Читать книгу Die Brüder des Rauhen Hauses - Klaus-Rainer Martin - Страница 3
1. Vorbemerkungen
ОглавлениеAm 25. April 2020 jährte sich die Gründung des Rettungshauses „Auf dem Dritten Fischerbuden“ an der Wakenitz in Lübeck zum 175. Mal. Dieser Termin wurde von der Vorwerker-Diakonie in Lübeck nicht nur wegen der Corona-Krise übersehen, sondern weil er weniger bedeutet, als der 25. Mai 2021, wo sich zum 100. Mal jähren wird, dass das Rettungshaus in „Erziehungsanstalt Wakenitz“ umbenannt und die Trägerschaft vom Jugendamt Lübeck übernommen wurde, oder der 1. Juni 2023, wo sich zum zwanzigsten Mal jähren wird, dass der Wakenitzhof von der Vorwerker-Diakonie übernommen wurde. Doch für die Brüder- und Schwesternschaft des Rauhen Hauses in Hamburg hat der Termin 25. April 1845 Bedeutung, da die Eröffnung des Lübecker Rettungshauses in zweifacher Hinsicht an das Rauhe Haus erinnert. Zum einen war Johann Hinrich Wichern sowohl konzeptionell wie auch praktisch an dieser Gründung beteiligt, zum anderen waren die ersten beiden Hausväter Friedrich Kix und Carl Lichtwark Diakone aus dem Rahen Haus in Hamburg.
Wenn der Name Lichtwark fällt, dann denkt man in Hamburg zuerst an den ersten Direktor der Kunsthalle Alfred Lichtwark und in Lübeck an den Organisten und Komponisten Professor Karl Lichtwark. Weniger bekannt ist der Maler Paul Lichtwark, der viele Jahre in Hamburg lebte. Ebenso wenig ist der Pädagoge und zweite Hausvater des Lübecker Rettungshauses „Auf dem Dritten Fischerbuden“ an der Wakenitz Carl Lichtwark bekannt. Noch weniger bekannt ist Friedrich Kix. Deshalb sollen mit dieser Abhandlung den Leserinnen und Lesern das Lübecker Rettungshaus und die Pädagogen Friedrich Kix und Carl Lichtwark nähergebracht werden.
Die Gründung des Lübecker Rettungshauses „Auf dem Dritten Fischerbuden“ im Jahre 1845 ähnelt sehr der Gründung des Rauhen Hauses in Hamburg im Jahre 1833 durch Johann Hinrich Wichern. Er hatte auch den Anstoß zur Gründung eines Rettungshauses in Lübeck gegeben, da das Rauhe Haus aus Platzgründen nicht mehr in der Lage war, Kinder und Jugendliche aus Lübeck aufzunehmen. – Und so wie in Hamburg die alte strohgedeckte Kate Rauhes Haus das erste Gebäude für verwahrloste Jugendliche war, war es in Lübeck eine der drei Fischerbuden an der Wakenitz. Doch während das Rauhe Haus in Hamburg noch heute eine bedeutende soziale Einrichtung unter diesem Namen ist, war das Lübecker Rettungshaus einer sehr wechselvollen Geschichte unterlegen, firmierte ab 1921 als die städtische Erziehungsanstalt Wakenitz, ab 1945 als das städtische Kinder- und Jugendheim Wakenitzhof und beherbergt seit 2003 einen Teil der Jugendhilfe der Vorwerker- Diakonie Lübeck.
Diese wechselvolle Geschichte hat dazu geführt, dass es keine Zusammenfassung der Historie des Lübecker Rettungshauses und späteren Kinderheimes gibt, sondern dass man alle noch bekannten Fakten mühsam zusammentragen muss, um ein Bild zusammenzufügen. Dabei bleiben viele Fragen ungeklärt, da sich offenbar niemand gefunden hat, welcher alle Fakten schriftlich festgehalten hat. So bleibt auch diese Darstellung an vielen Stellen ungenau und ist an mancher Stelle auf eigene Schlussfolgerungen angewiesen, welche nicht immer genau sein können.
Der Versuch, die Personenverhältnisse aller, welche die Namen Kix oder Lichtwark tragen, zu klären, ist dagegen zutreffender gelungen. eine ausführliche Biografie über Friedrich Kix befindet sich in den „Vaterstädtischen Blättern“ Lübeck vom Dezember 1901. Ebenso konnte durch das Studium der Biografien des Kunsthistorikers Alfred Lichtwark in Hamburg und des Musikprofessors Karl Lichtwark in Lübeck und die Unterlagen der Brüder- und Schwesternschaft des Rauhen Hauses über Carl Lichtwark auch der Lebenslauf der übrigen Lichtwarks nachgezeichnet werden. Dabei wird bewusst darauf verzichtet, das pädagogische Denken Carl Lichtwarks nachzuzeichnen. Hierzu wäre erforderlich, den umfangreichen Schriftwechsel zwischen Johann Hinrich Wichern und Carl Lichtwark gründlicher zu sichten. Viele Briefe Lichtwarks an Wichern befinden sich im Archiv des Rauhen Hauses in Hamburg und bieten Stoff über das Pädagogische Denken Carl Lichtwarks für eine Studentin oder einen Studenten der Evangelischen Hochschule im Rauhen Haus in Hamburg. Die Briefe Wicherns an Lichtwark hingegen sind größtenteils am 29. März 1942 dem Bombenangriff auf Lübeck zum Opfer gefallen.
Klein Wesenberg, im August 2020