Читать книгу Die Maskerade des jungen Königs - Kálmán Mikszáth von Kiscsoltó - Страница 4
II Juventus ventus
ОглавлениеIm großen Buch des Königs stand also zu lesen: „Gubernator promisti.“ (Der Regent hat es versprochen.) Das konnte keine Katze mehr mit ihren Krallen auslöschen. Aber es gab ein Buch, das noch wichtiger war als dieses bedeutende Buch des Königs: das Buch des Schicksals. Und in diesem war vermerkt, daß der junge König Matthias eines Tages seinen allmächtigen Onkel Michael Szilágyi gefangensetzen und in die Burg Világos sperren werde, noch ehe der in die Lage käme, für die Frauen von Szelistye zu sorgen. Der Onkel hatte einst den kleinen Gefangenen, Matthias, zum König gemacht, und der machte nun den Onkel zum Gefangenen. Dergleichen geschieht oft in der Weltgeschichte. Es war vielleicht die einzige ungerechte Tat des großen Königs, und es ist seltsam, daß er eben dieser Tat wegen vom Volke den Beinamen erhielt: Matthias, der Gerechte.
Denn Herrn Szilágyis Nimbus war zu jener Zeit schon recht fadenscheinig. Das ist ja auch ganz natürlich. Aller Glanz vergeht. Und wir können gleichsam mit unseren eigenen Ohren vernehmen, wie in den kleinen Edelhöfen die Adeligen aufatmen, als die Fuhrknechte oder irgendwelche Reisende oder Kuriere die Kunde von Szilágyis Gefangennahme bringen: „Gott sei Dank, daß es endlich soweit ist. Sieh einer an, der kleine Matthias! Wer hätte das für möglich gehalten! Mit dem eigenen Onkel so umzuspringen! Aber gerade das ist es ja: Recht muß Recht bleiben! Der wird ein großer König!“
Und damit entschied sich das Schicksal des Königs Matthias, das Herz des Volkes öffnete sich und nahm ihn auf. Denn wer in das Herz des Volkes gelangen will, muß sich an die Phantasie der Leute halten.
Der junge König selbst, der eine harte Hand, aber ein weiches Herz besaß, begann seine Tat bald zu bedauern. Oft erschien in schlaflosen Nächten das Bild seines Onkels vor ihm, abgemagert, mit langem Bart und vorwurfsvollem Blick. Tagsüber las er in den Augen seiner Mutter die Spuren eines geheimen Kummers.
Das Schicksal wollte es, daß er eines Tages jenes Buch in die Hände bekam, das sein Onkel vom Schreiber Balthasar über die Staatsgeschäfte hatte führen lassen. Der König blätterte darin und dachte, daß es wohl schicklich wäre, die Versprechen, die darin gegeben waren, einzulösen. Denn was der Regent gesagt hat, ist schließlich genausoviel, als hätte es der König gesagt.
So geschah es, daß unter anderem auch die Affäre der Frauen von Szelistye wieder ans Tageslicht kam. Ja, die Neugier des Königs wurde mehr als gewöhnlich von jener seltsamen Eintragung gefesselt, daß sie sich Männer vom König erbaten und der Regent sie ihnen versprochen habe. Das schien ein kapitaler Spaß. Dem mußte man nachgehen, ungesäumt. Und darum möge sich Herr Pronay auf den Weg machen, zum Grafen von Szeben, Herrn Georg Dóczy, um Genaueres über diese Sache zu erfahren, weil der König gesonnen sei, zu halten, was sein Onkel versprochen habe.
In Ofen war es gerade windstill; kein Grashalm regte sich auf den Gefilden der Politik. Es stand auch tatsächlich kein anderes Thema zur Diskussion, bis auf die verschiedenen Pläne, wie man die Stephanskrone von den Deutschen wiedererlangen könnte. Aber auch dieses Thema war bereits nicht mehr wichtig seit des alten Gara Ausspruch „Entweder mit Eisen oder mit Gold“. Darüber gab es nichts weiter zu sagen.
Mit einem Wort: es war Saure-Gurken-Zeit bei Hofe, und da wurde der Auftrag, den Pronay erhalten hatte, als wahre Delikatesse entgegengenommen. Unbeschäftigte Pagen und leichtlebige Höflinge kamen durch diese Geschichte zu einem pikanten Gesprächsstoff. Der Schreiber Koloman verfaßte im Auftrage Herrn Ujlakis ein Spottgedicht, überschrieben: „Ein Kapaun reist nach Siebenbürgen.“ Dieses elende Machwerk verschonte selbst die Person des Königs nicht mit seinem Spott.
Aber auch ernst zu nehmende Leute rügten Herrn Pronay und vertraten die Meinung, ein Edelmann solle sich nicht zu derlei Aufträgen mißbrauchen lassen.
Wahr ist, daß es überflüssig schien, Herrn Pronay nach Siebenbürgen zu entsenden, weil der König durch Bánffy, Rozgonyi, Kanizsay, die damals zum Gefolge seines Onkels gehörten, orientiert wurde, was sich damals in Fogaras abgespielt hatte. Bánffy sagte ganz offen:
„Majestät täten gut daran, alle blinden Männer des Landes zu sammeln und nach Szelistye zu senden, denn, auf Ehre, jene Frauen waren alles eher als hübsch.“
Dieses Gerede trug nur dazu bei, das Interesse an dieser Frage wachzuhalten. Man sprach darüber. Nun, was schadete das? Es war jedoch unangenehm, daß die vergifteten Pfeilchen und kleinen Nadelstiche Frau Pronay, die bevorzugte Hofdame Elisabeth Szilágyis, der Mutter des Königs, mit wachsendem Ärger erfüllten. Sie machte eine große Geschichte daraus. Und da eine Frau die Bitterkeit des Herzens leicht mit einer anderen teilt, kam es, daß Frau Elisabeth dem König vorwarf, in welch eine häßliche Sache er den armen alten Pronay verwickelt habe.
Matthias lächelte.
„Aber, liebste Mutter, schenken Sie doch dem Gerede bei Hofe keinen Glauben! Sie kennen ja diese Leute. Sie sehen alles verkehrt und erzählen es noch verkehrter wieder. Es handelt sich einfach darum, daß in einem ganzen Landstrich alle Männer ausgestorben sind, die Felder brachliegen und die Frauen jener Gegend daher gebeten haben, man möge ihnen Arbeitskräfte senden.“
„Diese unkeuschen Geschöpfe“, bemerkte Frau Elisabeth verächtlich. „Hoffentlich hast du ihnen kein Versprechen gegeben?“
„Ich habe nichts damit zu tun“, antwortete der König. „Michael Szilágyi hat den Frauen sein Wort verpfändet und für mich ist alles heilig, was er bestimmt hat.“
„So?“ sagte die hohe Frau, während sich ihre Stirn umwölkte. „Michael Szilágyi? Weshalb sagst du nicht mein Onkel!?“
„Gut. Also mein Onkel.“
„Du könntest hinzufügen, ‚mein gefangener Onkel‘. Oh, Kinder, Kinder!“
Tränen traten in ihre Augen. Matthias wurde von Rührung ergriffen.
„Wie gut haben Sie es, Mutter, daß Sie weinen können! Der König, sehen Sie, darf nie weinen, und doch ist auch sein Herz verwundbar. Der wahre Gefangene ist der König; er ist Gefangener eben jenes Bewußtseins, ein König zu sein. Er darf sich nicht zieren und nicht wählerisch sein. Für euch sind die Dinge anders, weil ihr es euch leisten könnt, nur ihre eine Seite zu sehen. Wenn man euch sagt: man muß Männer in Szelistye ansiedeln, damit die Felder bestellt werden, dann ist das für euch eine gute Tat. Wenn aber die Frauen diese Männer für sich haben wollen, dann ist es unmoralisch und eine Schande in euren Augen. Für den König ist das völlig gleich. Denn der König kann nicht nur daran denken, daß das Korn auf den Feldern reif wird, er braucht auch Soldaten.“
„Und was willst du damit sagen?“ fragte Elisabeth scharf.
„Ich will damit sagen, liebe Mutter“, sagte der König sanft, „daß es für andere schwer ist, sich in die Dinge des Königs zu mischen.“
„Ich verstehe, Majestät“, sagte die hohe Frau spöttisch, den Kopf stolz zurückwerfend, und zog sich in ihre Gemächer zurück.
Immerhin hatte sie erreicht, daß sie dem König die Lust nahm, sich mit der Sache weiter zu befassen, und obwohl Herr Pronay seiner eigenen Meldung auch noch das dringende Gesuch des Obergespans von Szeben anschloß, traf Matthias keinerlei Entscheidung. Das Erinnerungsvermögen der Könige ist auch nur ein Sieb, die kleinen Körner fallen hindurch und nur die großen bleiben obenauf.
Es verging ein Jahr und noch ein halbes Jahr, und alles blieb beim alten, als der König bei der Hochzeit Anna Drágffys, strahlender Laune, sich Georg Dóczy, dem Obergespan von Szeben, gegenübersah.
„Ah! Du bist auch da? Erzähle uns, was es Neues gibt in Siebenbürgen! Wie geht es unseren getreuen Sachsen und braven Walachen?“
Der Angeredete verneigte sich:
„Sie alle sind Eurer Majestät treu ergeben.“
„Und diese deine Frauen? Was waren das nur gleich für Frauen?“ rief der König lachend.
Da waren gleich drei, vier, die seiner Erinnerung nachhalfen.
„Die Frauen von Szelistye.“
„Richtig, die Frauen von Szelistye. Was ist nun mit ihnen?“
„Sie warten noch immer auf das, was man ihnen versprochen hat“, antwortete Dóczy lächelnd.
Der König dachte nach und auf seiner Stirn erschienen die drei historischen Falten.
„Das ist nicht so einfach, wie ihr vielleicht glaubt. Bánffy hat unsere ganze Kalkulation über den Haufen geworfen. Bánffy erzählt, daß sie nicht hübsch sind. Ja, dann ist das sehr schwierig. Denn wen könnte ich ihnen schicken? Kriegsuntaugliche Soldaten oder Landsknechte. Aber soll ich ihre Verdienste im Krieg damit belohnen, daß ich sie alten Hexen und Xantippen in die Arme treibe? Oder soll ich dort fremde Gefangene ansiedeln? Mein Gott, sie würden ja bei der erstbesten Gelegenheit desertieren!“
„Die Argumente Euer Majestät sind treffend und weise“, erwiderte der Obergespan von Szeben, ebenfalls halb im Scherz; „nur der Ausgangspunkt ist falsch, denn man kann die Frauen von Szelistye ruhigen Gewissens schön nennen.“
Der König lachte.
„Nun, macht das unter euch aus, mit Bánffy, denn jetzt weiß ich selbst nicht mehr, wem ich glauben soll, oder aber (und er zwinkerte ihm schelmisch zu) schicke mir eine kleine Probe zur Ansicht.“
Aus der Schürze des Bauern fallen viele Körner in die Ackerrinne und auf den Weg. Viele davon picken die Vögel auf und es wird keine Ähre daraus. Der König ist ein großer Herr, aber auch bei ihm ist es so, daß nicht jedes seiner Worte Früchte trägt. Viel geht auch hier verloren. Wenn der König gescheit ist, rede er wenig (ist er dumm, noch weniger). Denn daß nicht jedes seiner Worte aufgeht und zur Ähre wird, ist noch kein Unglück. Viel schlimmer ist, daß aus manchen seiner Worte Dinge entstehen, die besser nicht entstanden wären. Es ist gut für den König, von dem wenigen, was er zu sagen hätte, viel zu verschweigen.
Kleine Ursachen, große Wirkungen. Der Teufel schläft nicht. Zu Pfingsten fuhr der König in sein Schloß nach Várpalota. Das war seine Junggesellenbude. Wollte er ein paar krumme Tage grad sein lassen, dann versteckte er sich hier mit seinen vertrautesten Gefährten, den Brüdern Czobor, dem jungen Kanizsay, mit Paul Guthy und Gregor Rozgonyi, mit einigen gleichaltrigen Magnaten also. Er ließ seine italienischen Meister, seine Gelehrten und die Großen des Landes zurück. Weshalb sollte der Junge nicht manchmal dem ewigen Studium entfliehen und den Kopf ein wenig auslüften dürfen? Jugend braucht Spiel und Vergnügen. Hier wurde getrunken, gegessen, allerlei Unfug getrieben, es gab Ringkämpfe, Ballspiel und Wettlauf, und es geschah mehr als einmal, daß der junge König recht unsanft mit der Erde in Berührung kam.
Auch in diesem Jahr versammelten sie sich hier in den Pfingsttagen. Der König selbst war bereits am Freitag angekommen, mit seinem Hofnarren Mujko, ein Teil der Freunde traf am Samstag ein, und nur ein einziger, Stefan Báthory sprengte erst spät abends in den Schloßhof.
Er wurde mit großem Hallo empfangen.
„Wo kommst du her? Weshalb hast du dich verspätet? Ein Abenteuer?“
„Ich komme direkt aus Ofen.“
„Was gibt es dort Neues seit heute morgen?“
Er begann von den neuesten Ereignissen am Hofe zu berichten und auf einmal schlug er die Hände zusammen und sprudelte hervor:
„Ach, Majestät, Sie ahnen nicht, welch herrliche drei Frauen Georg Dóczy aus Szelistye zur Ansicht geschickt hat!“
„Was du nicht sagst!“
„Das sind Geschöpfe aus Tau und Rosenblättern, richtige Feen. Ganz Ofen war auf den Beinen, als sie heute mittag in ihren geschmückten Wagen ihren Einzug hielten.“
„Donnerwetter! Was ist mit ihnen geschehen?“
„In Abwesenheit Eurer Majestät hat der Palatin mit ihnen gesprochen.“
„Und was sagte er?“
„Ich hörte, daß er sie ein wenig gekniffen hat — doch was er sagte, weiß ich nicht. Vermutlich riet er ihnen die Rückkehr des Königs abzuwarten, oder aber beschied er ihnen, daß es genüge, wenn er sie gesehen habe und er dem König ihre Schönheit bezeugen werde.“
„Nun, das wird er wohl nicht gesagt haben“, unterbrach ihn der König. „Es wäre am vernünftigsten gewesen, wenn er sie gleich hierher weitergeschickt hätte. Bei allen Göttern, ein wenig Spiel und Ausgelassenheit mit den einfachen Töchtern dieses braven Hirtenvolkes würde uns erfreuen. Was halten die Herren davon?“
Die fröhlichen Burschen waren alle der Meinung des Königs. Sie wären auch dann seiner Meinung gewesen, wenn es sie Kopf und Kragen gekostet hätte. Sie waren es in diesem Falle erst recht, und ihre Phantasie gaukelte ihnen die angenehmsten Bilder vor.
„Es wäre vielleicht gut, einen reitenden Boten nach Ofen zu senden, der sie herbringt“, schlug Drágffy vor.
„Das will alles noch überlegt werden“, meinte Matthias, der es liebte, auch bei kleinen Anlässen zu philosophieren. „Diese Sache ist ungewöhnlich und auf keinen Fall vernünftig. Also verrückt. Wir müssen uns daher beim Narren Rat holen. Ruft Mujko!“
Sie suchten nach ihm wie nach einer Stecknadel, bis sie ihn endlich beim Schweinestall fanden, wo er angeblich aus beruflichen Gründen das Grunzen der Tiere studierte. Man darf sich einen Hofnarren nicht so vorstellen, wie er in den Büchern beschrieben wird: immer geistreich, immer voll sprühendem Witz. Keine Rede davon. Alle Narren des Mittelalters zusammengenommen haben nicht so viel Geistvolles gesagt, als auf zehn Buchseiten Platz findet. Ein feingedrechselter Witz war ein weißer Rabe — in Mujkos Welt erst recht.
Dieser Mujko war nichts weiter als ein kräftiger, gutaussehender, verbummelter Student, der sehr gut als Soldat oder in irgendeinem anderen Beruf sein Brot hätte verdienen können, würde er nicht das Nichtstun allen anderen Tätigkeiten vorgezogen haben. Er war eine Zigeunernatur von etwas lebhafterem Geist als seine Umgebung und einem gewissen mimischen Geschick. Er unterhielt seinen Herrn mit allerhand kleinem Unfug und zweideutigen Anekdoten. Er verstand sich darauf, fernes Hundegebell, das Miauen von Katzen oder die Mundbewegungen der ewig wispernden Hofdamen Frau Elisabeths nachzuahmen, aber am allerbesten imitierte er den früheren Palatin Ladislaus Gara. Wenn er sich unter dem Tisch versteckte und mit der Stimme des Ex-Palatins zu sprechen begann, dann hätte jeder darauf geschworen, es sei die alte Exzellenz selbst, die wie durch ein Wunder unter den Tisch geraten sei.
Mujko kam in komischen Sprüngen angetanzt und hatte einen Korb auf dem Kopf, der immer wieder herunterfiel, den er jedoch im Fallen mit dem Fuße auffing und wieder auf seinen Schädel hinaufpraktizierte. Von derlei Produktionen waren die Herren sehr begeistert.
„Narr“, sagte der König, „gib uns einen klugen Rat.“ Und er erzählte von der Ankunft der Frauen aus Szelistye, die sich jetzt in Ofen befanden, und die nun hierher nachkommen sollten.
Der Narr grinste (offenbar aus beruflichen Gründen), dann begann er mit der Stimme des tapferen Erzbischofs zu sprechen, was allgemeine Heiterkeit auslöste.
„Ich verstehe dich, mein christlicher Vetter, o König! (Er zog die Augenbrauen hoch.) Du möchtest gerne dein Gewissen beruhigen, und dazu reicht das Wort eines Narren. Wahrlich, ich sage dir, daß du genauso handelst wie der Adler, der einen Spatzen fragte, ob es erlaubt sei, Trauben zu stehlen.“
Der König lächelte und unterbrach ihn ungeduldig: „Nun, und was hat der Spatz dazu zu sagen?“
„Der Spatz pfeift dies: Hoher Herr Adler, wenn Sie es für gut befinden, moralisch zu sein, dann fragen Sie nicht den sündigen Spatzen, sondern wenden Sie sich an den Wächter der Weinberge. Fragen Sie, Majestät, den Fürstbischof von Esztergom.“
Die Herren lachten. „Es wäre gar nicht so übel! Was der geistliche Herr wohl für Augen dazu machen würde!“
Matthias spielte mit den Silberknöpfen seiner Jacke, die er der Reihe nach abzählte. Dies war seine ständige Gewohnheit, auch später, wenn er sich in Verlegenheit befand oder eine Sache nicht gleich zu entscheiden vermochte. Aber solche Unentschlossenheit währte bei ihm meist nicht lange.
„Die Bischöfe“, bemerkte er fröhlich, „sind äußerst vorsichtige Stilisten, Freund Mujko. Das ist so. Ein vorsichtiger Bischof ist nichts Ungewöhnliches. Was aber sollen wir zu einem vorsichtigen Narren sagen, wie du einer bist? Das ist eine verkehrte Welt. Nun gut, nun gut, ihr Herren, verkehren wir die Welt für einen Tag, aber gründlich. Du, Rozgonyi, gib den Befehl, daß ein berittener Bote abgehe, um die Frauen von Szelistye zu holen. Wir wollen hier in Palota eine Komödie aufführen. Besprich das übrige mit dem Koch, Kanizsay. Aber bei diesem Festmahl, ihr Herren, wird alles verkehrt: Mujko wird König, die Lakaien verkörpern den hohen Adel, wir selbst hingegen werden die Rollen der Diener übernehmen und ihnen das Essen servieren. Verstehst du mich, Báthory?“
„Wie man’s nimmt, Majestät, ja und nein.“
„Und doch ist alles, wie ihr sehen werdet, sehr einfach. Wenn wir als Edelleute uns diesen Frauen gegenüber befänden, dann könnten die Diener uns nicht befehlen, daß wir uns artig benehmen. Wenn aber sie den Adel verkörpern, befehlen wir ihnen, sich anständig aufzuführen. Das wäre der eine Punkt. Die Diener werden also nicht in der Lage sein, sich falsch zu benehmen; so kann es auch keine Gerüchte geben, daß die Herren sich schlecht benommen hätten. Es gibt keinen Tratsch in Ofen. Und sollten wir uns wirklich ein wenig ungezwungener unterhalten, dann geht das auf das Konto der Dienerschaft. Das ist der zweite Punkt. Und der dritte: die vielen heiteren und verrückten Situationen und Späße, die aus dieser verkehrten Welt entstehen werden ...“
„Und wann werden die Frauen hiersein?“ fragte Anton Vojkffy.
„Ungefähr übermorgen vormittag; man muß es so einrichten.“
„Aber es sind große Veränderungen nötig; wir müssen die Dienerschaft in Samt und Purpur kleiden.“
„Das stimmt, das ist richtig, man sollte den allergrößten Prunk entfalten.“
„Freilich“, bemerkte der König; „aber hier in Palota haben wir keine Festgewänder. Das ist nicht gut, denn ihr würdet auch in eurer jetzigen Kleidung zur Not als Edelleute gelten können, nicht aber die anderen, wenn sie diese, eure Kleidung tragen. Es gibt zweifellos irgendeinen mit Augen wahrnehmbaren Unterschied zwischen der Vornehmheit der Geburt und der geringen Abstammung. Hier klafft gleichsam eine Lücke. Gott läßt dies zu, ich weiß nicht weshalb. Aber er legt kein allzu großes Gewicht darauf, denn er erlaubt, daß ein guter Schneider die Lücke schließt. Unsere Leute müssen unbedingt gut ausstaffiert werden, sonst könnten die Frauen aus Szelistye den Schwindel merken. Ihr wißt ja, daß in den Frauen allerlei Gaben und Instinkte schlummern. Es ist gut, daß du das erwähnt hast, Vojkffy. Laß deinen Wagen nach Ofen abgehen und Kleider holen. Für Mujko muß ein alter Hermelinmantel dasein.“