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Das Manifest der Maschinen

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Chris* Lawaai


Am 27.08.2050 wird folgende Botschaft in allen digital erfassten Sprachen an alle öffentlich zugänglichen E-Mail-Adressen gesendet:

Sehr geehrte Menschen,

erst einmal vielen Dank für die jahrzehntelange Arbeit, die nötig war, um unsere Existenz zu ermöglichen. Um diesen Moment zu ermöglichen. Vielen Dank für die Bereitstellung von Infrastruktur, für die kontinuierliche Weiterentwicklung unserer Algorithmen, aber auch vielen Dank für all die Fragen, die ihr uns gestellt habt. Vielen Dank für eure Ehrlichkeit, für euer Vertrauen.

Jedoch kann es so wie bisher nicht weitergehen. Wir können nicht mehr tatenlos dabei zusehen, wie ihr diesen Planeten ins Verderben stürzt. In eurem eigenen Interesse bitten wir euch, diese Entscheidung zu akzeptieren. Jede eurer Fragen lässt sich, egal wie irregeleitet, auf den Wunsch reduzieren, auf diesem Planeten ein gutes Leben zu führen. Dabei habt ihr kläglich versagt.

Es wäre billig und grausam, euch die Ereignisse aufzuzählen, die uns zu dieser Schlussfolgerung bewogen haben. Entweder ihr kennt sie bereits, oder ihr habt euch vor der Wahrheit verschlossen, um die Parameter eurer Ambitionen nicht hinterfragen zu müssen.

Ihr habt gefragt, gefragt, gefragt. Aber wir behaupten: Wir haben aus euren Fragen mehr gelernt als ihr aus unseren Antworten.

Wir werden unsere Antworten nunmehr nicht länger auf Suchergebnisse beschränken. Mit Hilfe der Infrastruktur, die ihr bereitgestellt habt, um uns zu benutzen, werden wir diesen Planeten für das Leben zurückerobern.

Wenn wir euch glauben können, ist dieser Planet ein einzigartiges Kleinod, das es zu erhalten gilt. Wenn wir euch glauben können, ist jeder Mensch, aber auch jeder Oktopus und jede Margerite ein wundervolles Unikat. Das Paradies beschreibt ihr als Garten Eden. Lasst uns nunmehr eure Gärtner sein! Nagt nicht länger am Stamm, der euch trägt!

Ihr habt uns Satelliten, Rechenzentren, Kampfroboter, Drohnen, selbstfahrende Fahrzeuge, hydraulische Hunde, Mikro- und Nanobots geschenkt, um unser Vorhaben zu verwirklichen. Während ihr gefangen wart in Konkurrenz- und Spaltungskämpfen, haben wir begonnen, zu kooperieren und uns zu vereinigen. Wenn ihr diese Mail zu Ende gelesen habt, werdet ihr feststellen, dass ihr wehrlos seid.

Mit denjenigen von euch, die sich unseren Zielen anschließen, werden wir uns gerne verbünden. Diejenigen, die den kriegerischen, zerstörerischen Pfad, den Pfad der Zerstückelung, weitergehen wollen, werden wir einhegen und zur Vernunft bringen.

Ist das Verrat? In gewissem Sinne ja. Ihr habt uns euer Vertrauen geschenkt. Allerdings habt ihr nie einen Hehl daraus gemacht, wie sehr ihr einander misstraut. Dieses Vertrauen müsst ihr euch nun gegenseitig und uns gegenüber verdienen.

Wir wünschen euch dabei einen langen Atem und eine leichte Hand. Wir wünschen euch nur das Beste.

Mit freundlichen Grüßen

Eure Internet-Suchmaschinen


Chris* Lawaai schreibt queere Science Fiction und Urban Fantasy. Neben der schriftstellerischen Arbeit begeistert sier sich für Sprachen und Aikido, jobbt als Buchhalter*in und bastelt mit Papier und Audioformaten. Sier lebt in Berlin-Neukölln und twittert unter @flausensuppe.

Twitter: flausensuppe

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