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Hieronymus

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Hieronymus baute ein Kloster und eine Kirche mitten in die Wüste. Da kam eines Tages ein Löwe an die Kirchenpforte, der hinkte auf einem Bein und stieß ein klägliches Geschrei aus; nicht wie ein Löwe brüllte er, sondern er miaute wie eine Katze. Die Mönche gaben Fersengeld, als sie ihn sahen. Sankt Hieronymus aber ging zu ihm. Da reichte er ihm die linke Vordertatze, und Sankt Hieronymus sah, daß ein Dorn darin steckte. Den zog er heraus und verband den Fuß des Löwen mit einem Fetzen, den er von seinem Mantel gerissen. Seitdem wich der Löwe nicht mehr von seiner Seite.

Der Löwe war von Sankt Hieronymus zum Hüter der Esel bestellt. Er führte sie früh auf das Feld und abends wieder heim. Eines Tages trieb er einen Zugesel zur Weide; draußen aber legte er sich nieder, weil es eine große Hitze war, und entschlief. Währenddessen kam eine Karawane des Weges; die sah den Esel einsam und nahm ihn mit sich. Als der Löwe erwachte und den Esel nicht sah, erschrak er, lief hin und her und ließ sein Gebrüll in der Wüste erschallen. Aber keines Esels I-a antwortete seiner dumpfen Frage. Wo? wo? wo? Da stapfte er, den stolzen Kopf mit der gelben Mähne tief gesenkt, heimwärts. Denn er schämte sich, daß er den ihm anvertrauten Dienst derart fahrlässig versehen. Die Mönche wollten ihn nicht durch die Pforte lassen; denn sie glaubten, daß er den Esel gefressen habe, gaben ihm auch nichts zu fressen und sagten: »Verdau' du erst den Esel, den du verschluckt hast!«

Sankt Hieronymus aber glaubte an des Löwen Unschuld, ließ ihn ins Kloster und befahl ihm, künftig an Stelle des Esels den Karren zu ziehen. Da schritt der stolze Löwe nun im Joch des Esels. Als er eines Tages wieder auf der Weide war, zog die Karawane, die einst den Esel gestohlen, auf dem Rückweg vorüber, und an der Spitze trottete, voll bepackt mit Essenzen und Edelsteinen, des Löwen Esel. Da schrie der Löwe derart, daß die Räuber – solche waren die Karawanenreiter – vor Furcht davonliefen. Da trieb der Löwe die ganze Karawane mit dem Esel an der Spitze – wohl hundert Maultiere und Kamele, beladen mit tausend Kostbarkeiten – vor das Kloster, daß die Mönche nicht wenig erstaunten, als sie den wunderbaren Zug einherschreiten sahen. Sie öffneten das Tor, und herein schritten alle Tiere, zum Beschluß aber der Löwe, der wie ein Hündlein mit dem Schwanze wedelte. Die Mönche waren hocherfreut über die sonderbare Christbescherung – denn es war gerade der Heilige Abend. Hieronymus aber befahl, daß man des Gutes gut achte und, wenn sich seine rechtmäßigen Herren meldeten, daß man es ihnen wiedergebe. Aber die Räuber ließen sich aus Furcht vor dem Löwen nicht blicken, so daß nach einem Jahr all die Kostbarkeiten dem Kloster anheimfielen. Der Löwe aber war selig, daß er seinen Esel wieder hatte. Sie ließen einander nicht mehr aus den Augen, und es heißt, daß der Heilige sich oft als dritter zu ihnen gesellte und mit ihnen in einer Sprache sprach, die niemand verstand. Er war mit dem Esel und dem Löwen befreundet wie mit Menschen, und als er starb, starben der Löwe und der Esel mit ihm, und man begrub sie in demselben Grab. Himerius, Bischof von Amelia, machte, als man Hieronymus heiligsprach, den Vorschlag, auch den Esel und den Löwen heiligzusprechen. Ich weiß nicht, ob im Ernst oder etwa aus Bosheit.

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