die dann über Südfrankreich ihre Ziele in Großbritannien erreichten. Mitte der 1840er-Jahre dann begründete der Österreichische Lloyd eine Verbindung zwischen Triest und Alexandria. Solche Entwicklungen setzten auch östlich von Suez neue Impulse frei: Die Briten ließen in den 1830er-Jahren mehrere Dampfschiffe bauen, die fortan in monatlichem Rhythmus zwischen Bombay (dem heutigen Mumbai) und Suez verkehrten. In den folgenden Jahrzehnten verdichtete sich der Verkehr. 1839 reisten noch 275 Passagiere über Ägypten nach Indien. Sechs Jahre später war ihre Zahl bereits auf 2100 gestiegen. Weitere zwei Jahre später waren es bereits über 3000 Menschen. Doch so zügig sie dank der Dampfschiffe Ägypten auch erreichten: Die Weiterreise über den Sinai blieb eine zeitraubende Tortur. Die Strecke ließ sich nur auf dem Rücken von Kamelen überwinden. Und auch, wenn die Transportgesellschaften mit ihren Hunderten von Kamelen sich mühten, die Reise so kurz wie möglich zu gestalten, empfanden die meisten den Marsch durch die Wüste doch als lästige Unterbrechung. Zwar war bereits 1856 eine Eisenbahnstrecke zwischen Alexandria und Kairo gebaut worden, die zwei Jahre später dann auch Suez erreicht. Doch die Reise über Land blieb mühsam. Sie unterbrach die bequeme Schiffsreise und nötigte den Passagieren ärgerliche Anstrengungen ab. Der Gedanke an einen Kanal drängte sich immer stärker auf.