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Kapitel 1

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„Jetzt sieh dir diese Scheiße an!", schrie Claudia ihre Freundin an. Franziska, die entsprechende Wutausbrüche zur Genüge miterlebt hatte, zuckte mit den Schultern und warf einen Blick auf die Rechnung des Stromanbieters. „Die Wichser drehen doch wohl am Rad ... Ich soll 157 Euro nachzahlen ... von was denn?"


„Strom ist halt teuer geworden", versuchte ihre Freundin zu beschwichtigen.


„Scheiß drauf ... Die können mich mal. Das bezahle ich nicht."


„Das würde ich mir noch mal überlegen", riet Franziska. „Einer Nachbarin haben sie den Strom abgestellt, weil sie ihre Rechnung nicht bezahlen wollte."


„Ich habe die Kohle nicht. Selbst wenn ich wollte, könnte ich das Geld nicht aufbringen."


„Wie sieht es mit deinem Dispo aus?", erkundigte sich ihre Freundin.


„Überzogen."


„Schöner Mist ... Können dir deine Eltern nicht aushelfen?"


Claudia lachte geringschätzig und schüttelte den Kopf. „Mein Alter gibt mir nicht mal Geld, wenn er mich damit vor der Hölle bewahren könnte."


„Dann geh putzen und verdiene dir etwas dazu."


„So weit kommt das noch ... Das ist doch alles Scheiße. Ich habe ja gewusst, dass man als Friseurin keine großen Sprünge machen kann. Dass man aber jeden Monat jeden Euro umdrehen muss und es dennoch nicht reicht, hätte ich mir nicht träumen lassen."


„Tja ... klarer Fall von Beruf verfehlt", merkte Franziska trocken an.


„Sicher. Als Kosmetikerin verdient man ja auch so viel besser."


„Natürlich nicht", verteidigte ihre Freundin die eigene Berufswahl. „Aber ich komme mit meinem Geld fast immer hin und jammere nicht rum."


Claudia warf ihr einen finsteren Blick zu. „Statt mich zu belehren, solltest du deiner Freundin lieber mit einem guten Rat unter die Arme greifen."


„Das habe ich ... Geh putzen und verdiene dir etwas dazu. Wie wäre es mit Zeitungen austragen?"


„Nee, lass mal."


„Ich habe es, rief Franziska plötzlich. „Ich weiß, wie man viel Geld mit wenig Aufwand verdienen kann."


„Lass hören."


„Verkaufe deinen Körper!"


Claudia warf ihrer Freundin einen extrem skeptischen Blick zu. „Tickst du noch sauber? Sehe ich etwa aus wie eine Nutte?"


„Willst du eine ehrliche Antwort hören?", fragte Franziska scherzhaft und fing sich sogleich einen Schlag mit der Faust auf ihrem Oberarm ein. „Au. Das tat weh."


„Gut so ... Ich hatte vernünftige Vorschläge gemeint."


„Das war ein vernünftiger Vorschlag", beharrte Franziska auf ihre Meinung. „Überleg doch mal ... Wenn Männer zu Prostituierten gehen, bekommen sie Gefälligkeiten nicht für zehn Euro. Die legen sehr viel mehr auf den Tisch für ein paar schöne Augenblicke."


„So tief sinke ich nicht, dass ich schmierige und fettbäuchige Typen an mich ranlasse."


„Vielleicht muss man ja nicht jeden nehmen", glaubte Franziska zu wissen.


„Vergiss es. Ich mache das nicht. Wenn ich die Beine breitmache, dann, weil ich es möchte und weil ich den Typen scharf finde", erklärte Claudia bestimmt.


„Vielleicht solltest du die Idee nicht leichtfertig beiseiteschieben", schlug Franziska vor. „Denk mal nach. Du hast keinen festen Freund und triffst dich hin und wieder mit Männern. Du lebst nicht monogam und stehst auf Abenteuer ... So viel Überwindung dürfte dich das doch nicht kosten, wenn du es für Geld machst."


„Warum gehst du nicht auf den Strich und beweist, wie toll und einfach das ist?", erwiderte Claudia energisch.


„Ich bin nicht chronisch pleite und jammere über meine Finanzen."


„Das ist dennoch eine blöde Idee", stellte Claudia klar.


Während sie ihre Stromrechnung feindselig fixierte, dachte ihre Freundin nach. „Warte mal ... Ich habe glaube ich eine Idee."


„Hat die Idee etwas mit käuflichem Sex zu tun?"


„Pass auf. Ich habe einen Nachbarn. Wolfgang heißt er", erklärte Franziska. „Der wohnt über mir. Ist eigentlich total harmlos. Mitte zwanzig, Nasenfahrrad, sieht unscheinbar aus und hat Kohle ohne Ende ... Er macht irgendwas mit Computern und verdient richtig gut."


„Woher weißt du das?", fragte Claudia nach.


„Wir haben uns ein paar Mal unterhalten ... Dabei hat er mir ständig auf den Rock und meine Brüste gestarrt ... Vielleicht ist Wolfgang der richtige Kandidat für dich. Ich bin mir sicher, dass er liebend gerne mit so einer süßen Maus in die Kiste hüpfen würde und bereit wäre, ein paar Kröten springen zu lassen."


Claudia sah ihre Freundin entgeistert an. „Du bist doch total bescheuert ... Ich springe doch nicht mit so einem Nerd in die Kiste und lasse mich dafür bezahlen ... Mach es doch selber!"


„Du brauchst das Geld. Nicht ich", entgegnete Franziska.


„Und warum sollte er das überhaupt wollen? Wenn er geil ist und Kohle hat, könnte er doch jederzeit zu einer Professionellen gehen und sich bedienen lassen", hinterfragte Claudia.


„Wolfgang ist schüchtern. Der geht garantiert nicht in den Puff ... Aber wenn ich ihm ein nettes Mädchen vermitteln würde, dass für eine kleine Aufwandsentschädigung bereit wäre ..."


„Vergiss es. Nie im Leben", blieb Claudia unbelehrbar.


Die Freundinnen ließen das Thema hinter sich und widmeten sich anderen Dingen. Claudia hatte den ungeheuerlichen Vorschlag ihrer Freundin längst verdrängt, als der Postbote am nächsten Tag mit weiteren Rechnungen aufwartete. Ihr freundlicher Vermieter hatte es endlich geschafft, die Nebenkostenabrechnung für das letzte Jahr zu erstellen und zuzusenden. Claudia wünschte, er hätte es nicht getan. Die Forderung belief sich auf 268 Euro. Der Winter war kalt gewesen und die Heizung stets eingeschaltet. Auch die Wasserversorger forderten ihren Obolus. Claudia sah sich mit weiteren Forderungen konfrontiert, denen sie nie im Leben nachkommen konnte. Sie erinnerte sich an das Gespräch mit Franziska und an ihre Feststellung, ihr Geld nicht nackt und im Liegen verdienen zu wollen. Angesichts der widrigen Umstände musste sie vielleicht noch einmal in Ruhe über ihre Einstellung nachdenken. Kurz darauf hatte sie ihre Freundin in der Leitung.


„Hi Claudia. Was geht?"


„Nicht viel ... Nur weitere Rechnungen und kein Ende in Sicht ... Hör mal. Wie war das noch mal mit diesem Typen in deinem Haus?"


„Du meinst Wolfgang?", fragte Franziska nach. „Was soll mit ihm sein?"


Schweigen. „Glaubst du, er wäre tatsächlich interessiert, für Sex zu bezahlen?"


„Jetzt sag bloß, du hast es dir anders überlegt?"


„Ich habe mich nicht entschieden. Ich denke nur darüber nach", stellte Claudia klar.


„Hey, ich verurteile dich nicht ... Soll ich mal abchecken, ob Wolfgang interessiert ist?"


„Au man, ich glaube nicht, dass ich das tatsächlich in Erwägung ziehe. Bin ich denn die letzte Schlampe?", beschwerte sich Claudia.


„Dazu sage ich jetzt mal nichts ... Ich versuche, etwas rauszubekommen und melde mich dann."


Claudia beendete das Gespräch und blieb unschlüssig am Küchentisch sitzen. Die letzte Rechnung hatte ihr deutlich gemacht, dass sie in echten finanziellen Schwierigkeiten steckte und eine Lösung für das Problem her musste. Aber wollte sie sich wirklich als Prostituierte verdingen? Was konnte als Alternative herhalten? Sie verbrachte die nächste Stunde mit Hausarbeit. Als ihr Handy klingelte, warf sie einen Blick aufs Display und nahm das Gespräch an.


„Und?"


„Wolfgang will dich kennenlernen", erklärte Franziska am anderen Ende der Leitung.


„Was hast du ihm erzählt?"


„Dass du eine Frau in Not bist, die chronisch knapp bei Kasse ist und die aus lauter Verzweiflung ihren Körper verkaufen will."


„Ist jetzt nicht wahr, oder?"


„So direkt habe ich es nicht ausgedrückt. Nur so ungefähr", erklärte Franziska. „Er war überrascht, aber auch neugierig ... Ich habe ihm übrigens ein Foto von dir gezeigt ... Er war sehr angetan von dir."


„Was für ein Foto?", fragte Claudia irritiert.


„Ich hatte noch ein paar unserer Urlaubsfotos auf dem Handy. Auch welche vom Strand."


„Was? Spinnst du?"


Franziska sah dem Ausbruch ihrer Freundin entspannt entgegen. „Hätte ich ihm etwa ein Bild von dir im Wintermantel zeigen sollen ...? Ich musste ihm schon etwas anbieten."


„Und was hat er gesagt? Findet er die Idee grundsätzlich gut? Ich meine ... Sex für Geld und so."


„Er hat nicht ja gesagt, aber es auch nicht abgelehnt", berichtete ihre Freundin. „Deshalb will er dich ja kennenlernen, um nicht die Katze im Sack zu kaufen."


„Er ist aber kein Perverser, oder?"


„Das weiß ich doch nicht", meinte Franziska. „Wenn ich mit ihm geredet habe, hat er sich normal verhalten. Ob er sich im Bett wie ein Psychopath verhält, weiß ich nicht."


„Na, das sind ja mal grandiose Aussichten", stellte Claudia fest. „Kannst ich ihm nicht einfach so Kohle rausleiern? Als privaten Kredit, ohne sexuelle Gegenleistung?"


„Würdest du einer wildfremden Person Geld leihen, ohne etwas davon zu haben?", fragte Franziska nach.


Claudia schwieg einen Augenblick. „Soll ich mich jetzt mit ihm verabreden?"


„Das habe ich bereits erledigt. Wir sind heute Abend bei ihm eingeladen. In seiner Wohnung."


„Du bist aber dabei?", hakte Claudia nach.


„Klar. Beim Gespräch. Wenn ihr beide euch einig werdet und in die Kiste hüpft, klinke ich mich natürlich aus."


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