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Kapitel 2

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Thailand, Koh Chang, Dienstag, immer noch Regenzeit

Chaichet hatte gerade die Klimaanlage abgeschaltet und die Füße auf den Schreibtisch gelegt, als das Telefon klingelte. Seit ein paar Tagen war es ungewöhnlich kalt und windig auf der Insel. Der Inspektor nahm den Hörer des altmodischen Apparats ab und meldete sich mit einem müden „Krap?“.

„Sawadii krap, mein Freund“, ertönte die männliche Stimme am anderen Ende der Leitung. „Ich habe gehört, bei euch im Süden ist das Thermometer auf brutale 17 Grad gefallen. Soll ich dir einen warmen Pullover per Post schicken?“

Chaichet musste grinsen. Der Pathologe in Chantaburi hatte sich trotz seiner deprimierenden Tätigkeit einen erfrischenden Humor bewahrt. Das entsprach der thailändischen Mentalität. „Ein Dasein ohne Spaß ist nicht wünschenswert und sinnlos.“ So konnte man die Lebensart des „Sanuck“ umschreiben. Sie war in die Volksseele der Siamesen eingemeißelt, als wäre sie ein Lehrspruch des weisen Buddhas, und auch der Leichenbeschauer Khun Tan hatte sie verinnerlicht: Er wusste ohnehin besser als jeder andere, wie schnell das alles vorbei sein konnte.

Chaichet bedankte sich höflich für das Pulloverangebot und kam gleich zur Sache.

„Ich vermute, du möchtest mir etwas über den toten Mahout mitteilen.“

„Ja, das war wieder mal keine appetitliche Angelegenheit. Um es kurz zu machen: Der Junge war stark alkoholisiert.“

„Das haben wir uns schon gedacht“, sagte Chaichet. „Der Elefant hatte übrigens eine Aversion gegen besoffene Leute.“

„Habt ihr Whisky-Flaschen oder anderen Alkohol am Unglücksort gefunden?“ fragte Doktor Tan.

„Nein, da war nichts, auch nicht in seiner Hose.“

Für einen Moment blieb die Leitung still, dann fuhr der Pathologe fort.

„Der Mann war so betrunken, dass ich mich frage, wie er ohne Hilfe an den Schlafplatz von diesem Elefanten gekommen sein soll.“

Chaichet nahm die Füße vom Schreibtisch und griff nach seinem Notizbuch.

„Du meinst, jemand hat ihn mit Alkohol abgefüllt und dann zum dem Elefantenbullen transportiert?“

Tan räusperte sich am anderen Ende der Leitung. „Ob er sich selbst betrunken hat, oder ob da jemand nachgeholfen hat - das werden wir wohl nie erfahren. Aber ich halte es für ausgeschlossen, dass er sich mehr als zehn Meter fortbewegen konnte, nicht mal auf allen Vieren. Wie groß ist denn die Entfernung von den Unterkünften der Mahouts bis zum Fundort?“

„Das dürften fast hundert Meter sein, unebenes Gelände mit Felsbrocken und Abwassergräben.“

„Das konnte er in seinem Zustand nicht schaffen“, versicherte der Pathologe. „Außerdem gibt es da noch eine Auffälligkeit.“

„Und die wäre?“

Chaichet merkte, dass sein innerer Spürhund schon begann, ein paar mögliche Fährten aufzunehmen. Die Theorie vom Selbstmord konnten sie nach den Auswertungen des Pathologen auf jeden Fall ad acta legen.

„Die Verletzungen stammen von einem Elefantenstoßzahn, das ist offensichtlich. Aber im Lauf der Autopsie sind mir einige Wunden am Hinterkopf aufgefallen, die dem Opfer womöglich mit einem metallischen Werkzeug zugefügt wurden.“

Chaichet pfiff anerkennend durch die Zähne.

„Alle Achtung, mein Freund. So weit ist die Technologie in eurem bescheidenen Provinzkrankenhaus schon, dass du so etwas auseinanderhalten kannst?“

Tan lachte. „Ja, unsere Ausrüstung mag bescheiden sein, aber unsere intellektuelle Trennschärfe hat sich im Lauf der Jahre enorm weiterentwickelt. Nein, Scherz beiseite: Die Wunden am Kopf wurden ihm vermutlich mit einem spitzen Gegenstand zugefügt, einem Eisenhaken vielleicht.“

Chaichet hatte sofort das Werkzeug vor Augen, das die Mahouts zur Einschüchterung der Elefanten bei sich trugen: Einen spitzen, leicht gebogenen Eisenhaken, der am Ende eines Holzgriffs befestigt war.

„Zur Sicherheit werde ich heute noch einige Gewebeproben nach Bangkok schicken. Die können dort feststellen, ob Elfenbein oder Metall im Spiel war. Meinen Bericht sende ich dir per Email, oder?“

Chaichet bedankte sich bei dem Pathologen und legte den Hörer auf. Was er da soeben vernommen hatte, musste er erst mal sortieren. Der Mahout war möglicherweise schon vor der Elefantenattacke schwer verletzt und erst danach zum Fundort geschleppt worden. Wenn das zutraf, dann hatte er plötzlich keinen Selbstmord, sondern einen echten Mordfall zu bearbeiten. Er fragte sich, ob er Verstärkung aus Bangkok anfordern sollte. Nein, das war noch zu früh. Aber er würde jetzt gleich alle auf der Insel verfügbaren Polizisten ins Baan Suan Chang beordern. Sie mussten das Gelände noch einmal sorgfältig nach Spuren absuchen. Der Inspektor schaute auf die Uhr. Ihm fiel ein, dass er noch nicht zu Mittag gegessen hatte. So viel Zeit musste sein. Zugleich spürte er das dringende Bedürfnis, sich mit jemandem über die neuen Fakten auszutauschen. Er zögerte nicht lange und wählte die Nummer der Tourist-Police.

* * * *

Die beiden Polizisten hatten sich auf den Plastikstühlen eines kleinen Thai-Restaurants niedergelassen, das gleich neben dem Wat, dem buddhistischen Tempel der Ortschaft Klong Prao lag. Hier wurden günstige Reisgerichte serviert, die von dem aus Korat stammenden Koch in der für den Nordosten Thailands typischen Schärfe zubereitet wurden.

„Das wird nun etwas komplizierter als es am Anfang aussah“, stellte Pong fest, nachdem er die wichtigsten Neuigkeiten gehört hatte. Chaichet stocherte in dem scharfen Somm-Tamm-Salat herum und wickelte die unreifen Papayastreifen wie Spaghetti um seine Gabel.

„Eigentlich müssten wir ein paar Experten aus Bangkok kommen lassen“, bemerkte er, bevor er sich die Gabel in den Mund schob.

„Na, die werden wegen eines toten Mahouts bestimmt kein Sonderkommando auf unsere abgelegene Insel schicken. Aber versuchen kannst du es ja.“

„Habe ich heute Morgen schon erledigt.“

Pong verteilte einen guten Schuss von der salzigen Nam-Pla-Fischsoße auf seinen Bratreis und quetschte noch den Saft einer halben Limone über das einfache Gericht.

„Wer hatte ein Motiv, den Mann zu ermorden? Ich fürchte, wir müssen alle Campbewohner noch einmal in die Mangel nehmen“, sagte Chaichet bedächtig.

„Das sehe ich auch so“, stimmte Pong zu. „Wenn du mich brauchst – ich bin dabei.“

Chaichet seufzte und trank einen Schluck Eiswasser.

„Der Täter müsste eigentlich im Camp zu finden sein. Wenn ich das richtig sehe, hatten die Mahouts doch kaum Kontakte nach draußen, oder?“

„Nein, die bleiben meistens in der Nähe ihrer Viecher. Außer wenn sie sich aufs Moped setzen, um an der nächsten Bude Schnaps einzukaufen.“

Aus Chaichets Handy ertönte der grelle Sound einer thailändischen Schlagermelodie. Der Inspektor schaltete das Mobiltelefon frei und meldete sich. Pong bemerkte, dass der Anruf den Kollegen ein wenig aus der Fassung brachte. Außer ein paar Floskeln und dem wiederholten „Ja“ oder „Krap“ hatte Chaichet dem Anrufer nicht viel zu sagen.

„Wir holen Sie in zwei Stunden von der Fähre ab, krap!“ beendete er das Gespräch.

„Was ist los?“ fragte Pong, der seinen Reis mittlerweile verzehrt hatte.

„Jetzt wird es interessant. Das errätst du nie!“

„Was denn? Mach es nicht so spannend!“

„Die Verstärkung aus Bangkok ist tatsächlich schon unterwegs. In zwei Stunden wird sie mit der Fähre rüberkommen. Aber freu dich nicht zu früh - es ist keine Spezialeinheit. Sie schicken uns eine einzelne Person, eine Dame. Captain Jirawan Butsarabong von der Mordkommission.“

Pong zog die Augenbrauen hoch, dann musste er grinsen. „Na, auf die Lady bin ich mal gespannt. Vielleicht ist sie hübsch. Darf ich sie von der Fähre abholen?“

Chaichet schob den Kunststoffteller mit den Papayaresten beiseite und zischte: „Da fahren wir gemeinsam hin.“

* * * *

Koh Chang, Elefantencamp, Dienstag

Die Mae Chi kämpfte mit dem Wasserschlauch, als hätte sie es mit einem zappelnden Python zu tun. Der Gemüsegarten, den sie hinter den Elefantenstellplätzen angelegt hatte, war mehr als ein Hobby. Sie betrachtete dieses Stück Land als Herzensangelegenheit und die Bewässerung erledigte sie am liebsten eigenhändig. Die Trauer um den Tod ihres Cousins schien sie vorerst verdrängt zu haben. Doch sie spürte die innere Anspannung, sie war wütend, verwirrt. Und deshalb fehlte ihr heute die Konzentration. Sie hatte keine Zeit, das schreckliche Geschehen in aller Ruhe zu verarbeiten. In der nächsten Woche waren sie schon ausgebucht, und sie musste sich ums Geschäft kümmern. Kurz vor der Hochsaison war der Todesfall im Camp wie ein Super-Gau. Wenn jemand von der Konkurrenz das Gerücht in Umlauf brächte, dass im Baan Suan Chang gefährliche Elefantenbullen auf Touristen losgelassen würden, dann konnte sie den Betrieb bald dichtmachen. Die beiden Polizisten bereiteten ihr dagegen keine großen Sorgen. Sie war mit einem Polizeichef in Bangkok befreundet, ein alter Schulfreund. Der würde die Provinzermittler schon zurückpfeifen, wenn sie glaubten, sie müssten die Angelegenheit an die große Glocke hängen. Und was die Konkurrenz betraf: Sie hatte sich vorgenommen, morgen alle Elefanten-Camps auf der Insel abzuklappern und mit den Verantwortlichen zu reden. Sie würde die Kollegen hoffentlich davon überzeugen können, dass es im Interesse aller Camps war, diesen Vorfall nicht publik werden zu lassen. Der Ausritt auf einem Elefanten musste weiterhin als harmloses Ferienvergnügen für die ganze Familie kommuniziert werden.

Mae Chi warf den Wasserschlauch achtlos auf den Boden und wischte sich die nassen Hände an ihrer blauen Baumwollhose ab. Auch die Verbrennungszeremonie und die anschließende Bewirtung der Gäste mussten baldmöglichst organisiert werden. Momentan wuchs ihr alles über den Kopf. Sie überlegte, ob sie sofort einen Termin bei ihrem Astrologen vereinbaren sollte.

Das hat bis morgen Zeit“, dachte sie. Im selben Augenblick ertönte von der Straßenseite her ein aufgeregtes Gebrüll, ein Elefant stieß dort die typischen, grellen Trompetentöne aus. Die Chefin sah trotz der Entfernung, dass es sich um Malai handelte, eigentlich eine ruhige, ältere Elefantenkuh. Der zugehörige Mahout hockte auf dem Hals des Tiers und versuchte, es mit wütenden Befehlen und Schlägen auf die Stirn zu bändigen. Drei oder vier Angestellte liefen bereits zur Straße hinüber, um dem Elefantenboy beizustehen. Vermutlich war Malai auf eine Schlange getreten oder sie hatte ein Tier in dem Graben neben der Straße aufgescheucht. Mae Chi beschleunigte ihre Schritte und rief den Angestellten einige Kommandos zu.

* * * *

Das rostige Fährschiff näherte sich im Zeitlupentempo der Anlegestelle von Ao Sapparot. Pong schätzte, dass der altersschwache Lastkahn mindestens dreißig PKWs und Minibusse, mehrere Motorräder und Lastwagen und über fünfzig Passagiere an Bord hatte. Mit einem metallischen Knirschen schabte die Ladeklappe über den Zement des Anlegeplatzes. Ein junger, braungebrannter Thai sprang an Land und befestigte ein dickes Tau an einem der Metall-Poller. Die Fahrzeuge in der ersten Reihe setzten sich in Bewegung, und die Passagiere quetschten sich vorsichtig zwischen den Autos durch. Pong erkannte die übliche Mischung aus Thais und Farangs, viele Russen und eine Gruppe von jungen Backpackern mit Rastalocken und bunten Tattoos. Chaichet hielt nach der Kollegin Ausschau und war überrascht, als sie unvermittelt vor ihm stand.

„Hi, ich bin Captain Jirawan, kaa. Danke fürs Abholen!“

Die beiden Polizisten konnten ihr Erstaunen kaum verbergen. Die Kollegin aus Bangkok war nicht in Uniform - dazu bestand im Moment auch kein Anlass. Sie trug ein rosafarbenes, luftiges Sommerkleid mit gestickten Ornamenten und darüber eine dünne, weiße Strickjacke mit Dreiviertelärmeln. Ihr langes pechschwarz glänzendes Haar fiel offen bis auf die Schultern. Jirawan hatte ein apartes, fein geschnittenes Gesicht, eine kurze schmale Nase und konnte höchstens Anfang dreißig sein. Doch neben ihrer attraktiven Erscheinung in dem eleganten, schlichten Outfit war Chaichet auf der Stelle von ihrer lockeren Art eingenommen.

„Wir freuen uns, dass Sie so schnell anreisen konnten“, sagte er zur Begrüßung. „Wir sind für jede professionelle Hilfe dankbar.“

„Hoffentlich sehen Sie das nicht als Strafversetzung in die Provinz“, witzelte Pong, dessen provozierender Humor nicht bei jedem Gesprächspartner gut ankam. Die Polizistin schien ihm die Bemerkung jedoch nicht übel zu nehmen und schenkte ihm sogar ein offenes Lächeln.

„Nein, das ist keine Strafe. Ich bin froh, mal aus dem lauten Bangkok rauszukommen.“

Pong nahm ihr die seesackartige Tasche ab - das einzige Gepäckstück, das sie bei sich führte.

„Unser Wagen steht dort drüben bei den Sammeltaxis.“

Dank seiner Uniform gelang es Chaichet, die Karawane der von der Fähre rumpelnden Fahrzeuge für einen Moment zu stoppen, sodass sie die Straße sicher überqueren konnten. Pong nahm freiwillig auf dem Rücksitz, Jirawan auf der Beifahrerseite Platz. Chaichet reizte die Idee, die Sirene einzuschalten, denn mittlerweile ging es in der Schlange der Fahrzeuge nur noch im Schritttempo voran. Doch er verwarf den Einfall schnell wieder. In den Augen der Kollegin wollte er nicht wie ein Bulle aussehen, der sich als Wichtigtuer aufspielte. Als er den Zündschlüssel ins Schloss steckte, ertönte wieder die bekannte süße Schlagermelodie seines Handys. Chaichet ging ran, und nach wenigen Sekunden erschien ein besorgter Ausdruck auf seinem Gesicht. „Wir sind in zwanzig Minuten da“, teilte er dem Anrufer mit. „Rührt bloß nichts an! Am besten sperrt ihr die Stelle mit einem Band ab. Krap!“

Pong und Jirawan hatten das Gespräch schweigend verfolgt. Jetzt warteten sie auf eine Erklärung.

„Das darf nicht wahr sein“, sagte Chaichet. Er starrte durch die Windschutzscheibe und fixierte die beiden LKWs, die in einer Wolke aus Staub und schwarzen Abgasen als Nachzügler von der Plattform der Fähre rollten.

„Das war die Mae Chi, die Chefin des Elefantencamps“, erläuterte er der neuen Kollegin. „Sie haben auf dem Grundstück eine zweite Leiche gefunden. Wie es aussieht, handelt es sich um einen jungen Touristen.“

Pong stand der Mund offen, doch eine Sekunde später hatte er seine Emotionen wieder im Griff. Er rieb sich die Hände, und es sah fast so aus, als erfreue ihn diese schreckliche Neuigkeit. Chaichet runzelte die Stirn und warf dem Kollegen einen skeptischen Blick zu.

„Nein, ich bin nicht übergeschnappt“, kam die Erklärung von der Rückbank des Toyota. „Aber ab sofort kann ich offiziell an den Ermittlungen teilnehmen. Ein Tourist fällt nämlich in meinen Zuständigkeitsbereich.“

Chaichet verdrehte die Augen und schaltete die Sirene an.

Der junge Farang lag in dem Entwässerungsgraben, der sich zwischen der Hauptstraße und dem Grundstück des Baan Suan Chang entlangzog. Der Graben war gut zur Hälfte mit Laub, Abfall und vertrockneten Futterresten angefüllt. Wenn der Elefant Malai nicht auf die Leiche aufmerksam geworden wäre, hätte sie dort noch wochenlang unentdeckt liegen können. Der Tote trug eine Wollmütze in den jamaikanischen Farben, dazu ein einfaches, ausgebleichtes Baumwollhemd und knielange Hosen in dem modernen Tarnfarben-Army-Look.

„Kann man schon etwas über die Todesursache sagen?“ fragte Chaichet den Arzt, der neben der Leiche in die Hocke gegangen war.

„Der Junge hat mehrere schwere Kopfverletzungen, und auf den ersten Blick scheinen die nicht von einem Motorradunfall herzurühren“, antwortete Doktor Sawath.

„Es wurde auch kein Moped und keine Spuren eines Unfalls gefunden“, ergänzte Pong.

„Ich will dich nicht bei deiner Arbeit stören, Doktor“, fuhr Chaichet fort. „Aber vielleicht könntest du noch schätzen, ob der Junge schon länger hier liegt?“

Der Arzt erhob sich und presste den Daumen seiner rechten Hand in den Bereich seines Rückens, wo die Lendenwirbel sitzen.

„Ich werde allmählich alt. Muss mir heute mal eine Thai-Massage gönnen.“

Dann wandte er sich Chaichet zu.

„Du möchtest wahrscheinlich wissen, ob er gestern schon hier gelegen hat und ob unser Team ihn übersehen hat.“

„Da liegst du ungefähr richtig“, brummte der Inspektor.

„Auf Anhieb kann ich das nicht sagen, aber ich würde es nicht ausschließen. Hier an der Straße haben unsere Jungs bestimmt nur flüchtig nachgeschaut, oder?“

Chaichet stöhnte. „Ja, das kann schon sein. Ist ja ein ganzes Stück vom Fundort der anderen Leiche entfernt. Ich sag ja: Wir sind auf so einen Fall einfach nicht vorbereitet. Aber immerhin haben wir nun Verstärkung aus Bangkok bekommen. Darf ich vorstellen: Captain Jirawan - und das ist unser Doktor für alle Fälle: Khun Sawath. Er seziert nicht nur Leichen, sondern ist auch für die Lebenden und die Impfungen der Elefanten zuständig.“

Der Doktor warf Chaichet einen verärgerten Blick zu. Dann begrüßte er die hübsche Polizistin mit einem Wai und machte ihr ein Kompliment. „So einen gutaussehenden Captain kannte ich bisher nur aus dem Fernsehen. Sawadii krap und auf gute Zusammenarbeit!“

Nachdem sich Sawath wieder in die unbequeme Hockstellung begeben hatte, liefen die drei Polizisten quer über das unebene Gelände zum Hauptgebäude des Camps hinüber.

„Ein Kaffee kann auf den Schreck nicht schaden“, schlug Pong vor.

Im Coffee-Shop orderten sie die Getränke und berieten die neue Situation.

„Erstens: Was hatte der junge Tourist hier in der Nacht verloren?“ eröffnete Pong das spontane Brainstorming.

Chaichet nahm den Faden auf. „Ok, du gehst davon aus, dass der Todeszeitpunkt nah an der anderen Tat liegt. Nehmen wir mal an, das würde stimmen. Dann könnte er den Totschlag beobachtet haben.“

„Und dann ist er selbst als unbequemer Zeuge umgebracht worden“, schloss Jirawan den Gedankengang ab.

„Ist nur eine These, vorerst. Aber dann hätten wir ein Motiv und eine naheliegende Erklärung“, fasste Chaichet zusammen. „Der oder die Mörder haben den Zeugen entdeckt, sind ihm hinterher und haben ihn erschlagen.“

„Wir müssen die Jungs von der Spurensicherung fragen, ob sie eine Taschenlampe bei dem Toten gefunden haben“, schlug Pong vor. „Um diese Zeit ist es fast stockfinster auf dem Gelände des Camps. Die zwei, drei Leuchten von der Straße bewirken da nicht viel.“

„Da hast du Recht“, sagte Chaichet. Er nahm einen Schluck von dem starken Americano und massierte sich die Stirn.

„Was hat so ein junger Kerl hier mitten in der Nacht zu suchen?“

„Die suchen hier nach Magic Mushrooms“, mischte sich Nok ein, die hinter der Theke gerade den Cappuccino für Pong mit einem feinen Spinnennetz aus Schokosoße verzierte.

„Ah, das wäre eine Erklärung!“ rief Jirawan aus. „Magic Mushrooms und andere halluzinogene Drogen sind auch in Bangkok derzeit groß in Mode. Nicht nur bei den Farangs.“

„Aber was soll das – mitten in der Nacht?“ warf Chaichet ein. „Macht für mich keinen Sinn.“

Nok brachte den Cappuccino auf einem Tablett an den Tisch und schob eine Begründung für ihren Verdacht nach.

„In der Backpacker-Szene hat es sich längst herumgesprochen, dass diese Zauberpilze auf dem Dung von Elefanten prächtig gedeihen.“

„Ist ja eklig“, bemerkte Pong.

„Wenn sich diese Hippie-Typen tagsüber in der Nähe der Elefanten herumtreiben, werden sie sofort von den Mahouts verjagt. Also liegt es doch auf der Hand, dass sie es in der Nacht versuchen, oder? Die Drogenpilze kann man hier in der Szene teuer verkaufen. Da lohnt sich sogar ein nächtlicher Ausflug.“

Chaichet rieb sich die Nase und atmete dann seufzend aus.

„Das hört sich fast schon plausibel an. Miss Nok, an dir ist eine Polizistin verloren gegangen. Jedenfalls habe ich vorerst keine bessere Theorie.“

„Dann werden wir morgen wohl noch zum Lonely Beach fahren müssen“, sagte Pong. „Leider nicht zum Schwimmen.“

„Was gibt es dort?“ fragte Jirawan, die die Diskussion schweigend verfolgt hatte.

„Das ist der Strand im Süden der Insel, wo sich die Backpacker-Szene trifft. Und ich würde wetten, dass unser Opfer da gewohnt hat.“

Elefantenfieber

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