Читать книгу Aus dem puren Leben gegriffen Teil 9 - Klaus Fleischer - Страница 4
Jeder hat mal ganz klein angefangen
ОглавлениеVor drei Wochen war Benno nun endlich glücklicher Besitzer eines schönen, weinroten und nagelneuen Autos (Marke spielt eigentlich keine Rolle – keine Werbung) geworden. Bis dahin hatte er ohne solch eine Gefährt für jeden normalen Mitteleuropäer gelebt und war die fünf Minuten bis zu seiner Firma sogar ohne öffentliche Verkehrsmittel gekommen.
In Urlaub sind seine Familie immer mit dem Fahrrad oder der guten alten Eisenbahn gekommen. Dafür war diese Einrichtung ja schließlich auch irgendwie vorgesehen. Wenn er sich ganz dunkel erinnerte, war die Dampfmaschine und somit die Eisenbahn ja auch vor den Millionen Autos über unseren Planeten gedampft.
Nun gut. Benno wollte sich nun endlich nicht mehr von allen Nachbarn, Freunden, Verwandten und sogar Arbeitskollegen diskriminieren lassen.
Er wollte ganz einfach zu den Millionen „Autoabstellern“ gehören und aus seinem Schattenleben als Fußgänger endlich ausbrechen. Sogar seine liebe, verständnisvolle Monika fing nach neuen Jahren Ehe plötzlich an, an seiner Männlichkeit zu zweifeln, weil sie immer noch nicht solch eine Blechzweitwohnung besaßen.
Beim zweiten Prüfungstermin hatte der etwas in Stress geratene Erdenmann sogar die auch noch notwendige Fahrerlaubnis ausgehändigt bekommen, bloß fürs Fahrrad fahren hätte er diese teure Anschaffung nie gebraucht. Also musste endlich auch ein Auto her.
Wie schon oben erwähnt, hatte Benno nun endlich dieses weinrote Automobil und es passte sogar gerade noch in die letzte, noch freie Lücke vor seinem Mehrfamilienhaus.
Er hatte es sogar schon achtmal mit Eimer und Wasser vor seinem Haus gewaschen und den Zündschlüssel mehrere Male in das dafür vorgesehene Zündschloss gesteckt.
Der Wagen war, wie bei allen Besitzern dieser überflüssigen Anschaffung, auch bald schon sein ganzer Stolz. Seine Monika und die beiden Buben durften auch schon dreimal ganz vorsichtig darin Platz nehmen.
Die „putzige“ Monika hat danach aber immer sofort mit dem eigens dafür angeschafften Akkustaubsauger alles wieder innen fein sauber gemacht.
So blitzte und funkelte es weinrot vor seinem Haus und die vier Reifenprofile hatten sich auch auf gerade mal drei Kilometer abgenutzt – auf dem Weg vom Autohändler zu ihnen vor das Haus.
Natürlich hatte ihm der Händler alle Bedienelemente, Hebel und Knöpfe gezeigt und erklärt. Ist doch jedes Auto schließlich ein Einzelstück und somit auch anders ausgestattet.
Man kann also nicht unterwegs einen anderen Individualisten fragen, wo das und wo das ist. Jeder ist in seinem eigenen weinroten eben ein Spezialist.
So hatte Benno in nächtelangem Studium die mitgegebene Bedienungs- und Wartungsanleitung fast schon auswendig gelernt. Laut Buch wusste er bald genau wo die Kerzen, die Lichtmaschine und der Auspuff saßen, wie viel PS er hatte und wie viel Superbenzin er auf hundert Kilometer verbrauchte.
Dann aber war es soweit.
Am kommenden Sonntag wollte die kleine Familie auf Drängeln seiner Monika den ersten Familienausflug mit der tollen Neuanschaffung machen.
Aber Benno fand am Morgen dieser Jungfernfahrt nirgends seine wichtige und zum Auto ganz persönlich dazugehörige Bedienungsanleitung. Wahrscheinlich hatte er sie ja nur, wie auch schon alle anderen Bedienungsanleitungen seines Haushaltes, irgendwohin verlegt.
Also machte er gegen 05.30 Uhr am Sonntagmorgen mutterseelenallein erst noch einmal ein paar Trockenübungen mit seinem weinroten.
Als seine Moni den Frühstückstisch dann gedeckt und die beiden Jungen ihre Cornflakes herunter geschlungen hatten, war er am Tisch im schalten, kuppeln und lenken theoretisch wieder auf dem Stand der Fahrprüfung.
Monika hatte für den Ausflug extra einen überdimensionalen, speziell für Autos hergestellten Picknickkorb gekauft. Auf einen Fahrradgepäckträger hätte der niemals gepasst. Der passte, nach dem die beiden Jungen hinten Platz genommen hatten, aber auch nicht mehr ins Auto mit hinein.
„Wir können ihn doch in den Kofferraum stellen, mein Schatz.“
Dieses wichtige Wort von Monika hatte Benno bestimmt schon mal irgendwo gehört oder gelesen. Er erinnerte sich ganz dunkel. Nun hatte aber der wunderschöne Weinrote sogar zwei von diesen Räumen. Vorn und hinten, aber der Mann der Tat fand nirgends ein Schloss oder einen Griff zu öffnen.
Von einer letzten Fahrt im Wagen eines Bekannten fiel ihm ein, dass der immer einen Hebel im inneren seines Autos benutze, um seinen Kofferraum zu öffnen.
So benutzte Benno dann auch einige Hebel im Inneren.
Nach dem er die Hupe, den Blinker, den Scheibenwischer und das Licht gefunden hatte, schaltete er aus versehen das Radio ein. Mit Musik geht ja alles besser, dachte Benno.
Und es ging.
Er fand die Handbremse, die Warnblinkanlage und die Lüftungsbedienung. Paulchen, was der sechsjähriger Spross war guckte schon eine Weile interessiert durch die offene Fahrertür und zog mit seiner Kinderhand dann unter dem Armaturenbrett an einem Hebel. Vorn tat sich etwas.
„Benno, komm raus. Ich glaub hier vorn geht es auf.“ :freute sich nach einer guten halben Stunde seine Monika. Der Führerscheinneuling schaute und nach zehn Minuten weiterer Untersuchungen und mit logischem männlichen Verstand fand er endlich vorn einen zweiten gut versteckten Hebel und der Kofferraum war endlich offen.
Aber Scheibenkleister! Er war schon voll. Der Motor war darin recht platz füllend verstaut.
Also wieder ins weinrote und weitergesucht, denn das tolle Auto hatten ja noch hinten eine aufgehen müssende Klappe.
Wieder kniete Paulchen neben der Fahrertür und guckte wissbegierig zu. Seine kleine Hand hatte nach zehn Minuten aber wiederum zufällig mehr Glück als der ausgebildete Vater und endlich ging es hinten auf. Links ganz unten neben Fahrersitz fanden Pauls Händchen den notwendigen Hebel.
Warum man diese wichtigen Hebel auch so blöd versteckt anbringen musste, wird Benno wohl nie erfahren.
Also verschwand nun der große Picknickkorb in dem nun zu seiner Überraschung doch noch völlig leeren Kofferraum (er hatte ja schließlich Platz für einen Ersatzmotor gehabt). Beim Schließen der Kofferraumklappe fiel seiner Monika ein unscheinbares und wieder recht gut verstecktes Loch dicht unter dem Nummernschild auf. Ein Schlüsselloch.
Nun war nach fast zwei Stunden alles endlich verstaut. Der Picknickkorb, seine Monika, die beiden Jungen und der wichtige Benno.
Nach nur wenigen Minuten und etwas durcheinander geratenem Gehirn hatte er dann das notwendige Zündschloss mit dem dazugehörigen Zündschlüssel betätigt und auf Grund seiner gut bestandenen Ausbildung war die ganze Familie dann zwar ab und zu noch etwas stotterig, aber immerhin schon drei Straßen weiter gekommen.
Plötzlich stotterte nicht der Benno, sondern der Wagen und blieb dann mit ausgeschaltetem Motor mitten auf einer Ampelkreuzung stehen.
Seine Familie schien das auch noch lustig zu finden, denn alle drei lachten sich fast schon kaputt.
Der Vati zündete einige Male vergeblich und dann stand plötzlich wie vom Himmel gefallen ein hilfsbereiter Polizist mit hochrotem Kopf neben der Fahrertür und er fuchtelte recht wild mit seinen grünen Armen herum.
„Mann, was ist los? Sie blockieren die ganze Kreuzung.“
„Entschuldigen Sie, Herr Major, aber ich weiß nicht was er hat. Der ist doch noch nagelneu.“
Flehend sah der Fahrschulabsolvent dem Freund und Helfer ins rote Antlitz.
„Starten Sie doch noch mal.“ :half der gute Mann mir mit weisen Worten.
Er startete –er startete wie der Pilot einer Boeing 707, aber es blieb wie es ist.
„Haben Sie überhaupt genug Sprit im Tank, Mann?“
Benno hatte es ehrlich gesagt nicht, weil er ja der Meinung war, das weinrote Wägelchen fährt mit Superbenzin und nicht mit Sprit.
Nachdem der immer noch hochrote grüne Polizist sich noch einige Verstärkung von umher stehenden Passanten und angehaltenen Fahrzeugführern angefordert hatte, fand sich die kleine Ausflugsfamilie sogar ganz ohne Sprit von der Kreuzung runter an der gegenüber liegenden Straßenkante wieder und Bennos Geldbörse war um vierzig Euros Bußgeld leichter geworden.
Dann wollte er dem Übel aber auf seinen Grund gehen und nach dem Supersprit sehen. Die ihm aus seinem Buch und Erinnerung bekannte Sprit-anzeige zeigte ihm tatsächlich schon etwas rot drohend den leeren Tank an.
Nun wusste der schon leicht in Stress geratene Benno von Harry, was ein guter Freund von ihm war und einen mittleren LKW fuhr, das dieses Spritbehältnis gut zugänglich und mit einem leicht zu öffnenden Schraubverschluss vorhanden sein musste. Nach drei Runden um den weinroten herum und verzweifelten Blicken unter ihn, in den nun auch wieder aufgehenden Kofferraum und der Motorhaube, blickte der Fachexperte für Superbenzinschraubverschlüsse in die drei, schon etwas verweinten Gesichter seiner Familie.
Vielleicht war das ja ein Versuchsmodell – ging es ihm nun doch schon recht wirr durch den Kopf.
Kurz entschlossen sprach er dann den nun wieder nur noch grünen Polizisten an der Kreuzung wegen seines kleinen Problems an und dieser zog den Entzug seiner blütenweißen Fahrerlaubnis sofort in Erwägung. Er half dann aber doch noch wieder leicht gerötet und nach wenigen Minuten zeigte der schlaue Mann dem Familienvater eine unscheinbare kleine Klappe am linken hinteren Kotflügel.
Nach einer Stunde war Benno dann wieder mit einem frisch von der nächsten Tankstelle erstandenen Kraftstoffbehälter mit zehn Liter Spritinhalt zurück, fand auch gleich die notwendige Einfüllöffnung unter der nun endlich auch ihm bekannten kleinen Klappe am hinteren linken Kotflügel.
Die zehn Liter verschwanden vollständig im Tank und nach dem Benno einige Startversuche mit Schweißperlen auf seiner Autofahrerstirn hinter sich gebracht hatte, summte es vor ihnen unter der wieder ordnungsgemäß verschlossenen Motorhaube.
Ein Siegesschrei aus vier Kehlen machte sofort den noch immer in der Nähe stehenden Polizisten auf die Ausflügler aufmerksam, aber er blieb ohne roten Kopf und diesen aber leicht schüttelnd an seinem wichtigen Arbeitsplatz stehen.
Die ganze Familie saß dann anschließend ganz gemütlich am häuslichen Kaffeetisch und ihr weinroter Sonderausfertigungswagen war immerhin weitere 2553 Meter gefahren
Seitdem hat der schnell dazu lernende Benno immer den Reservebehälter mit zehn Liter Supersprit in dem nun von ihm nun sicher zu öffnenden Kofferraum und die Familie ist zwei Wochen später tatsächlich am Sonntag hinaus gefahren und sie haben auf einem Waldparkplatz fünfzehn Kilometer aus der Stadt raus ein herrliches Picknick gemacht.
Wie sagt man immer: „Es ist noch nie ein Meister vom Himmel gefallen.“ – und warum sollte es dann ein frisch gebackener Autofahrer tun.